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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.02.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100224010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910022401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910022401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
- Monat1910-02
- Tag1910-02-24
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!S»0. N r. aao. - «rett«»: Borhellung s. -uvend« Vorstellung « ^Uvr: — Sonn- Berew der 6t6. eistcr. erbeten. irrs. it, gegen- ill-Palast. Ritter- 70/^an. r»u. »ne« . ^MS 0172 lkdt - grössere mäev, «o»irr It. BezuftS-PrclS str Leipzig und Lororte durch unser« lriaer und Epedileure 2mal ttglich m« Haus gebracht: ütt muaatl., viertrliibrl. Bet untern Filialen u. An» nahulestellen -bgebolt: 7S «ouatt., L.LL vierteljLbrl. Durch die chvk: innerhalb Deutlchland« und der deutschen Kolonien vierleljjibrl. lt.itll monatl. lLd auischl. Poftdeftellacld. ferner in Belgien, Dänemark, den Donauslaaten, Italien, Lurembura, Niederlande, Nor wegen. Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schweden, Schwei, n. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch die Belchiststtelle de« Blatte« erhältlich. Ta« Leipziger Tageblatt erscheint 2 mal täglich. Sonn- u. Feiertag« nur morgen«. itlvonnement-Aiinaome. Augullutplatz 8, bei unteren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Brieslrägern. »tn»elv«rkLus«prei« der Morgen« autgade IV Lz, der tlbendautgobe L «h. Redaktion und Geschäft-stellr: Johanni«gasse 8. Fernsprecher: 14692. 14698. I46S4. Morgen-Ausgabe. MpMerTagÄM Handelszeitung. ÄmtsvkatL des Rates und des Rokizeiamtes der Ltadt Leipzig. Luzcigcn-').rciA Nir Inserate au« Leiruig nnb Umgebung di« 6geivallene SV ww breite Petitzeil« 25 H, die 74 Ulm breite stieklamezeile I von au«wärt« 80 Ls, ltieklamen 1.20 ; Inserate von Behtrben >m amtlichen Teil die 74 um» breite Petitzeile 40 Ls. a>eschä't«an,einen mit P avvorschrtsten und in der Aöendausaad« im Preise «rhogt. lliadlUt nach Tar>I. Beilagegcbüdr ü p. Tausend exkl. Postgebühr. Festerteilte Auirräge können nicht zurück- gezogen werden. Für de« lüischeiiien an befummle» Tagen uno Platzen wird lcine «Sarantie übernommen. Anzeigen. Annahme: Augustutvlast 8, bei tämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Ekpeditionen de« In- und Ausländer. Haupt - Filiale Berlin: llarl Dlincker, Herzog!. Bahr. Hosbuch- bandlung, Lützowstiabe 10. -Telephon Vt, Nr. 4Mch. Haupt-Filiale Dresden: Seesirake 4.1 slelephon 4621). Nr. 54. Das Wichtigste. * Der Reichstag überwies am Mittwoch die Vorlage eines Reichskontrollgesetzes der Ludgetkommission und setzte die Beratung des Etats dcsReichsamtsdesJnnern fort. (S. Reichs- tagsbericht) * Der Aus st and der Straßenbahn angestellten in Philadelphia hat zu wahren Straßenkämpfen geführt, so daß das Standrecht verkündet wurde. (S. d. bes. Art.) * China hat nach Tibet eine größere Truppenmacht gesandt Der DalaiLama ist über die indische Grenze geflohen. (S. Letzte Dep.) Die lex üer guten Sitte. 2m preußischen Abgeordnetenhause haben die Konservativen einen Antrag auf Aenderung der Geschäftsordnung eingebracht. Die Geschäfts ordnung des Abgeordnetenhauses soll mit wirk samen Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Einschränkung von Reden, welche die Zeit des Hauses ungebührlich in An spruch nehmen, versehen werden. Die beiden Forderungen, die der Antrag enthält, sind ihrem Wesen nach scheinbar heterogen und müssen daher in der Besprechung zunächst ge trennt werden. Wenn wir überhaupt eine in terne preußische Angelegenheit einer näheren Betrachtung unterziehen und vielleicht durch sie den Zorn derer erwecken, die da glauben, daß Preußen innerhalb Deutschlands in einer „glänzenden Isolierung" dahinleben könne, so geschieht dies deshalb, weil die Psychologie der preußischen Konservativen heute in der Tat mehr als je für das ganze Reich von Inter esse ist. Der erste Teil des Antrages gehört zu dem, was man „Eelegenheitsgesetzgeberei" zu nennen pflegt. Es ist ein Antrag ab irato. Bevor der Ministerpräsident von Bethmann seine Wahl rechtsrede begann, setzten die Sozialdemokraten mit rhythmischen Pfuirufen ein. Diese Kund gebung wurde mit Recht von allen bürgerlichen Parteien verurteilt. „Die Leidenschaft ist der Schlüssel der Welt", auch der der politischen Welt, so wunderlich dies auf den ersten Blick scheinen mag. Alle ganz großen Politiker sind Männer von stärkstem Temperament gewesen; diejenigen, die nur kühle Rechner waren, gehören in die zweite Klasse. Wir würden also keineswegs jeden Ausbruch der Leidenschaft im Parlament zimperlich verdammen, indessen hier handelte es sich nicht um einen spontanen Ausbruch, sondern um eine wohlüberlegte Inszenierung. Der Reichskanzler sollte als der Urheber der ver haßten Wahlrechtsvorlage beschimpft werden, ehe er überhaupt den Mund zum Reden geöffnet hätte. Und gerade an dieser Stätte, an der ja der Versuch gemacht werden soll, den anders Denkenden durch die Wucht der Argumente zu überzeugen oder wenigstens in friedlichem Kampfe zu besiegen, gerade hier darf eine der artige Demonstration, die den Gegner am liebsten schon, bevor er gesprochen hat, zum Schweigen bringen möchte, nicht geduldet werden. Unter diesen Gesichtspunkten ist der Antrag der Konservativen verständlich; indessen sind wir davon überzeugt, daß solche Ausschreitungen durch Strafen nicht verhindert werden können. Weit wirksamer als sie ist die Mißbilligung des Hauses und die aus ihr folgende Erkenntnis, daß solche Pfeile nur auf den Schützen zurück- prallen. Die Konservativen überschätzen eben auch hier, wie im gesamten Staatsleben, die Wirkung mechanischer Mittel. Nur die Sitte des Hauses, die der Strafbestimmungen nicht bedürfen sollte, kann Wandel schaffen, und nur aus der Freiheit wird die Zucht geboren, die die Konservativen durch den Schrecken erzeugen möchten. Terroristische Strafbestimmungen sind bei erwachsenen Männern, die das Volk zur höchsten Würde berufen hat, nicht durchführbar, nicht denkbar, und so zeigt sich doch in dem Anträge der Konservativen wieder, daß sie, indem sie die Würde des Hauses wahren wollen, diese Würde selbst verletzen. Sie denken eben vom Parlamentarismus nied.ig, und deshalb sind die Mittel, mit denen sie ihn reformieren möchten, nicht gerade allzu nobel. Was den zweiten Teil des Antrages betrifft, so läßt sich nicht leugnen, dah er einem Be- Donnerstsg, üen 24. Mrusr 1910. 104. Jahrgang. dürfnis entspricht. Fast alle Redner sollten sich I des Grafen Moltke erinnern, der sich einmal für ' eine etwas lang ausgefallene militärische Arbeit mit den Worten entschuldigte: „Ich hatte keine Zeit, kurz zu sein." In anderthalb Stunden läßt sich viel sagen; allzuviel, wie jeder aufrichtige Redner zugeben wird. Die Weitschweifigkeit verleitet zu mancher unkontrollierten Aeußerung, die der Redner schon bereut, wenn sie dem Gehege der Zähne entflohen ist. Trotzdem kann auch hier nur die Erkenntnis der Abgeordneten selbst Gutes wirken. Wenn nach anderthalb Stunden das Haus befragt werden muß, ob es den Redner weiter hören will, entsteht immer die Gefahr, daß die Minorität geschädigt wird, denn es läßt sich ja nun einmal nicht leugnen, daß in einem solchen Falle die Parteien lediglich nach taktischen Rücksichten entscheiden würden. Deshalb sollte auch dieser Teil des Antrages abgelehnt werden. Unserer Ansicht nach ist eine Aenderung der Geschäftsordnung des preußischen Abgeordneten nicht vonnöten. Demonstrationen wie die der Sozialdemokraten werden nur sehr selten vor kommen, und sie werden vermutlich um so seltener werden, je mehr die Sozialdemokraten sich als gleichberechtigte parlamentarische Partei empfin den lernen, eine Empfindung, die sich bei ihren Vertretern im preußischen Abgeord netenhause naturgemäß noch nicht eingestellt hat. Die Geschäftsordnung ist für den Alltag da, nicht für Ausnahmeereignisse, denen gegenüber sie doch versagen würde, so drakonisch sic auch ausgestaltet sei. Und im Alltagsleben wird der gute Ton des preußischen Abgeordnetenhauses von dem Präsidenten mit einer Rigorosität gewahrt, die bisweilen gerade zu komisch wirkt. Was soll man dazu sagen, wenn der Präsident den Ausdruck „diese Herren", den der Abgeordnete Frank ohne Namens nennung auf die Oldenburggruppe angewendet hatte, als „nicht üblich" zurückweist! Man sollte nie vergessen, daß das Parlament die einzige Stätte ist, an der der Staats bürger sich ohne Furcht vor staatsanwalt- schaftlichen Anfechtungen frei aussprechen darf. Hier soll, wenn es not tut, auch der Zorn der freien Rede zu seinem Recht kommen, und der Präsident hat die Pflicht, zuerst und vor allem darüber zu wachen, daß die freie Rede nicht verkümmert werde, erst dann aber soll er an Knigges Vorschriften denken. Das Parlament ist keine Kinderstube, und deshalb ist es kein nationales Unglück, wenn auch einmal ein Volksvertreter die „gute Kinderstube" vermissen läßt. Ieder blamiert sich eben, so gut er kann. Die Hauptsache ist, daß das Volk hier seine eigene Stimme vernimmt. Oie SlrstzenkSmpke in Philadelphia. Seit mehreren Tagen hat der Streik der Straßenbahnange stellten in Philadelphia beängstigende Formen angenommen. Mehrfach ist es, wie gemeldet, schon zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Streikenden gekommen, mehrere hundert Straßenbahnwagen sind von diesen zerstört worden. Mit der Verhaftung des Streikleiters Pratt glaubte man einen schweren Schlag gegen die Streikenden getan zu haben. Diese Maßnahme hat sich jedoch als gänzlich verfehlt erwiesen. Der Per haftung folgte die Proklamierung des Generalstreiks auf dem Fuße und dis Massen sind erregter wie zuvor. So ist es denn zu neuen, viel schlimmeren Unruhen gekommen, die den Charakter von Straßenkämpfen annahmen und zur Verkündung des Standrechts führten. Ueber die Straßenunruhcn und die Lage in Phil adelphia liegen folgende Drahtmeldungen vor: ** Philadelphia, 23. Februar. (Tel.) Die Ausschreitungen der streitenden Straßen bahner und des Mobs nehmen zu. Während der heutigen Nacht waren AM Polizisten kaum imstande, die Ruhe einigermaßen aufrechtzuerhalten. Die Stadtverwaltung hat die Militärbehörden um Unter stützung ersucht, worauf :M0 Mann der Staatspolizei nach Philadelphia berufen wurden. Der Anblick de« Militärs steigerte jedoch nur noch die Wut der Menge. Mehrere heftige Zusammenstöße zwischen beiden fanden statt, in denen das Militär von den Bajonetten Gebrauch machen mußte. Ein regelrechter Strahenkampf zwischen den Streikenden und der Polizei entwickelte sich im deutschen Viertel Im Verlauf dieser Kämpfe wurde ein Mann getötet, während vier andere schwere Verwundungen vaoontrugen. Bis her wurden von den Polizisten nur Schreckschüsse ab gegeben. Da diese jedoch bereits ihre Wirkung ver loren haben, stehen ernste blutige Straßenkämpw be vor. Hunderte von Verhaftungen sind vorgenommcn worden. Da die Aufrechterhaltung des Friedens in der ganzen Stadt gefährdet erscheint, wurde heute das Kriegsrecht verkündet. Die Führer der Streikenden sitzen im Gefängnis. Aber gerade deren Festnahme hat den Widerstand der Eisenbahner vermehrt. Die wenigen Straßenbahnwagen, die in der Stadt zum Transport der Polizei und des Militärs verkehren, sind gestürmt worden. Etwa 50 Polizisten wurden bei diesen Kämvfen in den Straßenbahnwagen schwer verwundet. Die Wagen wurden vollständig zerstört. Die Eisenbahner drohten, jeden Wagen, der durch die Stadt fährt, durch Dynamit in die Luft zu svrengen. Um zu beweisen, daß es ihnen mit ihrer Drohung Ernst ist, haben sie einen Straßenbahn wagen bereits in die Lukt gesprengt, zum Glück war er unbesetzt. Die Gebäude der Electric Tramway Company sind von einem starken Truppen ausgebot umgeben, um sie vor einer Zerstörung durch die Straßenbahner zu schützen. — Philadelphia, 23. Februar. (Tel.) Die streikenden Straßenbahner und ihre Partei gänger machten gestern abend einen erbitterten Angrisf auf die Depots der Gesellschaft und brannten an hundert Wagen nieder. Die Polizei versuchte vergeblich die Menge zu zerstreuen. Viele Personen wurden verwundet, darunter mehrere Polizisten. Vereinzelte Versuche, den Straßenbahnverkehr aufrechtzuerhalten, miß langen. Lange vor Mitternacht mußte derBetrieb gänzlich ausgegeben werden. — Während der Unruhen wurde ein älterer Mann, der zu den Streikenden in keiner Beziehung stand, auf den Straßendamm gedrängt, überfahren und getötet. IVO MW Streikende. * New Park, 23. Februar. (Tel.) Die Verhaftung des Leiters des Straßenbahner streiks Piatt bat die Situation noch weiter ver schärft. Der Präsident der Central Labour Union hat, wie bereits gemeldet, den Generalstreik aller Mitglieder der Union als Ausdruck der Sympathie für die Streikenden erklärt und ohne weiteres haben ca. 100 0Ml Personen dieser Anordnung Folge geleistet. Bei den Unruhen wurden bisher drei Personen ge tötet und eine große Anzahl Personen — man spricht von 300 — verwundet. Ein Bataillon Militär ist bereits aufgeboten, und der Bürgermeister Rey- burp. hat. beim Eouycrueur -us Ltautes Pcnnsyl- vanien, Stuart, beantragt, IS SV« Man« Truppe« be rcitzuhalten, da er glaube, daß deren Verwendung sich nötig erweisen werde. Die Milizleute wer den von der Menge auf den Straßen vielfach ver höhnt; einzelnen find die Gewehre und Uniformstücke weggenommen worden. Gestern sind wieder mehrere unbeteiligte Zuschauer bei den Straßenkämpfen zu Schaden gekommen; einer wurde durch eine verirrte Kugel getötet, sieben andere, die Mehrzahl davon kleine Jungen, wurden verwundet. DeuMes Reich. Leipzig, 24. Februar. * Die getadelten NaHonalliberalen. Gegen die höchst wunderbare Verteidigung der Erklärung des Ministers Grafen Vitzthum zur Reform der Ersten Kammer in der ,,Leipz. Ztg." — wir haben unserer seits bereits vor einigen Tagen hier diese merkwürdige Auslassung gebührend gekennzeichnet — wendet sich jetzt auch die varteioffiziöse „Sächs. Natl. Korr.", in dem sie schreibt: „Aisbalo nach dem Zusammentritt des neuen Landtags hat die nationalliberale Fraktion einen Antrag aufReformderErstenKammer eingebracht. Die Erundforderuug war, daß In dustrie, Handel und Gewerbe ein verfassungsmäßiges Recht auf eine ihrer gegenwärtigen Bedeutung ent sprechende Vertretung in der Ersien Kammer eingc- räumt werden möge. Der Minister des Innern hat, als der Antrag am 17. Februar verhandelt wurde, eine Erklärung abgegeben, die auf eine Ablehnung hinauslief. Nachträglich hielt es die Regierung für richtig, in der „Leipziger Zeitung" (Nr. 42) des länge ren auseinanderzusetzen, weshalb die nationalliberale Fraktion ihren Mißerfolg verdient habe. Sie habe nämlich einen Fehler begangen, weil siedieRe - gierung nicht vor Einbringung ihres Antrages über ihre Meinung und Ab sichten befragte. Hiernach scheint also der Minister des Innern anzunehmen, daß der Antrag, wenn man sich vorher bei ihm erkundigt hätte, unter blieben wäre. Eine etwas seltsame Auffassung. Der Tadel wäre vielleicht berechtigt, wenn es sich um eine gänzlich neue Sache gehandelt hätte. Zn solchem Falle mag es allerdings angebracht sein, sich vorher mit der Regierung über die zweckmäßigste Behandlung der An gelegenheit zu verständigen. Aber war denn der An trag auf Reform der Ersten Kammer etwas Neues für die Regierung? Vielleicht war er neu für den neuen Herrn Minister des Innern. Jedenfalls ist es leicht festzustellen, daß bereits in der Tagung 1903/04 sowohl dre Nationalliberalen wie die Konservativen Ant.äge auf eine Aenderung der Zusammensetzung der Ersten Kammer cinbrachten, von "früheren An regungen abgesehen. Noch in frischer Erinnerung ist das Schicksal der Regierungsvorlage vom Jahre 1905, die doch zum mindesten als eine Anerkennung des Re- formbedurfnisses anzusehen war. Sollte nun die nationalliberale Partei, weil damals keine Einigung zu erzielen war, auf ihre Forderung überhaupt ver zichten? Sollte sie geduldig warten, bis die Regie rung von selbst auf den Reformgedanken zurückkommen würbe? So kann doch keine Partei verfahren, die ihre Forderungen ernst nimmt. Die nationalliberale Par tei hat ihre Forderung auf Reform der Ersten Kam mer seit sechs Jahren in jedem Wahlaufruf und bei jeder Gelegenheit in der Oefsentlichkeit wiederholt. Muß sie jetzt nach der „Leipziger Zeitung" einen „Mißerfolg" verzeichnen, so ist es sehr fraglich, ob sie damit ihr eigenes Schuldkonto belastete. Im Lande wird man keinen Fehler darin sehen, daß sie die Regierung vor die Frage stellte, ob sic eine baldige Reform will oder nicht; man wird aber einen großen Fehler der Regierung darin sehen, daß sie die Reform als „zurzeit inoppertun" abwies, denn was in der „Leipziger Zeitung" zur Begründung dieser Ab lehnung angeführt wird, läßt sich wohl verstehen als Ausdruck einer unsicheren Auffassung der Verhältnisse, allein das ist ja gerade das Bedauerliche, daß sich die Regierung bis jetzt noch keine feste Stellung innerhalb der veränderten Ver hältnisse anzueignen wußte. Sie ist nicht bloß vor sichtig, sie ist mißtrauisch. Und dieses Mißtrauen ist ein Fehler, denn es beseitigt die Schwierigkeiten nicht, sondern schafft, wie der Gang der Dinge leider zeigt, jeden Tag neue." * * Der österreichische Minister Gras Achrenthal empfing am Mittwochvormittag im Hotel Adlon den Besuch des Reichskanzlers. Der Besuch währte l^/t Stunde und wurde zu ausführlicher gegenseitiger Aussprache der beiden Staatsmänner benutzt. Wie von Teilnehmern an dem am Dienstag veranstalteten Diner beim Reichskanzler verlautet, war der Verlauf des Diners und der gegenseitige Meinungsaustausch danach besonders angeregt und herzlich. Der bayrische Gesandte Graf Lerchen feld gab am Mittwoch um 12 Uhr ein Frühstück, zu dem u. a. geladen waren: Graf Achrenthal, Bot schafter von Szögienyi-Marich, Gesandter Frhr. von Varnbühler und Staatssekretär Dernburg. Das Kronprinzenpaar hat den Minister Grafen Aehren- thal nachmittags 3V? Uhr im kronprinzlichen Palais empfangen. — Wie die Wiener ..Reichspost" melder, soll bei Anwesenheit des Grafen Achrenthal in Ber lin die Erneuerung des Dreibundes von Oesterreich und Deutschland in bestimmter Form fest gelegt worden sein. * Aus der Budgetkommisfion des Reichstags Zn fortgesetzter Beratung des Marine-Etats beim Kapitel „Instandhaltung der Schiffe" wandte sich Staatssekretär v. Tirpitz gegen den Antrag des Berichterstatters auf einen Abstrich von 300 000 Ein solcher sei aus militärischen und wirtschaftlichen Gründen nicht ratsam. Werde der Abstrich beschlossen, so müßte wahrscheinlich eine Torpedobootsfiottille und ein Minenschulschiff ohne die erforderlichen und für die Kriegsbereitschaft unbedingt notwendige Grundreparatur bleiben. Im Vergleich zu anderen Staaten ständen wir bezüglich der Mittel zur In standhaltung der Schiffe erwiesenermaßen erheblich schlechter. Der Antrag auf Streichung von 300 000 .« wurde angenommen. Bei den Forde rungen für artilleristische Armierung er klärte Staatssekretär v. Tirpitz, daß der Marine verwaltung eine Konkurrenz auf dem Gebiete der Artillerie und Panzerplattenliejerung außerordentlich erwünscht sei Die Firma Erhardt sei wiederholt zu Lieferungen aufgefordert worden. Bisher habe sic aber noch kein Geschütz zur Ablieferung gebracht. sei nirgends festgestellt worden, daß Krupp an das Ausland billiger liefere als an di; deutsche Ne gierung. Um ein staatliches Wer! zu schaffen, das imstande sei, schwere Rohre zu liefern, würden so große Mittel erforderlich sein, daß dem Fiskus ein pekuniärer Nutzen, voraussichtlich daraus nicht er wachsen könne. * Wieder ein Telegramm aus Lüderihbucht. Der nationalliberale Reichstagsabg. Dr. Arning hat heute folgendes Telegramm vom Lüderitzbuchter Bürgermeister Kreplin erhalten: „Da Sonderrecht der Kolonialgesellschaft erst am 1. April 1911 «bläust und Vertrag, dessen Annahme Staatssekretär Ende Januar empfahl, als gewiß erscheinen läßt, daß der Landesfiskus erneut schwer geschädigt wird, bitten wir dringend, Abschluß des neuen Vertrages bis nach Eingang ausführlicher Denkschrift zu verhindern. Ueber Vertragsentwurf bemerken folgendes. Land und Bergrechte zwischen 26 Grad und Kuisib, die Staatssekretär für Kolonialgesellschaft anerkennt, bestreitet Gouverneur unter Ablehnung der Auszahlung einer halben Million eingezahlicr Schürfgcbühren an Kolonialgesellschaft; diese nach Bcrgvcrordnung beweispflichtig. Hinweisen auf Fehlen des der Gesellschaft ungünstigen Ausschluß urteils bezüglich Bethanien April 1886, welches unter Rechtstiteln unbedingt aufzuführen war Kreplin, Bürgermeister." * Die Sozialdemokraten in Frankfurt a. M. hatten für Mittwochnachmittag 4 Uhr 10 Protest versammlungen gegen das Vorgehen der Polizei am 17. Februar einberufen. Sämtliche 10 Versamm lungen waren überfüllt. Das Thema lautete in allen Versammlungen: „Wer trägt die Verantwortung für die Ausschreitungen der Polizei am 17. Februar". Es wurde eine Resolution angenommen, in der das Vorgehen der Polizei aufs schärfste verurteilt wurde und in der sich die Anwesenden bereit erklären, weiter zu kämpfen, dis das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht gesichert sei. Nach der Versamm lung verliefen sich die Leute ruhig, ohne daß cs irgendwo zu einem Zwischenfall kam. * Deutsch-französische Berkehrsinteressen. Der Deutsch-Französische Wirtschaftsvercin hält am 4. März d. I. vormittags 10 Uhr eine Sitzung seines Gesamtausschusses in Frankfurt a. M. ab. Auf der Tagesordnung stehen außer Fragen der inneren Orga nisation die Berichterstattung über das bisherige Er gebnis der vom Verein eingeleiteten Rundfrage be treffend Schutz geographischer Herkunftsbezeichnungen im deutsch-französischen Warenverkehr und Notwen digkeit einer llebcrgangsfrist beim Inkrafttreten des neuen französischen Zolltarifs. An die Tagung des Ausschusses schließt sich eine gemeinsame Sitzung der beiden Fachausschüsse für Eisenbahn- und Schiffahrts wesen und für Post-, Telegraphen- und Telephonwesen, mit folgender Tagesordnung: 1) Einführung der französischen Brieftelegramme in Deutschland ü: d im deutsch-französischen Verkehr; 2) Kanalisierung der Mosel; 3) Verbesserung der deutsch-französischen Eisenbahnverbindungen; 4) Handhabung des deut schen Weingesetzes. Interessenten des einen oder an deren Punktes der Tagesordnung, die den Wunsch haben, eventuell an der Sitzung teilzunehmen, wollen sich möglichst umgehend mit dem Sekretariat des Ver eins I Berlin W. 9., Köthener Straße 28/29) in Ver bindung setzen.
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