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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.03.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120314026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912031402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912031402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1912
- Monat1912-03
- Tag1912-03-14
- Monat1912-03
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An,eigen Preis ftlr Inserate au» Uetptta und Umgetung di« lipaltig» Pelt«,eil« LPf-dteNeName» »eil« I Mb' »on outwätt, Zlt Ps„ Neklamr, l^V Mt. Inserate oon Behörden im anir. ltchen Teil die Petit.eil« «> Pf T«fchast»an,eigen mir Platzdorschtttt«, >m Breis« erhöht Nadattnach lattb Beilage,,dllbr<A«samt» aujlage 5 Mk. p. Tausend ertl. Postg«düht. Teilbeilog« Hoher Aekerteilt« Au,träge können nicht aerogen werden Für da, Lrjcheinea a» oestimmien Tagen und Blähen wird letx Garant«« übernommen. Anjetgen. Annahme I»tza«i»,»ff« ch dch sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Llpeditionen de. In- und Suolande». Druä «d Perl», Fieber ch Ktttstt, Inhaber: P»i ttkrsten. Vedattion und »eschäll.hel«: Iohaanirgasse 8. S»«wt < Filiale Dre»den: Seeftrahr 4, l (Telephon »AU. klr. l3S. vonnerslag, »en 14. Mär; >Sl2. 106. Istirgsny. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 10 Letten. Oss Dichtiglle. * In Rom wurde auf König Viktor Emanuel ein Revolverattentat auSge- führt. Der König blieb unverletzt. (S. des. Art.) * In die Streikreviere von Herne und Dortmund wurde M i l i t ä r e n t s a n d t. (S. bes. Art.) * In einer Kohlengrube von Novo- tscherkassl wurden 10 Arbeiter durch ein» stürzende Erdmassen getötet. (S. Tagcschr.) Attentat suk üen König von 3tsll"n. Wir verbreiteten bereits in den heutigen Vor mittagsstunden durch Extrablatt die Nachricht, Laß auf den König von Italien heute morgen in Rom ein Reooloeratteiltat verübt wurde, bei dem der König glücklicherweise nicht verletzt wurde. Wir verzeichnen über die verabscheuenswerte Tat nach stehende Meldungen. Rom, 14. März. (Tel.) Heute morgen, als der König sich zu einer Seelenmesse für König Humbert nach dem Pantheon begab, seucrte ein Unbekannter mehrere Revoloerschüsse aus den König ab. Der König blieb unverletzt. Der Täter wurde verhaftet. Rom, 14. März. lTel.) In Begleitung des Königs auf der Fahrt nach dem Pantheon befand sich auch die Königin. Während die Majestäten unverletzt blieben, wurde der Komman deur der Len Wagen begleitenden Kürassiereskorte durch einen der beiden auf den König abgefcuerten Schüsse verwundet. Wenn heute König Viktor Emanuel von allen Seiten Glückwünsche erhalten wird, daß ihn der Himmel vor dem Schicksal seines Vaters, des Königs Humbert, der von den Kugeln eines ruchlosen Mör der tödlich getroffen wurde, behütet hat, so werden sich unter diesen Stimmen sicher an erster Stelle deutsche Gratulationen für den mit unserem Vater lande so enq verkündeten Herrscher befinden. Ls sei an dieser ätelle daran erinnert, welcher allseitigen Teilnahme das Ereignis von Monza in Deutschland begegnete. Es war am Abend des 29. Juli des Jahres 1900, als König Humbert, der sich «allgemein der größten Beliebtheit erfreute, von einer Preis verteilung bei einem Wetturnen in Monza zurück kehrte. Der König hatte eben in seinem Wagen Platz genommen, als ein Individuum mit Namen Angelo Presst drei Schüsse auf den König abgab, von denen einer Las Herz durchbohrte. König Humbert starb wenige Minuten später. Der Täter wurde sofort ver haftet. Nur mit Mühe gelang es der Polizei, den Königsmörder vor der Wut des Volkes zu schützen. In zynischen Ausdrücken gestand er sein Verbrechen ein. Italien, die ganze Welt und Deutschland voran, verurteilte seinerzeit den "Mörder und brachte dem krachten Sie üen Weinen Lokalanreiger auf Zeile 4. Sie finden Sarin ricdrr etwar, Naz Sie inrererriert. jungen Viktor Emanuel bei seiner Thronbesteigung die innigste Teilnahme zu dem schrecklichen Ende seines Vaters entgegen. König Viktor Emanuel, der jetzt im 43. Lebensjahre steht, hat es während seiner nunmehr zwölfjährigen Regierung verstanden, Italien eine Stellung unter den europäischen Groß mächten zu verschaffen. Es ist ihm dies gelungen durch seine Politik, die in einer immer engeren An näherung an Deutschland und Oesterreich-Ungarn ihr Ziel sieht. Vev Vergirrbeiterstreik. Ein Nachmittag im unruhigsten Revier. (Von unserem Spezialberichterstatter.) Am gestrigen Nachmittag begab ick mich mit mehreren Journalisten nach Herne. An der Grenze der Stadt steht der erste Doppelposten von Schutzieuien. Sie haben den Karabiner umge hängt und unterhalten sich. In den Straßen rechts und links sehen streitende Bergleute aus den Fen stern. 10 Minuten später ändert sich das Bild. Einige berittene Schutzleute sprengen den Weg zur Zeche „Constantin" hinab. Streikende stehen vor den Häusern und sehen ihn mit unver- tzohtener Feindschaft nach. Nun nähert sich die Straßenbahn Herne. Am Wege, der zur Zeche „Shamrock" führt, verlassen wir den Wagen. Hier stehl schon eine Meng« beisammen. Ein be rittener Schutzmann drängt sie zurück. Als er da mit nicht viel erreicht, nimmt er einen Mann aufs Korn, und nach wenigen Augenblicken hat er ihn am Kragen. Fort acht es zum nächsten Posten. Aber kaum hat der Berittene sein Pferd gewendet, da werden ihm hundert Flüche nachgeschleudert. Das dauert so lange, bis ein anderer Schutzmann ange ritten kommt. Dann wenden sich die Krakehler und verschwinden in den nächsten Häusern, und wir alle können feststellen, daß die Hauptbeteiligten junge Burschen von 16 vis 20 Jahren sind. In der Zeckenstraße wohnen zum größten Teil Polen und Ausländer. Es ist 4^ Uhr nachmittags und die Arbeitswilli gen müssen bald kommen. An allen Fenstern liegen Leut«. In der Straße streifen die Schutzleute auf und ab, den Karabiner im Arm. Hier sieht es ver teufelt kriegerisch aus und es liegt etwas in der Luft, das die Nerven spannt. Die Schutzleute sehen scharf nach den Fenstern und wenn sich daraus irgendein Wurfgeschoß senkt, hebt sich auch schon der Karabiner zur Warnung. Das Zeckentor ist noch geschlossen. Davor stehe,l- Schutz leute in Menge und dahinter ordnen sich die Arbeits willigen zu Gruppen. Ein Regenschauer geht nieder, aber die Streikenden weichen nicht aus ihrer Stellung Nun geht das Tor auf. Einige Schutzleute schreiten vor und ihnen schließt sich der Trupp der Arbeitswilligen an. Es ist kein erhebender Anblick, diese Leute so unter polizeilicher Führung dahinschreiten zu sehen, und sie machen nicht Gesichter, als ob ihnen sehr wohl bei diesem Gang wäre. Aus den Häusern donnert ihnen ein hundertstim miges „Pfui" entgegen. Aber die Schutz leute ziehen die Revolver, andere richten die Kara biner empor. „Fenster zu", „Köpfe weg" schallt es ihnen entgegen. Einen Augenblick sind sie die Herren, aber kaum sinkt di« ZPaffe, da öffnen sich wieder die Fenster und „Pfui" oder „Streikbrecher" schallt es herunter. Viele treibt auch d e Neugier auf die Straße. Wo 10 Menschen sich zusammen rotten. werden im Nu 100 daraus, und wenn die Polizei vorüber ist, kommen sie aus den Häusern und treten zur Besprechung der Vorfälle zusammen. Plötzlich fallen Schüsse, hintereinander Schüsse. In der B r u n n e nst r a ße, dem unruhig sten Viertel, geht der Kampf wieder los. Einige dumpf« Karabinerschüsse antworten und da zwischen gellt der scharfe Knall der Brownings. Wir laufen zum Kampfplatz, aber einige Berittene sperren uns die Straße mit oorgehaltenen Pistolen. Wir wollen protestieren, aber „Wagen Sie nicht weiterzugehcn" ruft man uns entgegen. Wir legi timieren uns als die Vertreter der Presse und durch die Bescheinigung der Polizeipräsidenten. Da senken sich die Pistolen und wir können ungehindert passieren. Wie sich in der Straße alles abgewickelt hat, kam, niemand sagen. In einem Hause sollen sich zwei Streikende verborg en und einen Arbeitswilligen sofort bei seinem Ein treten über fallen haben. Ein Schuß fiel, andere folgten sofort. Die Schutzleute schossen gleichfalls und einen Augenblick später lag, gegen 6 Uhr abends, der 20jährige Arbeiter Zaremba auf dem Platz von einer Karabinerkugel durch das Bein geschossen. Man begreift hier, wie die zahlreichen falschen und übertriebenen Nachrichten entstehen können. Irgendwo fällt ein Schuß, irgend ein Ge rücht verbreitet sich und einige machen daraus schon nach ihrem Gefällen eine Nachricht. KMitsr nach Westfalen. (Von unserem Spezialberichtcrstatter.) pk. Düsseldorf, 14. März, vorm. Vzlv Uhr. Während der Regierungspräsident von Düsseldorf die Absendung von Militär noch verweigert, weil auch bekanntlich in den dazu gehörenden Bezirken Essen, Oberhausen usw. besondere Ausschreitungen nicht vorgekommen sind, hat der Regierungs präsident von Arnsberg dem erneuten Er suchen Folg« geleistet. Dementsprechend gehen 2 Bataillone Infanterie und 2 Schwa dronen Kürassiere nach dem Reckling häuser Revier und 1 Regiment Infanterie und 2 Schwadronen Husaren nach dem Dortmunder Revier. Ole Mgen ües verstärkten Schutzes üer rlrbejlsmiUjgen. (Von unserem Spezialberichter st atter.) pf. Herne, 14. März. Nachdem gestern die Schutz mannschaften in den unruhigsten Revieren bei Kra wallen energisch vorgegangen sind, und 2 Tote sowie 2 durch Schußwaffen Verletzte als Opfer fielen, zeigt sich heute, daß die Rauflust gewisser Element« nachgelassen hat. Es muß auch festgestellt wer den, daß dre H a u p t k r a k e h l e r fast niemals wirkliche Bergleute sind, sondern meistens junge Burschen und Rowdies, di« jede Gelegenheit zum Slandalieren nicht unbenutzt vorüb«rgehen lassen. Heute vormittag hat sich auch im Heiner und Dortmunder Revier der Schichtan fang ruhig vollzogen. Als schon in den frühen Morgenstunden bekannt wurde, daß aus Münster und Minden (Wesrfalen) Militär ins Re vier unterwegs sei, lagerte eine schwer«, trübe Stim mung alsbald aus den Streikenden. Di« Arbeits willigen dürften auch infolge des Entgegenkommen der Zechenverwaltungen, die Frist zur Wiederauf nahme der Arbeit bis Sonnabend zu verlängern, sicher zunehmen. Die Lage in Hamborn. Düsseldorf, 14. März. (Tel.) Wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, war in Hamborn gestern bis abends 10 Uhr alles ruhig, insbesondere wiederholten sich nicht die vorgestrigen Vorfälle bet der Ausfahrt der Belegschaften. Nur in Bruck hausen fand ein unbedeutender Zusammenstoß mit der Polizei statt. Die Ruhe wurde jedoch sofort wiedcrhergestellt. Die Polizeikräfte werden heute verdoppelt werden. Der Stand der Streiklage am Donnrrstagmittag. (Von unserem Spezialberichter st atter.) pk. Essen, 14. März, mittags 1 Uhr. Heut« mittag steht in den wichtigsten Revieren der Streik wie folgt: im Heiner Revier arbeiten von 21280 Bergarbei tern 8367, es streiken also 60,68 Proz., gegen gestern 64,24 Proz.; in Gelsenkirchen von 17026 Ar beitern 6173, also 63,74 Proz. Streikend«, in Ober hausen von 13 103 Arbeitern 7757, also Streikend« 40,08 Proz., in West essen von 17989 Arbeitern 11041, also Streikend« 38,62 Proz., und in Werden von 5970 Arbeitern 4941, also Streikend« 17,24 Proz, Die Zahlen von den anderen Revieren st«hen zur Stunde, noch aus. Der Rückgang des Ruhrzechenversande» hat sich auch am Mittwoch weiter fortgesetzt. Der Versand betrug 114 250 Tonnen gegen 121600 Tonnen am Dienstag. Di« Streikbewegung im lothringischen Revier. * St. Avold, 14. März. (Tel.) Gestern fand in Merlenbach eine von mehr als zweitausend Personen besuchte Bergarbeiterversammlung statt, in der auch der Streik für die beiden anderen Schächte der Saar, und M o se l bergwerksgefellschaft b e- schlossen wurde. Am Nachmittag hatte der B«rg- arbeitcrausschuß eine längere Besprechung mit der Direktion der Gesellschaft, in der seitens der Direk tion bis zum Juli eine zehnprozentige Lohn- erhöh ung in Aussicht gestellt wurde. Die Eine Stunüe zu ipät. 4) Roman von A. von Liliencron. (Nachdruck »erboten.) Siersbeck, der Bedächtigere, zuckte die Achseln. ,^lnd das Geld für die Stunden, wo soll das Herkom men? Patz auf, auch die Mutter wird Entscheid!, gung verlangen für die Zeit, wo das Kind statt Blu men zu verkaufen, lernen soll." „Ach was, dankbar muß sie dafür sein", behauptete Kerkau. Siersbeck lackte. „Muß sie, muß sie", wiederholte er; „wird sie aoer nicht. Ich vermute, daß sie «ine ganz erkleckliche Summe fordern wird." Kerkau stülpte seine Börse um. Der Inhalt war nicht gerade villverheißend; in aufsteigender Ungeduld fuhr er mit den Fingern durch sein welliges Haar. „Wenn ich nur nicht die teuern Noten angeschafft hätte, dann würde cs reichen." Der Freund legte bedächtig ein paar Goldstücke auf den Tisch. „Was sagst du nun?" Bruno erklärte ihm. er wäre ein Prachtkerl, der in Gold gefaßt werden müßte. Da aber wehrt« er ab. — „Bilde dir nicht ein daß ich aus Gutherzigkeit den Mammon herausrücke' ich wünsche nur ein echtes Weltwunder hervorzuoringen, nämlich das Unglaub liche, daß «in Hündchen lesen und schreiben lernt." Kerkaus herzliches Lachen tönte durch die Stube. — „Hallo! wer macht uns das nach! Wir zwei Stu denten gründen von unseren Ersparnissen eme Mäd chen« rzie hu n gsa nsta l t." , Beschwörend hob Siersbeck die Hände. „Gott be wahre uns davor, daß du nock mehr solcher kleinen Mädchen von der Straße aufliest! Das wäre ja, um toll zu werden, wenn wir all« die Hündchen erziehen lassen sollren." „Keine Sorge, Hans; ich glaube, solcher Hündchen gibt es nur ein einziges." Drittes Kapitel. Frau von Kerkau hatte bei Sophie Dorothea von Hannover, der Gemahlin des Kronprinzen Fried rich Wilhelm, die Stelle der Oberhofmeisterin inne. Sie war von den hohen Herrschaften wohlgelitten, und sowohl die sanfte Sophie Dorothea als auch der Kronprinz gestatteten der liebenswürdigen und klu gen Frau einen gewissen Einfluß. Heute zeigten die für gewöhnlich bleichen Wangen der Oderhofmeiste rin lebhaftere Farben. Sie hatte die Freude, für ein paar Tage ihren Sohn bei sich zu haben, und Las gab ihren Augen Hellen Glanz, so daß das Gesicht mit den feinen Zügen fast einen jugendlichen Ein druck machte. Sie kam aus dem Zimmer ihrer Ec- bieterlii und begegnete dem Kronprinzen. Er winkte ihr lebhaft zu. „Ich habe soeben ihren Sohn kennen gelernt. Der macht Ihnen alle Ehre — em Staats- lunge. Wie eine Tanne gewachsen, schlank und hoch. Am liebsten möchte ich Len gleich in meine Leib kompani« stecken." „Königliche Hoheit, mein Sohn ist erst neunzehn Jahr; er studiert in Frankfurt und soll später unser Gut übernehmen." „Ich weiß, ich weiß", unterbrach Friedrich Wil helm ungeduldig. „Er Hat mir das soeben erzählt, als ich ihn gehörig ausfragte. Solchen schöngewach senen Menschen übersieht man nicht und läßt ihn sich nicht durch die Flnger gehen. Wir haben uns lange unterhalten; er gefällt mir, gefällt mir sehr gut." „Königliche Hoheit sind sehr gnädig." „Ach was, das wollen wir doch erst abwarten. Vorläufig sagen Sie Ihrem Sohne, daß er morgen mein Gast in Wusterhausen sein soll. Dohna fährt schon heute hin, den kann er begleiten und sich dort einmal umsehen." Der Kronprinz machte eine ver abschiedende Bewegung, und die Oberhofmeästerin verbeugte sich tief. Ein Schatten lag auf ihrer Stirn, als sie jetzt langsam nach ihren Gemächern ging. Auf eine ganze Woche hattc sich der Sohn von seinem Studium frer- gemachr, und diese Zeit war uneingeschränkt für die vielgeliebte Mutter in Berlin bestimmt gewesen. Drei dieser kostbaren Tage waren nun schon vergan gen, und Frau ron Kerkau geizt« mit jeder Stunde. So seufzte sie denn schmerzlich bei dem Gedanken, daß ihr der Kronprinz den Liebling nach Wusterhausen entführen wollte, und daß di« ihr so knapp zuge- mcssene Zeit noch verkürzt wutde. Doch gev öhnt, sich zu beherrschen, und das Beste ihres Lieblings allen anderen Wünschen voranzu stellen. suchte sie dem Sohne, den sie in ihrem Zim mer fand, zu verbergen, wie schwer es ihr wurde, ihn abzntretcn. Bruno, der sich durch di« Persönlichkeit des Kron prinzen lebhaft angezogen fühlte, hatte große Freude an der Unterhaltung mit dem hohen Herrn gehabt und versprach sich viel Vergnügen davon, Wuster hausen kennen zu lernen. Er schlang den Arm um seine Mutter und sah sie herzlich an. „Wenn Sie es nur möglich machen könnten, sich in der nächsten Zeit etwas dienstfrei«! zu halten, dann würde ich ver suchen. noch über die Woche hinaus zu bleiben." — Frau von Kerkau schüttelte den Kopf. „Das geht nicht, Bruno. Die Kronprinzessin ist leidend; da bin ich ihr jetzt unentbehrlich." Eine klein« Pause entstand. Die Mutter be trachtete liebevoll ihren frischen, schlanken Jungen, und ein glückliches Lächeln belebte ihre ausdrucks vollen Züge. Bruno nahm ihre beiden Hände. „Wollen Sie mir nicht verraten, woran Sie soeben dachten?" „Gern, mein Junge. Es war ein lieber Gedanke, den sage ich dir mit tausend Freuden." „Tannenwald«?" fragte er. „Ja und nein. Ich habe nicht geradezu an Tan nenwalde gedacht, doch hing es mit meinen Gedan ken zusammen." Er rückte näher zu ihr heran, streichelte liebevoll ihre zarte Hand und versichert«: „Meine Mutter und Tannenwalde, di« sind die Brennpunkte meiner Liebe. Alles, was sich darauf bezieht, wird mir teuer sein." Die Oberhofmoifterrn säh ihrem Sohn« glücklich in die Augen; sie war stolz auf seine Lieb«, sie deuchte ihr der höchste irdische Schatz. „Sollten sich zu diesen bmden nicht doch noch andere Namen gesellen?" fragte sie. ,Za. gleich hinterher kommt Hans und dann Hündchen. Das darf nicht vergessen werden." Sanft strich die Mutter die schwere Haarwelle zu rück, kn« sich über die Stirn des Sohnes schob. In seiner Kinderzeit hatte sie oft diesen geliebten Kopf gestreichelt und sich an seiner kastanienbraunen Haar fülle gefreut; jetzt, als sie nun wieder die Hand dar über gleiten ließ, wurde sie lebhaft an di« Zeit er innert. wo der schön« und geweckte Knabe zu ihren Füßen gespielt hatte. „Dem Kinde ist meist di« Mut ter das erste und liobste auf der Welt", sagte sie. „Ich danke Gott, der mir diesen Platz so lange läßt. Er allein weiß, was mir das ist und wie ich daran hänge. Naturgemäß muß aber eine Zeit kommen, wo das anders wird; darüber täusche ich mich nicht und er ziehe mein eigennütziges Herz darauf hin. Das hat genützt, mein Junge, ich habe mich an den Gedanken gewöhnt." Mit beiden Händen wehrte der Sohn ungeduldig: „Bitte, lassen wir das. Es hat noch lange Zeit, dis ich mir ein Wciib hole. Warum wollen Sie sich die Freude an den Jahren trüben, in denen Sie noch die unumschränkte Herrin meines Herzens sind?" Frau von Kerkau lächelte entsagungsvoll, aber doch tapfer. „Ich bin innerlich weiter gekommen, mein Junge. Als ich unser süßes, kleines Mädchen hingeben mußte, war ich nahe daran, zu verzagen. Aber Gott hat Geduld mit meiner Schwäche gehabt und mein totwuindes Herz getröstet Lurch die Liebe eines Sohnes, der mir zu ersetzen suchte, was mir in Bittbchen verloren gegangen war. Und jetzt, als ich oft zagend an die Zeit dachte, wo ich dich abgeben mußte, ist eine freundliche Wendung gekommen. Ich bin in Birkenhain bei Pastor Mertens gewesen und habe da unsere verwaiste kleine Verwandte kennen gelernt, Evchen Kerkau. Sie ist ein zärtliches, her ziges Kind" „Ein herttges Kind", klang es wie ein Echo in Brunos Seele nach. Bärbchens Bild in aller seiner Lieblichkeit taucht« vor ihm auf. Er stützte den Kopf auf den Arm und versank in Sinnen. Die Mutter schien eine Antwort erwartet zu haben; da er jedoch schwieg, ihr aber zuzuhören schien, fuhr sie fort: „Du glaubst nicht, wie warm mir zu- mute wurde, als mich das Kind mit seinen schönen, blauen Augen vertrauensvoll ansah und mir beim Abschiede die Arme um den Hals legte. Es ist gar nicht anders möglich, als daß man Evchen lieb ge winnt. Sie erobert die Herzen im Sturm. Ich mußt« immer an unsere Barbara denken; di« wär« jetzt in demselben Alter." „Ist das Mädchen blond?" fragt« der Sohn, dies mal weniger an die Schwester denkend, als an Hündchen. „Nein; sie ist zwar zart und weiß, hat auch licht blaue Augen, aber das Haar ist tiefschwarz und hängt ihr in Zwei schweren Zöpfen über den Rücken", er» zählte die Mutter, glücklich darüber, daß Bruno nach Evchen fragte. „Sie ist erst zehn Jahr« und dabei so groß und schlank, daß man sie für dreizehn halten könnte. Es steckt in ihr wie in dir das echt Kerkausche Gepräge, kraftvoll, schwebend und hoch aufgeschossen." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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