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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.11.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191011121
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19101112
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19101112
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
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LezuftS.Preis Letpjia iru» Lororr, durch »n«, LrSger und kvedilru« 2»al ttglich w» Pau» gebracht: 20 H nouatl., 2.70^« vierteltähri. Bet untern gUialen u. Lu. natzmeftellen adgehulir 7S monaU., 2.22 viertel,Ltzrl. Durch bt» P»k: «nnerdalb Demtchland» uiä> der deattchen Kolonien vierieljitdri. SSO monatl. autjchi. Poftdeftrügelb. ferner in Belgien, TLnemark, den Donaustaaten, Italien, Luxemburg, iliiederlande, stior» wraen, Letterreich-Ungarn, ckustlano, kchiveden. Schwel, u. Spanien. In asten übrigen Staaten nur direkt durch di« GeschSitgstelle de» Blatte« erbitttlich. La» Leipziger Tageblatt ericheini 2 mal I»glich. Sonn» u. Feiertag« nur morgen». Lbonne^lttt-Lnnaome: Augnstutplatz 8, der unteren TrLgcrn, Filtalea, Spediteuren und Lnnabmestcüen, sowie Postämtern unb Briefträgern. Etnzelverkauf »pret» der Morgen» »u»gab« 1v der Lbenduurgabe S Morgen-Ausgabe. UclWgcrTllgMM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis flr Anterale au» Lewzlg uno -mqedunq dw Kgeivaltene SO mw breite Petit,»il« 2S 4, die 74 mw breite ifieUamezeile l von audivärr» g,, äieklamen t-äO Jnferaie von Bebdrden m amtlich«, Test die 7« mw breit« Penrzeil« M GeichLir»aw,eiqen Mit P apvorichritte» UN» in der ildendauägad« un vrene ertzödt. ptabatt nach .ar>l. BeUagegebühr L ^2 v. Tauieno exkl. Postgebübr. Fekerteilte Lu'tiäg« kännen nicht zurück gezogen werden. Für da« irrtchelnen an betlimmten Lagen unb Plätzen wirb lein« Garantie übernommen. Sn^gen-Annahme: Vuguitutzplatz 8^ bei tämtlichen Filialen u. allen Liinoncra- ltlveditionen de» In- und Anliande«. Redaktion und <SeichaftblteIl«r Iodanniigaste 6. Ferniprecher: I462L 1462», 14624. Haupl-Atlial« LreSdr« Seestras« 4, l (Telephon 46Tlt. Nr. 3l2. 104. Zshrgsng Sonnsvena, üen 12. November 1910. Vas kvichüglte. * Die österreichische Delegation nahm das Budget des Ministeriums des Aeußcrn an und begann darauf die Beratung des Budgets von Bos nien und der Herzegowina. * Wahrend in der Stadt Mexiko keine neuen Ausschreitungen gegen Amerikaner vorgekommcn sind, werden jetzt solche aus Guadalajara (Mexiko) gemeldet, wo an amerikanischem Eigentum großer Schaden angerichtet wurde. (S. Ausl. u. Letzte Dep.) * Aus Thüringen, dem Harze und verschiedenen Teilen des Reiches wird starker Schneefall ge meldet. (S. Tageschronik u. Letzte Dep.) * Vom R h e i n , der M o s e l und derOder wird steigendes Hochwasser gemeldet. (S. Tages chronik.) Keilige Allianz. Als der Zar nach Potsdam fuhr, feierte Rußlands offiziöses Blatt, die „Rossija", die Zusammenkunft der Kaiser mit solch warmen Tönen, wie man sie während der ganzen Amtsdauer Iswolskis niemals vernom men hatte. Daß nicht ein ungeschickter Anfänger im diplomatischen Stile sich im Tone vergriffen, aus bloßer Ungewandtheit der Superlative zu viele in sein Extemporale hineingebracht hatte, beweist die Fortdauer der russischen Anbiederungsversuche auch nach der Begegnung. „Birshemyja Wjedomosti", „Nowoje Wremja" und wie sie alle heißen, über schlagen sich auf einmal in einem Liebeswerben um deutsche Freundschaft, das nach den wilden Gehässig keiten der letztoergangenen Jahre um so widerwär tiger anmutet. Es ist klar, daß Rußland etwas von Deutschland haben will und zu diesem Zwecke unsere Nation und ihre maßgebenden Männer mit Schmei chelklängen umfängt, die durch ihre Plumpheit wenig stens für die Maßgebenden geradezu etwas Beleidi gendes enthalten, der Kulturhöhc Rußlands aber schließlich verziehen werden mögen. Aber eine Note ist in diesen Sirenensängen an geschlagen, die wir denn doch nicht so ungerügt passieren lasten dürfen, wie es unserer konservativen Presse beliebt. Die dirigierende „Rossija" hat den Ton angegeben, daß KaiserundZar schon „durch ihre gemeinsam konservative Welt anschauung" zum politischen Zusammengehen prädestiniert seien. Was bedeutet das? Schreib.n wir eigentlich 1910 oder 1814? Ist nach der Baronin Suttner nunmehr auch eine neue Frau v. Krüdener dem für alle seltsamen Ideen leicht bestimmbaren Zaren nahegetreten und hat ihn für eine Erneuerung der „Heiligen Allianz" begeistert? Wittert man in Petersburg und Friedberg etwa romantische Morgenluft, weil diesseits das Wort vom „Eottes- gnadentum" gefallen ist? Die „Rossija" bleibt näm lich nicht allein: „Nowoje Wremja" und sein „un abhängiger" Mitarbeiter, der Fürst Menschikow, variieren das Thema in denselben Spalten, und unsere Konservativen, die agrarische „Deutsche Tages zeitung" voran, drucken diese Ergüsse schmunzelnd ab. Es ist zunächst gar nicht recht ersichtlich, auf welche positiven Absichten denn diese Stilübung angelegt ist. Die „konservative Weltanschauung" sitzt ja ohne hin diesseits wie jenseits des Eqdtkuhnener Bahnhofes im Regiments. Bei uns bewahrt sie den Familien sinn der Erben von 20 000 aufwärts vor 1—2 pro- zentigen Erschütterungen durch direkte Reichssteuern. Sie erhält die „gottgewollte Abhängigkeit" der Be amten durch die öffentliche Stimmenabgabe bei den Landtagswahlen. Sie schützt fiskalische Grundstücke vor revolutionären Anschlägen der Bodenreformer. Drüben stellt dieselbe konservative Weltanschauung die russischen Untertanen deutscher Muttersprache und lutherischen oder römischen Bekenntnisses vor die Wahl zwischen Zwangsenteignung oder Glaubens wechsel. Im finnischen Budget streicht sie die vom Landtage für Hebung der Volksbildung ausgesetzten Millionen und überschreibt die bewilligten Gelder auf Gehälter neuer — Zensoren? Das ist nun frei lich ein noch etwas derberer Konservatismus, als wir ihn über uns ergehen zu lassen gewöhnt sind. Aber wir haben gar keine Lust, diese russischen Dur- Töne nachzuspielen. Fürst Menschikow freilich nimmt sich heraus, unsere deutsche Reichsregierung mit süß verzuckerten, aber doch deutlichen Worten der „Schwäche gegen den Umsturz" zu zeihen. Solche Worte sind natürlich Musik für unsere Konservativen und werden mit un verkennbarem Wohlbehagen von ihnen nachgedruckt. Di« Anmaßlichkeit des Präzeptor» scheinen sie gar nicht zu empfinden. In der auswärtigen Politik sind sie ja freilich von ihrer blinden Vernarrtheit in alles Russische abgekommen: die „Kreuz-Zeitung" Louis Schneiders ist nicht wieder zu erkennen; sie hat eben begriffen, daß zwischen den wirtschaftlichen Interessen der preußischen und der baltischen Grundbesitzer eine tiefe Kluft gähnt, solange der Njemen Grenzfluß der beiden Reiche bleibt. Aber gegen den „Umsturz" oder viel mehr gegen alles das, was Menschikow in den Be griff des Umsturzes einzubeziehen beliebt, sind sie vollkommen bereit, eine gemeinsame Phalanx auf zustellen. Der Russe nennt nämlich bloß Juden und Freimaurer, aber sein ganzer Artikel ist zur Genüge auf die bekannte Melodie gestimmt, daß der Libe ralismus bloß einen Ausläufer jener „roten Flut" darstelle, die heute die „konservative Weltanschau ung" hüben wie drüben zu überschwemmen drohe. Für die auswärtige Politik aber wirbt er um ein Zusammengehen gegen „Gelbe und Schwarze, gegen Heiden und Mohammedaner" — der farbenfeindlichc Mann scheint über die Rastenzugehörigkeit der Türken schlecht unterrichtet zu sein. Wieder ist ein Anklang an ein Kaiserwort unverkennbar, das in jener Zeit verbreitet wurde, als Professor Knackfuß zur Ver vielfältigung bestimmte Bilder retuschierte. Aber wir haben uns an dem Autodafe, in dem der Frie densvertrag von Schimonoseki verbrannt wurde, die Finger dermaßen versengt, daß die Wunden heute nach 15 Jahren noch kaum vernarbt sind. Und — beiläufig — Rußlands gelbes Fieber, besten An steckungsstoff es bei jener Gelegenheit in sich auf nahm? Glied um Glied mußte von dem gesunden Arme amputiert werden, den es damals drohend in das Gelbe Meer hineinstreckte! Alle diese Träume einer neuen „Heiligen Allianz" sind sinnlose Hirngespinste. Nicht einmal die von südeuropäischer Seite oftmals angeregte inter nationale Anarchistengesetzgebung ist trotz mancher Anläufe zustandegekommen. Besonders Preußen kommt übrigens mit seinem unverändert fortgelten den Auslieferungsvertrage Rußlands spezieller Hilfs bedürftigkeit schier zu viel schon entgegen. Bayern hat seine Fessel ja inzwischen abgestreift. Aber darüber hinaus haben wir gar keine Veranlassung, auf unsere selbstgebauten Schanzen gegen die rote Flut — und vollends gegen das dürftig genug rinnende Bächlein des „blauen" Liberalismus — russische Vundestruppen hinaufzunehmen oder auf neuen Kongressen von Troppau und Laibach die Aufstellung einer Exekutionsarmee zur Zurückführung König Manuels in die Paläste von Belem und Mafia zu beschließen. Die rote Internationale be kämpft jeder am besten zu Hause und nicht durch eine „weiße Internationale". Ueder Sie pulitilche Lage in Llsins. Aus Peking wird uns geschrieben: Bei Ausbruch des Russisch - Japanischen Krieges sagte der verstorbene Eisenoahnminister Hudjüsen, ein fremdensreundlicher, aufgeklärter Mann, es wäre gleichgültig für China, wer siege. Auf alle Fälle seien dre Chinesen die Leidtragenden. Die traurige Wahrheit dieses Ausspruches beweisen die Entwick lung der Mandschurei und neuerdings der Russisch- Japanische Vertrag. Die unabhängige, nicht in frem dem Solde stehende chinesische Presse zammert über die politische Lage. „Sind wir noch Herr in der Man dschurei? Ist es überhaupt noch eine chinesische Pro vinz? Die Beamten und Notabcln sehen schwarz in die Zukunft. Der Eeneralgouverneur Hsi liang war jetzt zur Audienz in Peking und ist nur mit Mühe zu bewegen, seinen schweren, undankbaren Posten weiter zu behalten. Man sagt, nur für kurze Zeit. Er soll in dem früheren Kriegsminister Tieh liang einen Nachfolger erhalten. Tieh ist wieder in Gnaden aus genommen und am 8. September in seiner neuen Ehrenstelle, Tatarengeneral von Kiangning, vom Prinzregenten empfangen worden. China fühlt den neuen, noch unsichtbaren Feind. Das Schicksal Koreas hat tiefen Eindruck aus die Re gierung gemacht. Und die Mandschurei und Korea sind benachbart. Das Reich muß sich schützen und glaubt, dieses am sichersten durch Heer und Flotte zu tun. Der Kriegsminister Ding chang geht scharf ins Zeug. Er hat sich ein hohes Ziel gesteckt. Doch schon jetzt stößt er bei der Reorganisation seines eigenen Ministeriums auf Schwierigkeiten. So hat er befohlen, daß auf den Bureaus alles in Uniform zu erscheinen hat. Sein Vizepräsident Na djin, der Bruder des einflußreichen Na tung, der als Be günstiger der Boxer 1900 bekannt ist, hat sich ge weigert, das noch heutigen Tages nicht allzu hoch geachtete Kleid eines Militärmandarinen anzuziehen. Der moderne Ving chang hat viele Neider und Geg ner. Japan sieht den in deutschen Ideen Ausge wachsenen nicht gern. Es ist die Frage, ob er sich lange wird halten können. Dem Marineminister Prinz Tsai Hsiin werden viele Vorwürfe gemacht. Man hält sein Flottenprogramm bei der benschenden Finanznot für undurchführbar, ihn selbst für zu jung und unerfahren. Doch seine kaiserliche Abkunft wird ihn stützen. Um Streitkräfte zu Wasser und zu Lande auszustellen, ist ausgezeichnetes Menschenmaterial vor handen. Aber die zweite Hauptsache fehlt „das Geld". Um zu irgendeinem ersprießlichen Resultat in China zu kommen, ist eine gründliche Finanz- re form unbedingt nötig. Zwar erscheinen rn letzter Zeit Edikt über Edikt betreffend Währung und Banknotenwesen. Aber niemand kümmert sich darum oder kann sich vielmehr darum kümmern, da solche ein schneidenden Sachen nicht von heute auf morgen ein zuführen sind. Der Kuli rechnet mit lebem Käsch. Ein Dollar ist ein Vermögen für ihn. Bis jetzt gilt ein Dollar 120—130 Kupserkäjch. Mit einem Male soll er laut kaiserlichen Edikts nur 100 Käsch wert sein. Eine stritte Durchführung dieser Verordnung würde Ausstände hcrausbeschwören. Denn Geld ist der Gegenstand, welcher dem Herzen eines Chinesen noch immer am nächsten liegt. In solchen Momenten denkt er nicht an Reformen. Ueberhaupt wird der Gang der Moder nisierung meistens weit übertrieben geschil dert. Man schöpft seine Erfahrungen aus Küsten städten, gelegentlichen Besuchen in diplomatischen Kreisen und aus feingedrechselten Berichten. Die chinesische Presse, die ost in fremdem Solde steht, und die fremden Zeitungen in China, die alle be sondere Zwecke verfolgen, müssen Material liefern. Dringt man jedoch tiefer in die Volksseele ein, jo er kennt man, daß ein Teil der Reformen äußerer schein ist. Diel steht nur auf dem Papier. Noch mehr wird als Sand dem eigenen Volke und den Fremden in die Augen gestreut. Dicht hinter den wenigen moder irisierten Städten mit sogenannten Unioerfitäen, mit Mädchenschulen, Industrie-Ausstellungen, beginnt das alte China, wo das patriarchalische Gesetz herrsch!. Hier geht das Leben seinen Lauf, wie vor Jahr hunderten. Jeder ist zufrieden, hat er sein täglich Brot. Politik, Teilnahme an der Lefsentlichkeit ist dieser Bevölkerung unbekannt. Zum Regieren ist der Kaiser da mit seinen Beamten. Und diese Beamten der alten Schule sind höflich, gerecht im orientalischen Sinne und squenzen nur soviel, wie es von alters her Brauch ist. da sie zu wenig Gehalt haben. Die modernen Mandarinen, d. h. diejenigen, welche etwas ausländisches Wesen oder Wissen an sich haben, er halten hohe Gehälter, mehr wie in Europa. Aber trotzdem halten sie, natürlich mit Ausnahmen, an dem alten Squenzsystem fest, kosten daher dem Volke doppelt. Je höher die Stellung, desto größer der Ge winn. Solange aber dieses Verfahren bei hoch und niedrig für ehrenhaft gilt, so lange ist eine gründliche Finanzreform ausgeschlossen, und jo lange ist an eine Umwälzung in modernem Sinne nicht zu denken. Schreitet China auf der jetzt betretenen Bahn weiter fort, so wird es allmählich erstarken und sich dem Westen etwas mehr anpasten, aber ein Erwachen im Sinne von Japan ist a u s g e j ch l o st e n. Aehnlich wie Rußland geht das Rielenreich seinen Weg und be hauptet sein«-« Stellung in der Welt dank seiner immenfen Bolkskraft und der im Lande schlummern den Schätze. Das konservative China ist heutigen Tages nicht der Platz, wo ein Genie bahnbrechend wirken kann. Aufgeklärte, gleichgesinnte Männer an der Spitze der Ministerien müssen in treuer, steter Arbeit an dem Aufbau arbeiten, Hand in Hand mit dem Staatsoberhaupt, ungestört durch ein unreifes Parlament und Hofintrrgen. Zurzeit ist das Land aber nickt in der Lage, genügend geeignete Leute zu haben. Aus persönlichen Gründen, durch Einfluß fremder Mächte und durch den starken Faktor Geld findet bei den Würdenträgern ein ewiger Wechsel statt. Glückliches Land, daß es keine Ministerpensionen zu zahlen braucht! Es sehen viele, besonders die Ausländer, in der energischen Person Puans das Heil Chinas. Man dars aber nicht vergessen, daß dieser Mann 1898 ein Hochverräter war. Allerdings hat er während seiner Glanzperiode als Vizekönig von Tschili viel Gutes geschaffen, hat aber auch seine Provinz pekuniär außerordentlich in Anspruch genommen. Ferner hat er den Japanern, die in richtiger Weise mit ihm ge redet haben, viele Vorteile einperäumt. Er ist ein Egoist durch und durch, dem jedes Mittel recht ist. Sein Kommen würde neue, große Reibungen verur sachen und dem Prinzregcnten viele Schwierigkeiten bereiten. Denn zwischen diesen beiden Männern haben Gegensätze, Feindschaften bestanden, die sich nie ausgleichen können. Der Priiizregent sieht in ihm den Mörder seines Bruders Ruft er Puan zurück, so muß er die Lage Chinas für so bedenklich halten, daß sie nur gebessert werden kann durch den rücksichts losen, über Leichen gehenden Chinesen. Alles in allem blicken die Leiter der Geschicke Chinas nicht rosig in die Zukunft. Zwar glaubt man nicht an Revolutionen, die größtenteils sehr zum Schaden des Handels nur spuken in den Köpfen eini ger Journalisten und Missionare, welche die Gefähr lichkeit ihres Postens der Welt vor Augen führen wollen. Aber die Regierung kennt die zurzeit gerin gen Mittel zu Reformen und zur eventuellen Ver teidigung. Sie ist in Sorge nicht nur um die Mandschurei, sondern auch um die Mongolei und Tibet. Man munkelt von allen möglichen Geheim verträgen. Der lebende Buddha, trotzdem er in einem kaiserlichen Edikt als falsche Wiedergeburt bezeichnet worden ist, gibt keine Ruhe. Und im Innern des Reiches tritt ein neuer Faktor auf „das Parlament". Wird es Nutzen oder Unheil stiften, ist die große Frage der Zukunft. Schistahrtsabgaben und Mittelstand. Auf dem I. Deutschen Binncnschisfahrtslage, der am 21. Mai 1909 in Berlin abgehalten wurde, wandte man dem Optimismus des Ministerial direktors Peters wegen der künftigen Entwicklung unseres Wasserstraßenverkehrs besondere Sorgfalt zu. Don fachkundiger Seite wurde berechnet, daß bei spielsweise eine Ladung Zucker von 1000 Tonnen von Aussig bis Hamburg mit 820 .E, eine gleiche Ladung Kohlen von Aussig bis Magdeburg mit 450 Derkehrsabgabe infolge der Schiffahrts abgaben belastet werden würde. Weiterhin wurd« berechnet, daß bei mittleren Fahrzeugen von etwa 700 Tonnen Tragfähigkeit und jährlich 8 Reisen — 4 zu Berg und 4 zu Tal — die Jahresabaabe mehr als 1000 betrüge bei einer Durchscknittsdeweaung von 300 Kilometer. Diese Ziffern flößten unserer Schiffahrt und namentlich auch den PrioatlckMern. die zu Tausenden ihr Gewerbe auf den deutschen Strömen ausüben, die größten Besorgnisse ein: und der kürzlich veröffentlichte Schiffahrtsabgabenentwurs erscheint keineswegs geeignet, diese Besorgnisse zu zerstreuen. Freilich wird in der Begründung zu dem Entwurf der Erwartung Ausdruck gegeben, daß die Landesoertretungen bereitwilligst Zuschüsse leisten würden, falls der Verkehr zu schwach sein sollte, um die Selbstkosten künftiger Strombaruen durch Schiff fahrtsabgaben vollständig decken zu können. Aber solche sanguinische Betrachtungen sind billig wie Brombeeren, und die Schiffahrt hat von ihnen nichts zu erwarten. Sie kann getrost damit recknen, daß die im Einwurf vorgesehenen Maximalsätze im weitesten Umfange Anwendung finden und auch alsdann noch nicht ausre^chen, um den Erfordernissen des Gesetzes gerecht zu werden. In Wirklichkeit behalten die jenigen Fachleute recht, die von vornherein die An sicht vertraten, daß irgend welche Sicherung nament lich nach der Richtung der Höbe der Abgaben ganz undurchführbar sei und daß ein M a x i m a l s a tz L e r Abgaben überhaupt nicht fest gelegt werden könne. Es dürfte ein leichtes sein — namentlich bei dem Umfange dessen, was alles in die Deckung durch Schiff- fahrtsabgabcn hineingezogen werden kann oder soll: Regulierung von Nebenströmen, Anlage ganz ent fernter, sehr kostspieliger Staubecken usw. — die Ta rife so zu konstruieren, daß die Sckinabrt ihre Selb ständigkeit und schließlich ihre Lebensfähig keit vollständig verliert, alsdann würde nichts anderes übrig bleiben, als die Schiffahrt billig zu expropriieren und sie in staatliche Verwaltung zu nehmen. Dieser Aussicht stehen am nächsten die Tau sende von P r i o a t s ch i f fe r n, die sich durch harte Arbeit und Inanspruchnahme reichlichen Kredites in den Besitz eines eigenen Fahrzeuges gebracht haben. Der „verdammte Besitzteusel" wäre, um mit Bebel zu reden, diesen Leuten bald ausgetrieben: sie wären bald reif für die sozialdemokratische Partei. Unter der jahrelangen ungünstigen Lage Les Frachtenmarktes haben mit den großen Schiffahrts gesellschaften auch die Privatschiffer schwer zu leiden gehabt: sie haben deshalb in letzter Zeit ihren Kreditverpflichtungen trotz größter Sparsamkeit zum Teil nur mangelhaft nachkommen können. Wer den sie dazu noch mit einer unerschwinglichen Ver- kehrsabgabe belastet, die sie sicherlich nur in seltenen Fällen auf die Verfrachter der Waren abwälzen können, so sind sie rettungslos dem Unreroanoe preis gegeben. Uebrigens kann es keinem Zweifel unter liegen. daß der Güterverkehr auf den Binnen wasserstraßen überhaupt einen außerordentlichen Rückgang erleiden muß, wenn er so kräftig ver teuert wird. Der Frachtenmarkt wird also für die Privatschiffer mehr und mehr gesperrt, die kleineren selbständigen Schiffer werden aus der Sckiffahrt aus- gesckaltet. Mag man das den nicht aufzvhaltenden natürlichen Weg der Entwicklung nennen: soviel steht fest: staatserhaltend ist diese Anschauung sicherlich nickt: der monarchische Staat findet seinen festesten Boden in einer möglichst großen Anmbl selbständiger Existenzen. Die Politik, die jetzt bei den Schiffahrts abgaben von den Agrariern im Bunde mit einer ge fügigen Regierung betrieben wird, ist deshalb im höchsten Grade mittelstandsfeindlich! Der deutsch-tschechische Ausgleich. Ueber die deutsch-tschechischen Ausgleichsverhand lungen in Böhmen, die neuerdings wieder ins Stocken geraten sind, schreibt uns unser Prager )1.-Mit arbeiter Dio Unterhandlungen zwischen den beiden Parteien werden immer weiter hinausgezogen; es scheint, daß man so lange scheinbar Besprechungen abhalten will, bis die Einöerufung des Reichsrates diesen von selbst ein Ende bereiten wird. Auch die Regierung weiß das, und am Mittwoch lud der Statthalter die Parteiobmänner zu sich, um ihnen mitzuteilen, die Einberufung des Reichsrates werde, falls nur eine schwache Aussicht auf Erfolg sich zeigen würde, noch nicht erfolgen. Ueber die Beratung wurde ein nichts sagendes Communigus herausgegeben, das aber in Hoffnungsfreudigkeit ausklingt. Trotzdem kann be hauptet werden, daß die Mitglieder der Ausgleichs kommission nicht mehr viel Hoffnung auf einen günstigen Ausgang hegen. (Inzwischen sind wie bereits gemeldet, die Verhandlungen des Statt halters mit den Parteiführern am Donnerstag fort gesetzt worden. Das Ergebnis wurde nicht bekannt gegeben.) Das Haupthindernis ist der Sprachen. Gesetzentwurf. Es zeigt sich hier, daß die deutschen Vertreter in dem Subausschusse nicht mit den für diese Materie notwendigen Kenntnissen aus gerüstet waren. Jetzt wollen die Tschechen nur gegen reichliche Zugeständnisse einräumen, daß der Entwurf nicht dem Landtage in seiner jetzigen Form vorgclegt, sondern einer Permanenzkommission zugewiesen werde. Die Deutschen können keine Zugeständnisse mehr machen, ohne ihre Volksgenossen zu schädigen. Ebenso scheinen die deutschen Vertreter in dem Unter ausschüsse über den Gesetzentwurf, der die Landes ordnung ändern soll, nicht ganz klar über das gefähr liche Verlangen der Tschechen zu sein, im ersten Para graphen die Unteilbarkeit und Einheit des Landes festzusetzen, wodurch das sogenannte, von den Deutschen immer bekämpfte Staatsrecht anerkannt würde. So hat Dr. Eppinger in der Versammlung der Deutschen Prags behauptet, daß der erwähnte erste Paragraph nichts weiter enthalte, was sckon längst indirekt anerkannt worden sei. Das ist aber nicht richtig. Am Mittwoch haben die Deutschen den Tschechen bei der Bestimmung des nationalen Schlüssels für die Landesbeamten zugestanden, daß durch die Aufnahme der Deutschen die jetzt im Amte befindlichen Tschechen weder im Avancement noch sonstwie geschädigt werden dürfen: die Tschechen blieben aber trotzdem gegen die deutsch« Forderung in bezug auf das Sprachengesetz taub. Bei solchen Umständen wird wohl weder die Vollkommission noch der Landtag zusammentreten. Ob nach einiger Zeit dann der Versuch, zu einem Ausgleich zu kommen, e r. neuert werden wird, ist schwer zu prophezeien, aber jedenfalls muß ein Modus geschaffen werden, der aus den finanziellen Nöteck Böhmens einen Aus- weg findet.
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