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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.05.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100519014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910051901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910051901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
- Monat1910-05
- Tag1910-05-19
- Monat1910-05
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BezugS-PreiS che r««p»t» »»» durch »»y«, lrägee und Svrdnrur« 2»«I ttgltch ms Hau« ^bracht: vch moixul., L.7v^k e^rleljährl. Le« unirr» ffiltalr» ». L>» «dmrftrllen ebqedoll: 71 az »u»aU^ t.Ri nir««liL»rl. vurch »tu P»ftr lnnerh«ld De-Nchland« und d«r dorch-u» «»leniea dienel,Ldr« U.4» ^ss, «unati. >.24 autlchl. PoNdeI>ell«eld. ferner m vrlgien, Tinemark, drn T>«iu>u!uuue». IlaUen, Luremburg, Sitederland«, ütur» weaen, LeNrrreich- llnzurn, NMuud, kchwedtt,, Schwer u. Spante», In allen adrigen Staaten nur dirrkr durch di« «etchchtdt-ell« de« Blatte- erhtttltch. Da« Leidiger tageblatt rricheini 2«at itglich. Sonn- ». Fetcriaa« nur morgen«. ttvoan«il r»r-*nn«dm«. Auguüusplatz 8, de> unteren Drtgern. tstlialen. Lpedireure» und »nnahmeftellen. kowte Posttmlern u»d BrirstrSgern. »»»»«ldeetaut.prei« »er «toraen- nlt-ad« 10 L-, der iddendautgad« » ch. «ebaktlon und DetchästsLeLer Iohanniegasie 8. Serntvrecher: I4Ü0L I4SW, 148S4 Morgen-Ausgabe riMcr T agtblaü Handelszeitung. Ämtsvlatt Les Rates nnd des Rokrzeramtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS Nir Jnterate a»s Leipzig »nd Umgedung di« vgetpatten, L0 mm drett» Pettyeil« 2S 4, dl» 74 io» drett« cheklamegell« I von a»«n>4rt1 M ptellamen 1.20 ^U, Interat« »»» 8ed»tt>en n» amMchen Dell dt, 74 au» breit» Betty»«« 40 ««tchSlttanzeigen mtt Plngoortchriitr» »nd t» der >b»ad«»4a«d« im Pre>t» «rhühi, dtadalt nach Laris. Seilagegedüdr b p. Lautend exki. Poltgebühr. ffevertetlt« Duttrüg« kinnen mcht zurOL- arzogen werden. Für da« tirlcheine» an deftnumten Lagen und Plttzr» wir» kein« »«rantt» übernommen. »»geigen, «»»ahure, Buguftu«pl»tz bei tümrltchen Filiale» u. allen Annoncen. »xpedttionen bei Zn- und Ausland»«- Pa»pk-Silt«le Bern»! I»rl Buiiiker, Herzog!. «a,r. Hostach- d«»dlun^ Lügowftiabe IL (T-.ephsn VI, Nr. 4M3). Haupt-Stltale DreSdem Seeltrntze r. I (Telephon 4621). Nr. ISS. vonnerswg, üen tS. Mni islv. 104. Jahrgang. Das Wichtigste. * Der Exportverein für das Königreich Sachsen feiert am heutigen Tage sein 25 jähri ges Bestehen. (S. Dischs. R.) * Auf dem in Chemnitz tagenden evan gelisch-sozialen Kongreh sprach am Mitt woch Pastor Liebster-Leipzig über „Sozia listische Weltanschauung und christliche Religio n". (S. d. bef. Art.) * Hundert für die Ausstellung in Buenos Aires bestimmte Rinder der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft wurden vom argentinischen Ausstellungsausschnh znrückge - wiesen. (S. Dischs. R.) * Auf dem Dnjepr geriet ein von 91 Personen besetztes Fahrzeug gegen ein Riff. 47 Personen sind ertrunken. süüsmerikamlche SriegspLlitlk. Der Krieg zwischen Peru und Ecuador steht vor der Tür. Die beiderseitigen Truppen marschieren bereits an die Grenze. Man hatte einige Wochen lang nichts von den südameri kanischen Verwicklungen gehört. In Europa nahm man schon an, dah es bei der Abberufung der Gesandtschaften und dem Zeitungskrakeel sein Bewenden haben werde. In Wahrheit haben die beteiligten Regierungen einfach den telegraphischen Verkehr mit dem Auslande ge sperrt, um über ihre Handlungen nichts bekannt werden zu lassen. Die Sache hat eine ungleich allgemeinere Bedeutung als man nach der Rolle vermuten sollte, die jene beiden Länder für uns spielen. Schon das gibt ihr einen sehr erweiterten Hintergrund, dah auch Chile und Bolivien daran beteiligt sind. Damit gerät die ganze Westküste Südamerikas in Kriegszustand; nur das kleine Stückchen Kolumbia, das zwischen Ecuador und der jungen Republik Panama liegt, bleibt vorerst davon ausgeschlossen. Der eigentliche Herr über Panama sind aber die Vereinigten Staaten. Und was diese an belangt, so muh man ihre Rolle nach dem Stillen Ozean hinüber durchaus nicht als eine bloh friedliche auffassen. Soeben weist der Präsident den Kongreh zu Washington darauf hin, dah die Befestigung des Panama-Kanals nunmehr der Vervollständigung bedürfe, da die neue Wasserstrasse am 1. Januar 1915 dem Verkehr übergeben werden solle. Die VereinigtenStaaten richten sich auf einen Krieg mit Japan ein. Sie fürchten einen Angriff der Japaner auf den Kanal und wollen ihm so starke Forts geben, dass kein Feind den Ein- und Ausgang zwingen kann. Sobald aber die nordamerikanische Kriegs flöt te heute im Atlantischen und morgen im Stillen Ozean sein kann, wird die Macht der grossen Republik an allen pazifischen Küsten ganz anders gespürt werden als bisher. Das hätten füglich auch die südamerikanischen Republiken bedenken sollen,die sich jetzt den Luxus eines Krieges erlauben. Diese vier und alle die übrigen mittel- und südamerikanischen Staaten zusammengenommen verschlagen nicht viel gegen die nordische Grossmacht. Diese hat freilich standhaft jeden Gedanken zurückgewiesen, als wolle sie Eroberungen im Süden machen oder auch nur eine Art Oberherrlichkeit er langen. An der Aufrichtigkeit dieser Absichten ist nicht zu zweifeln. Es fragt sich nur, wie weit eine einmal ins Rollen gekommene Politik führt. Der eigentliche Panama-Kanal mit einem Streifen von 8 Kilometern zu beiden Seiten gehört schon den Vereinigten Staaten. Ueber die kleine Republik Panama führen sie bereits ein Protektorat. Ueber Kuba ebenfalls ein solches. Die Kontrolle der Finanzen von San Domingo liegt bereits in ihrer Hand. Ihr Auftreten in Nicaragua wegen zweier als Re bellen mit Waffen in der Hand ergriffenen und nach allgemein geübtem Kriegsrecht Hin gerichteter Nordamerikaner hat im ganzen übrigen Amerika das peinlichste Aufsehen ge macht, zumal sie über den Vermittlungsversuch eines Landes wie Mexiko und seines hoch angesehenen Präsidenten Diaz Hinwegschritten, als sei er Luft. Wenn die Vereinigten Staaten auch die politische Bevormundung ablehnen, so streben sie doch die wirtschaftliche offenbar an. Der Panamerikanismus steht auf dem Programm der herrschenden Partei. Das von Carnegie gestiftete Panamerika-Haus in Washington ist kürzlich eingeweiht. Man verfolgt das bestimmte Programm, mit allen Ländern Amerikas sog. Gegenseitigkeit-, - Verträge abzuschliessen. auf Grund deren die europäischen Waren möglichst zugunsten der amerikanischen verdrängt werden sollen. Europa liefert hauptsächlich Industrie- Erzeugnisse. Statt seiner sollen diese in Zukunft aus Pennsylvania, New Port, Massachusetts bezogen werden. Mit Brasilien und Ecuador sind solche Gegenseitigkeitsverträge geschlossen worden; mit Kuba besteht ebenfalls der Zoll vorzug. In Washington bietet man alles auf, um sie auf das übrige Amerika auszudehnen. Dieses will sic aber nicht, weil es längst erkannt hat, dass Europa nicht nur viel wohlfeiler liefert, sondern auch ein viel besserer Kunde ist, als die Vereinigten Staaten. Die Mittel des Nordens zur Erlangung seines Zieles sind mannigfaltig. Um ihnen zu begegnen, sollten die einzelnen Republiken mög lichst ihre eigene Kräftigung fördern und sich dabei gegenseitig unterstützen. Statt dessen verlegen sie sich auf Kriege, wobei sie einander schweren Schaden zufügcn. Sie sind eines Volksstammes, haben einen Glauben und eine Sprache. Bei ihnen allen ist — frei lich mit starken Abstufungen — die gesunde Entwicklung im Innern noch manchmal sehr gestört. Die jeweiligen Machthaber erliegen leicht der Versuchung, ihre eigenen materiellen Interessen durch Gewalt zu fördern. Das führt zu Aufruhr, Bürgerkrieg, Umsturz. Aber die neue Regierung macht es nicht besser. Allmäh lich arbeiten sich Brasilien, Argentinien und Chile zu besseren Zuständen empor. Auch Krieg zwischen den einzelnen Staaten hat es oft gegeben. Nun kommen solche Dinge wie die Streitig keiten an der Westküste Südamerikas dazwischen. Chile hat 1879 bis 1884 mit Peru und Bo livien Krieg geführt und von beiden Provinzen erobert. Es hat den Peruanern die besten Salpeter-Provinzen weggenommen und Bolivien ganz von dem Stillen Ozean abgeschnitten. Die beiden unterliegenden Staaten brachen damals völlig zusammen. Im Frieden verpflichtete sich Chile, den Peruanern die beiden Nordprovinzen Arica und Tacua nach zehn Jahren gegen eine Entschädigung von 10 Mill. Pesos zurückzugeben, wenn eine Volksabstimmung sich für Peru er kläre; andernfalls behalte es sie und zahle selbst 10 Mill. Pesos an Peru. Dieser Verpflichtung ist Chile nicht nach gekommen, obgleich schon 26 Jahre verstrichen sind. Peru behauptet, das sei unterblieben, weil man wisse, dass die Abstimmung für Peru ausfallen würde. Chile habe eigene Landsleute in jenen Provinzen angesiedelt, so viel es konnte: vergebens. Es hat eigene Geistliche (natürlich ebenfalls römisch-katholische) hingesandt, um für den Verbleib bei Chile zu wirken: vergebens. Diese Geistlichen bekamen keine mi8<sia caucmi'n von dem Bischof von Arequipa in Peru, dem die Provinzen kirchlich unterstellt sind, und daher hielt sich die Bevölkerung an die peruanischen Geistlichen. Di e letzteren hat Chile vor einigen Wochen ausgewiesen. Darob erzürnt, hat Peru seine Gesandtschaft abberufen und Chile hat die seinige ebenfalls heimbeordert. Es droht der Krieg. Aus diesem Anlass hat sich der alte Hass zwischen Peru und Ecuador von neuem ent zündet; es scheint, dass hier an Perus Nordgrenze noch eher Blut fliesst als gegen Chile. Mit dem Militär Perus, Boliviens und Ecuadors ist es nicht gut bestellt. Einzig Chile hat durch deutsche Offiziere bessere Truppen er langt. Es gilt als die stärkste der beteiligten Republiken, als der wahrscheinliche Sieger. Aber wer auch siegen möge, der Krieg ist auf alle Fälle sehr zu beklagen. Er schleudert die beteiligten Länder wieder auf viele Jahre zurück. Staatsgelder werden verschandelt, An leihen werden ausgenommen, die Schuldenlast steigt, der Eewerbefleiss und die landwirtschaft liche Produktion leiden. Das Vertrauen in die Ordnung, in die Stetigkeit der Entwicklung wird abgeschwächt. Und unterdessen — steigt die Macht grösserer Mächte am Stillen Ozean. Dem tlbgearüneten Weber widmet die parieioffiziöse „Natlib. Korresp." bet seinem Ausscheiden aus dem parlamentarischen Leben folgende Zeilen: Die am Pfingstsonnabend im württembergischen „Staatsanzeiger" veröffentlichte Ernennung des Abg. Dr. Hieber zum Direktor des evangelischen Oberschul rats bedingt das Ausscheiden dieses hochverdienten nationalen Politikers aus dem parlamentarischen Leben, dessen stetig wachsende Anfordernisse mit der I Arbeitsfülle nicht in Einklang zu bringen sind, die die neu zu schaffende Behörde ihrem ersten Leiter verursachen wird. Für die nationalliberale Fraktion des Reichstags wie für die nationalliberale Deutsche Partei und Fraktion im württembergischen Landtag bedeutet dieser unter so ehrenvollen Umständen er folgende Rücktritt einen Verlust, der kaum zu ersetzen sein wird. Dr. Hieber hat dem Reichstag zwölf Jahre, der Landesvertretung seiner engeren Heimat zehn Jahre angehört und es in diesem verhältnis mässig kurzen Zeitraum verstanden, sich eine Position zu erringen, deren Bedeutung weit über die eigene Partei hinaus willige Anerkennung fand. Denn das ist das Charakteristische, die spezifische Eigenarr seiner sympathischen Erscheinung: er hinterlässt, nun er der aktiven Politik Valet sagt, keinen persönlichen Feind, weil sein aus der Tiefe quellendes Deutschempfinden und die Echtheit seiner politischen Ueberzeugung auch dann, wenn sie ihn zu harten Worten nötigten, von Anbeginn seines öffentlichen Auftretens überall den Eindruck hervorriefen und festigten, dass an ihm kein Falsch sei, dass die Ueberbrückung und nicht die Er weiterung der Gegensätze sein oberstes Leitmotiv bilde. Es ist bei diesen persönlichen Eigenschaften, zumal sie durch eine überaus reiche, politische Veranlagung in glücklichster Weise unterstützt wurden, nur natürlich, dass Professor Hieber daheim wie in der Reichstags fraktion ungewöhnlich schnell zu einer führenden Stel lung gelangte und auf den verschiedensten Gebieten seinen Einfluss in einer Weise geltend machen konnte, die ihm alle, die mit ihm zusammenarbeiteten, dauernd danken werden. In frischer Erinnerung ist noch die ausschlaggebende Rolle, die er bei der Erledi gung eines einheitlichen und freiheitlichen Reichsver einsgesetzes als Vorsitzender der Neiibstagskommis- sion, wie auch auf sozialpolitischem Gebiet spielte: so z. B. bei den Debatten über das Koalitionsrecht und über die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine. Abg. Hieber war die ganzen zwölf Jahre hindurch in den Kommissionen des Reichstags und in der llebernahme von Referaten von einer nahezu unermüdlichen Tätig keit. Im Jahre 1898 beteiligte er sich bei der Durch dringung der Gewerbeordnungsnovclle, 1899 an der Lex Heinze, seit 1901 regelmässig an den Verhand lungen über den Toleranzantrag, für den er in Kom mission und Plenum Sprecher der Fraktion war, 1902 an den Kaufmannsgerichten, 1900 bis 1907 in der Geschäftsordnungskommission, 1908 als Vorsitzender der Kommission für das Vereinsgesetz. 1909 als Mit glied der Budgetkommission usw. Wenn der soge nannte Toleranzantraa des Zentrums auch in seiner verkürzten Form jüngstens von sämtliche» Parteien mit Ausnahme von Zentrum und Sozialdemokratie abgelehnt wurde, so ist das wesentlich ein Ergebnis der unermüdlichen Aufklärungsarbeit, die Hieber im Reichstag und in der wissenschaftlichen Literatur ge leistet hat. Der Bericht, den er als Referent der Kommission über die Kaufmannsgerichte — ein seinem sonstigen Arbeitsgebiet immerhin fernerlieaendes Thema — dem Reichstag vorgelegt hat, ist um seiner präzisen Klarheit und Uebersichtlichkeit auch von geg nerischer Seite als mustergültig anerkannr worden. Ausserdem aber — und das verdient vor allem Her vorhebung, weil es seiner parlamentarischen Tätig keit allezeit die besondere Note gab — stand Hieber dann stets in der vordersten Reihe, wenn nationale Fragen das Interesse des Reichstags in Anspruch nahmen. Seine Darlegungen über die nationale Be deutung der Ostmarkenpolitik und Preußens Beruf auf diesem Gebiet haben in den weitesten Kreisen des Nordens und Südens begeisterten Widerhall gefun den, wie er denn auch der eigentliche geistige Leiter der Ostmarkenfahrt süddeutscher Parlamentarier und Journalisten im vorigen und in diesem Jahre war. Wohl kein süddeutscher Name ist bei den Deutschen der Ostmarken populärer und gefeierter, als der Name Hieber. Auch die bedeutsame Materie der deutschen Neichseisenbahngemcinichaft fand in ihm alljährlich einen energievollen Förderer: das Jesultengesetz, speziell nach der Aufhebung des 8 2, die deutsche Bricfmarkeneinheir, die Zepvelinsche Versuchsanstalt und auch die reichsländischen Verfassungsfragen dürfen nicht unerwähnt bleiben, wo cs gilt, den Umfang seiner parlamentarischen Tätigkeit darzulegen. Ein erschöpfendes Bild allerdings gewinnt man erst, wenn man auch seiner gleichzeitigen Arbeit im württem bergischen Landtag gedenkt, wo es ihm evenfalls be- schieden war, fördernd und befruchtend zu wirken. Zum Ml Merkel erlässt der Dresdner Landtagsabgeordnete Dr. Kaiserals Entgegnung auf die gestern morgen ver- ostentlichte Kundgebung des Aba Merkel folgende Erklärung: „Es ist richtig, dass die nationallidc- rale Landtagsfraktion die Abgeordneten Merkel, Nitzschke und Dr. Kaiser gewählt hat, aber nicht, um die Prozessakten durchzusehen. sondern um aus dein gesamten ihr vom Abgeordneten Langhammer zur Verfügung zu stellenden Material einen Bericht an die Fraktion zu erstatten. Richtig ist auch, dass zwischen den drei Mitgliedern vereinbart wurde, dog das Material zunächst mir, dann Herrn Nitzschke uns zuletzt Heern Merkel zur Durchsicht überlassen sein sollte. Es mag auch sein, dass die sämtlichen Unter jagen aus kurze Zeit, nämlich durch Vermittlung des Herrn Merkel an Langhammer zurückgelangt sind. Das übrige, woraus Herr Merkel seinen Vor wurf des unfairen Handelns gründet, ist recht irrig. Er hat wieder einmal hinter den Tatsachen mehr gesucht, als in ihnen lag Insbesondere mag skstgestcllt sein, dass Herr Merkel Mappe und Schlüssel längere Zeit in d:n Händen hatte. Hat er das Material nicht einarsehen, so ist es seine eigene Schuld. Er hat während oer ganzen Affäre ftti .'stört davon verlauten lassen, dass er das Material nicht kanntr, im Gegenteil, wie er nicht leugnen wild, eine weitgehende Sachkenntnis bewiese«' Diese bezieht sich insbeso nder' aus die Sitzung, die die drei Kommissionsmitglieder im Fraktionszimwer hatten. In dieser mehrstündigen Aussprache — die Zeitangabe des Herrn Merkel ist völlig unzu treffend — 'st über jeden einzelnen Punkt gesprochen worden, der für Beurteilung der Affäre Langhamm-r wesentlich war. Einfach unwahr ist es, dass eine zweite Sitzung beabsichtrgt gewesen wäre. Ich glaube auch nicht, dass Herr Mertel die Absicht gehabt hätte, in dieser Sitzung um Aushändigung des Materials zu bitten. Vielmehr erhielt ich den Auf trag, das Material zu eiiem Bericht zusammen, zustellen, wobei ich betonte, dass ich ihn selbstverständ lich deit dnden anderen Herren nochmals vorlegen würde, bevor er an die Fcakrionsgenoisen verteilt würde. Herr Merkel hat nun durchaus r'cht, wenn er be hauptet, dass er meinen Druckbericht nicht erhalten har und zu keiner weiteren Sitzung der Kommission eingeladen worden ist. Er handelt indessen, wenn er hieraus den Vorwurf der Unfairheit ableitet recht leichtsinnig. Als ich nämlich den Druckbericht zu- sammengestellt hatte, erbat ich mir zunächst von der Druckerei zwei Abzüge, um sie den Herren Merkel und Nitzschke vorlegen zu können. Zufällig erblickte Herr Allaeordnet-r Langhammer, als ich das Palet öffnete, diese Abzüge und bat sich den einen aus. Nach Durchsicht erklärte er mir, biss e: die Ver vielfältigung dieses Berichtes und seine Verteilung in der jetzigen Fassung aus be stimmten, hier nicht interessierenden Gründen unter sage. Es ist infolgedessen dieser angeblich fix und fertige Druckbericht überhiupt in keines Menschen Hände gelangt, als in die Hände Langhammers und in die meinen. Von der Frcktion hrt ibn niemand gesellen. Es ist also ein endgültiger Druckbericht gac nicht fertigg'stellt worden, vielmehr ist am nächsten Tage in drei Fraktionssitzungen münd lich Bericht erstattet worden. Herr Merkel war zu diesen drei Fraktionssitzungen eingeladen. Er wusste, dass es sich darum handelte, die Angelegenheit seines Freundes Langhammer zu prüfen, und er wusste, dass er selbst der Fraktion seine bereits in der Kommissionssitzung ausge sprochene Ansicht über die Angelegenheit hatte vor- jegen müssen. Wenn er zwischen der zweiten und dritten F r a k t i o n s s i tz u n g über diese Frage plötzlich die Dekadenz der Fraktion entdeckte und seinen Austritt erklärte, so kann ein unbefangener Beurteiler allerdings zu keinem andern Schlüsse kommen, als dem, dass keine sach lichen, sondern rein persönliche Gründe da für massgebend gewesen sind, die Fraktion in diesen ernsten Tagen zu verlassen. Nur kurz möchte ich noch darauf Hinweise», ha der Herr Abgeordnete Merkel einem dritten Äbge- ordneten gegenüber am Abend de» 10. Mai d. I- die Behauptung aufgestellt hatte, dass er überhaupt zu keiner Kommissionssitzung geladen worden sei. und dass er dann in Abwesenheit dieses Abgeordneten die Unwahrheit dieser Behauptung mir zugegeben hat. Hoffentlich hat Herr Abgeordneter Merkel „lebens- und sterbenshalber" noch andere Tatsachen festzustellen, als in seiner Zuschrift vom 12. d. M., denn es lohnt sich kaum, dass diese Behauptungen der Nachwelt überliefert würden, wenn, sie die einzigen Feststellungen aus dem Leben des Herrn Abgeordneten Merkel blieben. (gez.) Dr. Fritz Kaiser-Dresden. Kangretz üer snsrchlMlchen Müerstlon Deutlchlanüs. Halle a. S., 18. Mai. Einen interessant:« Einblick in den gegenwärtigen Stand der anarchistischen Bewegung gewährte der während des Pfingstfestes in Halle a. C. zum ersten mal in völliger Oefsentlichkeit abgehaltene Kongress der anarchistischen Föderation Deutschlands. Un gefähr 100 anarchistische Gruppen und Vereine aus allen Bundesstaaten waren durch Delegierte vertreten. Darunter befanden sich auch solche, die der Föde ration nicht angehören, zu ihr sogar in einem ziem lichen Gegensatz stehen oder wenigstens gestanden haben, wie die Mitglieder des sozialistischen Bundes. Denn es ist tatsächlich dem gewandten und überaus temperamentvollen Führer dieser letzteren, noch sehr jungen Gruppe, Gustav Landauer (Berlin). gelungen, einen Ausgleich zwischen beiden herbeizuführen. Dis anarchistische Föderation hat ihren Stützpunkt in der Arbeiterschaft, während im sozialistischen Bund die Akademiker, ähnlich wie bei den Revisionisten in der Sozialdemokratie, dominieren. Charakteristisch war die Stellung des Kongresses zum Generalstreik überhaupt. Veranlassung zur Er örterung darüber boten interessante Vorgänge in der sozialdemokratischen Parteileitung. Wie der Der- Handlungsleiter Ludwig Lange (Berlin), der Funk tionär der anarchistischen Föderation Deutschlands, mitteilte, waren vor der Berliner Tieraarten-Waht- rechtsdemonstration vom 6. März d. I. Vertreter des sozialdemokratischen Parteivorstandcs und des Aktions ausschusses der Generalkommission sowie der Lokal kommifston der Berliner Gewerkschaften zu eine: Tagung zusammengetreten um die eventuelle Pro klamirruna des Generalstreiks zu beraten. Man habe sich zunächst in bejahendem Sinne ausgesprochen. Der äusserste linke Flügel sei sogar für einen dreitägigen Generalstreik eingetreten. Da Halle aber der Vor sitzende der Gcneralkommission — und daran erkenne man den schlauen Fuchs Lcgien — erklärt, die Forderung des Generalstreiks müsse aus der Tiefe der Gewerkschaften ausgestellt werden. Legien hätte aber ganz genau gewusst, dass von den Gewerkschaften, wo da» Banausentum und die bürgerliche Philisterei noch viel stärker vertreten seien als in der Partei, «ine derartige Forderung nie gestellt werden würde. Wie nun Herr Lange bestimmt zu wissen versicherte, sei dennoch ein Generalstreik, auch wenn er nur einen halben Tag dauere, beabsichtigt. Er könne tm Herbst dieses Jahres oder auch erst im nächsten Jahre pro klamiert werden. Möglich sei auch, dass er nur aus einige Bezirke beschränkt werde. Jedenfalls könne sich aber, wie scllon jetzt feststche, die Parteileitung dem Drucke der Massen nicht mehr entziehen. Nach der tm Anarchismus vorherrschenden Meinung ist aber ein blosser Demonstrationsstrcik absolut verwerflich. Ern ernsthaft unternommener politischer Massenstreik, bei dem die Arbeit nicht eher wieder ausgenommen
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