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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.02.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100216013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910021601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910021601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
- Monat1910-02
- Tag1910-02-16
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Kezllqt-Prn» Morgen-Ausgabe Amtsblatt des Rates und des Rolizeiarntes der §»tadt Leipzig. Nr. 46 Mittwoch, üen l6./edrusr lSlo. «« L«p,ia und Lororle durch uxler« Träg« und 8»«d<ieur« 2m»l ttalich i>« Hau« ,edracht: 20 monall., L.7V »terlrlithrl. Vitt unser« Büialra u. Ln. nuhweslellen adqebott: 7L H mouatl., A.2S «erteljtbrl. Lurch dir »oft: t»n«bald Deutschland« und der deutschen «dlanien oierteliSdrl. 8.«» ^8, monatl. 1»k« ^8 audschl. Poftdestellaetd. ferner >n Leisten, Tinemark, den Donauslaaten, Italien, Luremdurg, Niederlande, Nor» weaen, Oe-erreich-Ungarn, Rußland, Schweden, Schwei, n. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch die »e!chcht«slell- de« Blatte« erhältlich. Da« Leipziger Lageblatt erscheint 2 mal täglich. Sonn- u. Feirriag« nur morgen«. iUtwmwuwut-Lnnadm«: Auguttuäplatz di, dei unseren Drägern, Kilialen, Spediteuren und lllnnahmeftelleu, sowie Postämtern und Briesträger». Si»>»l»erka»s«prei« der Morgen« audgad« 10 «ls, der tlbendau«gabe L «d, llletakttou und Meschäfttstelle: Iahannl-gasse 8. Fernsprecher: 14682, 14683, 14684. np.Mr Tageblatt Handelszeitung. 2tnzeiqen° Preis für Inserate au« leivng und Umgedun, di. Hgelpaltrne io tum breite P«ttt,eile L 2s, di« 74 mm breite ReNamezeile 1 ^8 ven au«wttt« 30 ^s, Neklamen 1.20 ^8; Inserate »an Bebdrden m amtlichen Teil di« 74 mm breite Petitzeile 40 iNeschLirranzeiaen mit P atzvorschristeu und in der Asendaudgab« im Preise erhäht Nadatl nach Dans. Peilageqrdübr 5 ^8 p. Tausend exkl. Postgebühr. Festerteilte Ausrräae können nicht zurück- geigen werden. Für da« Erscheinen au bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Äarantie übernommen ilnzeige»-Annahme: Augustuöplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslände«. Haupt-Filiale Berlin: Carl Duncker, Ser«oql. Bahr. Hosbuch- handluiig, Lützowstrab-10. (Telephon VT, Nr. 4603). Paupt-Filiale Lrr-den: Seestrahe 4,1 (Telephon 4621). 104. Jahrgang. Vas Wichtigste. * Die Zweite Kammer genehmigte am Dienstag das Kapitel „Seminare" des ordent lichen Etats und beschäftigte sich außerdem mit einer Anzahl von Petitionen. (S. Landtagsbericht.) * Der Reichstag überwies am Dienstag die Gesetzentwürfe über den Absatz von Kali salzen und über die Stellenvermittlung zwei besonderen Kommissionen. (S. Reichstagsber.) * Die Wahlrechtskommission des preu- hischen Abgeordnetenhauses hat den An trag auf Einführung des gleichen Wahlrechts mit 15 gegen 11 Stimmen bei zufälliger Ab wesenheit zweier nationalliberaler Mitglieder ab gelehnt. Der Antrag auf geheime Stimm abgabe wurde mit 15 gegen 13 Stimmen der Konservativen und Freikonservativen angenom men. (S. d. bes. Art.) * Die verstärkte Geschäftsordnungs kommission des Reichstages beschloß an die Revision der Geschäftsordnung erst heranzu treten, nachdem die Znterpellationsfrage er ledigt ist. * Das englische Parlament ist gestern feierlrchst eröffnet worden. Im Unterhause wurde Lowther einstimmig zum Sprecher wie dergewählt. Alsdann vertagte sich das Haus auf heule. * In Griechenland drohen durch die Haltung des Militärbundes neue Verwick lungen auszubrechen. (S. Ausl.) * Nach Londoner Depeschen werden aus Singa - pore große Ueberschwemmungen auf der Halbinsel Malakka gemeldet. Eine Strecke von 90 Meilen der Tahorestaatseisenbahn ist weggeschwemmt worden. Die Physiognomie ües Keichs- ksnzlers. Die Wahlrechtsrede des Reichskanzlers ist heute, wenige Tage, nachdem sie gehalten wurde, nicht mehr „aktuell" in des Worts verwegenster Bedeutung. Indessen als prinzipielle, autori tative Aeußerung des Ministerpräsidenten, als Niederschlag der Auffassung de: Krone und des preußischen Staatsministeriums darf sie dau ernde dokumentarische Wichtigkeit für sich in Anspruch nehmen. Diese Rede wurde wochen lang im Inland und Ausland mit Spannung erwartet, und ihr Inhalt wird in der politischen Diskussion noch ost zitiert und verwertet werden. Wir haben es daher bei einmaliger Lektüre nicht bewenden lassen, sondern die Ausführungen des Herrn v. Bethmann wiederholt geprüft, um die politische Physiognomie des Reichskanzlers, die ja für ganz Deutschland interessant ist, mög lichst sicher zu erkennen. Da ergibt sich denn zunächst, daß Herr v. Beth mann nach dem Ruf eines starken Mannes geizt. Er will „keiner Partei zuliebe, keiner Partei zuleide" handeln, er läßt sich „durch Kritik nicht wankend machen," durch die „Strömungen der Oeffentlichkeit" nicht leiten, „Sucht nach Popularität" vermag ihn nicht zu bestimmen. Seine Lieblingsvendung ist: „Ich lehne es ab." Wie er es kürzlich ablehnte, die Entschließung der rheinisch-westfälischen Verbandsgruppe der Alldeutschen entgegenzunehmen, so lehnt er cs im Parlament ab, auf die Ausführungen eines — sehr gemäßigten — Vorredners ein- zugehen. In die Debatte selbst einzugreifen, scheint ihm seiner Würde nicht angemessen. Er legt einmal programmatisch seine Ansichten dar und überläßt es danach dem hohen Hause sich mit ihnen abzufinden. Das ist imposant und bequem. Von „Aengstlichkeit und Unsicher heit" weiß er sich frei und versucht, „Sachliches sach lich zu behandeln." Nichts von der Urbanität seines Vorgängers; mit geflissentlicher Rauheit fragt er: „Glauben Sie, daß ich mich zum Spaß hier herstelle?" Er fordert, daß seine Worte „ernst genommen werden", verzichtet auf jeden rhetorischen Schmuck und spricht so undiplomatisch und rücksichtslos wie nur möglich über die Par teien (mit Ausnahme der konservativen), über die Presse, über das Reichstagswahlrecht. Hierzu kann nur folgendes gesagt worden: Wir werden nicht anstehen, die Energie der Herrn v. Bethmann anzuerkennen, sobald er sie nicht nur nach links, sondern auch nach rechts, nicht nur nach unten, sondern auch nach oben bewährt haben wird. Bis jetzt müssen wir mit dieser Anerkennung noch zurückhalten, denn Herr v. Bethmann geht mit den in Preußen herrschenden Mächten. Es droht ihm nicht die geringste Gefahr, und deshalb ist er von einem Hauch der Komik umwittert, wenn er in starken Tönen versichert, daß er eine ganz ungewöhn liche Festigkeit und Unerschrockenheit besitze. Die Frage, ob diese Qualitäten ihm wirklich eigen sind, kann heute weder bejaht noch verneint werden; es kann aber festgestcllt werden, daß das Idealbild eines leitenden Staatsmannes, dem Herr v. Bethmann sich anzunähern versucht, den konservativen Anschauungen entspricht. Sie lassen sich etwa dahin formulieren, daß der Ministerpräsident möglichst wenig reden, möglichst energisch handeln, die Macht der „Krone" fein bekannter konservativer Euphemismus) schützen und dem Parlament so wenig als möglich konzedieren soll. Wir wissen also, daß der Reichskanzler im Lager der Konservativen steht. Er mag den Willen haben, sich von jedem Parteieinfluß fernzuhalten, er ist seinem Wesen nach ein Konservativer. Veränderungen mögen sich unter seiner Amts führung vollziehen, Fortschritte kaum, soweit es zu solchen seiner Initiative bedarf. In Zukunft wie heute wird, solang« sein Wille gilt, die Staatsregierung es ablehnen, die „Grundlagen zu verlassen". Und hier ist der tiefe Unterschied zwischen einem Stein, einem Bismarck und einem Bethmann zu erkennen. Reformatoren sehen Revolutionären bisweilen verzweifelt ähnlich, und Stein wie Bismarck sind von ihren Standes- genossen als Revolutionäre verschrien worden, Wo wären wir, wenn beide sich geweigert hätten, „die Grundlagen zu verlassen"? „Der Handelnde ist immer gewissenlos", sagt Goethe und das Gewissen ist, wenn wir nicht irren, bei Herrn v. Bethmann sehr stark ausgebildet. Wir halten es für einen schweren psychologischen Irrtum radikaler Blätter, wenn sie ihm Ethos absprechen. Im Gegenteil: wir fühlen aus jedem Wort seiner Rede den Willen zur Gerechtigkeit heraus. Hier äußert sich ein kontemplativer Mensch, der auf jedem Gebiet um eine selbständige, persönliche Ansicht ringt, der daher auch manches kritisch Wirksame vorbringt, ohne nach der Opportunität und nach dem Effekt zu fragen, dem aber die Begabung für politische Exekutive versagt scheint. Ein Mensch, der diese Schwäche fühlt und nun durch eine Aktion des Verstandes das Defizit des Triebhaften auszugleichen versucht. Immer auf dem Wege der Reflexion. „Die Leute halten mich für schwach: ich muß sie also brüskieren." (Ein literarischer Vetter ist der Konsul Buddenbrook in Thomas Manns Roman). Es fehlen ihm die Naturlaute. Mit Ent rüstung sagt Herr v. Bethmann: „Bei den Herren (Sozialdemokraten) spricht der nackte Wille zur Macht seine Sprache"; lobend erwähnt er, daß für Zentrum und Freisinn „nicht so sehr die Sucht nach eigener Herrschaft wie ethische und theoretische Maximen" maßgebend seien. Der „Wille zur Macht" allein kann die „ethischen und theoretischen Maximen" einer Partei ver wirklichen; sollte diese Erkenntnis dem Reichs kanzler noch fern liegen ? Dann würde es schwer sein, sich mit ihm zu verständigen. Dagegen versichert er emphatisch: „Preußen läßt sich nicht in das Fahrwasser des Parlamentarismus ver schleppen, solange die Macht seines Königtums ungebrochen ist. An der Macht dieses König tums, dessen stolze Tradition es ist, ein König tum für alle zu sein, wird nicht gerüttelt werden." Also: Macht ist „gut", wenn es „die ruhig, sicher thronende" ist, die „in uralt ge heiligtem Besitz, in der Gewohnheit festgegründet" ruht; Macht ist „schlecht", wenn das Volk sie erobern will. Zweierlei Maß; aber vergessen wir es nicht: Herr v. Bethmann ist ein Kon servativer. Er kann gewiß mit Goethe von sich sagen, daß ihm „von Jugend auf nichts so zu wider gewesen sei wie die Unordnung" Ordnung aber kann er sich ohne Unter ordnung nicht denken. Und so gelangt er zu dem Ideal eines Etagenstaates, in welchem man sich (Darwin spukt) allmählich heraufwählt. Es vollzieht sich eine politische Evolution, eine Auslese der Tüchtigsten. Eigentlich sind ja frei lich konstitutive Aenderungen in Preußen über flüssig. Herr v. Bethmann sieht keinen Anlaß zu solchen. Seine ganze Rede führt nur den Nachweis, daß die Wahlrechtsooriagc nicht die geringste Existenzberechtigung habe. Denn Preußen sei weder verbesserungsbedürftig noch verbesserungsfühig (selbst die Ausübung der poli zeilichen Tätigkeit preist Herr v. Bethmann, und dies unmittelbar nach den häßlichen Vorfällen gelegentlich der Ferrer-Versammlungen) und das Volk nehme keinen Anteil an der Arbeit der Parlamente. Wie erklären sich diese sonder baren Ausführungen? Herr v. Bethmann hat sich über einige radikale Deklamationen geärgert und sucht nun die öffentliche Meinung zu korri gieren. 2n diesem Bestreben läßt er sich zu einer Glorifikation des Bestehenden hinreißen, auf die man nur mit der Frage antworten kann: Wozu dann die Wahlvorlage? Die Motive haben wir bereits in einem Leit artikel „Der Not gehorchend" erörtert. Herr v. Bethmann will sie nicht wahr haben, aber welche Gründe bewegen ihn dann, Preußen, die beste unter den möglichen Welten, aus seinem Quietismus aufzustören? Wäre der Kanzler der starke Mann, der er gern sein möchte, so hätte er sich rundweg weigern müssen, eine Wahlrechtsvorlage einzubringen. Daß ein Staatsmann mit dem ganzen Aufgebot seiner Beredsamkeit die Ueberflüssigkeit eines von ihm ausgearbeiteten Gesetzes nachzuweisen sucht, ist ein Novum und konnte nur einem Mann begegnen, der daran gewöhnt ist, daß sein Verstand verneint und sein Wille bejaht. Saubere Kleinarbeit dürfen wir von Herrn v. Bethmann noch erwarten; ein Reformator sieht gewöhnlich anders aus. Das preußische Wahlrecht in üer KommiMon. * Berlin, 15. Februar. (Privattel.) Die Wahlrechtskommission des preußischen Ab geordnetenhauses begann am Dienstag vormittag ihre Beratungen. Es wurde beschlossen, zwei Le sungen abzuhalten. Zunächst wurde über den ersten Satz des freisinnigen Antrages zu 8 4 verhandelt, der die Einführung des gleichen Wahlrechts ver langt. Im Zusammenhang damit wird ein sozial demokratischer Antrag zur Diskussion gestellt, der folgenden Wortlaut hat: Das Haus lehnt die von der Regierung vorge- legtc Wahlrechtsooriagc ab und fordert die Regie rung auf, sofort eine neue Vorlage einzubringen, die erstens die llebertragung des Reichstagswahl rechts auf Preußen und zweitens eine Neuein teilung der Wahlkreise voraussieht. Im Verlaufe der Diskussion zog der sozialdemo kratische Redner seinen Antrag vorläufig zurück, da dessen Behandlung geschäftsordnungs mäßig an dieser Stelle nicht zulässig erschien. Der freisinnige Antrag auf Einführung des gleichen Wahlrechts wurde damit begründet, daß das plutokratische System des preußischen Wahlrechts immer stärker in die Er schcinung getreten ist, so daß sich ja die Vorlage selbst jetzt bemühe, gewisse Auswüchse zu beschneiden. Tatsächlich führten diese neuen Bestimmungen aber nur neue Ungerechtigkeiten herbei, da jeder Hervor Hebung eines privilegierten Wählers aus dem Kreise der Gebildeten oder Beamten eine Hcrabdrückung zahlreicher anderer gcgcmiberstche. Wolle man rin mal die Tüchtigkeit als Kriterium eines größeren Wahlrechtes hinstellen, so wäre ein vielleicht mit Ach und Krach gemachtes Examen der allerschlechteste Maß stab. Gewerbetreibende und Arbeiter würden auf das schwerste durch die Vorlage in ihren Rechten bedrückt. Der Gerechtigkeit entspreche allein das gleiche Wahlrecht. Von dem Redner der Zentrums partei wird die Erklärung abgegeben, daß diese ein mütig für den freisinnigen Antrag stimmen werde. Der Redner gibt eine interessante Uebecsicht über die Wahlsysteme in den verschiedenen Ländern, die dem Protokoll angehängt werden soll. Gegen den freisinnigen Antrag spricht der Redner der Frei konservativen, der aui die im Plenum gegebene Begründung verweist. Der nationallibcralc Redner lehnt den Antrag mit dem gleichen Hinweise ab. Bei der Entwickelung des preußischen Staats wesens sei es nicht richtig, das preußische Wahlrecht dem Reichswahlrecht gleichzugcstalten. Amy der konservative Redner bekämpft den Antrag auf Einführung des gleichen Wahlrechts. Hierauf entspann sich eine längere Debatte zwischen dem sozialdemokratischen Vertreter und den Mitgliedern der Zentrumspartei. Ersterer machte dem Zentrum den Doewurf, daß es nicht mit genügendem Eifer für das gleiche Wahl recht eintrete. Das Zentrum habe sehr'gut die Mög lichkeit, durch politischen Druck die Konservativen und Rationallibcralcn dahin zu bringen, daß sie ihre ablehnende Haltung ausgeben. Nachdem noch der Pole für den Antrag gesprochen, wurde der Antrag mit 15 gegen 11 Stimmen abgelehnt. Zufällig waren 2 nationalliberale Abgeordnete bei der Abstimmung nicht zugegen, welche nachher er klärten, daß sic im Falle ihrer Anwesenheit gleich falls gegen den Antrag gestimmt haben würden. Für den Antrag stimmten die Freisinnigen, das Zentrum, der Sozialdemokrat und der Pole. Die Kommission trat hierauf in die Erörterung des zweiten Satzes des freisinnigen Antrages, der die geheime Abstimmung fordert. Einer der Antragsteller begründete ihn mit dem Hinweis auf den Druck, der von den vcr schiedensten Seiten bei der öffentlichen Wahl aus die abhängigen Elemente ausgeübt wird. Hundert tausende von Beamten und Millionen von Ar beitern ständen in einem solchen Abhängigkeitsver hältnis. Durch den Zusammenschluß der Sozial demokratie und die Koalierung der Arbeiter fei dazu ein Druck von unten her gekommen, der sich ins besondere gegen Handwerker und abhängige Kaufleute, sowie gegen Gastwirte richte. Wolle man wirklich in der Wahl den Ausdruck der Stimmung des Volkes und namentlich derjenigen Kreise haben, die schaffend im Leben stehen, so müsse man bei dieser Gelegenheit unbedingt die geheime Abstimmung fordern. Von freikonseroativer Seite wird betont, daß die vorgebrachten Gründe für die Einführung der gc Heimen Abstimmung nicht schwerwiegend genug seien. Es sei richtig, daß in den Staaten in neuerer Zeit die mittleren Klassen und die Gewerbetreibenden bei den Wahlen durch die Sozialdemokratie bedrückt werden. Der Redver regt an, diesem Uebelstand in anderer Weise entgegenzutreten. Der Redner des Zentrums erklärt kurz, daß seine Parte« ge schlossen für das geheime Wahlrecht eintrctcn werde. Die gleiche Erklärung gibt der Nation al - liberale Redner ab. Auch er weist daraus hin, daß sich vielfach neue Abhängigkeitsverhältnisse heraus gestellt hätten, und daß heute in weitem Maße der Arbeiter durch seine Organisation mehr geschützt sei, wie die Kreise des Mittelstandes. Auch die Parteien, welche bisher an der öffentlichen Wahl festgehalten hätten, würden sich nichts vergeben, wenn sie an gesichts der veränderten Verhältnisse für die geheime Wahl stimmen würden. Der Regierung Ver treter gibt die Erklärung ad, daß die Staats regierung an der Erklärung des Minister Präsidenten im Plenum mit Entsch ieden hei t zesthalte. Für die öffentliche Wahl erklärt sich der Vertreter der Konservativen. Der sozialdemo kratische Redner betont den scharfen Drua, der von oben ausgeübt werde. Seitens des frei sinnigen Redners seien Beweise für den Druck von seiten der Sozialdemokratie nicht er bracht. Der Standpunkt der Konservativen se« rein egoistisch. Der polnische Vertreter schließt sich den freisinnigen Ausführungen an. In Oberschlcsiei« sei gerade auch der Arbeiter in der Industrie und der Gewerbetreibende von dem Druck von oben beeinflusst Die Abstimmung ergibt die Annahme des freisinnigen Antrages auf Einführung der gc Heimen Abstimmung mit 15 gegen 13 Stimmen. Für den Antrag stimmen geschlossen die Freisin nigen, Nationalliberalen, das Zentrum, der Sozialdemokrat und der Pole. Deutlch-lrsnMilche Ssnüelsbestehungen. Aus parlamentarischen Kreisen schreibt man uns: Die handelspolitischen Verhältnisse zwischen der französischen Republik und dem Deutschen Reiche spitzen sich zu. Mit außergewöhnlicher Mehrheit Hal die französische Deputiertcnkammer einem Zolltarif zugestimmt, der außerordentlichen Erschwerung der deutschen Ausfuhr nach Frankreich mit sich bringen würde. Verschiedene deutsche Industrien sehen ihren Absatz aufs schwerste gefährdet und haben sich mit der Bitte um Schutz an die Regierung gewendet. Wie bekannt geworden ist, hat nun die deutsche Regierung ernste Vorstellungen in Paris erhoben und durch > blicken lassen, daß die in Aussicht genommene voll stündig jchutzzöllnerische Umgestaltung des neuen französischen Zolltarifs als ein handelspolitisch un freundlicher Akt gegen Deutschland angesehen worden wäre, zumal sich auch hier die Tendenz zeige, geradc die aus Deutschland bisher eingesührten Waren bc sonders stark zu treffen. Französische Importeur kreise haben sich dem Protest gegen die maßlosen Zollcrböhungcn zum Teil angeschlossen. Ob der französische Senat den Vorstellunaen der deutschen Regierung Folge gibt, ist noch zweifelhaft. Inzwischen ist aber ein markanter Gegenstoß aus der Mitte des deutschen Parlaments erfolgt. Die nationalliberalc Fraktion des deutschen Reichstages hat einen Initia tioantrag eingebracht, durch den sie den Reichskanzler auffordcrt, einen Bundcsratsbeschluß hcrbcizuführen. der die bisher für die französische Einfuhr gewährten Ermäßigungen auf Schaumweine. Rum, Arrak, Kog nak, Parfümerien und kosmetische Mittel usw. auf hebt, und der weiterhin von den verbündeten Regie rungen verlangt, daß sic bei Annahme eines der deut schen Einfuhr schädlichen Zolltarifs dem Reichstag eine Vorlage unterbreiten sollen, durch welche die Zollsätze auf diejenigen Waren erhöht werden, die bisher überwiegend aus Frankreich zu uns kamen und die handelsvertraglich nicht gebunden sind. Das ist die offene Drohung mit energischen Retorsionsmaß regeln, die, wie man annehmen kann, auf die Ent scheidung des französischen Senates nicht ohne Ein fluß bleiben wird. An sich erscheint es eigenartig, daß zwei Regierun gen, die miteinander im Verhältnis der Meist begünstigung stehe«, innerhalb der formellen Meist begünstiguna so in eine Art Zollkriea hineingeraten können. Tatsächlich lassen sich aber, wie bei Gelegen heil der Beratungen des Handelsvertrages mit Por tugal ausgesührt wurde, auch unter dem Gesichtspunkt
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