Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.02.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110223018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911022301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911022301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1911
- Monat1911-02
- Tag1911-02-23
- Monat1911-02
- Jahr1911
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
vierttiithrt. Drnltchl «rdaktton»»d DeschäfttstrL« Iohnnnilgasl« v. er»wrrchrr: I4ÜLL 14»«, 14»4. m Belgien, Dänemark, den DonanfteM«. Italien, Luremdurg, Stiederland«, Rar weg en, Oesterreich Ungarn, Nnstlaad, -chweden. Schweig u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch die «eich«t,stelle de« Blattes erhältUch. Da« Leipziger Dageblatt erscheint 2 »al itglich, Sonn. u. Feiertag« mir morgen». Adoanement-titnnatzin«: NaguAusplatz 8, dck »ujeren Drägern, Filiale», Spediteur»» und Lnnahmestellen, sowie Postämtern und Briefträger». Bezugs. Preis str Leipzig und durch uns»» Träger und Spediteur, 2»»l täglich ins Hau« gebracht; 2V ch mouatO, L.Tv^U viertrljährl. «ei unser» Füiale» u. An. Morgen-Ausgabe. ttp.ngcrTagcblM Handelszettung. Ämtsvkatt des Nates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. ^qze>geu-Preis chr Scheret, anä veimug und Umgednna di» S^speltoiw S0 »» dr»M Peticheile L di» 74 »w» d«tt« «rklamezeile l u« »nswärt« M LeHame» i.20 Inserate »»» Vestärde» i» amtlichen Teil ch» 74 »u» dmtt» Pefttzeil, M Oeschäfchaazeiaen mit Piatzvorschristra und t» der Adeatansaab« im Preise erdähr. istabarr »ach Laris. Seilag^edübr S chk p. Lausend «xkl. Postgebühr. FftterteUt» Uusträa« können nicht zuräck- g«»ogru werde». Für da« trscheineo an destiounten Dag« und Pliden wird kein» Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Luguftuäplatz 8, dei sämtlichen Filiale» u. allen Annoncen» stlpeditionen de« In- und «Utlande«. Haupt.-ilial« Berlin: U»rl Luncker, Herzogl. Bayr. Hostuch- Handlung Lüdowstrah« 10. (Delkphou VI, »r. 4608). Haupt-Stlial« Dresden: krestrah« 4,1 (Drlephon 4Ü-'I). Nr. 54. Vomierst»-, üen LS. Februar lSll. 105. Zshrgsng. Dss Dichtiglte. * Der Reichstag erledigte am Mittwoch den Justizetat in zweiter Lesung. (S. Reichs- tagsber.) * Zn der Schiffahrtsabgabenkommis- sion sprach sich am Mittwoch Abg. Dr. Junck sehr scharf gegen Einzelheiten der Borlage aus. (S. d. bes. Art.) * Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine Be kanntmachung betreffend die Beschränkun gen der Ein, und Durchfuhr aus China. * Die Reoision, die der Rennfahrer Breuer gegen seine Verurteilung zum Tode beim Reichs gericht eingelegt hatte, ist nach zweitägiger Verhand lung vom 5. Strafsenat, vor dem die Verhandlung stattfand, verworfen worden. (S. Kerichtssaal.) ' Der zum Tode verurteilte Raubmörder Franz in Neuruppin gibt sich für den gesuchten Genossen de^ Raubmörders Hennig aus. (S. Tageschr.) Und wir? Es ist leider nichts Seltenes, sondern das Regelmäßige, daß man bei internationalen Ver wicklungen zu fragen hat, was denn für uns, das Deutsche Reich, zum Dank für unsere Hal tung abfalle. Die Frage muß auch jetzt wieder gestellt werden. Wir haben Rußland sein Vorgehen gegen China ermöglicht. Aus den Potsdamer Unterhaltungen münzt Rußland jetzt den zweiten Gewinn aus. Eine Beschäf tigung, die ihm sicher sehr angenehm ist und bei der wir es nicht zu stören brauchen. Nur ist die Voraussetzung, daß uns ein gleicher oder ähnlicher Wertzuwachs in die Reichsscheuern komme wie dem Zarentum. Wir haben schon, als der Reichskanzler am 11. Dezember des Vorjahres im Reichstage Mitteilung von den Ergebnissen der Potsdamer Zusammenkunft gemacht hat, betont, daß uns der Preis, den wir für Rußlands Ausscheiden aus dem antideutschen Konzern erlegten, reich lich hoch dünke. Der Preis hieß damals Persien. Wir überlassen Nordpersien an Rußland — das ist der einfache Sinn des diplomatisch etwas verschnörkelten Ausdruckes. Erste Gegen leistung: die Zusicherung der offenen Tür — eine Zusicherung, die freilich in keinem modernen diplomatischen Instrument fehlen darf, dafür aber auch von keinem modernen Diplomaten ernst genommen wird. Sollte es aber unter den deutschen Kaufleuten und Industriellen so harmlose Gemüter geben, daß sie nicht wüßten, was die Phrase von der offenen Tür zu einem einer europäischen Macht überlassenen Orient gebiete besagen will, so empfehlen wir eine Anfrage bei den Casablanca-Deutschen. Deren Antwort dürfte angetan sein, die letzten Zweifel zu benehmen. Zweite Gegenleistung Rußlands: die Zusicherung einer Verbindungsbahn zwischen der — noch nicht soweit gediehenen — Bagdadbahn und den Bahnen, die Rußland vielleicht einmal später in Persien erbauen sollte. Dafür haben wir also eingewilligt, daß Rußland den sehr realen Wert Nordpersien in die ge räumige Tasche steckt. Damit ist aber das Aus scheiden Rußlands aus dem antideutschen Konzern etwas teuer erkauft. Rußland macht sich indessen noch weiter be zahlt. Sein V.orstoß gegen China zeigt, daß es die jüngst gewonnene Bewegungsfreiheit zu seinen Gunsten energisch ausnützt. Ward in Potsdam auch von dieser Absicht schon ge sprochen ? Die Frankfurter Offiziösen versichern: Nein; Deutschland ist durch das russische Vor gehen genau ebenso überrascht worden wie Frankreich. Ob es für uns besonders rühmlich wäre, wenn Rußland uns, auf deren loyale Haltung es zur Durchführung jedes asiatischen Abenteuers angewiesen ist, einfach vor die Tat sache seines Halb-Ultimatums gestellt hätte darf dahingestellt bleiben. Ueberrascht oder nicht überrascht: wir ermöglichten Ruß land sein energisches Vorgehen gegen China, und können billig verlangen, daß seine Gegenleistung unserer Leistung entspreche. Wir dürfen das um so mehr, al» wir auch direkt durch das Vorgehen Rußlands in unse ren Interessen getroffen werden können. Das bedarf kaum der näheren Darlegung. Be kannt ist, daß der Chinese unter den Europäern weiter keine Unterschied« macht. Vor 1900 haben sich sämtliche europäischen Mächte zwar wett eifernd, aber durchaus in einem Sinne bemüht, B China so viel, als irgend ging, an Vorrechten, « Konzessionen, Zuweisung von Interessensphären und „Pacht"-Ländern abzuzwacken. Ieder diplo matische Erfolg einer Macht war ein Stachel für alle übrigen, ihr nach und immer nachzu streben. 1900 gar sah China die Heere aller weißen Mächte gegen sich geeint; unter deutschem Oberkommando, was noch nicht ganz aus dem Gedächtnis entschwunden sein dürfte. Macht der Chinese also schon im allgemeinen zwischen weiß und weiß keinen Unterschied, so wird er den am allerwenigsten zugunsten Deutschlands machen, das bei zwei ihm besonders heiklen Gelegenheiten, bei der Landabzwackung und beim Kriege, sich vor den andern hervortat. Und auch jetzt wieder steht es mit den übrigen nicht auf einer Stufe: es deckt Rußland in Europa den Rücken; erlaubt ihm, die West flanke von Truppen zu entblößen, die damit für den Stoß nach Osten frei werden. Man glaube doch ja nicht, daß solche mit den Händen zu greifenden Tatsachen in China nicht auch den breiten Mafien schnell verständlich gemacht werden können. Das Gegenteil ist ja oft genug erwiesen worden. Bei dieser Sachlage geraten aber sehr ge wichtige deutsche Interessen in Gefahr. Selbstverständlich ist keine Rede von einer Be drohung unseres Pachtlandes oder auch nur unserer Interessensphäre in Schantung. Bis dahin sind weite Wege. In nächster Nähe aber liegt der Weg des Warenboykotts eines Landes, das sich den Chinesen besonders unan genehm gemacht hat. Dieser Weg ist schon wiederholt beschritten worden. Aber auch dahin braucht es gar nicht einmal zu kommen. Ein formeller und propagierter Boykott ist durchaus nicht nötig, um uns hier Wunden zu schlagen. Seit dem Jahre des Boxerkrieges ist unser Außenhandel mit China in der Aus fuhr dorthin von 43,7 Millionen Mark 1907 auf 83,2, 1908 : 50,7, 1909: 56,8 gestiegen; in der Ein fuhr dorther von 35,4 1907 auf 56,7, 1908: 70,7, 1909 : 65,2. Das ist, als Resultat von 10 Jahren, in denen sich die fremde Einfuhr nach China auf das Doppelte gehoben hat (von 587,4 auf 1080,9 Millionen Mark), kein sehr glänzendes Ergebnis, ganz abgesehen von den großen Schwankungen und abgesehen davon, daß der prozentuale Anteil Deutschlands am chinesischen Außenhandel niedrig war und geblieben ist. Immerhin ist es ein Gesamtwert in den drei letzten Jahren von über einer Drittelmilliarde, der hier umgesetzt wurde. Wo uns solche Werte gefährdet werden, wird uns niemand das moralische Anrecht auf eine entsprechende Ver gütung bestreiten können. Es kann nicht die Aufgabe der Presse sein, in einem solchen Falle mit Einzelforderungen hervorzutreten. Wer nicht mitten in den Jn- ternis darin steht, kann nicht übersehn, welche Wünsche im gegebenen Augenblicke realisierbar sind. Wohl aber ist es Aufgabe jedes poli tischen Faktors, das Bewußtsein wachzuhalten, daß bei großen internationalen Verschiebungen auch für uns etwas ab fallen muß. Dieses Bewußtsein war den Leitern unserer aus wärtigen Politik lange abhanden gekommen. Sie rühmten sich gar ihrer Abstinenz. Hoffen wir, daß das jetzt anders wird, daß Herr v. Kiderlen-Wächter, wenn ihm die Frage: „Und wir?" dereinst vorgelegt werden wird, nicht mit glatten Sätzen, sondern mit runden, guten Tat sachen antworten wird. Sbg. Or. Zunck und üie Schillahrtssbgaben. In der Schiffahrtsabgabenkommission beendete am Mittwoch der Wortführer der Bolks- >artei seinen in der letzten Sitzung nach mehr« tündiger Dauer abgebrochenen Vortrag. Er ver- ucht«, den Nachweis zu erbringen, daß das von der Regierung vorgelegte Material durchaus lückenhaft und nicht überall zutreffend sei. Unter den Gründen gegen die Abgaben betonte er insbesondere auch die Besorgnis einer Benachteiligung der arbeitenden Bevölkerung in den Industrien an den Oberläufen der Ströme, denn diese mühten bei ihrer ungünstige« Lage erhöhte Lasten tragen und würden sie auf die Löhne der Arbeiter abwälzen müssen, wenn sie kon kurrenzfähig bleiben sollen. Dann nahm Ministerialdirektor Peter» von neuem das Wort zu einer längeren Erwiderung in der er besonders in der Frage der Neich»oerfaßung seinen bekannten Standpunkt vertrat. Er schloß mit der Bitte, den Blick in di« Zukunft zu richten und Mittel und Wege zu schaffen zum weiteren Ausbau der Wasserstraßen. Ein nationalliberale» Kommisfionsmitalied au» Sachsen (Abg. Dr. Junck) sprach darauf -ege« die Schiffahrlsabaabe«. Er hält st« für durchaus verfehlt. Ob eine Verfassungsänderung »öl wendig sei. will er ganz da-inaestelü sei« laßen. Es komme aus die Mehrheit des Reichstage» an. Aber da» Vorgehen Preußens müße Miß- trauen erwecken. Der Redner bemerk, er habe gehört, daß nun auch die Reichsregierung eine Ver fassungsänderung für notwendig halte. Die Bundes staaten und ebenso auch Oesterreich wollten erst willen, wie die Schifsahrtsabgaben aussehen; die Prüfung der einzelnen Paragraphen mülle jedenfalls vorbehalten werden. Der Redner erhebt grund- sätzlichenWiderspruch gegen die Einrichtung von Strombauverbänden, die er auch gar nicht für nötig hält. Es sei unmöglich, das Gesetz für verschiedene Stromgebiete zu verschiedenen Zeiten einzuführen. Er äußert die Befürchtung, daß, wenn das Gesetz fertig fei, für die Zu st immun- Oesterreichs ein zu hoher Kaufpreis gezahlt werden müsse, und daß dann das Deutsche Reich werde bluten müßen. Der Redner richtet an die Regierung die Anfrage, ob die Festsetzung der Tarifsätze in die Hände der einzel- staatlichen Regierungen gelegt werden soll. Der Regierungsvertreter behauptet, daß die Tarifhoheit den Einzelstaaten zustehe; das sei allerdings bei den Eisenbahnen der Fall, beweise aber für die Ströme nichts, die staatliche Grenzen nicht kennen. Die Tarifhoheitsfrage fei sehr wichtig. Wenn sie den Einzelstaaten zustehe, so könne Preußen z. B. auf seinen Stromstraßen beliebige Abgaben erheben. Werde einmal der Artikel 54 der Reichsverfaßung durchbrochen, so gäbe es allerlei Mittel, Schiffahrts abgaben einzufübren. Der Redner erörtert das Ver hältnis zwischen den Partikulierschiffen und Reedereien und sieht in den Bestimmungen der Vorlage eine Schädigung des Mittel standes und der Kleinbetriebe. Die Nachprüfung der Denkschrift ergebe, daß deren Unterlagen in dieser Beziehung unzutreffend, die An gaben also falsch seien. Auch sonst wider spricht der Redner den Angaben des von der Regie rung vorgelegten Materials. Er empfiehlt Anträge, die die Namen der sächsi schen nationalliberalen Abgeordneten Dr. Junck Und Dr. Heinze tragen. Danach sollen nur fürsicht - bare Anlagen Abgaben erhoben werden; sonst könnten auch alle Verwaltungskosten in Anrech nung kommen, und da sei ein Mißtrauen sehr be rechtigt. Der Redner sprach sich in dieser Beziehung sehr scharf gegen die Vorlage aus. Der Be griff der Gebühren werde verlassen, wenn durch diese auch Perwaltunaskosteu, Strompolizei usto. eiube- zogen würden. Auch Kosten, die durch elementare Ereignisse entständen, dürsten nicht ür Form von AL- gaben erhoben werden. Der Redner äußert auch Mißtrauen gegen die Erklärung, daß der Güterverkehr nicht gehemmt werden soll. In dem Ueberein- kommen mit Baden und Bayern sei ein Satz stehen geblieben, der Anlaß zu der Annahme gebe, daß der Güterverkehr der Erhebung unterworfen werden soll. Der Redner steht daher der ganzen Sache mißtrauisch gegenüber und verlangt Garantien. Ministerialdirektor Peters erwidert. Es gehen noch weitere Anträge ein. Die Beratung wird am Freitag fortgesetzt. Takt der sattere. Am 4. März wird Präsident Taft in die zweit« Hälfte seiner Amtszeit eintreten. Bei seiner Wahl wurde er allgemein bloß für den Platzhalter Roose velts angesehen, der aus zahlreichen inneren und äußeren Gründen seine Laufbahn unterbrechen muhte. Hatte der neue Herr sich vor seiner Erwählung nnht sonderlich gerührt, sondern mehr die republikanische Partei-Organisation und noch mehr das Schwer gewicht der allgemeinen Zustände wirken lallen, so schien er, ins Weiße Haus eingezogen, vollends sich in die Faulbetten der prunkvollen Dienstwohnung vergraben zu haben. Daß sein Ehrgeiz höher reiche, als ein Blatt lm goldenen Buche des Freistaates mit seinem Namen zu füllen, daß ihm der sachliche Zn- Halt dieses Chronikblattes nicht im Grunde glerch- aülttg sei und er etwa gar nach einer Wiederwahl strebe, wurde kaum noch vermutet. Und doch sind die zweiten Amtsperioden in den 120 Zähren der ameri kanischen Verfassung so zahlreich gewesen, daß es fast ehrenvoller geworden ist, niemals Präsident gewesen zu sein, als bloß ein einziges Mal, daß Nichtwieder- wahl oeinahe mit dem Makel geringer Befähigung belastet! Aber der Schläfer auf dem leicht verdienten Lor beer wurde jäh aufgerüttelt, als Roosevelt aus seinen afrikanischen Jagdgründen zurückkehrte, der unruhige Geist, dem ein Jahr Abenteurerleben Erholung ist, das rechte Eegenbild des behäbigen Taft; der auch sogleich in förmlich beleidigender Weise die maß gebende Wirksamkeit wieder an sich zu reißen be-. aann. Sein brüskes Vordrängen orachte sogar Tafts Blut in Wallung, und das erste persönliche Wieder sehen der beiden Männer soll «in Austritt von be wegter Dramatik gewesen sein. Doch «in schier noch schlimmeres Begebnis ist hinzugetreten, um des Präsi denten Phlegma aufzupeitschen: der Wahlsieg der Demokraten. Seit jener Zeit erscheint Tast wie umgewandelt. Rede folgt auf Rede. Seines Geistes Hauch beginnt man in der Politik zu spüren. Es mag em Zufall sein, daß das seit Jahren angestrebte Abkommen mit Kanada gerade jetzt zum Abschlüße aelanat ist. Aber das Staatsoberhaupt bemüht sich sichtlich, eine per sönliche Not« hlneinzubringen. Er hat dem Avge- ordneten, der es als Initiativantrag emgebracht hatte (die amerikanische Verfassung kennt keine Regierungs vorlagen), seinen Dank und Glückwunsch zur An nahme übermittelt. Er hat auch die Gelegenheit be nutzt, um einen ungeschulten Kickdeskopf der Höheren Politik abzustrafen. Ein Mr. Clarke hat nämlich in den Debatten de, Repräsentantenhauses seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, daß der Vertrag mit Kanada eine künftige Verschmelz»«- beider ameri- ka»ischen Länder anbahnen werd«, und sich dabei zu dem Gipst! der Naivität verstiegen, daß England, Könige und Minister dereinst die Wiedervereinigung aller alten englische« Kolonien in Amerika mit Ent rücken begrüße« würde«! Der Skandal ist um so arger, al, dragier Grünling zum Sprecher de, neuen demokratischen Repräsentantenhauses erkoren ist, wel che» nach dem 4. März die Geschäfte übernehmen wird An» Kanada schallt auch bereits ein lieblicher Wider Lall in die Ohren des Unvorsichtigen: die englisch« Partei fordert jetzt die Verwerfung d«, Ab kommens. Mag Tafts Rügen eine etwas schulmeisterliche Klangfarbe anhasten — auch die, die den Commander Sims getroffen hat, war nicht frei davon —: es wirkt erfrischend, den seelenguten, aber bisher etwas zu wenig regsamen Mann aufwachen zu sehen. Auch In der allgemeineren Frage des Zolltarifes ist er aus seiner Zurückhaltung herausgetreten. Er for dert jetzt die Revision entschiedener, als Roosevelt seinerzeit, die vorläufig voroei zu sein scheint: seit keiner gepfefferten Niederlage bei den Wahlen ist der Redselige plötzlich verstummt! Und ein demo statischer Abgeordneter hat schon eine Resolution be antragt, daß eine Extrasession stattfinden, also das heiße Eisen des Reformeisers nicht bis zum Herbste in die Kühlkammer der schwerfälligen Verfassungs form geschoben werden solle. Dieses Zusammentreffen fft ein neuer Fingerzeig, daß Amerikas staatliches System in einer Umbil^ -ung begriffen ist. Der Verfassung Washingtons klebte etwas Schematisches an, das dem englischen Zweiparteienwesen entnommen war. Die drei Fak toren der Gesetzgebung, Präsident, Senat und Re präsentantenhaus, standen unvermittelt, als starre mathematische Größen nebeneinander. Verloren sie durch den Schicksalsspruch der Wahlen ihre Zusam menmeßbarstit, so stockte die Gesetzgebung. Als unter der Präsidentschaft des jüngeren Harrison die Demo kraten eine größere Mehrheit als ietzt erlangt hatten, vermochten sie doch nichts auszurichten, bis der Präsi dent nach zwei Jahren ihrem Gesinnungsgenossen Tleoeland seinen Platz eingeräumt hatte, während ihr llebergewicht im Äbgeordnetenhause sich damals schon wieder verringert hatte. Da der konservativ gc bliebene Senat den Staatswagen nach der entgegen gesetzten Seite riß als das reformerische Haus, so hatte eben der Präsident die Entscheidung und machte auch sein Recht rücksichtslos zugunsten der Partei gel tend, deren Geschöpf er war. In dem auch von den Republikanern gewählten Tast springt so etwas wie ein Bestreben hervor, sich über die Parteien zu stellen. Er scheint mit den Demokraten im Repräsentanten- Hause arbeiten zu wollen. Es steckt «in Zug vom kon stitutionellen Königtums darin. Roosevelt war in üiestr Richtung vorausgegangen und auch schon Cleve land; Mac Krnley war «in echter Nummernpräsident der Schablone gewesen. Aber Roosevelt» Anläufe waren ourch ihr täppisches Draufgängertum und durch sein halbbewußtes Kopieren Wilhelms H. fruchtlos geblieben. Es ist möglich, daß der ruhige Taft die Morgenröte einer gesunden Zukunft heraufführt: daß die ungekrönten Vierjahrskönige der Folgezeit wieder mehr dem erschauten Ideale des großen Re publikaners entsorechen, der sie mit Bedacht zwischen den aristokratischen Senat und das demokratische Volkshaus hineinschob; mehr als die Parteihäupt linge Buchanan, Grant und wie sie alle heißen, die sein Werk in llnehren gebracht haben. Wenn Taft es wirklich gelingt, die erste Lage heilenden Balsams auf die Wunden eines halben Jahrhunderts zu legen, zunächst die spruchreife Auf gäbe der Zollreform zu lösen, dann mag mit Fug von seiner Neubewerbung gesprochen werden. Es heißt, daß die Demokraten bereits an die Aufstellung des famosen Tlarke gedacht hatten. Sollte dem so sein, so hätte der Unbesonnene sich jetzt in einer einzigen schicksalsschweren Minute um seine Aufsichten geredet, und man darf wohl Amerika beglückwünschen, daß die Rede nicht erst 1913 gehalten ist! Vie lluskchten Ler relchslsnüllchen vertsllungsretorm. Der Verlauf der Verhandlungen in der Reichs taaskommission für die elsaß-lothringische Ver- fanungsreform, die durch die Erklärung des Staats sekretärs Delbrück am 16. Februar ein vorläufiges Ende gefunden haben, da der Bundesrat zu den von der Kommission angenommenen, die volle Auto nomie erstrebenden Zentrumsanträgen erst Stellung nehmen will, hat dazu geführt, dag man auf der einen Seite die Reform bereits für gescheitert ansieht, daß auf der andern Seite diejenigen, die eine Reform aus der von den verbündeten Regierungen sorge zeichneten Grundlage überhaupt nicht wollten, sich für berechtigt halten, auszurufen: Weg mit der reichs ländischen Derfaßungsreform! Diese Schlußfolgerung aus dem bisherigen Gange der Dinge ist natürlich völlig unbegründet. Aber es liegt auch kein Grund vor, die Regierungsvorlage bereits als erledigt zu betrachten, denn einmal wird das Zentrum zur ge gebenen Zeit zurückmarschieren, zum andern wird, wie anzunehmen ist, auch die Regierung bereit sein, die Hand zu einer Verständigung zu bieten. In welcher Richtung dieses Kompromiß liegen wird, das führt in einem Artikel in der „Köln. Zta." der national liberale Reichstagsabgeordnete Beck- Heidelberg, der Mitglied der Reichstagskommisston ist, aus. Beck be gründet darin, warum die Nationalliberalen Gegner der vom Zentrum angestrebtcn Ordnung, die die landesherrlichen Befugnisse des Kaisers lediglich auf die Ernennung des Statthalters beschränken will, waren. „Nicht etwa, weil sie geleugnet hätten, daß die elsaß-lohringische Verfassung bisher einer fort gesetzten Entwicklung ausgesetzt war, daß sie auch durch die Regierungsvorlage nur eine weitere Fortsetzung erfuhr, die sich auf dem Wege einer immer größeren Verselbständigung bewegte, oder weil sie diese Wei terentwickelung hätten ausschließen wollen, wohl aber weil sie festhalten wollten an dem Charakter des Reichslandes, weil sie den Kaiser als Träger der Staatsgewalt nicht ausgeschalet wißen wollten und weil sie die Beibehaltung des derzeit bestehenden staatsrechtlichen Verhältnisses einer festgefügten oraa Nischen Verbindung des Landes zu Kaffer und Reich nicht nur im Hinblick auf das Verhältnis der deutschen Bundesstaaten untereinander und zum Reich, sondern auch im Hinblick auf die Zustände im Reichslande selbst für notwendig hielten. . . . Daß Eksaß-Lothrin gen vollgültiger gleichberechtigter Bundesstaat werde, dies« Berechtigung muß erst erwiesen werden, wenn , die Bevölkerung mit der freieren Verfassung und de« I kreieren Wahlrecht die Ordnung seiner eigensten La»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite