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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.11.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101101018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910110101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910110101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
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»a» «<Wl«r «sch,«»» Kglich, vi»».» S««rt«» «r »«»,»». Ud»»»»»««-4Uiii«t>»e > 8^ bÄ u»I«r«i rrLgrni, Mltat«, SprdUiurra und »unahmipellen. s-wt« Po»4m»«r» mW Brlrstrtgrr» Morgen-Ausgabe nMerTagMall Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und -es Notizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis M» S«t«r«r, mW an» Um-«»,», Ü, K^ivulN,« M »« »«<»» VrMM« L ^ft« 74 »» Nckt« IKNLmqeL« I »m, M ««0m°m> 1.20 G«schtf»»-»»e<am mtt Wa»vor<ch«<tMn und M »«, >»«,baWs,d« im »reil« «YSHt. Maban nach Lam. 0«ilaa«g,bü», s ». La-trntz «rv. Postgebjchr. g«arrtrill« Niiltrüa« ktmwn mch« zurtck- ,««g«a werden. Für da» ürlchetn« m b«sttm»t«n lagen und PlL»en wir» kein« Garanti» übernommen. Sn^ig»ll.«»n-Hm«: Nuguftusvlatz 8, »ei Itmtltchen Filialen u. all«n Anuoncen- ltlpeduionen d«i I» und Sutlande«. «e»aMv» mi» »es«Lft»»e»«, Iob-nnttg-fi« «. Fernirrechrk: l«SVL 14RÜ, I4«4 Pauvt-Ailiale Lrrsdme: Lmltrade 4, t (leieptzoa 4«>2l). Nr. 301. Vlensiaz, üen i. Nmwmbrr ISIS. 104. öshrgang. vss Mchtiglte. * Beim Rektoratswechsel an der Univer- sttät Leipzig hielt der neue Rektor Geh. Hofrat Prof. Dr. Lamprecht ein« bedeutsame Rede über ssieEntwicklungderWissenschaften, ins besondere der Geisteswissenschaften, und UniversitLtsref orm. (S. Leitart. u. bes. Art.) * Im Berliner Stadtteil Wedding ereigneten sich am Sonnabendabend und am Montag neue schwere Straßenunruhen. (S. d. bes. Art.) * Die französische Deputierten kammer nahm in der Angelegenheit des Eisen bahnerstreik» mit 388 gegen 94 Stimmen eine Tagesordnung an, die der Regierung das Ver trauen ausspricht. (S. d. bes. Art.) * Der frühere portugiesische Ministerpräsident und Diktator Franco ist in Lissabon verhaftet, später aber gegen Kautionsstellung wieder frei, gelassen worden. Entwicklung Ser Mllenlckalten unü UnioerlitStsrekurm. (Auszug aus d«r Rektoratsrede Karl Lamprechts.) Unsere Zeit steht unter dem Zeichen einer starken Fortbildung de» geistigen Lebens. Ueberall wird da her die Umänderungsbedürftigkeit der hergekommenen Institutionen des Geisteslebens proklamiert. Na türlich ist auch der Ruf nach einer Universitäts reform erklungen. An einigen Stellen in Deutsch land hat man auf diesem Gebiet in bescheidenem Mähe schon fortgebildet und geändert. Dabei ist man vielfach von einigen offensichtlichen Mängeln ausgegangen, so bah schliehlich nur ein Flickwerk ent stand. Die Frage einer Universitätsreform ist aber von tieferen Gründen abhängig, nämlich davon, ob eftie stark« FIfffirtwickluUK "d« -Wissenschaften Im Gange sei. Denn das Universitätsleben rst, wenigstens in Deutschland, letzten Endes doch nur ein Ausdruck des jeweiligen Gesamtfortschritts der Wissenschaft, bleibt also von der Fortbildung der Wissenschaften abhängig. Die Umbildu ng unseres wissenschaft lich e n D e n k e n s liegt klar zutage. Auf natur wissenschaftlichem Gebiet ist es die Um bildung des Atombegriffs, die die Gegenwart immer mehr von den Zeiten zu entfernen beginnt, die in der Entdeckung des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft und im Materialismus der 50er und 60er Jahre gipfelten. Daraus erhellt, dah die Naturwissenschaf ten auch andere Forschungsmethoden ausbilden wer den, und daraus ergibt sich wiederum eine starke Um bildung des Universitätsunterrichts. Die verwandten Bewegungen auf dem Gebiete der Geisteswissenschaften sollen hier in der breiteren Durchführung eines Beispiels ge schildert werden. In einem Zeitalter, besten Dor- stsllungskreis dem Entwicklungsgedanken unterliegt, ist Geisteswissenschaft in manchem Betracht identisch mit Geschichte. Diese ist heute die Wissenschaft von der Entwicklung des Menschen in das Wesen hin ein, das er gegenwärtig aufweist: und in diesem Sinne als unbedingt notwendige Einführung in den Stand der heutigen Menschheit und Vorbereitungs wissenschaft für das Handeln der Zeitgenossen in ihr, umfaßt sie ebensosehr die Wissenschaft von der physio logischen wie von der psychologischen Entwicklung des Menschen. Derart umsassend als Universal geschichte gedacht, enthält sie in sich so stark« In gredienzien alles heutigen Denkens überhaupt, dah es wohl möglich sein wird, an der Vorführung wesent licher Probleme ihres Bereichs sich über Stand und Tendenz der heutigen wissenschaftlichen Bewegung überhaupt zu unterrichten. Von vornherein muh betont werden, dah nur die unbedingt sichere und klare Aufsuchung einfacher Vergleichsmöglichkeiten geeignet erscheinen kann, den Pfad zum Verständnis der mehr komplexen Erscheinungen geschichtlichen Gemeinschaftslebens zu weisen, und dah fruchtbar nur der zu arbeiten weih, der sich als geeignet zeigt, solch einfache Beziehungen aufzufinden, in eingehender Detailarbeit ihrer Struk tur nach zu zerfasern und ihrem inneren Zusammen hangs nach verständlich zu machen. Da» einfachste Beispiel für die vergleichende B- trachturm d« Entwi.ckl.-na zweier sro,ßer menschlicher Gemeinschaften, für das die geschichtliche Ueberlieferung ausreichendes Material darbietet, liegt in der parallelen Entwicklung des japanischen Volkes und einer der heutigen großen europäischen Nationen, z. B. etwa der deut schen vor. Dabei sind naturgemäh die früheren Pe rioden der beiderseitigen Geschichten in den Vorder grund zu stellen, weil für deren Verständnis die Vor aussetzungen nicht notwendig sind, die sich bei der Wahl späterer Perioden aus der Notwendigkeit er geben würden, deren Vorgeschichte zu kennen. Was hier oorgetragen werden soll, gestattet zugleich einen Einblick in die Arbeit des an der Leipziger Univer sität neubegründeten Instituts für Kultur- und Uni versalgeschichte, das als letztes Ziel seiner Bestim mung die vergleichende Forschung zu pflegen hat. Jin 8. Jahrhundert nach Christus sind in Japan Aufzeichnungen aller vorhandenen Traditionen vor genommen worden, ein Vorgang genau dem ent sprechend, von dem aus der Zeit Karls des Großen be richtet wird. Einen Vergleich der quellenkritisch unter suchten Ueberlieferungen beider Nationen ergibt ähnliche Entwicklungsreihen in bezug auf Lebens gewohnheiten und Wirtschaft, besonders aber auch in bezug auf die Geschlechterverfassung, auf die Ver änderung des Gemeinschaftslebens auf die Lösung des Individuums aus dem Geschlecht. Bei genauerem Zusehen zeigen sich aber auch auffallende und lehr reiche Unterschiede. In der japanischen Entwicklung bleibt der Eeschlechterocrband als stärkste Verbindung japanischer Menschen untereinander erhalten, bei der deutschen Nation tritt ein rascher Verfall des Ec- schlcchterverbands und dementsprechend eine stärkere Hervorkehrung des Individuellen ein. Der japanische Geschlechterverband ist im Gegensatz zum germani schen auf einen mächtigen Ahnenkult aufgebaut. Der Germane ist religiös von vornherein grübelnder In dividualist, der Japaner dagegen ist selbst in der Gegenwart noch nicht zu einem vollen religiösen In dividualismus durchgedrungen. Es ist möglich, dah Rasseunterschiede hierbei ausschlaggebend sind, aber zurzeit ist man hiermit an der äuhersten Grenze der historischen Analyse anaelanqt. Jedenfalls ergibt sich aus dem Parallelismus ur zeitlicher Eeschlechterverfassungen bei so gänzlich mit einander unverwandten Nationen wie der japanischen und der deutschen, wie aus deren häufigen Auftreten auch bei anderen Urzcitoölkern der Erde, dah das geschichtliche Geschehen nicht willkür lich sein kann, sondern sich im Bereiche der einzelnen menschlichen Gemeinschaften bestimmten Ent wicklungsgesetzen unterordnet. Und aus die sem Ergebnis wiederum folgt bei dessen weiterer ge danklicher und empirischer Durchdringung an der Hand des Tatsachenmaterials der Begriff der gesetz mäßigen Entwicklung nach Kulturzeitaltern, deren Charakter, Verlauf und Reihenfolge nun ge nauer zu erforschen wäre. Anderseits ab'r ergibt sich a's eine leiste vorläufig noch nicht auflösbare histc rische Anschauung ^te Anschauung der Raste im Gegensatz zu dem gesetzmäßigen Begriff der Kultur zeitalter, also eine künstlerische Anschauung der natio nalen Individualität. Die Probleme, die einer Betrachtung der auto nomen Entwicklung beider Nationen erwachsen, sind n a t i v i st i s ch e n Charakters, Probleme ganz an derer Art ergeben sich aus dem Zusammenhang ein zelner Nationen untereinander. Diese sind uni versalistischen Charakters. Bei den Japanern wie oei den Germanen entwickelte sich ein urzeitlicher Absolutismus, der dort den Buddhismus und eine umfängliche Rezeption öffentlicher Einrichtungen aus China, stier das Christentum und den Anschluh an die Antike ikarolingische Renaissance) in seinen Dienst stellte. Durch Untersuchungen ist sestgestellt worden, dah die Merowinger und Karolinger die Momente, die sie der Antike entnahmen, auf dem Wege der Konsultation der überlieferten antiken Literatur er rungen haben. Die Japaner entnahmen dagegen die fremden Faktoren einer von ihnen getrennten, aber in blühendem Leben befindlichen Kultur. Hier han delte es sich also ganz ausgesprochen nicht um eine Renaissance, sondern um eine Rezeption, um eine Aufnahme fremder Elemente aus einer noch leben digen Kultur. Die Unterschiede zwischen den Wir kungen der Renaissance und der Rezeption jeweils festzustellen, ift Aufgabe des Instituts für Kultur- und Universalgeschichte. Untersuchunaen dieser Art lassen sich mit den bis her herkömmlichen Lehrmitteln unserer Universitäten, wie auch mit Sen Lehreinrichtnngcn, soweit sie in Seminarien und Verwandtem vorliegen, nicht be wältigen; vielmehr bedarf es hierfür der Her- stellungvon Einrichtungen, die weiter und tiefer greifen als die bestehenden. Dah da mit die Frage auftritt, ob eine Fortbildung in diesem Sinne an den Universitäten überhaupt mög lich sei, ist gewiß. Jedoch haben Versuche, die. so weit bekannt, bisher nur in Leipzig stattgefun den haben, schon jetzt gezeigt, daß diese Frage mit einem strikten Ja zu beantworten ist. Wir stehen also mitten in dem Umbildungsprozeß darin, und wir können auch schon wahrnehmen, wie er auf unsere llniversitätsverhältnisse, Personen und Einrichtun gen, wirkt. Eine vermehrte Anzahl der Kategorien der Forschungsobjekte erfordert die Heranziehung von weit mehr Lehrkräften, als die Ordinarien zu stellen fähig sind. Die innere Verflechtung der Forschungs gebiete drängt namentlich auch in den vergleichenden Disziplinen zu einer anderen Organisation der In stitute, als sie in deren bisher rein monarchischer Ver fassung vorliegt. Die Lehrmittel endlich bedürfen überall der Erweiterung. Von allerhöchster Stelle ist endlich das Wort von den Forschungsinsii- tuten gefallen und damit ist die Initiative zu einer Fortbildung der gelehrten Studien gegeben in der Richtung, di« bisher für die Geisteswissenschaften praktisch nur von dem Institut für Kultur- und Uni versalgeschichte bei der Leipziger Universität verfolgt worden ist. Dre Einordnung der Universitätsentwicklung in den großen Strom der kulturgeschichtlichen Bewegung unserer Tage kann nur erfolgen, wenn man bedenkt, daß dem modernen Naturalismus am Ende des vorigen Jahrhunderts eine ganz anders geartete idealistische Bewegung gefolgt ist. Dieser Idealismus beginnt sich gegen den Naturalismus und Theater un- Konzerte. Leipzig, 1. November. Neues Theater. Der fliegend« Holländer. — Tristan und Isolde. Frl. Eva von der Osten (vorn Dresdner Hof theater) gastierte vorgestern als Senta. Mit großem äußerlichen Erfolge, obwohl sie bas Wesen der Nor wegerin kaum erschöpfend erfaßte. Sie war nicht, wie sie Wagner bezeichnet, „die bleiche Senta", son dern vielmehr eine kräftige, blühende Erscheinung, an der man den feinen, alle kommenden Ereignisse ahnen lassenden träumerisch melancholischen Zug nur ungern vermißte. Diele Sängerinnen geben die Senta über triebenerweise als moderne nervenleidende Person oder machen eine Nachtwandlerin aus ihr; diese ge staltete den Charakter gar zu naiv, verlieh ihr ein Plus von Lebenskraft, die sie gar nicht besitzt. Frl. von der Ostens an sich schöner, aber ein wenig stähler ner Sopran vermochte kaum die Illusion nach musi kalischer Seite hin zu beleben. — Zwischen 1 und 2 Uhr mittags hatte cs Herrn Soomer beliebt, abzu sagen. An seine Stelle trat, einen wahren Löwen mut bezeigend und die eigene Persönlichkeit dem Wohle des Ganzen opfernd, Herr Lüppertz, der die so gewaltige Ansprüche stellende Partie seit Jahresfrist nicht mehr gesungen hatte und nun nach nur einer kurzen Probe am Klavier das Wagnis unternahm. Begreiflicherweise war der junge Künstler im ersten Akte befangen, wohl auch nervös erregt, als er des Bayreuther Meisters Sohn, Siegfried Wagner, in der Direktionsloge sitzen sah, fand aber im folgenden sich selbst wieder und gab im letzten sogar Vortreffliches. Was er unter den schwierigen Verhältnissen leistete und überhaupt leisten konnte, war aller Ehren wert und kein kritischer Herodes soll ihm darum ein Leid antun. Sehr gut war wieder Herr Rapp als der ber. teil» gutmütiger, teils verschmitzter Daland, vor trefflich und ganz im Sinne Wagners „stürmisch, hef tig und düster" der Erik de» Herrn Jäger, stimm lich nicht auf der Höhe dagegen der Steuermann des Herrn Schönleber. Dre prachtvollen tiefen Töne Frau Stadteggers kamen der schönen Wieder gabe der Marvpartie zugute. Herr Kapellmeister Porst hatte die Wagnersche Oper aus dem Diriaen- teuerbe Richard Hagel» übernommen, hielt das Ganze — dieser Mal wohl eine der verantwortungs vollsten Aufgaben! — energisch zusammen und erntete gleich nach der ausgezeichnet wiederaegebenen Ouver- nir« den lebhaftesten Dank der Zuhörer. Heber die Aufführung von „Tristan und Isolde" bedarf er beute nur einiger Bemerkungen. Auch gestern ragte da», von Herrn llrlus und Frau Rüsche-Lndorf ganz wundervoll dargestellte Heldenpaar über di« gesamte Umgebung empor und verdiente nach gesanalicher wie darstellerischer Seite bin die höchste Anerkennung. Beide Leistungen find schon früher an dieser Stelle analystert und ein- gebendst gewürdigt worden — alle» darin war Größe, Stil und Gefühl. Herr Lüppertz ließ fich al» in- dim>oniert entschuldigen, gab aber nach besten Kräf- ten tn der Markepartre, was er nur irgend vermochte. Herrn Klinghammer, Kurvenal genügte allen ¬ falls im ersten Akte, war aber in den Szenen an Tristans Sterbelager (die ich noch anhörte) durchaus ungenügend. Sein Vortrag verfiel in lyrische Senti mentalität und war ohne jede markige Kraft, dem Charakter des alten Helden unmittelbar Hohn sprechend. Leider detonierte Frl. Urbaczek in Brangänens Wächterlied wieder unerhört. Es gab in Permanenz einen unerträglichen Kampf zwischen Ton und Kunst. Herr Pollak leitete die Auffüh rung mit Begeisterung, Umsicht und völlig seelischer Hingabe, den Beweis glänzend führend, wie sehr er sich gerade in diese geheimnisvolle Ton- und Gefühls welt Wagners hmemgelebt hat. Wundervoll spielte das Orchester, doppelt anzuerkennen, als sich die Auf gaben und Anstrengungen angesichts der schnell auf einanderfolgenden Erstaufführungen häufen. Die Zuhörer entluden die von Akt zu Akt steigenden Be geisterungen in gewaltigen Beifallssatven und sehr zahlreichen Hervorrufen. üusr-n Se^mt-i. Leipziger Schsulpieihsus. „Vandtagswahl", Komödie in 3 Akten von Leo Walter Stein. Uraufführung. Mit Carl Schönfeld in der Bombenrolle des ostelbischen Vollblutagrariers wird diese politische Komödie auf allen Bühnen große Heiterkeit erwecken und auch die muntere, nicht zu sehr übertriebene Persiflage des oreußischen Landrats wird überall mehr als nur ein Schmunzeln bei den politisierenden Unter, tanen Hervorrufen. Man weiß nicht recht, wieviel Anteil der Schwankdichter Stein und wieviel der Schauspieler Schönfeld an diesem Landtagskondi- daten Kellenberg haben, jedenfalls war es eine F.gur auseinemGuß,ein jovialer, in seinen politischen Interessen und Ansichten brutaler Junker, dem man ob seiner rücksichtslosen Ellenbogentaktik nicht einmal gram sein kann, denn er ist ein konsequenter, ein ganzer Kerl. Seine Wahlrede ist wrangelsch, kurz und schlagfertig, ungetrübt von jeder gesunden Regung der modernen Zeit. Daß der Verfasser dieser auf der Bühne erbaulichen und in sich sonnigen Figur aber noch tiefe Schatten in das Gesicht zeichnet, den Baron zu einem Wüstling stempelt und eine verführte Kammerzofe auf den Schauplatz der Landtagswahl zerrt, um die agrarische Partei gehörig einzu- schrrörzsn, ist recht ungeschickt und unerfreulich. Die junge Baroneß wäre damit auch entbehrlich. Da will einem die Idee, den spitzbübischen Inspektor mit Stimmenmehrheit der Polen als gewählten Kan didaten aus der Wühlarbeit dieser Landtagswahl her- vorgehen zu lassen, schon mehr gefallen. Daß diese ganze Komödie draußen im PHenschen spielt, oer- schiebt überhaupt da« ganze Bild und verdirbt die Satire. Auch de, schneidige LandratsanN»verweser ift dadurch um mehr al» einen Ton zu schnodderig und grob geraten, obwohl auch dies, Figur ans» beste die scharfe Beobachtungsgabe des Dermlserr verrat, der besonders in kleinen Zügen die Schwächen de» orevßtschen Landrats vortrefflich nachzeichnet. Auf die Nieren darf man indes diese Figur wie die andern nicht prüfen, es ist eben «in Schwanklandrat, I an dem selbst jeder richtige Landrat innerhalb der schwarz-weißen Grenzpfähle sein Vergnügen haben muß. Ein Meisterstück sicherer Auffassung und szenischer Wiedergabe ist die Wahlversammlung im zweiten Akt. die nur zu Anfang etwas gedämpfter ein setzen müßte, damit die Nebenhandlung nicht völlig überschrien wird, wie das am Sonntag geschah. Der Geistliche und die liberalen Vertreter sind knapp und klar gezeichnet. Mancherlei Drum und Dran der Handlung könnte noch wegfallen, wodurch die vielfach schleppende Darstellung nur gewänne. Zusammenfassend muß man sagen, daß Steins „Land tagswahl" eine keinesfalls einwandfreie, aber über aus unterhaltende und erheiternde Satire ist und eine Rolle enthält, die Carl Schönfeld geradezu auf den Leib geschrieben erscheint. Er wird damit reisen und Triumphe feiern, denn dieser Zamel Pomuchels- kopo in neuer Ausgabe liegt ihm wie die Bräsigfigur seines Per Bunke, er faßt wacker zu und formt einen vollen, runden, robusten Agrarier, einen verdeuwelten Kerl von Junker. Den Assessor traf Herr Wilden- hain nicht minder gut, eoenso Herr Wötzel die beiden Episoden des Pfarrers, und auch die andern Darsteller trugen zum lauten Erfolge das ihre bei. Der Verfasser konnte sich oftmals zeigen und erntete stürmischen Sonntagsbeifall. Das Stück wird über viele Bühnen gehen, — wenn es der preußischen Zensur so gefällt. — ?aui Lchaumburx. Georg - Schumann - Abend der Leipziger Singaka demie. Ihren zahlreichen Verdiensten um die Auf führung von Werken lebender Komponisten fügte gestern die Leipziger Singakademie ein neues hinzu, indem sie dem Berliner Komponisten und Sing akademiedirektor Georg Schumann einen ganzen Abend widmete. In dem Komponisten haben wir ein außerordentliches Talent vor uns, der wohl einen Abend hindurch zu fesseln vermag. Zudem war die Anordnung des Planes sehr gut; das Interesse des Zuhörers wurde bis zum Ende wach erhalten. Don größeren Chorwerken kamen die „Sehnsucht" und di« „Totenklage" zur Aufführung, beides Werke auf Schillersche Texte. Das zuerst genannte Werk ergeht sich in breiten anschaulichen Schilderungen des Or chesters, während der Chor die im a ounpeUa-Satz des Anfangs sehr glücklich erfaßte Zehnsuchtsstimmung durchweg beibehält. So ergibt sich das interessante Verhältnis, daß das Orchester das „schöne Wunder land" in leuchtenden Farben malt, nach dem Sehnsucht „aus dieses Tales Gründen" strebt, der Chor aber die Sehnsucht personifiziert. Mit mehr persönlicherem Charakter und realistischer in der Darstellung zeigt sich die „Totenklage". Das lauernd schleichende Un glück, das nur Untergang sinnt, ist im Thorund Orchester, die hier organisch miteinander verwebt find, treffsicher gezeichnet. Ueberraschend wirkt die Einfüh rung de» Choral» ,,JHu», meine Zuversicht", der hier wohl al» Begleitchoral zum Totenzug Bedeutung hat, anderseit» aber auch die Schicksalsdichtung (aus der „Braut von Messina") in ein besonderes christliche« Licht rückt. Sehr stimmungsvoll ist der Schluß be handelt: Nicht an die Güter hänge dein Herz usw. Nach den ^packenden Unglückschilderungen wirkt die vom Standpunkte des erfahrenen Weisen aus fried voll gegebene Schlußermahnung erlösend. Außer diesen beiden Chorwerken verzeichnete der Plan noch zwei große Dariationenwerke, nämlich „Passacaglia und Finale über R-a-c ir" für Orgel und die „Sin fonischen Variationen über den Choral „Wer nur den lieben Gott läßt walten" für großes Orchester und >, Orgel. In beiden Werken zeigt sich der Komponist nicht nur als überlegener Beherrscher der Form, sondern auch als poetisch empfindender Musiker In den Orchestcrvariationen ist zugleich der virtuos in- , strumentierende Orchesterkünstler zu bewundern. Wir haben hier eine moderne Orchestertechnik vor uns, die der Strauß'schen in der Reichhaltigkeit der Farben nichts nachgibt. Stilistisch außerordentlich wertvoll ist die Passacaglia. Der chromatische Grundcharakter, der sich aus dem Thema ergibt, ist strengstens gewahrt. Professor Karl Straube schuf hier mit seinem nicht zu überbietenden Orgelspiel, vor allem mit seiner sinnvollen, interessanten Registrierung packende Tonbilder. Zwischen diesen großen Werken kamen zwei poetische gemischte Chöre ohne Begleitung zur Aufführung: „Mariä Wiegenlied", worin Frl. Gertrud Hügel mit hübscher Stimme das Sopran solo sang, und „Huldigung beim Jesuskinde". Frl. Agnes Leydhecker, die von verschiedenen Ora- torienaufführungen her vorteilhaft bekannte Altistin, sang vier Lieder, von denen das tief empfundene „Grab" und das melodische „O Kindlein in der Krippe" besonders genannt seien. Das von dem ständigen Dirigenten Herrn Musikdirektor Gustav Wohlgemut h bestens vorbereitete Konzert diri gierte der Komponist selbst. Er ist ein Dirigent ersten Ranges, der alle Faktoren unter sich mit Straffheit zu einem Ganzen vereinigt. Das verstärkte Minderstein orchester spielte unter ihm ganz ausgezeichnet. Ueber raschend gegeneinander abgetönt waren die einzelnen Klanqgruppen; so wurde z. B. der Chor auch im kk des Orchesters mit gedeckt. Die vielfach sehr heiklen Bläserstellen kamen sicher und leicht heraus. Die Leistung ist doppelten Lobes wert, da doch bei einem Gastdirigieren die Probenzahl ziemlich beschränkt iss. Der Chor machte seiner Aufgabe und dem Gaste alle Ehre. Auch der Besuch ließ nichts zu wünschen übrig. .Vrtur 5»obl<vk>i. * * Hochschulnacheichten. Der außerordentliche Pro fessor der alttestamcntlichen Theologie an der Uni versität Halle, Dr. Wilhelm R o t h st e i n, hat eineck Ruf als Nachfolger von Professor Cornell an die Ünioerfitiit Breslau erhalten und angenommen. Professor Rothstein, der 1853 in Pöhl in der Rhein provinz aeboren wurde, wird sein neues Lehramt so fort antreten. — Die durch den Staatshau»haltsctat neugeschaffene Abteilungsvorsteherftelle am Chemischen Institut der Universität Halle ist dem Privatdozenten Dr. G. Baumert übertragen worden. — Der ordentliche Professor der Geographie an der Universi tät Halle Alfred Phil 1 ppson hat -inen Ruf als Nachfolger von Geheimrat Rein a* ,d i e Uni versität Bonn erhalt«. Pr- " P itippson ist am 1. Januar 1864 zu Bonn p vnd zurzeit Vorsitzender de» „Sächsisch-Thür« ' 'n« für Erdkunde". / »ist..' / Uff
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