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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191002093
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100209
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100209
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- Saxonica
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- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
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Landtagsber.j * Oberbürgermeister Ehlers in Danzig, Mitglied des Herren- Hauses, ist diese Nacht infolge von Herzlähmung gestorben. lS. Dtschs. R.f * Die preußischen Sozialdemokraten planen einen Generalstreik als Protest gegen die Wahlrechtsvorlage. sS. Dtschs. R.s * König Gustav von Schweden mußte sich im Stockholmer Schloß einer Blinddarmoperation unterziehen. sS. Ausl.1 * Der Plan einer ungarischen Koalitionsregierung Tisza Andrasiv-Kossuth erhielt nicht die Genehmigung König Franz Josefs. sS. Ausl.) Zn Wahrung -«ntschev Interessen. Herr Justizrat Junck, M. d. R., schreibt uns: Gern erfülle ich Ihre Bitte, mich über den Fall Mannesmann kurz zu äußern. Die Zeit rückt näher, wo .Herr von Schoen darüber zunächst in der Budgetkommission und sodann im Reichstage Rechen schaft geben muß. Ueber die ganze Frage ist so viel geschrieben worden, daß es vielleicht nicht ohne Wert ist, einmal fcstzustellcn, wie eigentlich der Tatbestand liegt. Artikel 112 der Algecirasaktc bestimmt: „Ein schcrifischer Ferman soll die Bedingungen der Konzession und Ausbeutung von Minen, Gru- ben und Steinbrüchen festsetzcn. Bei Ausarbeitung dieses Fermans wird sich die scherifische Regierung nach den den Gegenstand regelnden sremden Gesekaebunaen richten." Zum Erlaß eines Berggesetzes durch die damalige scherifische Re gierung ist es nicht gekommen. Man weiß, daß in Marokko eine Staats umwälzung stattfand. An die Stelle des Sultans Abdul Aziz, der zur Zeit des Mschlusfes der Algecirasaktc regierte, trat der Sultan Mulet- Hafid. Der Beginn seiner Regierung wird allgemein auf den 12. August 1908 datiert. Mit Mulev Hasid traten die Gebrüder Mannesmann in Perbindung. Mulev Hasid erließ am t>. s7.s Oktober 1908 ein Berg gesetz und erteilte zugleich den Gebrüdern Mannesmann die bekannten Mincnkonzessionen, die, wie sich mehr und mehr herausstellt, einen un geheuren Wert besitzen. In 8 8 dieses Berggesetzes ist gesagt, daß die scherifische Regierung demjenigen die Konzession geben müsse, der zu erst darum gebeten habe. Also das bekannte den europäischen Berg gesetzgebungen zugrunde liegende Recht der Priorität. Die Gegner der Gebr. Mannesmann, vor allem die Union des Mines Maroccaincs, bestreiten die von jenen erworbenen Prioritätsrechte im wesentlichen aus folgenden Gründen, die .Herr von Schoen in der Sitzung des Reichs tages vom 10. Dezember 1909 wicdergcgcben hat. Erstens entspreche es dem Geiste der Algecirasakte, daß vor Erlaß des in Artikel 112 vor- ocsehenen Berggesetzes irgendwelche Bcrggerechtsame in Marokko nicht erteilt werden konnten, zweitens das von Mulev Hasid erlassene Berg gesetz vom 6. >7.s Oktober 1908 sei nicht das in der Algecirasakte vor- c-siebene Berggesetz, drittens — irnd dies scheint siir Herrn von Schoen die Hauptsache zu sein — sei in einer Sitzung des diplomatischen Korps vom 20. August 1908 eine Vereinbarung getroffen worden, baß der von dem französischen Ingenieur Porchö aufzu stellende Entwurf eines Berggesetzes zunächst dem diplomatischen Korps zur Begutachtung unterbreitet werden solle, namentlich müsie dabei auf die Einführung des Prioritätsprinzips gedrungen werden; das Berggesetz Muley Hafids, das übrigens nie veröffentlicht worden sei. sei ohne Fühlung mit dem diplomatischen Korps zustande gekommen und auch aus diesem Grunde für die Vertragsmächte un gültig. Demgegenüber ist fcstzustellcn: 11 Entscheidend für die ganze Frage ist die Auslegung des oben anacacbenen Artikels 112 der Algecirasakte. Alle Auto ritäten des Völkerrechts. die sich hierüber geäußert haben im Augenblick liegen mir vor die Gutachten von Zorn, Lammasch, v. Bar, Kohler, Westlakc, Jusinato, Morct — sind sich darüber einig, daß durch Artikel 112 die Freiheit des damaligen Sultans im Punkte der Bcrggcsetzgebunp nicht beschränkt worden ist. Von einer Mitwirkung des diplomatischen Korps bei marokkanischen Berggesetzen ist nicht die Rede. Nur eine „Sollvorfchrift" ist gegeben, wonach sich die scherifische Re gierung noch „den den Gegenstand regelnden fremden Gesetzgebungen eichten soll" ls'inapireras. Die Nichtbesolgung dieser Verpflichtung zur Inspiration durch die fremdländischen Berggesetzgebungen — gemeint war vor ollem das Recht der Priorität — sollte die marokkanische Berg- gesetzgebung keineswegs ungültig machen. Ich kann nicht finden, daß über diese Bedeutung des Artikels 112 ein Zweifel überhaupt möglich ist. 2s Demgemäß war Muley Hasid nach seinem Regierungsantritt im August 1908 in der Lage, ein Berggesetz zu erlassen. Ob er schon von den 14 Staaten der Algecirasakte völkerrechtlich unerkannt war, ist gänzlich gleichgültig. Denn die Rechte und Pflichten des Völkerrechts werden von inneren Staatsumwälzungen nicht berührt, solange nur der Staat selbst besteht. lZorn.s Daran ist in der völkerrechtlichen Praxis stets sesigehalten worden, zum Beispiel auch gegenüber den wiederholten staatlichen Veränderungen Frankreichs im Laufe des 19. Jahrhunderts. Tas Gegenteil würde zu unhaltbarer Rechtsunsicherheit führen. 81 Ergo konnte Mulev Hasid am 6. s7.s Oktober 1908 ein Berggesetz erlassen und auf Grund dieses Berggesetzes den Gebrüdern Mannesmann, die hier eben die ersten waren, Konzessionen erteilen. Ncbrigens scheint inir das Berggesetz Muley Hcckids durchaus vernünftig und erschöpfend zu sein. In seiner Einfachheit vielleicht besser als manche europäischen Gesetze, jedenfalls für Marokko genügend. Auch enthält cs gerade das Recht der Priorität, um duS sich doch der ganze Streit dreht. 41 Der Einwand, daß das Berggesetz Muley Hafids ein gehelmes und darum unverbindliches Gesetz sei, ist haltlos. Jedenfalls ist dies eine marokkanische Rechtsfrage. In Marokko werden aber Gesetze gültig durch das beigedruckte Sultanssicgcl. Alle Einwände gegen die Ungültigkeit dieses Gesetzes sind geradezu auS der Luft gegriffen. Auch die Algeciras akte ist nicht bekanntgemacht s„proanulgiert"1 worden. 51 Daß der Beschluß des diplomatischen Korps vom 20. August 1908 cntgegenstehe. ist ein ganz unglaublicher Einwand. Der Beschluß ist erst durch die Mitteilung des Herrn v. Schoen im Reichstage vom 10. De zember 1909 bekanntgeworden. Weder die spanische noch die fran zösische Regierung haben diesen Beschluß als rechtsverbindlich an gesehen. indem sie trotzdem für ihre Untertanen bei Muley Hasid Berg rechte zu erreichen suchten. Die deutsche Negierung ist die einzige, die sich — und zwar zum Schaden der deutschen Interessen — an jenen Be schluß hält. Keinesfalls ist er ein völkerrechtlicher Vertrag. Er ist auch von feiten Marokkos weder angenommen, noch an erkannt. Man weiß nicbt einmal, ob er dem Sultan Muley Hasid mit geteilt worden ist. Uebrigens ist merkwürdig, daß der mit der Aus arbeitung eines Berggesetzes beauftragte französische Ingenieur noch immer nicht damit fertig geworden ist, nachdem Mulev Hasid und die Gebrüder Mannesmann längst zur Tat geschritten waren. Der Vorwurf der Gebrüder Mannesmann, daß auch sie von der Existenz des Beschlusses des diplomatischen Korps erst lange nach Erlaß des Berggesetzes Kenntnis erhalten hätten, ist ein außerordentlich schwerer, von: Auswärtigen Amt bis jetzt nicht bestrittener. 6> Um allem ein Ende zu machen, sind die Mannesmannschen Rechte von Muley Hasid nochmals am 20i März 1909 anerkannt worden. Bei die'cr Anerkennung haben auch die deutschen Behörden mitgewirkt. Alle Zweifel sollten hiernach beseitigt sein. Man versteht nicht, was bei dieser klaren Sachlage noch ein Schieds gericht tun soll. Die Gebrüder Mannesmann werden sich hüten, ihre klare Nechtsposition der unsicheren Aussicht eines Schiedsspruches zu unterwerfen, zumal sie jetzt durch die Denkschrift unserer Reichsregierung vom 17. Januar 1910 arg gefährdet worden ist. Diese Denkschrift — offen bar im Auswärtigen Amte ausgearbeitet, vom Reichskanzler aber selbst vollzogen — läßt sich charakterisieren als eine Streitschrift gegen die Gebrüder Mannesmann. Ein Advokat, der die Gegner der Gebrüder Mannesmann vor dem Schiedsgericht zu vertreten hätte, würde gut tun, seiner Streitschrift die „deutsche Denkschrift" als Anlage beizu- gebcn. Diele. Denkschrift durfte aus keinen Fall herausgegeben werden, mochte unser Auswärtiges Amt noch so sehr in Erregung versetzt sein durch das „Lesen der Journale", keinesfalls durften die deutschen Inter- essen nach außen preisgegeben werden. Die Gebrüder Mannesmann be rufen sich mit Recht auf Artikel 3 der Reichsverfassung, wonach sie An- spruch auf Schutz gegenüber dem Auslände haben. Tas ganze Verfahren des Auswärtigen Amtes macht einen höchst bedenklichen Eindruck. Der Hinweis darauf, daß auch bei der marokka nischen Minengescllschaft deutsches Kapital beteiligt sei, ist nicht mehr be achtlich, nachdem Herr v. Schoen erklärt hat, daß er über die Höhe der deut schen Beteiligung keine Auskunst geben könne. Sicher ist, daß der Mannesmannsche Konzern im wesentlichen deutsch, die marokkanische Mincngesellschaft im wesentlichen französisch ist. Wir sollten uns freuen, in den Gebrüdern Mannesmann einmal Persönlichkeiten zu haben, die auch im Auslande energisch und selbständig zugreisen. Es ist bekannt, welche cmineyte Befruchtung deutscher Industrie sich aus der Mannesmannschen Tätigkeit in Marokko ergeben kann, viele Handelskammern haben dies so fort erkannt. Auf feiten der Gebrüder Mannesmann die frische, angeborene Farbe der Entschließung, auf feiten des Auswärtigen Amts des Gedankens Blässe. Herr von Schoen wird keinen leichten Stand im Reichstage haben. Mit Recht bemerkt Zorn, daß ein fremdes Schiedsgericht, dem wir Hekuba sind, unscrm deutschen Gefühl jetzt ganz unannehmbar ist. Ohne in nationalistische Uebertreibungen zu verfallen, muß man das Auftreten unseres Auswärtigen Amtes auf das Tiefste beklagen. Tenn was wäre die Folge, wenn cs nach ihm ginge? Möglich, daß das diplo- matische Korps noch einmal fertig wird mit seinem marokkanischen Berg gesetze, über dem Herr Porchä wohl noch immer brütet. Möglich auch, daß man es Sr. Schcrisischen Majestät, dem Sultan Muley Hasid, schließlich aufnötigen würde. Dann würde von neuem das Recht der Priorität entscheiden. Die Mincnkonzessionen würden also demjenigen Zufällen, der beim Sultan zuerst in die Tür träte. Bei diesem Rennen um die Priorität genösse die französische Gesellschaft vermutlich die rück- sichtslose Unterstützung ihrer Regierung, während es sehr zweifelhaft ist, ob unsere Diplomatie für Mannesmanns gerade viel ausrichten würde. Bei dieser Sachlage sollen die Herren Mannesmann ihre wohlerworbenen Prioritätsrechte einem Schiedsgericht unterwerfen und auf den Sieg der „Billigkeit" hoffen? Während man von Berlin aus mit dem „Geiste" der Algecirasakte, dem Prinzipe der „offenen Tür" und anderen Be griffen operiert, haben die Mannesmann gehandelt, an die Stelle der Erwägungen die Tat gesetzt. Es sollte für unsere auswärtige Ver tretung geradezu eine Freude gewesen sein, einmal so recht aus dem Vollen für gute deutsche Rechte draußen eintreten zu können. Diese Chance hat man versäumt, zwar den Beifall Frankreichs, das scheinbar wieder einmal zwangsweise versöhnt werden soll, errungen, dagegen deutsches Empfinden und Vertrauen auf das tiefste verletzt. Jst's noch nicht genug? Gouverneur von Rechenberg als Ansreblerfreund. Wir haben schon neulich auf den Zwiespalt zwischen Theorie und Praxis des Gouverneurs von Ostasrika gegenüber den ÄnsiedlungS- bcstrebungen hingewiesen und erneut Beispiele angeführt, die deutlich zeigen, daß Herr v. Rcchenberg kaum mit dem Herzen bei der neuerdings so geflissentlich betonten Ansiedlcrfreundlichkeit sein kann. Wir sind auch heute noch der Ansicht, daß tue ganze kolonialamtlichc Besiedclungssreund- schäft erst unter dem Truck der öffentlichen Meinung entdeckt worden ist. Die Bahn nach dem Kilimandjaro mußte nachgerade gebaut werden, und zwar aus verichiedenen triftigen Gründen, namentlich weil sich die folgen der früheren Eiscnbahnpolitik geltend zu machen beginnen. Ihre Bewilligung wäre ober sicherlich auf Säsioicrigkeiten gestoßen, wenn man nicht an amtlicher Stelle den früheren aktiven und passiven Widerstand gegen die Besiedlung aufgegeben und die Vorlage mit volkstümlichen Ideen verbrämt hätte. Daß trotzdem wenigstens der Gouverneur nicht für die Besiedelung wirkte, beweisen die neulich angeführten Vorgänge, die passiert sind, als ohne Zweifel der Wortlaut der Denkschrift betr. Weiterführung der Usam- barabahn bereits fertig vorlag. „Wer kommt, soll uns willkommen sein", hat vor etwa zwei Jahren Dernburg zugleich im Namen Herrn von Rechenbcrgs im Reichstag erklärt. Nun, was es mit diesem „Willkommen" auf sich har, zeigt ein uns vorliegender Brief Rechenbergs von Mitte Mai vorigen Jahres, der folgende Vorgeschichte hat. Ein ^iidwestafrikanischer Farmer, der während des Aufstandes sich auch als Frachtführer betätigt hatte, wurde durch einen Aussatz des frühe ren Gouverneurs von Ostasrika, Generals v. Liebcrt, auf die Besicde- lnngssäbigkcit der Hochländer Ostafrikas, namentlich der Landschaft Nhehe aufmcrkam. Und da er gerade trotz der schlechten Zeiten Ge legenheit hatte, seine Farm vorteilhaft zu verkaufen, so wurde in ihm der Wunsch rege, sich in Nhehe anzusiedeln und sich nebenbei als Fracht führer zwischen der Zentralbahn und dem Hochland, Kilossa und Jringa zu betätigen. Er setzte sich also hin und legte in einem sechs Seiten langen Brief Herrn v. Rechenberg seine Ideen dar, unter eingehender Erörterung seiner Verhältnisse. Ideen, die in allernächster Zeit nach dem die Zentralbahn Kilossa erreicht hat, ja doch verwirklicht werden müssen. Der betreffende Südwestafrikaner wollte in Uhehc eine Farm errichten. Ferner gedachte er, Frachten zu fahren, je nachdem teils fremde, teils eigene, und mit den letzteren bei den Eingeborenen Han del zu treiben. Er hatte seine Rechnung aber ohne Herrn v. Rechen- berg gemacht. Wenn er in seiner Einfalt sich eingebildet hatte, er würde als erfahrener und betriebsamer Afrikaner dem Gouverneur „will- kommen" sein, so hatte er sich gründlich getäuscht. Wohlgemerkt, unser Süd- wcstafrikaner hatte vom Gouverneur weiter nichts gewollt, als einen guien Rat und hatte auch g.ar kein Hehl daraus gemacht, daß er sich des Risikos voll bewußt sei, das er eingehc. Die Antwort des Herrn von Rcchenberg ist so klassisch, daß wir uns nicht versagen können, sic hier wiederzugebcn: „Auf die Eingabe vom... erwidere ich Ihnen, daß es auch in Uhehe manchmal empfindlich kalt ist. Außerdem kommt gerade aus der Strecke Kilossa—Uhehe die Tsetse sehr häufig vor. Endlich dürfte Ihr Kapital zur Anlage einer Pflanzung kaum ausreichen, das Gouvernement ist nicht in der Lage, Ansiedler pekuniär zu unter stützen. Die bcigefügten Briefmarken folgen anbei zurück. gez.: Rechenberg." Zur Interpretierung dieses Briefes, auf dessen Adresse die Be zeichnung „Herr", nebenbei bemerkt, weggelassen ist — daß dies bei jedem geschieht, bezweifeln wir —, möchten wir folgendes bemerken: Unserm Südwestafrikaner ist es bei Empfang dieses Schreibens empfind lich kalt ums Herz geworden. Außerdem kommen auf der Strecke Kilossa —Uhehe die Inder fast noch häufiger als die Tietje vor. Endlich ist das Kapital des Anfragenden jetzt in der Budgetkommission von Dorn burg ausdrücklich als ausreichend für Ansiedler bezeichnet worden, der Betreffende hat das Gouvernement auch gar nicht um pekuniäre Unter- stützung angegangen, er war aber angenehm überrascht, als er wenigstens seine Briefmarken wiederbckam. Dock Spaß beiseite. Es war kein müßiger Frager aus der Heimat, der sich hier vertrauensvoll an den Gouverneur wandte, sondern ein erfahrener Farmer, der sein Geld und seine afrikanische Erfahrung für sich und die Erschließung Ubches cin- setzen wollte. Der Gouverneur wußte, daß das dem Schreiber zur Verfügung stehende Kapital zur Ansiedlung ge nügte, und daß schon mancherAnsiedler mit weniger an gefangen hat. Wenn dieses Kapital heute genügt, so genügte es auch schon vor Jahren. Und wenn etwa Herr v. Rechenberg der Ansicht war, daß Uhehc sich für die Absichten unseres Südwestasrikoners nicht eignete, so war cs unsrer unmaßgeblichen Mei nung nach seine Aufgabe, den Mann aus das Kilimandjarogcbiet hinzuwcisen oder doch einiger maßen auf dessen immerhin sachverständige Ideen einzu gehen. Es ist geradezu aufregend, wenn sich ein strebsamer und tatkräftiger Landsmann gefallen lassen muß, daß man ibn draußen auf eine ernsthafte Anfrage mit ein paar Gemeinplätzen ab fertigt, und man muß als ehrlicher Kolonialfreund erneut die Frage aufwerfen, ob ein Gouverneur, der derart über die An- schauungen der öffentlichen Meinung in der Heimat sich binwegsctzt, die Gewähr dafür bietet, daß ein nationales Werk, wie die Besiedlung Ostafrikas, unter ihm auch ernsthaft durchgcführt wird. Deutsches Reich. Leipzig, 9. Februar. * Sachsen und die Schiffahrtsabgabcn. In der Dienstagsfitzung der Zweiten Kammer ist die von manchen Seiten erwartete Anfrage an die Regierung über ihre weiteren Schritte in der Angelegenheit der Schiffahrtsabgabcn nicht erfolgt. Die Regierung war aber offenbar einer solchen Anfrage gewärtig, denn Finanzministcr Dr. von Rüger hatte, wie man deutlich beobachten konnte, eine mit der Schreibmaschine geschriebene Erklärung zur Verlesung bereit. Tas Wort wurde icdocv zum Kapitel 73 sEtat des Finanzministeriums! gar nicht verlangt uno die weiter auf der Tagesordnung stehenden Gegenstände boten keine Gelegenheit, die Anfrage zu stellen. Der Minister konnte seine Er klärung also ruhig in der Mappe wieder mit nach Hause nehmen. Wahrscheinlich wird man nunmehr diese Anfrage erst bei Beratung ocs Kapitels 102 ^Ministerium des Auswärtigen! an die Regierung richten. — Einen sehr einleuchtenden Vorschlag zur Güte macht übrigens in der Abgabcnangelegenhcit die „Bad. Landesztg.", indem sie schreibt: „Die preußische Dialektik hat, nm die Widerstrebenden gefügige', zu machen, das Schlagwort von einem großen von Preußen an- gestrebten allgemein-deutschen P e r k c h r s s o r t s ch r, t t in die Erörterung geworfen. Wenn die preußische Politik auch ganz ohne Zweifel nicht von einer solchen löblichen Absicht ausging -- 8 19 des Kanalgesehes ist alles andere, nur kein Denkmal der Reicks begeisterung oder des Föderativgedankcns — so hat sic sich doch jetzt, gleichviel ans welchen Gründen, auf jenes Schlagwort festgelegt und daran müssen wir sie nun halten. Wir müßen die Basis dieses großen deutschen Verkehrswcrics noch erweitern und verlangen, daß nun wenigstens daran gegangen wird, die deutsche Vcr- kehrsfragc in ihrem vollen llm fange der Lösung zuzu- führen, daß auch die Eifenbahnsragc aufgerollt, mit der Wasserstraßen frage verbunden und nach einheitlichen Gesichtspunkten behandelt wird. Das ist ein durchaus billiges Verlangen. Es beseitigt die Möglichkeit aller etwaigen Wiederholungen einer so unseligen Kampagne wie die wegen der Schiffahrtsabgabcn. Nur nenn Preußen darauf cingeht, wird es den Argwohn zerstreuen, den seine Äbgabenpolitik in Baden, in Hessen und in Sachten, aber doch auch in anderen Staaten erzeug' hat. Diese Genugtuung ist cs dem Reichsgc danken schuldig. Hier wird cs nun vor allem die n a t i o n a N i b c r a l c Partei sein, die ein Gebiet findet, alft dem sie ganz im Sinne ihrer guten Traditionen wirken kann. Es scheint, daß die badiscke Partei das erkannt hat, denn der Gedanke, der noch neu ist, bat bereits va und dort in der Parteipreisc Widerhall gefunden. Man wird ihn nach Berlin in den Reichstag tragen und ihm dort mit allem Nach druck Geltung verschaffen müßen. Für die Drahtzieher der preußi'chcn
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