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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.09.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100910014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910091001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910091001
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
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Nmtsklatt des Aales «nd des Aolizeiamtcs Ser Ltadt Leipzig. tür Jnterate au. Lriv,tg und Umgebung die Sgewaitene S0 mm breit» PetitM, 2L 4, die 7« mm breit« Oteklamezell« t von auswttt» uv L,. «»Samen l.L- Jnterate »an Bebbrden m amtlichen Leu di« 7« mm drrtt« Petitxrtl« 40 »etchäittanietgkn Mit P agoortchnttrn UN» t» de, Adendausgud« im Piene erhobt, ptabail nach Tar>l. BeUagegedühr L ^g ».Lautend rxkl. Postgebühr. Festcrteilte Autttäg« könne» mchl zurück- -exogen werben. Für da» !«scheinen an bestimmt«» Lagen und Plätze» w>r» lein, Garantie üdeniommen. «neigen-Annahme: Augustusplatz bei sämtlichen Filialen u. allen illnnoncen- tüipeditionen de» Zn- und Luslandes. Haupt-Filiale Berlin: Karl Dnncker. Her,ogl. Vi»r Hösbach» candlung, Lutzowgiatze ltl> lLelevdo.i Vl, Uir. 4UVU). Haupt Siltal« Drr«dem kecstratze 4, l (Telephon 462l>, Nr. 250. Sannndenü. üen lv. September ISIS. 104. Zshrgsng. Das Wichtigste. * Finanzminister Dr. v. Rüger tritt mit Ende dieses Jahres in den Ruhestand. (S. letzte Dep.i * Eine Zusammenkunft zwischen Kaiser und Zar soll im Oktober stattfinden. (S. Dtschs. R. und Letzte Dep.) * Nach einer Blättermeldung soll der preußische Landwirtschaftsminister Freiherr v. Schorlemer- Lieser für den Posten des Vizepräsidenten des Staatsministeriums in Aussicht ge nommen seich» (S. Letzte Dep.) * Gegen dieFleischnot hat der Magistrat von Berlin Stellung genommen, ebenso plant man in Württemberg Maßregeln. sS. Dischs. R.) * Von zwei jungen Magdeburgern wurde dem berühmten Maler Hodler eine ganze An zahl wertvoller Gemälde gestohlen. Die Diebe sind verhaftet. (S. Feuill.) * Prinz Heinrich hat am Freitag die Rund fahrt durch England zur Feststellung der Strecke für die nLch ste Prinz - Heinrich - Fahrt an getreten. (S. Letzte Dep.) Geistes-Absperrung. Plipst Pius X. ist ein eifriger Kirchenfürst. Sicher vom besten Wollen für die ihm anver traute Herde geleitet. Ebenso sicher auch, trotz allen guten Wollens, praktisch ein sehr schlechter Hirt dieser Herde. Er sieht sich Erscheinungen gegenüber, die er nicht erfaßt. Das, was man Modernismus nennt, dieser recht zaghafte und ganz und gar nicht aufrührerische Ver such, wenigstens einige Resultate des frisch pulsenden modernen Lebens in die katholische Kirche hinüberzunehmen und diese so vor dem Vertrocknen und Versteinen zu schützen — das ist ihm ein unverständlicher Greuel. Neue Ergebnisse? Wie dann? Haben nicht die heiligen Kirchenväter, die Philosophen der Kirche, so man Scholastiker nennt, die Konzilien und die Päpste längst restlos alle Fragen ge löst? Kann man denn noch über sie hinaus? Papst Pius X. verneint diese Frage rundweg. Und hat dazu, von seinem Standpunkte aus, sogar ein Rechr. Denn das ist richtig: über die dogma tischen Ergebnisse des Mittelalters hinaus gibt es nichts mehr. Der Dom der katholischen Kirche ist ausgebaut. Nicht nur, daß nirgends mehr eine Lücke klafft. Nein, auch aller Schmuck des Gotteshauses, bunte Fenster und Heiligenbilder, der Silberkasten, in dem der Leib des Herrn ruht, und die stei nerne Filigranarbeit an Gewölbe und Turm, alles, restlos alles ist längst dogmatisch fest gelegt. Wo scheinbar, neue Dogmen in der letzten Zeit verkündet wurden, wie das der Un befleckten Empfängnis Mariä und das der Unfehlbarkeit des Papstes, handelte es sich auch um nichts Neues. Es wurden nur Lehren, die längst vorhanden waren und längst das ganze Leben der Kirche durchtränkt hatten, nachträglich mit der offiziellen Sanktion bekleidet. An diesem Dome gibt es nichts mehr auszubauen. Nichts. Und wo sich etwa doch noch ein freier Fleck für die Arbeit des frommen Steinmetzen oder des gottsicheren Malers finden sollte, auch da ist für ein freies Schaffen kein Raum. Nur darum kann es sich handeln und handelt es sich, ge treulich, ja sklavisch dem Geiste des Alten zu folgen. Stil, Technik, Farben, alles ist hundert fach in dem großen Dome festgelegt. Eigenes Streben und Wollen, das Auswirken einer Per sönlichkeit sind in diesen Hallen undenkbare Dinge. Das ist der Standpunkt des Papstes zur Sache. Noch einmal: für den, der nur aus den Kirchenvätern und Scholastikern die Kenntnis des Lebens gewann, der nie am frisch sprudeln den Quell der weltlichen Bildung niedersaß, der einzig mögliche Standpunkt. Aber dieser frisch sprudelnde Quell rinnt unablässig,, mag man ihn beachten oder nicht. Seine Wasser pülen gegen die Jahrhunderte alten Kirchen mauern. Und in langsamer, unmerklicher Arbeit beginnen sie, den Verband der Quadern zu lösen. Hier schlummert die große Gefahr für die mittelalterliche katholische Kirche, wie sie in die Neuzeit hinein übernommen wurde. Und es gibt gegen diese Gefahr nur eine Rettung: dem Quell einen Weg durch die Quadern zu brechen, ihm ein Bott zu graben und etwas seiner Frische, seines Lebens, etwas vom Wald duft und Vogelsang seiner Eeburtsstätte hinein zunehmen in den allgemach stickenden Weihrauch nebel der Kirche. Die so denken, die dies wollen, das sind die Modernisten. Dem Papste scheinen sie Frevler. Er sieht nur das kleine Wässerlein, das da rauscht. Was soll cs ausrichten können gegen die Riesenquadern, die gottbegnadete Männer einst klug und gewissenhaft schichteten und zum ragenden Gotteshause fügten? Daß steter Tropfen den Stein höhle, die Weisheit blieb ihm fremd. Er sieht nur, daß Altes zerstört werden soll; sieht nicht, daß die Modernisten durch Preisgabe von unwesentlichen Teilen des Alten dessen Wesentliches retten wollen. Und so hat er mit heiligem Eifer den Kampf gegen diese Leute begonnen. Mit eherner Konsequenz führt er ihn fort. Er hat eingesehen, daß es nur ein Schutz mittel gibt: die absolute Absperrung des Geistes gegen alle geistigen Regungen, die von außen her in die Kirche dringen. So entstand die Enzyklika Pascendi; diesen Geist atmete die Borrom Lus-Enzyklika, atmeten die Maß nahmen gegen den Sillon. Und so wurde jetzt das Motuproprio in die Welt gesandt, das ein ganzes, raffiniert ersonnenes System der Ab sperrung für den Priesternachwuchs bringt. (Vgl. unsere gestrige Nr. 248.) Was der Papst mit all diesem, stets das Gute wollend und stets das Böse schaffend, tut, ist eine Sünde gegen den Heiligen Geist. Diese Sünde, sagt die Schrift, kann nie vergeben werden. Und doch darf der Papst sich auf ein anderes Herrenwort berufen: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Aber ob er es weiß oder nicht: die Folgen seines Handelns werden für die von ihm heißgeliebte Kirche verhängnisvoll sein. Schon spuken dessen die Vorboten. Was aus Rom von phan- tasiebegabtcn Berichterstattern über eine große Modcrnistenverschwörung unter dem Heranwachsenden Klerus gemeldet wird, ist zwar ziemlich zuverlässig müßiges Gerede. Eine Ver schwörung, nein, sie besteht nicht. Wenigstens keine andere Verschwörung als die, die von Uralters her das Leben gegen den Tod geeint hat. Wenn jetzt versucht wird, das keimende Geistesleben im Mutterschoße der Kirche zu töten, so wird sich dieses Leben dagegen zur Wehr setzen. Wird es unterliegen? Wird es siegen? Wir wissen es nicht. Aber beide Möglichkeiten sind unheilvoll für die Kirche. Siegt das Leben, so wird das nach einem Kampfe ge schehen, der die Grundfesten der Kirche ins Wanken brachte. Siegt der Tod, so wird der Mutterschoß der Kirche zur ewigen Unfruchtbar keit verdammt sein. Und das hieße, daß dem Katholizismus jede Hoffnung auf die Zukunft abgeschnitten würde. Die Kirche würde damit unwiderruflich der Vergangenheit zugeschrieben sein. Und eines Tages würden die Gewölbe von selbst zusammenbrechen. Oie Arbeiten üer LeichsoerllchermWskLmmllllLn Von einem Mitglieds der Reichstagskommission zur Vorberatung der Reichsoersicherungsordnung wird uns geschrieben: Von den wochenlangen Arbeiten der Kommission vom Mai bis Juli sind weder die Interessentenkreise, noch die Kommissionsmitglieder, am wenigsten die Regierung erbaut Die gefaßten Beschlüsse lassen sich nicht ausrechterhalten und die lang und breit erörter ten Fragen der Krankenversicherung und des Aerzte- wesens bedürfen nochmaliger gründlicher Erörterung. Provisorische Beschlüsse, lückenhafte Paragraphen bilden den Ertrag wochenlanger Arbeit. Am A). September tritt die Kommission wieder zusammen, nicht sehr hoffnungsfreudig, mit der Befürchtung, daß nach den Wochen der Erholung viel geredet, aber wenig gehandelt werden wird. Etwa 600 von 1800 Paragraphen sind erst durch gesprochen und sollen zum zweiten Male erörtert werden. Es hat aber den Anschein, als wolle die Mehrheit erst die rcstierendcn 1200 besprechen. Viel leicht zeitigt auch diese Besprechung nur provisorische Beschlüsse und die Sitte, Sommerkommissio- nen tagen zu lasten, dürfte so bald nicht wieder auf leben. Es macht einen sonderbaren Eindruck, wenn man die Erfolge und die entstandenen Kosten dieser Sommerkommission vergleicht. Wieviel Tränen armer Veteranen hätte man für dieses viel leicht nutzlos vertane Gels trocknen können. Es ist ganz ausgeschlossen, daß die Kommission in absehbarer Zeit, etwa bis Weihnachten, ihre Ar beiten abschließen kann, nicht einmal die erste Lesung wird bis zum Wiedcrzusammentritt des Plenums ab solviert sein. Man wird mutlos an die weiteren Ar beiten gehen; denn man sieht keinen Ausweg aus dem Labyrinth; es herrschen fast so viel Meinungen über die wichtigsten Fragen vor, wie Mitglieder vor handen sind. Am s ch w i e r i g st e n ist die Frage fürdieRe gie r u n g . die ernstlich beflissen ist, wenigstens Teile der Vorlage zu retten, um mit gutem Gewissen den nächsten Reichstagswahlen entgegensehen zu können. In den zunächstbcteiligtcn Regierungskreisen glaubt man kaum, daß der Entwurf rechtzeitig an das Plenum wird abgegeben werden können, um von diesem noch verabschiedet zu werden. Es besteht auch keine Aussicht, daß die Parteien über die bisher er örterten Fragen im Kavitel „Krankenversicherung" sich einigen konnten, im Plenum wäre die Einigung erheblich schwieriger als jetzt. Es entsteht deshalb die Frage, ob es nicht zweck mäßiger sei. die Kommission berate zunächst die Ka pitel über Unfall-, Hinterbliebenen- und Invaliden versicherung. bringe sie zum Abschlüsse und überlaste es dem Seniorenkonvent und der Regierung, ob beide es für zweckmäßig erachten, diese Zweige gesondert zu Gesetzen zu erheben und die Regelung der Kranken versicherung späteren Zeiten zu überlasten. Es ist überhaupt fraglich, ob eine Teilung des großen Werkes ron vornherein nicht zweckmäßiger gewesen wäre. Angesichts der Wahlen muß darauf gedrungen werden, daß etwas von dem ganzen Werke zustande kommt. Man soll auch nicht vergessen, daß ein ähnliches großes Werk, die Prioatbeamtenversiche- rung, der Verabschiedung harrt und als Wahl parole eine große Rolle spielen wird. Also muß die Zeit nicht unnütz vertan werden. Kulttslien als Ausmanöererlanü? Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Aus wanderer, dis über englische Häfen ihren Weg nehmen, um eine neue Heimat zu suchen, gleich den Auswanderern, die sich in Hamburg oder Bremen einschiffen, vorwiegend als Reiseziel die Ver einigten Staaten von Amerika wählen. Im Verhältnis zu der Massenwanderung, die sich all jährlich in die nordamerikanische Union ergießt, ist die Zahl derjenigen Auswanderer, die sich anderen Ländern und Erdteilen zuwenden, verhältnismäßig gering. Besonders auffällig war bis vor nicht langer Zeit dieser Unterschied bei Kanada. Obwohl den Vereinigten Staaten benachbart, empfing es von den europäischen Auswanderern, auch von denen, die aus England kamen, nur recht kleine Bruchteile. Das ist wesentlich anders geworden, seitdem in England eine systematisch betriebene Begünstigung der Auswande rung nach Kanada eingesetzt hat, eine Bewegung, die im wesentlichen von der englischen Heilsarmee in Fluß gebracht ist und getragen wird. Es ist begreiflich, daß die anderen selbständigen Kolonien Englands, denen eine solche Begünstigung bisher nicht zuteil geworden ist, mit Neid auf die Schwesterkolonie Kanada blicken, die sich einer von Jahr zu Jahr steigenden überseeischen Einwanderung und damit eines schnellen Wachstums der wirtschaft lichen und materiellen Kräfte erfreut. Zu diesen weniger begünstigten Kolonien gehört der austra lische Staatenbund. Ihm fehlt es, wie der Landwirtschaftsminister des Staates Viktoria, Mr. Hugh Mac Kenzie, in einer der letzten Sitzungen der Londoner Handelskammer im Rahmen einer Vor lesung dargelegt hat, in erster Linie an dem Menschenmaterial, das nötig ist, um die wei ten, jetzt unbewohnten Landgebiete zu bevölkern. Das Gesamtgebiet der australischen Staaten repräsentiert eine Flachenausdehnung gleich der der Vereinigten Staaten von Amerika. Aber während diese eine Be völkerung von nahezu 100 Millionen besitzen, wohnen in dem ganzen Erdteil Australien noch nicht 4 Mil lionen Menschen. Auch die bisher von der austra lischen Regierung unternommenen Versuche, Ein wanderer ins Land zu ziehen — von den meisten Bundesstaaten wurde Acker- und Weideland zu außerordentlich günstigen Bedin gungen anaeboten — haben den gewünschten Er folg nicht genabt. Nach wie vor wandte sich der Hauptstrom der europäischen Auswanderer nach Nordamerika. Wie der australische Minister mitteilte, soll in Zu kunft von den bundesstaatlichen Regierungen ein neuer Weg beschritten werden, um zum Ziele zu ge langen. Die Ausführung von Bewässerungs anlagen in großem Stile wird gegenwärtig für das einzige, Erfolg versprechende Mittel erachter und soll ernstlich in Aussicht genommen sein. Nach Ansicht des genannten Staatsmannes würde es mit Hilfe einer ausreichenden Bewässerung ein leichtes sein, die Ergiebigkeit des Bodens in außerordent lichem Maße zu steigern und, indem schnelle und große Erfolge der landwirtschaftlichen Tätigkeit zugesagt werden können, dem Lande ein rasches Bevölkerungs wachstum zu sichern. Mr. Hugh Mac Kenzie scheint nach seinen Ausführungen überzeugt zu sein, daß seitens des australischen Staatenbundes nur der Wunsch nach einer Beoölkerungsoermehrung mit Hilfe der Einwanderung ausgesprochen zu werden brauchte, um sogleich erfüllt zu werden. Er meinte nämlich, daß eine solche Entwicklung durchaus auch zum Vorteil des englischen Mutterlandes sein werde. Der australische Staatcnbund habe dem Vereinigten Königreich Großbritannien Vorzugszölle gewahrt; von diesem handelspolitischen System würde also das Mutterland um so mehr Vorteil haben, je stärker die englische Ausfuhr nach Australien sich entwickle; das aber sei bei einer schnell wachsenden Bevölkerung in den australischen Bundesstaaten mit Sicherheit zu erwarten. Mr. Mac Kenzie wußte aber auch noch einen anderen Trumpf auszuspielen, um seinen Ideen und Vorschl.gen Beachtung zu verschaffen: für den Fall nämlich, daß im englischen Mutterlands der seil Jahren angestrebtc Ueberaang vom Freihandel zum Schutzzoll sich wirklich vollziehen sollte, stellte er in Aussicht, daß das, was England infolge eines solchen Umschwunges seiner Handelspolitik etwa verlieren würde, reichlich eingebracht werden würde, sowohl unter dem Gesichtspunkt der Abnahme englischer Er zeignisse, wie unter dem Gesichtspunkt der Besriedi- dung englischer Einiuhrbedürfnisse — wenn dem australischen Staatenbunü schnell zu einer größeren Bevölkerungszahl verhalfen werden würde. Die Bemühungen des australischen Ministers, der eigens zu dem Zweck nach England gekommen ist, um die Auswanderung nach Australien zu empfehlen und nach Möglichkeit eine Anzahl von Farmern zur Auswanderung zu bestimmen, werden gewiß nicht ganz erfolglos bleiben. Jedoch erscheint es mehr als zweifelhaft, ob das englische Mutterland, selbst wenn es das erforderliche Menschenmaterial zur Verfügung hätte, geneigt wäre, auf den Vorschlag einer syste matischen Begünstigung der Auswanderung nach Australien einzugehen. Einmal hat England aus begreiflichen, naheliegenden Gründen ein sehr viel größeres Interesse daran, den Auswandereroerkehr so zu beeinflussen, daß er in steigendem Maße dem Dominion of Canada zugute kommt. Anderseits wenden sich die irischen Auswanderer, die unter den Auswanderern britisch-europäischer Nationalität und Staatsangehörigkeit das stärkste Kontingent stellen, mit vollem Bewußtsein nach den Vereinigten Staaten; sie würden wahrscheinlich ebensowenig, wie sie für Kanada zu gewinnen sind, zur Auswanderung nach Australien zu bestimmen sein. Somit dürste es nochrechtlangedauern.bisdie Hoffnung der australischen Bundesstaaten, mit Hilfe eines starken Einwanderungsverkehrs den Erdteil einer schnellen wirtschaftlichen Entwicklung zuzuführen, sich verwirk- lichen kann. Deutsches Reich. Leipzig, 10. September * Kampszeichen zu den Reichstagswahlen. Schon im Juni dieses Jahres hielt es die „Kreuzzeitung" für angezeigt, unter den sächsischen nationalliberalen Reichstagsabgeordneten fürchterliche Musterung zu halten. Sie kam zu dem Schluß, daß sie Abgeord neten Dr. Junck, Dr. Weber und Dr. Strescmann in Acht und Bann zu tun seien. Vor kurzem folgte dann ein Erlaß des Generalsekretärs des sächsischen kon servativen Landesvereins, der in verschärfter Form die Uebereinitimmung der sächsischen Konservattven mit dem Führer der Deutschkonservativen Partei, Herrn von Heydebrand, betonte. Man schien ver Meinung zu sein, daß die nationalliberale Partei durch Drohungen leicht gefügig zu machen sei. Der Leipziger Konservative Verein hatte es be sonders eilig. Schon am 19. Mai faßte er den Be schluß, rn Leipzig eine eigene Kandidatur aufzustellcn, und er ist. nach einem Schreiben an den Nationalliberalen Verein, der die Wiederan nahme der Kandidatur durch Herrn Dr Junck angezeiat hatte, gewillt, seinen Be schluß durchzuführen. Man muß hiernach annehmen, daß tue konservative Partei in Leipzig, die bei den Landtogswahlen mit ihren befreundeten Gruppen tn ollen sieben Wahlkreisen der Stadt unterlag, tatsäch lich an einen Erfolg glaubt. Wie der Wahlkreis der Stadt Leipzig im Jahre 1907 durch elnen Einigungskairdidaten nationallibcraler Richtung wiedererobert wurde, so geschah dies auch mit dem Wahlkreis Löbau-Ebersbach. Doch auch in diesem schwer bedrohten Wahlkreise will die koiyer- vative Portei ihr Heil versuchen. Sie har Herrn Fö r ste r -Spremberg aufgestellt. Die am 7. Sep tember in Eblisbach unter dem Vorsitz des Herrn Justizrais Franz Börner-Löbau zahlreich ver sammelten nationalliberalen Vertrauensmänner des Wahlkreises vermochten die Zweckmäßigkeit dieses Vorgehens durchaus nicht einzusehen. Sie beschlossen, eine nationalliberale Kandidatur aufzustellen und Herrn Dr. Weber dringend um die Wiederan nahme der Kandidatur zu ersuchen. Im Namen des Nationalliberalen Landesvereins befürwortete Generalsekretär Dr. Westenderger diesen Beschluß, indem er u. a. betonte, daß. ganz abgesehen von den Wünschen der Partei, jeder einsichtige Mann er kennen müsse, wie sehr es aus rein sachlichen Inter essen darauf ankomme, dem Reichstage einen so sachkundigen und arbeitstüchtigen Abgeordneten wie Dr. Weber zu erhalten. Viele Wähler des Abgeord neten Dr. Weber, die nicht der nationalliberalen Partei angehören, namentlich auch aus Arbeiter kreisen, haben sich schon längst in diesem Sinne aus gesprochen. Nachdem nun in zwei Wahlkreisen, die 1907 unter dem Zeichen des Blocks der Sozialdemo kratie entrissen wurden, die konservative Partei die Konsequenzen aus der Zerstörung des Blockes auch auf ihre Wahltaktik praktisch übertragen hat, wirkt es wie eine Naivität, wenn immer wieder einige konservative Blätter, ein Jammerlied über die Zersplitterung der nationalen Parteien anstimmen. O. Das Verfahren wegen Eotteslästerunq, das seinerzeit gegen Professor Dr. Gur litt in Dresden von der Dresdner Staatsanwaltschaft eingeleitet worden war, ist wieder eingestellt worden. Die in kriminierte Aeußerung war in einem Vortrage ge fallen. den Professor Eurlitt. wie erinnerlich fein wird, im vergangenen Winter im Deutschen Mo> nistenbund über dos Thema „Religion und Schule" gehalten hat. * Der Dresdner Lehrervrrein hat eine Resolution angenommen, die sich gegen die kürzlich geäußerte Ansicht des sächsischen Kultusmini st er» über die künftige Gestaltung des Religionsunterricht»
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