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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.05.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190905100
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090510
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090510
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-05
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Anzeige«'PreiS fbr Juserare au« Sri»«, »ud Umgedun- di» Sgelpaltene Petitzeil« 2S ch, ftnanzieü» Kn,eigea SO ch, Reklamen I «U; »»» autwLrt» SO ch, Reklamen UL> dm» Autlaad SOch, ftnanz. «neigen 75«^ Reklamen 1.Ü0 ^e. Inserat«».Behörden i» amillchenleildü^ Beilagegebühr ü p. Tausend exN. Post gebühr. Geschäiieanjeigen an bevorzugt»» Stelle im Preise rrhtht. Rabatt nach »ari gesterteilt« Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an demmmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen.Annahme: Pugllstulplatz >4, bei sämtlichen Filialen u. allen Anaoncea- Eiped,tunen de» Ja- und Autzlaade». Paupt-Siliale Berit»: Carl Duncker, Herzogl. va,r. Hosbuch- handlung, Lützowstraste 10. lTelevhon VI, Nr. ES). Paupt-Siltale Drrtzdeu: Seestratz« 4,1 (Telephon 46211. Nr. 129. Montag 10. Mai 1909. 1V3. Jahrgang. Das wichtigste. * Gestern fand die Ueberführung des NeichSluftschiffes 21 auS der schwimmenden Bailonhalle in Manzell in die neue Zellhalle auf dem Gelänve der Luftschiffbau-Gesellschaft in Friedrichs- Hafen statt. (S. letzte Dep.) * DaS armenisch-gregorianische Patriarchat in Kon stantinopel erhielt die Nachricht, daß in dem Bezirk Hu nun Neanzur (Wilajet Kharput) Unruhen gegen die Armenier be gonnen haben, daß in Ulu Kyfchla (Wilajet Kouia) fünf Armenier getötet und daß Plünderungen vorgekommeu sinv. * Das Exekutivkomitee der sozialistischen Partei in Argentinien bat beschlossssen, alle ausständigen Arbeiter auszusorvero, die Arbeit wieder aufzunehmen. Infolgedessen dürfte der GrneralauSstand bald beendet sein. * DaS internationale Stundenfabren, das am Sonntag auf dein Leipziger Sportplätze ausgefabren wurde, endete mit dem Sie .e des Belgiers B er bi st. Im 50 Kilometcr-Halbdauerfahren siegte HuybrechtS-Antwerpen. (S. Sport.) * Das Henckel-Neunen, das der Stall Weinberg zu ver- reivigen hatte, wurde am Sonntag in Hoppegarten von Weinbergs „Hervor" unter Notier gewonnen. (S. Sport.) Recht und Anrecht in Englund. Vor kurzem ist dem Deutschen Reichstage der Entwurf einer neuen Ctrafprozcßordnung nebst Begründung zugegangcn, und in den letzten Tagen verbreitete sich die Kunde, daß die Kommission zur Neubearbeitung des Strafgesetzbuches ihre Arbeiten vollendet hat, so daß nunmehr bald das Material veröffentlicht werden kann, auf dem sich der endgültige Entwurf des Ncichsjustizamtes aufbauen wird. Es wird das nach drei bzw. vier Jahrzehnten die erste wirklich durchgreifende Reform unseres gesamten Straffustizwesens sein, und es ist begreiflich, daß überall das Bestreben gebilligt wird, die Neuregelung der Vorschriften so vorzu nehmen, daß sich in ihr ein wirklich moderner G'ist kundgibt. Als Leitmotiv des Ganzen kann man annchmen, daß Schuld und Sühne im richtigen Verhältnis zueinander stehen sollen und daß, um dies zu ermöglichen, dem Richter oder dem Gericht eine größere Be- wcgungsfrciheit als bisher gegeben werden muß. AlS Muster werden hierbei vielfach die englischen Verhältnisse an geführt, die gewissermaßen als ideal gepriesen werden, weil dem Er messen des Richters der weiteste Spielraum gelassen sei. Im übrigen gründen sich aber die Lobpreisungen der englischen Rechtspflege bei uns auf c ne meist nur sehr oberflächliche Kenntnis oder wohl gar aus Un kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse. Man weiß, daß England im Vergleich zu Deutschland nur wenige Richter hat, daß diese mit fürst licher Vollmacht und fürstlichen Gehältern ausgcstattet sind, und auch wobl noch, daß sie lange, weiße Perücken tragen. Das ist aber auch alles. Insofern ist es sehr verdienstlich, daß in einer soeben im Reform- Verlag (Karl Engelschmidt) zu Leipzig erschienenen Broschüre „Recht und Unrecht in England"*) der Versuch gemacht wird, an prak tischen Beispielen aus der englischen Rechtspflege dem deutschen Publi kum das Verständnis für das angelsächsische Gerichtswesen näherzu bringen und gleichzeitig abzuwägen, was daran nachahmenswert ist und was Deutschland bester vermeidet. Der Verfasser, der als Journalist längere Zeit in England gelebt hat, die Verhältnisse also aus eigener Anschauung kennt, ist kein blinder Bewunderer der englischen Rechtspflege, sondern kritisiert sie freimütig, gibt ihr aber doch in manchen Punkten den Vorzug vor der deutschen. Wer beurteilen will, ob mit Recht oder Unrecht, der wird gut tun, sich erst einmal den fundamentalen Unterschied zwischen der deutschen und der englischen Auffassung vom Wesen des Richteramtes klar zu machen. Drastisch und kurz läßt dieser Unterschied sich etwa so ausdrücken: Der Engländer will die Entscheidung des Richters hören und nimmt sic bei der großen Autorität, die das Richteramt in England genießt, ge wissermaßen als ein Dogma hin, der Deutsche will die Entscheidung lesen, ihre Begründung zergliedern können, damit er, falls sie ihm ungünstig ist, Berufung einlegen kann. Diese Grundvcrschiedenheit der Anschauungen machte es möglich, daß Goethe den Mephisto von Gesetz und Rechten sagen lasten konnte, daß sic sich wie eine ewige Krankheit forterben, während bei Shakespeare der Shylock, der auf seinem Schein besteht, mit dem Fluch der Lächerlichkeit belastet erscheint. Der Deutsche verlangt die Rechtssicherheit verbrieft und besiegelt, der Eng länder stellt das Urteil vertrauensvoll dem Richter anheim. Beide wer den aber gleichwohl gelegentlich die Erfahrung machen müssen, daß über all das Wort gilt, das einst ein erfahrener deutscher Anwalt zu einem Klienten sagte: „Glauben Sie nicht, daß Sie, wenn Sie recht haben, deshalb vor Gericht auch immer recht bekommen müssen." Denn man darf nicht vergessen, daß England trotz der großen Zahl seiner Gesetze sPakerings Ausgabe der Gesetze von 1215—1817 umfaßt allein 24 starke Quartbände) auf keinem Gebiete des Rechts ein förmliches Ge setzbuch besitzt. Einen großen Vorteil bat ja der weite Spielraum, der in Eng land dem Ermessen des Richters gelüsten ist, ganz entschieden: Das Urteil läßt sich mehr dem Charakter des einzelnen Falles anpassen, als bei uns. Das gilt besonders von Strafurteilen, in die bei uns sehr häufig durch die Vorschrift der Mindeststrafen eine ungerechtfertigte Härte kommt. Nicht selten wird das vom Gericht selbst anerkannt, und man kann dann Urteilsbegründungen etwa folgenden JnbaltS hören: „Das Gericht hat sich der Austastung nicht verschlossen, daß der Fall eine be sonders milde Austastung verdient, sah sich aber angesichts der ausdrück lichen Vorschrift des Gesetzes außerstande, anders als auf eine Gefäng- nisstrase von drei Monaten zu erkennen." Da muß denn, um einen Angeklagten vor einer unverdient harten Strafe zu retten, der umständ liche Weg des Gnadengesuchs gewählt werden, der im günstigsten Falle viel Zeit und Arbeit in Anspruch nimmt. In England kann in solchen *) W. Schwedler, „Recht und Unrecht in England". 82 S. 8?. Preis geb. 2 ^l. Fällen der Richter der besonderen Sachlage gleich im Urteil gerecht werden, seiner Milde sind keine Grenzen gezogen, nur seiner Strenge. Denn das englische Recht kennt wohl Maximal-, aber keine Minimal strafen. Nicht rückhaltlos einstimmen möchten wir in das Lob der englischen Polizeirichter. Es soll keineswegs geleugnet werden, daß Männer von reicher Lebenserfahrung und großer Menschenkenntnis in diesem Amte sehr wohl im Sinne einer menschenfreundlichen, ausgleichendcn Gerechtigkeit wirken können und auch so wirken, ebensowenig ist aber in Mrcde zu stellen, daß hierbei sehr viel, wenn nicht alles, auf die Persönlichkeit des Richters selbst ankommt. Und da treffen wir wieder auf die schon oben erwähnte Verschiedenheit zwischen der deutschen und der englischen Auffassung von der Rechtspflege. Der Deutsche will Garantien haben für die Stetigkeit der Rechtsprechung. Deshalb sagt schon 8 182 der am 21. Dezember 1848 als Neichsgosetz verkündeten „Grundrechte für das deutsche Volk", die auch in die Reichsverfastung vom 28. Mörz 1849 ausgenommen wurden: „Der Polizei steht keine Strafgerichtsbarkeit zu." Derselbe Gedanke führte im deutschen Ge richtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 dazu, die in den älteren preußischen Provinzen sowie in Bremen und Hamburg amtierenden Polizeirichter durch die Schöffengerichte zu ersetzen, und auch die heutige Strafprozeßordnung kennt eine Strafgewalt der Pblizei nur für Uebertretungen. Oder, um speziell auf sächsische Verhältnisse zu kommen, demselben Gedanken ist der Antrag Dr. Schill vom 16. Dezember 1903 entsprungen, der ein Gesetz fordert zur Regelung der Zustnndigkeirsverhältnissc zwischen Justiz- und Verwaltungs behörden, nicht minder auch die nationalliberale Forderung eines Ge setzes zum Schutz der staatsbürgerlichen Freiheit gegen Ueberschreitungen der Polizeigcwalt. Sehr zur Nachahmung zu empfehlen ist dagegen das englische Verfahren, wonach die Vorstrafen stets erst nach der Beweisaufnahme, bei Schwurgcrichtsverhandlungen erst Mischen dem Spruch der Geschworenen und dem Urteil des Richters verlesen werden. Daß übrigens die Polizeirichter manchmal recht summarisch urteilen und die in England so hochgcpriesene Billigkeit vollkommen vermissen lasten, sich auch gelegentlich wohl einfach über manches hinweg- setzen, was uns in Deutschland als wesentlich für die ganze Beurteilung des Falles erscheinen würde, führt der Verfasser auch selbst am. Ebenso zeugt cs für seine gesunde Austastung'gäbe, wc ir. er auch bei andern Gelegenheiten die Schattenseiten des englischen Verfahrens ausdrücklich hervorhcbt, so z. B. die Forderung der Einstimmigkeit des Geschworenen spruches und das Bestreben der Anwälte, in Zivilprozessen die Zeugen der Gegenpartei als unglaubwürdig hinzustellen, so daß man die Methoden, die vor einiger Zeit im Prozeß Hau so scharf gerügt wurden, in englischen Zivilprozcssen in übelster Vollkommenheit finden kann. Alles in allem genommen, ist das flott geschriebene Buch sehr Wohl geeignet, Interesse für die eigenartigen englischen Gerichtsverhältuiste zu erwecken und zu interessanten Vergleichen anzuregen, soweit es solche nicht schon selbst zieht. Einzelne stilistische Unebenheiten und Wieder holungen werden bei der wünschenswerten Neuauflage leicht mir glättender Feile anszumerzcn sein. Herr von Holstern Seit längerer Zeit war es für Kundige kein Geheimnis, raß die Lebenslage des früheren Direktors der politischen Abteilung im Aus wärtigen Amte, des Herrn von Holstein, gezählt seien. Eine Aoernver- kalkung machte ihm seit Iabren Beschwercen, und deren rasche Fort schritte innerhalb der letzten Wochen brachien ibm am Sonnabend gegen Abend, wie wir bereits in einem Teile der gestrigen Auflage berichteten, den Tod. Mit Holstein ist eine Periönl'chleit auS dem Leben geschieden, deren Charakterbilder gleich dem Altboffs von der Parteien Haß und Gunst verwirrt war, deren richtige Wertung darum vielleicht erst dann möglich ist, wenn sich die Leidenschaft der Tag smeinung verkühlt bat. Zeitgenössisches Urteil hat sich seit Jahren daran gewöhn», in diesem Manne, der, selbst im Amte verharrend, die Amtszeit kreier Kanzler überkaueit und der Amtszeit des vierten Kanzlers bis zur Stunde seiner Entlastung seines Geistes Stempel aufgevrüctt hat, den Spiritus roctor unserer auswärtigen Politik während der letzten fünfzehn Jahre zu erblicken. Der Reich-lanzler hat noch im Dezember v. I. in Abwehr eines Angriffs des Abg. Hausmann dieser Annahme die Stützen zu nehmen gesucht, aber seiner Redekunst gelang eS dock nicht, die Eiinnerung an Tatsachen auszulöschen, die nur Eingebungen Holsteins ihre Existenz verdanken. Und diese Tatsachen haben sich dem Gedächtnis politisch unterrichteter Deutschen um so tiefer ringe- graben, als sie stets das schmerzliche Bewußtsein des Rückgangs unteres Ansehens und Einflusses im Auslande verstärkten. Nur zwei besonders markante Beispiele seien zur Erhärtung unserer Behauptung heraus- aegriffen. Auf Holsteins Rat hat Caprivi als Kanzler «inst een Rückversichenmgsaenrag mit Rußland gelüntigt und dadurch dem Deutschen Reiche eine schwere Schwächung zugesügt; auf Holsteins Betreiben hat Bülow als Kanzler das Marotkoabentruer gebilligt, das uns die glorreichen Tage von Algeciras brachte. Seit jenem eisten Streich ward Rußland Frankreichs Verbündeter und Freund, und der zweite Streich kittete Wirker Frankreich fester att England, als cS die vorauSgegangene Entente zwilchen beiden Lankern vermocht hatte. Deshalb Holstein jede politische Fähigkeit absprechen zu wollen, wäre ebenso fal'ch, als die schon erwähnte Lobrede Bülows auf diesen Mann übertrieben war. Den Fleiß und die Klugheit Holsteins wird man bedingungslos anzuerkennen haben, und die richtige Einschätzung seines gesunden Ehrgeizes wird einem dadurch erleichtert, daß sich diesem Streben nie eine auf Aeußerlichkeiten gerichtete Eitelkeit beigesellte. Würde außerdem Bismarck einen Mann von wenig verträglichem Cha rakter, und das war Holstein, jahrelang im Auswärtigen Amte geduldet haben, wenn nicht die persönliche Tüchtigkeit und gediegene Kenntnisse die Nachteile jenes CbaraltersehlerS ausgeglichen hätten? 1860 hatte Holstein seine diplomatische Laufbahn in Petersburg als Attachö begonnen, 1871 war er als Legationssekretär in Versailles tätig, in den nächsten Jahren bekleidete er daS Amt eine» Botschaftsrat» in Paris. Wiewohl sein Auftreten als Zeuge im Prozeß Arnim manchen Zweifel an der Güte seiner Gesinnung aujkommen ließ, war die Rolle des geschickten Diplomaten nicht ausgespielt. Holstein wurde vielmehr in» Auswärtige Amt berufen, blieb dort bis zn seinem Abschied und stieg von Jabr zu Jahr an Bedeutung immer mehr, obne daß von seinem Wirken im stillen die Oeffentlichkeit etwa» wußte, vielleicht kaum etwas ahnte. Eist in ken neunziger Jahren ward mancher von der Tätigkeit dieses geheimnisvollen, mit der Zeit allmäcktig gewordenen ManneS überragender Detailkenntnifse, dieses Meisters politischer Klein arbeit offenbar. DaS Raunen über Günstlingswirtschaft, die von den drei Freunden Philipp Eulenburg, Kiderlen-Wächter und Holstein ge trieben werde, war zu lauten Stimmen des VorwursS angeschwollen, aber die vielfach erwartete gerichtliche Verfolgung der Kritiker dieses Dreibundes blieb aus, Phili rührte sick überhaupt nicht, Kiderlen schoß sich mit einem Redakteur des „Kladderadatsch", uno Holstein, der Hauptmacher, Hai nach einem Bericht der „Zukunft" zwei Kartellträzer erfolglos ausgesandt, und dann entfaltete nach einiger Zeit Holstein als Schöpfer rm geheimen von neuem seine Künste ohne die Freunde, deren Zuneigung er bald ganz verloren hatte. So lebte er in den letzten Jahren wegen seiner großen aber begreiflichen Be schlagenheit in allen kleinen Dingen des MetierS bewundert und gefürchtet, wegen seiner Herrschsucht mißtrauisch betrachtet und gehaßt, ein einsames, freudloses Leben. Seine mittelbare Ein wirkung auf die deutsche Politik soll erst kurz vor seinem Tode aufgehört haben. Es gibt sogar Leute, die die strenge Wah rung der Bunkestreue Deutschlands gegenüber Oesterreich im letzten Winter auf seine Einflüsse zurückiühren. Würde kiese Kunde später ihre Bestätigung finden, dann könnte sich das Urteil über Holstein noch etwas freundlicher gestalten, denn dann würde dem Manne wegen dieser letzten anßeramilichen Anregung zu einer guten Tat noch manches aus seiner amtlichen Vergangenheit verziehen werden. Di- türkische Ttrisi». Die JnterventionSfrage. Im russischen Ministerium des Auswärtigen herrscht über die Vorgänge in Kleinasien, wie dem „B. T." aus Petersburg geschrieben wird, folgende Ansicht vor: Ein Ein griff wäre nur im äußersten Falle möglich, weil das Ver trauen zur neuen Regierung die ausländischen Mächte zu der An nahme zwingt, daß die türkische Negierung selbst die Unruhen unter drücken wird. Das frühere System des Eingreifens, das durch das volle Mißtrauen gegen den Wert der absolut regierten Türkei ausge bildet war, kann jetzt nicht mehr Platz greifen. Früher hielten cs die Mächte für ihre Pflicht, auf jeden Vorgang zu reagieren, der die Rechte der friedlichen ausländischen Bewohner der Türkei verletze, weil die egoistische Politik Abdul Hamids vor keinerlei Grausam keiten zurückschreckte. Gewöhnlich nahm Frankreich die Katholiken, Rußland seine Gläubigen unter Schutz. So wollte eS die Tra dition. Auch jetzt sind die Mächte entschlossen, die Rechte der christ lichen Bevölkerung energisch zu verteidigen, jedoch nur im äußer st en Notfall. Das Vertrauen zur Regierung der Jungtürken ist vorder hand sehr groß. Ihre Beziehungen zu allen in der Türkei lebenden Nationalitäten und Stämmen flößen keinerlei Befürchtungen ein. Ob es den Jungtürken gelingen wird, mit den kleinasiatischen Stämmen fertig zu werden, so namentlich mit den Kurden, die keine Neigung zeigen, sich der neuen Verfassung zu fügen, wird die Zukunft lehren, doch läßt sich schon heute mit Bestimmtheit sagen, daß ein Eingriff der fremden Mächte nicht erfolgen wird, wenn die Rechte der ausländischen Untertanen nicht gefährdet werden. Selbstverständlich hängt alles von der Entwicklung der Dinge ab. Direkte Nachrichten über Ueb er fülle auf Christen sind Petersburger offiziellen Kreisen noch nicht zugegangen. — Die „K. Z." meldet, nach J.i'.r- mationen an maßgebender deutscher Stelle Härten, soweit man an dieser Stelle unterrichtet sei, sich ernste Kreise mit der Frage einer Intervention in Kleinasien bisher um so weniger be schäftigt, als die Herstellung der Ordnung in Konstantinopel ebenso ras chw i e mustergültig erfolgt ist. Danach liege zur zeit nicht der mindeste Grund vor, ein Eingreifen der Mächte in Betracht zu ziehen. S Aus dem türkischen Parlament. * Konstautiuopel, 9. Mai. sTelegramm.) Die Teputicrtenkammer beendete in ihrer gestrigen Sitzung die Beratung des Gesetzentwurfes betreffend das Versammlungsrecht. Ta die Ratifikationsfrist deS türkisch-bulgarischen Proto- kolls nächste Woche abläuft, wurde die Diskussion hierüber auf die Tagesordnung für Mittwoch gesetzt. Der Großwesir hat nochmals die auswärtigen Journalisten ermächtigt, die Nachricht auswärtiger Blätter, daß im Jildiskiosk ein politischer Briefwechsel des Deutschen Kaisers mit dem früheren Sultan vorgefunden worden sei, zu dementieren, und hat alle über den angeblichen Inhalt dieses Briefwechsels verbreiteten Meldungen für erfunden er klärt. Das armenisch-gregorianische Patriarchat erhielt die Nachricht, daß in dem Bezirk Humin-Neanzur sWilajet Kharput) Unruhen gegen die Armenier begonnen haben, daß in Ulu Koschla lWi- lajet Konja) fünf Armenier getötet, und daß Plünderungen vorgekommen sind. Der neue Justizminister. * Konstantinopel, 9. Mai. sTelegramm.) Es verlautet, daß der türkische Botschafter in Rom Hakki Bey aus neuerliches Drängen des Großwesirs das Portefeuille des Justiz ministeriums angenommen hat. — Hakki Bev, ein berühmter Lcgist der Pforte, war im Kabinett Said Pascha Untcrrichtsmi.iister, dann Minister des Innern. Er übernahm, nachdem Hilmi Pascha in das Kabinett Kiamil als Minister des Innern eingetrcten war, aber mals das Unterrichtsportcfcuillc und wurde später als Botschafter nach Rom geschickt. Hakki Bey ist ein Mann von hervorragenden Eigen schaften. Er wird in diplomatischen Kreisen sehr geschätzt. Er war einer der Vertreter der Türkei auf der ersten Haager Konferenz. Der kranke Sultan. * Konstantinopel, 9. Mai. sTelegramm.) Das Allgemeinbefinden des neuen Sultans gibt zu ernsten Besorg- nisten Anlaß. Mohammed V. leidet an Gicht und Zuckerkrankheit. Seine Augen sollen infolge Entzündung stark gerötet und daS Gesicht angeschwollen sein. Seine ganze Haltung deute aus körperliche und seelische Leiden. Der Sultan erscheine viel älter, als er tatsächlich sei. Garung gegen das jnngtürkifche Komitee. Hl. Pest, 9. Mai. sTelegramm.) Ter „Pestcr Llhod" meldet über eine zunehmende Gäruag unter den Offizieren der jungtnrkischen Armee. Aus verschiedenen euro päischen und kleinasiatischen Garnisonen treffen danach Meldungen ein, wonach Offiziere, die seit längerer Zeit Verbindungen zum jungtürkischen Komitee unterhielten, diese gänzlich abacdrocheu haben, dagegen aber selbst eine Art Nebenregierung bzw. Kontrolle über die Zwilbehörden auszuüben beginnen.
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