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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.05.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120520022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912052002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912052002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1912
- Monat1912-05
- Tag1912-05-20
- Monat1912-05
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BezugL-Prris f«r S«U>,ta »»d Porort» durch »I«, Lräarr und Spediteur« 2» al tiattch ta» Sa», ««bracht:« P». manatU r.7v »k. mrrteliakrl. «et »»>«»» Ätlial»» ». Sa» »ahmeßellrn abaehoU: 7S Pf. »omUL. LL Äk. otkrtettährl. »urch dtu Palt: tau«rhald Deutschland» and dar deutsch«» Kolonien virrteljährl. ».« »t„ monatl. Ichv »t. ausjchl. Postbestekarld. Ferner t» V«lgt«>u Dänemark, d«n Donauslaaten, Italien, Üuxemdura. Riederland«, Nor- we-en. OeNerreich» Ungar», Aukland, Schwede» und Schwet». 3n allen übrigen Staaten nur direkt durch die Geschalt», stell« d«a Blatte» »rtzältlich. Da, L«ip,1g«r Ta,«diatt «rlch«tnt Smal täglich. Sonn» a. F«t«rtag» nur morgen». Ldonnem«nt».Annatzm«. 2»h«»»1»g«s>, 8, bet unl«r«n Trägern. AUiale». Spediteure» and Umrahmest«!!«», lowi« Postämtern a»d Brt«sträg«rn. «t»,,l»,rr»»»,»ret» 10 Pt. Abend Ausgabe. MpMcr TaMaü Tel.-Änschl. 14 692 l«achta»Ichl>») 14 693 14 694 Handelszeitung. « Nllaimein» Deutsch« Lredit. Httttlklk ttttltt' < »nftiüt Brühl 7n/77 VUNUkioNio. i Deutsch« Bank, FiUal, Uetp.tg 1 Dep.-Nasl, lbnmiiu Et«inw«g L «Mr" Amtsblatt des Aales und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. WML' Uazeigen Preis »«Kdäl fttr I»l«r»t« ou» »!<«P,«,^und um,«b»»« dl« Nualtig« P«rit,etl« ÄBs »t« ««Nam» »«Ua l ML »», auomärt» W Vs. A«kla»«n 1Ä ML S»s«r»ta »an ««Hörde» im amt. lich«» TÄ1 dl» P«titl,ti« SN Ps. ».>chast»»»t«t««n mit Pta,Vorschrift«» >i» Preis« «rhöhl. Kad»« «ch Taris. V«tlao«g«dU,a«stu»t. auslag« 5 Md Ta-Iend^e^l. Postgrbähr. ftiskktttlt« eütfträa« könne» nichl ,urütk- g«,og«n «erd«», Für da» Lrlch«t»«n an bestimmter, Tagen und Pla,e» mir» t«t»« charantt* übernomme». il»t«ige».»nnabm«: ah»»M»g«ll« ». bet sämtliche» Stliaten ». all«» >«»,»«» Trp«dMon«u de» In- and Ausland«» »mu» »»» B«»la« »«» gisch«, ch »»«sta, 2»had«r: P»»> ftürlt«». N«»aktl,» uu» S«schäst,st«I»r Iobanntsgass« 8. -a»»t - Ailtai« Dr,,»»»: Eeearak« t. l lT«l«phon tSLtl. Nr. 255 Montag, üen 20. Mal 1912. Die vorliegende Ausgabe umfaßt Itt Leuen. Dss Wichtigste. * Der erweiterte Vorstand der deutsch- konservativenPartei hielt gestern in Ber lin eine Versammlung ab. (S. Dtschs. N.) * Nach einer Petersburger Meldung soll die Abberufung des russischen Botschafters in Paris Iswolski bevorstehen. >S. Ausl.) * InAlgerien drohen Eingeborenen unruhen auszubrcchcn. (S. Ausl.) Churchills neue Llottenreäen. Vor einigen Monaten hatte der Erste Lord der englisckzen Admiralität Winston Churchill in einem Anfalle von Aufrichtigkeitsfanatismus das Deutsche Reich als benannte Gröhe in ein Exempel über die Flottennotwendigkeiten für Eng lands nächste Zukunft eingestellt. Inzwischen scheint ihm doch der Vorzug Les diplomatischen Brauches vor den Offenherzigkeiten des Volksversammlungsstiles zum Bewusstsein gekommen zu sein, und daß es sich hübscher macht, Afghanistan oder Paraguay zu Pa- radigmazwecken zu gebrauchen, als ausgerechnet den eigentlich gemeinten Widersacher. Zn seiner neuen Klottenrede, die er am Himmolfahrtstage vor der „Gesellschaft der Schiffbauer" gehalten hat, ist der Name „Deutschland" peinlich vermieden. Die praktisch bedeutsamste Mitteilung hatte der Minister schon einige Stunden vorher zu Beginn der Unterhaussitzung, als Antwort auf eine „kurze An frage", verlautbart: daß nämlich ein Er gänzungsetat für Flottenbauten tatsächlich noch in diesem Finanzjahre herauskommen werde. Lloyd George hatte bekanntlich vor einiger Zeit das Haus darüber unterrichtet, daß er ein paar Pfund-Mil lionen auf alle Fälle für solche Außerordentlichkeiten zurückgelegt habe, und allen Anzapfungen, das schöne Geld doch lieber zur Herabminderung des all gemeinen Iahresbedarfes und damit der Steuer quoten herauszugeben, tapfer widerstanden. Indessen wurde doch absichtlich ein Dunkel über der Frage ge lassen, ob diese Reserve für Marinezwecke nicht für künftige Jahre aufbehalten und schließlich endgültig als Ersparnis verrechnet werden könnte: diese Mög lichkeit war ganz von dem Fortgänge der deut schen Flottenvermehrung und ihrem Tempo abhängig gemacht. Nun i st inzwischen unsere Flottenvorlage bekannt gemacht und bereits vom Reichstag genehmigt wor den. Sie bringt eine Beschleunigung des Ausbaues erst vom Jahre 1913 an. Und trotzdem hat England jetzt erhöhte Aufwendungen schon für 1912 be schlossen! Der Minister fügt freilich hinzu, sie wür den sich nicht so hoch belaufen wie manche hofften und andere befürchteten; aber ein sonderliches Be ruhigungsmittel für die radikale Opposition gegen die forcierte Rüstungspolitik ist schließlich ein ein ziges erspartes Milliönchen kaum. Daneben hat der Minister in seiner Rede eine Karte aufgedeckt, die unserer Marincvorlage, wenn sie dessen bedürfte, noch nachträglich eine weitere Rechtfertigung liefert und den Wert des englischen „Entgegenkommens", sich jetzt mit dem Verhältnis von 1,6 :1 statt Les „two IcoelL-Grundsatzes" zu be scheinen, gewaltig herabmindert Es handelt sich um nicht mehr und nicht weniger als um bas großzüoige Programm einer Reichs flotte, welches der Redner entwickelt hat. Bislang haben wir im Auslande die kanadischen und australischen Schiffs bauten nicht allzu ernst genommen, sie mehr als Er gebnisse jenes „guten Willens" angesehen, dem das ineiste am Scheine des Mittuns und Mitopferns liegt; Haden auch in vollem Ernste daran gezweifelt, ob das Mutterland vernünftig handle, wenn es Leu Kolonien Sonderrüstungen verstärket, die in ihrer Hand eines Tages auch mal eine Waffe gegen Sur europäische Britannien werden können. Aber Churchill belehrt uns jetzt, daß man in London sich zu völligem Vertrauen in dieser Hinsicht berechtige glaubt und in der unbeschränkten Friedens kontrolle der Selbstverwaltungskotonicn keine Gefahr für einen Mißbrauch in Kriegszeiten sieht. Für solche ist aber ein fester Plan der Verwendung bereits fejlgestellt. Die Kolonialflotten sind nicht aus den Selbstschutz ihres Ursprungslandes eingeschränkt und schaffen schon dadurch der Hauptflotte eine be deutende Entlastung, sondern sollen über dieses nächste Bedürfnis hinaus auch an den entschei denden Stellen die Sache des Imperiums ver teidigen helfen, somit voraussichtlich in den euro päischen Gewässern. Welchen Wert behält also für die Bestimmung unseres deutschen Be dürfnisses die Formel 1,6:1, wenn zu den 1,6 das T und das P der kanadischen und der australischen Secrüstung treten? Und das ältere tvvc> porvers stanäurä erhält auch eine ganz neue Bedeutung, wenn nunmehr Rücksichten sogar auf alle möglichen Flottenschöpfungen in der Welt genommen werden. Der Minister hat diese Beobachtungsweise uns im allgemeinen angedeutct; aber der „Daily Telegraph" z. B. zieht schon spanische und türkische Flottenpläne in ihren Kreis; bisher nahm man umgekehrt an, in Erinnerung des über die KartagcnwAbmachungen der Eduardzeit Verlaut barten, daß vielleicht bei den Madrider, aus eng lische Anleihen basierten, Flotten-Restaura- tionsplänen di« spanische Flagge englische Konter bande zu Lecken berufen sei, wie es bei portugiesischen Bestrebungen ähnlichen Charakters wohl ausge macht ist! Kurz: wir Deutschen haben alle Ursache, der Tätigkeit aus den englischen Werften mit verdop pelter Aufmerksamkeit auf die Finger zu sehen, auch wenn es sich um Bestellungen nach Halifax oder Sydney handelt, und ganz einerlei, ob der Name Deutschlands in englischen Ministerrcden erwähnt oder ausgelassen wird, oo Herr Churchill (oder ein unionistischer Nachfolger) prophezeit, daß jede Kriegs gefahr für ein Menschenalter ausgeschlossen sei, und über die böse Umwelt und ihre „schrecklichen Rüstun gen" jammert. — — 1 Australien unkt Deutlchlsnü. Der frühere Ministerpräsident von Ncu-Südwales, der jetzige Generalkommissar des Australischen Staatenbundes für Europa, Sir George Reid, hielt kürzlich im Reichstagsgebäude in Anwesenheit einer erlesenen Zuhörerschaft einen Vortrag über „Australien und Deutschland". Der Vorsitzende des vorbereitenden Komitees, Generalleutnant Exzellenz Krüger, eröffnete die Versammlung mit einem Dank an Sir George Reid, der es sich zur Auf gabe gestellt habe, in Deutschland mit Vertretern der Negierung, des Handels, der Industrie, der Wissen schaft und der Presse Beziehungen anzuknüpsen. Hierauf erteilte Exzellenz Krüger dem Vor tragenden das Wort, der von der Versammlung mit Beifall begrüßt wurde Nachdem Sir Reid für diese freundliche Begrüßung gedankt, ging er sofort zu seinem Thema Australien in seinen wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland über. Er schilderte zunächst die Besiedelung Australiens durch die Pioniere der weißen Rasse und die Entwicklung des Landes unter der englischen Herrschaft dis zur jüngsten Zeit. Er hob die be neidenswerte Lage, die Gefahren von außen so gut wie ausschließt, hervor, und den plötzlichen Aufschwung vor 60 Jahren, als die Gold funde Australien zu einem Dorado der Alten Welt machten. Auf das Eoldfiebcc folgte ein gesunder, krästiger Geist ruhigen, reichen Fortschrittes und kulturelle Entwicklung. Die Bevölkerung beträgt jetzt 4 415 000 Köpfe. Die Hauptquellc des Reichtums sind die Herden. Es gibt 2,2 Millionen Pferde, 12 Millionen Rindvieh und 92 Millionen Schafe. Die unter Bebauung bestehende Fläche des Landes umfaßt 12 Millionen Acres, davon sind 62 Prozent mit Weizen bebaut. Charakteristisch für Australien ist die Tatsache, daß von dem Grundbesitz des Staates nur 7 Prozent, nämlich 134 Millionen Acres, verkauft sind, während die übrigen 1770 Millionen dem Staat« gehören. Der australische Handel ist heute ein starker Faktor der Weltwirtschaft. Der Wert der gesamten Produktion ist mit annähernd 4000 Millionen zu ver anschlagen. Ein Gradmesser der australischen Kultur ist es, Laß jedermann, der 20 Jahre dort gelebt hat, beim Erreichen des 65. Lebensjahres aus Staats mitteln eine Pension bis zu 520 jährlich erhält. In großem Maße bezieht nun Australien Waren deutscher Herkunft, einen erheblichen Teil davon über andere Länder, namentlich über Groß britannien, das in dieser Weise für 29 Millionen Werte deutscher Herkunft nach Australien verschickt. Im Jahre 1910 betrug die Einfuhr von Gütern deutscher Herkunft 104,3, der direkte Export austra lischer Waren nach Deutschland 146,3 Millionen Mark. Wir beziehen von Deutschland hauptsächlich Waren der Bekleidungs- und Textilindustrie, Metall- und Gummiwaren, Drogen und Bier. Deutschland be zieht von uns für 100 Millionen Mark Wolle, ferner Häute, Felle, Silber, Blei, Kupfer und Zink. Wenn nun auch die Australier weit von Deutsch land entfernt leben, so kennen und bewundern sie doch die ruhmreichen Schichten des deutschen Volkes. Deutschland bedeutet heute eine ungeheure Macht unter den Völkern, die Größe Australiens steht erst am Anfang. Ich habe die feste Zuversicht, daß dle künftige Größe Deutschlands wie auch Australiens sich auf den Pfaden des Friedens entwickeln wird. Heute ersetzen Vorbereitungen für Kriege, die niemals kommen, den Krieg selbst, und die Rüstungen sind so enorm, daß es bald unmöglich wird, zu rüsten. Auch wir rü'stcn nur zur Verteidigung und ebenso, dessen kann ich Sie versichern, ist es in Groß britannien und im ganzen Britischen Reich. Sind die anderen Nationen zu einer Abrüstung bereit, so wäre das britische Volk das erste, seine Dreadnoughts ab zuschaffen und seine Armeen zu entlasten. Wenn Deutschland und Großbritannien an die Spitze einer europäischen Koalition auf Grundlage der friedlichen Erledigung aller Streitigkeiten treten würden, so wäre das eine Wohltat für beide und die ganze Welt. Der Entwicklung der menschlichen Kräfte auf dem los. Jahrgang. Gebiete der Industrie, des Handels, der Wissenschaft würde dann ein weites Feld sich öffnen. Zuversicht würde an Stelle der Furcht treten, und Deutschland, das im Kriege wie im Frieden groß ist, würde dann die besten Aussichten Haven, die Welt zu erobern. Die Versammlung spendete dem Redner für seine interessanten Ausführungen lebhaften Beifall. Christliche Gemerklchskten unkt Unternehmertum. Im Anschluß an Len Ruhrdergarbeiterstreik ist das Verhalten der christlichen Gewerkschaften zu den Unternehmern hier und da von Kreisen, die sonst ernst zu nehmen sind — wozu natürlich jozialdemotratrsche Presse und Agitatoren nicht gerechnet werden kön nen — ganz falsch beurteilt worden. Man spricht von LUandlungen, von Rechtsschwenkungen u. dgl. m. Davon ist jeooch gar keine Rede. Dem Unternehmer, tum gegenüber haben die christlickzen Gewerkschaften stets eine ourchaus objektive Stellung eingenommen, die Berechtigung seiner Existenz, die Bedeutung sei ner Funktionen stets anerkannt. Das ist durchaus keine Neuerscheinung. Dafür könnten Hunderte von Belegen aus Reden und Schriften erbracht werden. Im Jahrbuch der christlichen Gewerkschaften für 1911 wird dieser Standpunkt in die Formel zusammen gefaßt: „Durch dir Förderung des Gcmein- wohls ist auch dem eigenen Stande am besten gedien t." (S. 94.) Und an anderer Stelle (2. 89 u. 90) heißt es über das Verhältnis zu den Unternehmern: „Die christlichen Gewerkschaften belasten den Unter nehmer, auch den Privatunternehmer, dort, wo er wirtschaftlich am Platze ist, in seiner leitenden Stellung. Die wichtigen Funktionen der Be schaffung des Kapitals, der Spekulation, der kaufmän nischen und technischen Organisation, bleiben das ur eigenste Gebiet seiner Betätigung. Je erfolgreicher sich der Unternehmer hier betätigt, desto bester für seine Arbeiter. Nur bei der Organisation der Arbeit und ihren Bedingungen wollen die Gewerkschaften mitsprechen. Aber auch hier nicht aus dem Bestreben, den Unternehmergewinn zu kontrollieren, zu beein trächtigen usf., sondern lediglich vom Standpunkt der Arbeit, damit diele sich entbrechend lohne. Das zu tun ist ihr gutes Recht und ihre Pflicht. Di« christlichen Gewerkschaften sehen eine wich tige Aufgave darin, alles das zu fördern, was der Solidarität dient und ergreifen dazu jedes gebo tene Mittel. Das haben sie bewiesen mit ihrer Stel lungnahme zu allen sozialreformatorischen Bestrebun gen auf bürgerlicher Seite. Sie werden es mit ihrer Erstarkung auch beweisen durch die Erziehungsarbeit, die sie zu leisten bereit sind für die gewerbliche Aus bildung und insbesondere für die soziale Schulung ihrer Mitglieder. Damit ist «s ihnen redlicher Ernst. Freilich muß von den Unternehmern und ihren Ver bänden erwartet werden, daß sie sich zu einer ent sprechenden Haltung gegenüber der Gewerkschafts bewegung durchringen. Der Solidaritätsgeoanke hat bisher auf deren Seite, so auffallend das klingen mag, viel weniger Boden als auf Seiten der Ar beiter gefunden. An der christlichen Arbeiterbewe gung soll es nicht fehlen, nach beiden Seiten Wandel zu schaffen. Obenan steht das Gedeihen des Gesamt unternehmens — also die Solidarität, und dann erst kann eine Auseinandersetzung der Parteien über den Anteil am Gewinn stattfinden auf dem Booen gegen seitiger Anerkennung und vernünftiger Verständi gung." Der Kurs ins Blaue. 23s Eine Sommer- und Segelgeschichte. Von Hedda v. Schmidt. Sie faßte es als eine Demütigung — um die aber zum Glück niemand wußte, — für sich selber auf, daß sie Hans Kurt noch immer lieble. „Mein Enkelkind soll unter meinem Dach geboren werden," sagte Frau von Henning warm und streckt« ihrer Schwiegertochter herzlich beide Hände ent gegen. Aber Susi saß stocksteif da. Sie wurde glühend rot. „Das Kind gehört mir." „Nun, ich denke, Hans Kurt hat das gleiche Recht, wenn nichl gar das größere — er wird dir nie sein Kind abtreten, das weiß ich," sagte die alt« Dam« gelosten. „Er weiß . . ." stammelte Susi. „Nichts weiß er. Aber daß er es erfahren mnß, wirft du doch wohl oinsehen, mein liebes Kind. Ueberhaupt liegen jetzt die Dinge so. daß eure Schei dung, falls ibr auch jetzt noch durchaus darauf bestehen solltet, hinausgeschoben werden muß." „Wenn ich mich aber nun weiger«, nach Berlin zu kommen," sagte Susi trotzig, „ich brauche doch nichts von euch — und ich will auch nichts. Ich kann für mich und mein Kind sorgen, will arbeiten, es wird sich schon etwas für mich finden, — und wenn mein Kind eine Stiefmutter . . ." Susi brach plötzlich ab — in Frau von Hennings alten, klugen Augen aber leuchtet« es auf: sie wußte nun, daß Susi mit sich reden lasten und ihren Wunsch erfüllen würde. „Mein gutes Kind," sprach sie sehr ernst, „du hast jetzt nicht an dich, sondern an dein und Hans Kurts Kind, das du erwartest, zu denken. Ueberlege es dir mal: unser« Familie steht oben auf zwei Augen, dein Sohn wird der Erbe der alten Firma, die sein Ur großvater bsgründet hat, bi« seit vier Generationen mit Ehren besteht. Das Kind behältst du in keinem Fall — sollen wir uns denn wirklich feindlich gegen überstehen? Ich will dich als meine liebe Tochter, die du unter allen Umständen immer bleiben wirst, bei mir haben, du sollst Han» Kurt nicht sehen, da ich annehmc, daß es dir peinlich sein würde. Und wenn dein Kind auf der Welt ist, und wenn du auch dann noch aus deinem Wunsch, Hans Kurt zu ver lassen, bestehen solltest, so —" „Er wird es selber wollen, er wünscht ja nichts sehnlicher, als von mir getrennt zu werden," fiel Susi leibcnschaftlich ein. „So wird," fuhr die alte Dam« unbeirrt fort, „dein Kind bei mir bleiben. Ich gelobe es dir: es soll niemals von einer Stiefmutter erzogen werden, und du wirst es, auch als Hans Kurts geschiedene Frau, jederzeit sehen können — bei mir." Susi schwieg. Ein heftiger, innerlicher Kampf malte sich auf ihren Zügen. „Wir Mütter," sprach Hans Kurts Mutter weiter, „leben doch nicht für uns selber, sondern für unsere Kinder. Namenlos groß ist die Zahl der Opfer, die Mutterliebe bringt; als Hans Kurts Vater starb, war ich eine noch recht junge Frau. Damals gelobte ich's mir, ausschließlich für mein Kind zu leben, ihm den Vater zu ersetzen. Ich habe dieses Versprechen gehalten: als die Versuchung, es zu brechen, in Ge stalt eines Bewerbers um meine Hand, dem ich nicht abgeneigt war in meinem Herzen, an mich heran trat, da entsagte ich dieser Liebe, aus Furcht, meinem Sohne etwas zu entziehen. Und für meinen Sohn bitte ich dich jetzt, — um seines Kindes willen: sei nicht halsstarrig, Susi, komm mit mir. Deine Eltern sind vollkommen mit mir einverstanden." Da biß Susi ihre Zähne zusammen in einem letzten schweren Kampf, und sagte dann leise: „Gut. Ich werde kommen." Allein, was bedeutete dieser Entschluß, den sie sich soeben abgerungen, gegen die Kämpfe, die ihrer in Berlin harrten. Sie fürchtet« Hans Kurts Nähe, ihre eigene Schwäche, und sie fühlte sich tief ge- dcmütigr, nur um des Kindes willen, des zukünftigen Erben der Henningschen Firma, hatte ihre Schwieger mutter diese Bittfahrt zu ihr unternommen. Gut — sie würde auch das, was ihr in der nächsten Zeit bcvorstand, noch durchmachen, hier bei ihren Eltern fühlte sie sich ja auch keineswegs glücklich — wenn cs sein mußt«, würde si« das Kind seinem Vater und seiner Großmutter überlasten und dann sortgchen. Es war ein Verhängnis, das sie wieder in Hans Kurts Näh« trieb , , . Sic mußte diese Zeit hin nehmen als eine Art Buße, die sic für ihre eigene Schuld ihrem Manne gegenüber nun tragen sollte. Aber konnte sie etwa dafür, daß ihre Natur der seinen so gar nicht entsprach? Ein bißchen mehr Verständnis hätte si« aber trotz alledem für ihn haben sollen. Er war «in Falter, und wenn die eigene Frau ihn mehr gefesselt hätte, so Hütte es ihn auch nicht in die Nähe anderer Frauen gezogen . . . Nachdem Frau von Henning und Susi in Berlin eingetroffen waren, beorderte erster« ihren Sohn zu sich. Hans Kurt war jetzt bedeutend häuslicher, er kümmerte sich auch weit mehr um sein Geschäft als früher. Nach dem ersten Rausch, in den Inge Mellicn ihn versetzt hatte, war, wenn auch noch keine Ernüchte rung seinerseits, doch ein weit ruhigeres Empfinden bei ihm eingetreten. Ihre Klugheit hatte Frau von Henning davor bewahrt, ihrem Sohn irgendwelche Schranken bei seinem Verkehr mit Frau Inge zu errichten. Im Gegenteil — si« pri«s bei jeder Gelegenheit die Liebenswürdigkeit und den Verstand der Frau, die es ihrem Sohn« angetan hatte. „Susi ist bei mir, und bleibt bei mir, bis euer Kind geboren ist," verkündete sic jetzt Hans Kurt ohne jegliche Einleitung. Er fand kein Wort der Entgegnung, so sehr packte ihn diese unerwartete Mitteilung. Er wechselte jäh die Farbe. Es zuckte in seinen Zügen. In dem ersten Jahr ihrer Ehe hatten Susi und er wohl den Wunsch empfunden, Kinder zu besitzen, späterhin hatte er gar nicht mehr an diese Möglichkeit gedacht. „Ja, mein Sohn," sagt« Frau von Henning, „so ist es, und da Susi nun bei mir ist und nichts weniger als Lust dazu hat, dich hier zu treffen, so muß ich dich bitten, dein« Besuche bei mir so einzurichten, daß du dich stets vorher anmelden kannst." Frau von Henning sprach sehr gelosten, so, als wäre alles so sehr selbstverständlich, daß man von Rechts wegen überhaupt keine Silbe darüber hätte verlieren sollen. Hans Kurt verließ seine Mutter als jemand, der sich in einer ihm plötzlich erschlossenen neuen Welt zurechtfinden soll. Es war alles so schön im Gange gewesen — nun würden sich endlose Hindernisse und Wirrnisse auftürmen. Dieses noch ungeborenc Kind warf durch die bloße Ankündigung seines Kommens all« Pläne seiner Eltern über den Haufen. Dann kam bei Hans Kurt eine freudige Be wegung — etwas ganz Neues, eine Skala von Emp findungen, über die er selber erstaunt war. Es war die Vorahnung jungen Vaterstolzes, mit dem er aber erst bekannter werden mußte. Dann malte er sich s aus, wie der Bube wohl aussehen würde. Natür lich würde es ein Bube sein. Ob er ein« Ähnlich keit von ihm oder von Susi haben würde . . . ? O — ein Prachtkerl sollte er werden. Im Sport würde er seinen Jungen selber unterweisen. Reiten sollte der Jung« — segeln... Ja — und Susi durfte nicht gleich ängstlich Einsprüche erheben, wenn er den Kleinen schon zeitig aufs Wasser mitnahm . . . Susi? Wie kam er nur auf Susi jetzt, immer wieder auf Susi ... Er hatte sie doch schon ganz aus seinem Leben ausgeschaltet. Aber konnte er die Akutter seines Sohnes überhaupt je ausschalten? Herrgott — er hatte es ja gleich gewußt, daß unend- lich viel Verwicklungen sich aus dieser veränderten Sachlage ergeben würden. Ohne «s selber zu wollen, war er direkt nach Hause gegangen — und hatte doch zu Inge gewollt, um sie in eine Kunstausstellung, di« heute in der Potsdamer Straße eröffnet worden war, zu begleiten. Welch eine unverzeihliche Vergeßlich keit von ihm! Ja — und nun war es zu spät, sie wieder gutzumachen: eine volle Stunde hatte er ver loren — durch den ganzen Tiergarten war er ge bummelt, in lsiedanken an das Kind, das Susi ihm schenken wrdc. Er eilt« di« Treppen zu seiner Woh nung hinauf. Es war etn mittelgroßes Gebäude, in vornehmem Stil errichtet. Unten befanden sich die Geschäftsräume, oben war die Privatwohnung de» Chefs. Dieses alte Haus braucht« nun nicht einmal in fremde Hände überzugehen. Droben eilte Hans Kurt sofort ans Telephon: Frau Inge noch zu Hause? Ja — sie hatte auf ihn gewartet, crbcr nun konnte sie nicht mehr in di« Ausstellung heute — sie halt« inzwischen Besuch er halten: die Geschwister Iversen aus Schweden. Und sic hab« eben versprechen müssen, mit ihnen heut« in die Oper zu fahren. Ob Hans Kurt morgen vor, mittag aus ein Stündchen vorsprcchen wolle. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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