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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.07.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120708014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912070801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912070801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1912
- Monat1912-07
- Tag1912-07-08
- Monat1912-07
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Poftschecktont» Leipzig 838. i 14 892 (Rachen,chk^t Tel.-Anschl. j 14 69» 1 14 894 1 Allgemein« Dentsch« Tredtt» Ranblraiita- 1 rlnitolt Brühl 75/77. vllNki»0Ill0.< Deutsche van«. Filiale Leipzig l Dep.-Nass« Grimm. Steinweg 8. Lnzetgeu-Preis str Inserat« au» Leipzig und Umgeb»« die lsoaltig« Petit,eil» 25 Ps^di» Reklame teil, j Mk. »on ou»wärt» SV Ps, Reklamen llo Mk. Inserate von Behörden im amt lichen Teil die Petttjeile so Ps. Geschäsuanzetgen mit Plagoorschrtften in« Preise erhöht Rabatt nach Taris. Beilagegeblldr Gesamt auslag« 5 Mk. p. Tausend erkl. Poslgeduhr. Teildeilag« höher. Feftettetlt, Austragr können nicht zurUck- a«»o,«n werden. Für da» Erscheinen an oeftimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme 2»hann<»gass» 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Ezpedittonen de» In- und Auolande». Dr»« »nd veel», »»» Fischer A Kürst,, Inhaber Pani Kürste«. Nedatrion »nd Geschästellell«: 2odann»»gass« 8. -a»pt-Filt«l» Dr«»d«n: Seeitrag« 4, l lleiephon 4621». Nr. 343. Montag, üen S. Juli ISIS. 126. Jahrgang Me vorliegende Ausgabe umfaßt 12 Setten. vss Wichtigste. * Der Kaiser ist am Sonntag abend 11 Uhr wieder in Station Wilopark eingetroffen. (S. Letzte Dep. S. 3.) * Die französische Presse sprint sich über - das Communiquö über die Kaiserbegegnung in Baltisch-Port günstig aus. (S. Letzte Dep. S. 3.) * Die Große Leipziger Flugwoche ging gestern bei gutem Wetter und Besuch zu Ende. Hell muth Hirth unternahm um 6 Uhr 24 Min. oen Fernflug nach Dresden, wo er 7 Uhr 20 Min. glatt auf dem Heller landete. (S. bes. Art. S. 7.) * Im Prix du Präsident de la Rö- puhlique (Ehrenpreis und 100 000 Franken), der am Sonntag in Maisons-Laffitte gelaufen wurde, siegte Baron Gourgauds „De Viris" in einem Felde von 15 Pferden (S. Sport S. 7.) * Theateranzeigen stehe Seite 12. Die neue Strslgeletzmmelle. Eine mangelhafte, vieldeutige Sprache, mancher lei grobe Verstöße g^en alle Logik, nicht genügende Rücksichtnahme auf Jugend und geistige Minder wertigkeit, ein« bisweilen unverständlge Strenge und ein unzulängliches Mag der dem Richter zuge- sprochenen Befugnisse bei der Strafzumessung, das sind die Kardinalfehler, an denen unser deutsches Strafrecht krankt, seit es geboren. Ein schlechtes Strafrecht aber frißt an dem Lebensnerv des Volkes, Lenn es sät Verzweiflung, Unzufriedenheit und Miß trauen und erschüttert die Zuversicht zu der staat lichen Rechtspflege. Daß dem Staate aber das Ver trauen der Staatsbürger zur Justiz bitter nottut, das beweist an seinem Teile schon ein Blick in die Kriminalstatistik. Werden doch in Deutschland all jährlich etwa 700 000 Personen der Verbrechen oder Vergehen gegen Reichsgesetze angcklagt! In dem Wunsch« nach einer gründlichen Reformation des Strafgesetzbuches sind wir uns deshalb seit langem einig. Eine nicht gar ferne Zukunft aber verheißt diesem Wunsche Gewährung; die seit einer stattlichen Reihe von Jahren stetig oorwärtsschreitenden Ar beiten um «ine Strafrechtsreformation an Haupt uns Gliedern werden uns über Jahr und Tag ein Gesetz bescheren^ das einen modernen Geist atmet und die seither so schmerzlich empfundenen Mängel von sich abgestreift hat. Die neuzeitlichen Gesetzeswerke des Auslandes kommen solchem Bemühen dabei auf das beste zustatten. Aber die Not der Gegenwart ist doch allzu groß, und der Weg, den die Reformatoren, ehe das Ziel erreicht, zu gehen haben, immerhin noch weit. So erwuchs denn der Entschluß, vor Be endung des Gesamtwertes die schlimmsten Uebel durch eine Strafgesctznovelle zu heilen. Schon im Jahre 1911 beschäftigte diese Novelle den Reichstag, von dem sie schließlich unter dem 9.Mai 1912 in ihrer jetzigen Fassung angenommen wurde. Da dem Ge setzentwurf die ihm noch fehlende Zustimmung des Bundesrates sicher sein dürfte, werden wir also in allerkürzester Frist unter einem nicht unwesentlich revidierten Strafrecht leben. Bei dem brennenden Interesse, das die bedeut samen Aenderungen allentlsalben beanspruchen kön nen, möchte eine'Kundgabe der von der Novelle ge brachten Verbesjerungen willkommen jein. Auf die Wahrung der von jenem Notgefetze selbst beobachteten Reihenfolge sei dabei zugunsten einer Betonung des Wichtigsten und am tiefsten in das Leben Einschnei denden verzichtet. Das Beste an der ganzen Refor mation aber erscheint mir zu sein, oaß über die aus bitterem sozialem Elend begangenen Straftaten künf tig milder zu richten ist als bisher. Der verzweifel ten Mutter, die einige Pfennige stiehlt oder unter schlägt, um mit dem dafür erhandelten Holze ihren frierenden Kindern die Stube zu Heizen, soll fürder nicht mehr der Male! einer Gefängnisstrafe ange- hangen werden müssen. Gegenwärtig muß, wie bekannt, jeder Diebstahl un bedingt mit Gefängnis geahndet werden, gleichgültig, wie der Beweggrund dazu aussieht und wie hoch sich der Werr des Gestohlenen beläuft. Ebenso steht aus Unterschlagungen ohne Rücksicht ouf die Höhe des Schadens prinzipiell Gefängnis, vor dem höchstens mildernde Umstände den Missetäter retten können. Desgleichen ist oie Bestrafung zurzeit von einem An träge unabhängig. Selbst wenn also keinerlei Straf antrag einläuft, hat die Behörde gegen den Delin quenten vorzugehen, 'obald ihr die Straftat zu Ohteir kommt. Auch macht !chon der Versuch strafbar. Das alles soll dank der Novelle künftig anders werden. Nach ihr kann gegen den, Ser aus Not geringwertige Gegenstände stiehlt oder unterschlägt, anstatt auf Ge fängnis bis zu drei Monaten auf Geldstrafe bis zu 300 ,<c erkannt werden. Zudem ist zur Verfolgung ein Strafantrag vonnöten und die Zurücknahme die ses Antrags statthaft. Wer aber die Tat gegen einen Verwandten absteigender Linie oder gegen seinen Ehegatten begeht, bleibt überhaupt straflos. Aehn- liches ist dem verheißen, der andere aus Not um ge ringwertige Gegenstände betrügt. Ihm winkt die gleiche Strafe wie dem, den Notdurft zu kleinerer Dieberei oder Unterschlagung trieb. Auch «r bleibt schließlich von jedweder Strafe ganz verschont, wenn kein Strafantrag «ingeht, oder wenn ein Verwandter absteigender Linie oder der Ehegatte die Geschädig ten sind. Sonst macht freilich versuchter Betrug schon strafbar, während der Versuch > eines RotdieWahls oder einer Notnnterschlagung straflos bleibt. Des weiteren hält die Gesetzgebung ihre schützende Hand über diejenigen Frevler aus Not, die Nahrungs- oder Eenußmittel, oder andere Gegen stände des hauswirtschaftlichen Gebrauches in ge- ringen Mengen oder von unbedeutendem Werte zum alsbaldigen Verbrauch stehlen oder unterschlagen. Ihnen bleiben die Pforten des Gefängnisses unter allen Umständen verschloßen. Vielmehr sind sie aus schließlich mit Geldstrafe bis 150 oder mit Haft bedroht. Eine verwandte Bestimmung ist zwar auch unserem geltenden Rechte nicht fremd. Indessen be schränkt sich dasselbe in seiner Milde auf den Dieb stahl alsbald zu verzehrender Nahrungs- oder Ee nußmittel. Künftig soll jedoch neben dem Dieb auch der Unterschlagende die Nachsicht des Gesetzes spüren, und es sollen außerdem die Gegenstände des haus wirtschaftlichen Gebrauchs mit einbezogen werden. Wer also z. B. Holz. Kohlen oder sonstiges Beleuch- tungs- oder Feuerungsmaterial in geringer Menge zu alsbaldigem Gebrauche entwendet oder unter schlägt, büßt, geht ein gültiger Strafantrag ein, seine Sünde durch Zahlung einer Geldsumme oder mit einer Haftstrafe ab. Ermißt man, daß beinahe die Hälfte aller Straf taten gegen fremdes Vermögen gerichtet sind, so werden wir der segnenden Wirkung unserer neuen Strafgesetznovelle mit den besten Hoffnungen ent gegensetzen, zumal Vorbestrafungen aus den eben aufgezählten Vergehen bei der Feststellung des Rück falls nicht mitgezäblt werden dürfen. Wie oft also auch jemand aus Not geringwertige Gegenstände ge stohlen, wie oft und wie schnell hintereinander er andere darum betrogen hat: war soziales Elend der Anlaß, so braucht er im Hinblick auf die Gering fügigkeit des Objektes doch niemals die auf den Rückfall gesetzten schweren Zuchthausstrafen zu fürchten. Not, Scham oder die Furcht vor der Gefährdung des Kredits, nicht aber boclicher Wille, Mißachtung der Behörde oder die Absicht einer widerrechtlichen Bereicherung sind häufig der Anlaß zu den Ver gehen des Siegel- oder des Arrestbruchs. Deshalb die von der Novelle dem Richter zugesprochen« Be fugnis, an Stelle der gegenwärtig allein zulässigen Gefängnisstrafe Geld bis zu 600 ,4t bzw. 1000 treten zu lassen. Desgleichen ist bei der Vereitlung der Zwangsvollstreckung dadurch, daß das Vergehen an zweiter Stelle mit Geldstrafe bedroht wird, die Möglichkeit einer milderen Beurteilung solcher Fälle angebahnt, in denen der Gläubiger nicht zu Schaden gekommen ist und der Täter in unverschuldeter Not handelte. Die Verhängung einer Geldstrafe soll ferner neuerdings zulässig werden bei der einfachen Freiheitsberaubung, bei erschwertem Hausfriedens bruch und, wenn mildernde Umstände vorhanden, beim Kindesraub, sowie bei der widerrechtlichen Nötigung zu Amtshandlungen, endlich bei der wissentlichen Verletzung der zur Verhütung von an steckenden Krankheiten und von Viehseuchen er griffenen Maßregeln, ohne daß ein Mensch von der Krankheit bzw. ein Tier von der Seuche ergriffen worden ist. Beim Kinderraub möchte die Zulässig keit mildernder Umstände den Leser vielleicht in Er staunen setzen. Man gedachte dabei aber beispiels weise des doch gewiß milde zu beurteilenden Falles, in dem ein Elternteil dem anderen das Kind entzieht. Zum Schutze der Kinder und Gebrechlichen gegen grausame oder boshafte Mißhandlungen fügt die Novelle den Thesen Uber die Körperverletzung folgen den neuen Absatz an: „Gefängnis nicht unter zwei Monaten tritt ein, wenn gegen eine noch nicht acht zehn Jahre alte oder wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die der Fürsorge oder Obhut des Täters untersteht, oder seinem Hausstande angehört oder die der Fürsorgepflichtige der Gewalt des Täters überlassen hat. eine Körperverletzung mittels grausamer oder boshafter Behandlung be gangen wird." Bedroht sind damit in erster Linie die Eltern und Pflegellern, wie die Ziehmütter, Dienstboten und Anstaltsbeamten, schließlich aber vor allem auch die Zuhälter und Liebhaber der Mütter, deren Roheiten die Kinder erfahrungsgemäß besonders häufig ausgesetzt sind, und an die die Ge setzgebung deshalb vornehmlich dachte. Weiter sei erwähnt, daß selbst der erschwerte Hausfriedensbruch nur auf Antrag verfolgbar ist, und daß dieser Antrag zurückgezogen werden kann, weil erfahrungsgemäß oft nur in der momentanen Erregung gestellt wird. Dagegen soll sich der dem Hausfrieden verbriefte Schutz fürder auch auf die dem öffentlichen Verkehre geweihten Räume er strecken. Der Hausfriede kann danach künftig bei spielsweise auch in Eisenbahnabteilen, in Omnibussen oder in Straßenbahnwagen gebrochen werden. Schließlich wurde die Mindeststrafe für den Bruch des Telegraphengeheimnisses auf einen Tag lsiefäng- nis herabgesetzt, anderseiis aber die Verletzung des Telephongehcimnisses als eine mit Gefängnis zu sühnende Straftat proklamiert. vr. ll. T,. Oie „NorüüeutlHe Allgemeine Zeitung" über üie Ssilkrdegegnung. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: „Zn dem Geist, wie sie geplant war, ist die Kaiseczusam- menkunft in Baltisch-Port verlausen. Schöne Tage eines ungetrübten Beisammen seins sind unserem Kaiser durch die Gastfreund schaft Seiner Majestät des Kaisers Nikolaus in den russischen Gewässern bereitet worden. Sie verliefen in herzlichem verwandtschastlickfem Ver kehr zwischen den Mitgliedern der beiden Herr scherhäuser uud boten Gelegenheit zu offener und vertrauensvoller Besprechung politi scher Fragen durch die Monarchen und ihre Mini ster. Ucberraschungen sollten dabei nicht vor bereitet werden. Der Wert der Aussprache liegt darin, daß sie auf beiden Seiten den Willen gefestigt hat, dauernde Fühlung zwi schen Deutschland und Rußland in den großen Tagesfragen zur Wahrung des europäi schen Friedens zu unterhalten. Die in Baltisch-Port aufgetauchtcn deutsch russischen Freundschaftskundgebungen sind in der Presse entstellenden Deutungsversuchcn weniger ausgesetzt gewesen, als frühere Zusammenkünfte. Wir möchten namentlich mit dem Ausdruck der Befriedigung darüber nicht zurückhal- tcn, daß bei der Ankunst Kaiser Wilhelms in den russischen Gewässern die russische Presse viele Aeußerungen einer freundlichen oder unbefange nen Gesinnung gegen Deutschland gebracht hat. Daß wir diese Gesinnung erwidern, bedarf keiner Versicherung." G Vle lrsnzNrlche prelle über üss Lommunlqui üer kstlervegesnuns. Pari», 7. Juli. Das Communiquö über die Kaiserzusammeukunft in Baltisch-Port wird in der hiesigen Presse im größten und ganzen gün stig besprochen. So meint der „Temps" unter anderem: „Wir haben unseren Verbündeten niemals die Kränkung angetan, in dieser Monarchenbcgeg- nung geheime Kobinationen und versteckte Ab sichten zu suchen. Unser Vertrauen war immer voll und ganz geblieben. Das amtliche Com muniquö, daS feststellt, daß die Stimmung Curo- pas immer mehr den Wunsch nach Gleichge wicht kundgibt und daß die Politik Rußlands und Deutschlands von freundlichen Absichten er füllt ist, wird mit Befriedigung ausgenom men werden." Das „Journal des Döbats" schreibt: „Das Communiquö entspricht der Crwartu n g der öffentlichen Meinung Europas. Man müßte die Weltgeschichte eines Jahrhunderts Meine Relle im Sahen Süss unü Susgebiet. Von Rudolf Zabel. I. Es ist zwischen Ostern und Pfingsten 1912. Nach fast achtmonatigen Reisen im wenig erforschten Innern Südmarottos, speziell rm Hohen Atlas und im Susgebiet, bin ich zur Küste zurückgekehrt nach dem südlichsten geöffneten Hafen des Landes, nach Mogador. Viermal habe ich den Hohen Atlas über stiegen, habe das Sustal gesehen von der stelle an, wo der Susfluß als Asif Tifnut aus der Falte zwi schen Hohem Atlas und Sirua-Massiv in die Tal ebene eintritt — bei dem bis vor kurzem noch sagen haften Aulus —, bis flußabwärts nach Tarudant, und dann wieder bei Agadir, und gehöre zu den wenigen, die wenigstens ein Stückchen in den bisher fast gänzlich unbekannten Antiatlas hineingekommen sind. Zum Vergleich habe ich dann noch die dem Hohen Atlas vorgelagerten Provinzen Haha, Schiadma, Rehamna besucht und bin schließlich quer durch die Schauja geritten, die heute schon den Ein druck einer französischen Kolonie macht und land wirtschaftlich zu den besten Gebieten der Erd« zählt; so habe ich meine südmaroHanischen Reisen ange- schlossen an meine Reiserouten im Norden, die von drei vorhergegangenen Reisen stammen, deren erste nun bereits neun Jahre zurückliegt und als wichtig stes Resultat die erstmalige Erforschung des heiligen Serhun-Gebirges, die Wiederauffindung alten römi schen Bergbaues und die prinzipielle Feststellung der Schiffbarkeit des Unterlaufes des Uad Sebu Mischen Mehedija und Meschra el Uarkofa brachte. Der Zweck dieser letzten Reise war rein wissen- schaftlich« r Natur. Es mußte darauf ankommen, für das Gebiet des Hohen Atlas und des Sus die ersten Aufklärungsarbeiten zu leisten. So bedeutend und insbesondere verdienstvoll di« Aufklärungsarbeit meiner Herren Vorgänger, insbesondere des Fran zosen Marquis de Segonzac und Tonte de Foncauld, nicht zu vergessen die nun bald vierzig Jahre zurück liegende Pionierarbeit eines Gerhardt Rohlfs, unse res Landsmannes, gewesen ist, so hatten sie doch alle unter der Schwierigkeit zu leiden, daß sie gezwungen waren, als Eingeborene zu reisen, daß sie die Schwie rigkeit der Sprache zu überwinden hatten, und daß sie gezwungen waren, Instrumente und Apparate der wissenschaftlichen Beobachtung zu verbergen und da mit nur sozusagen heimlich arbeiten konnten. Ich darf wohl feststellen, daß Liese Schwierigkeiten für mich nicht mehr existierten. Die Verhältnisse haben sich inzwischen geändert. Europa streckl nach dem Sus die Hand aus, und das europäische Prestige hat sich auch in diesem Land« wieder einmal als stark genug erwiesen, um dort friedlich Eroberungen zu machen, von denen man früher glaubte, sie seien nur mit den Waffen in der Hand möglich. Ich bin wohl als erster wissenschaftlich beobachten der Reisender im europäischen Gewand gereist und konnte ohne großen Aufwand an Geschenken, die ge wöhnlich den Kaufmann stark belasten, mich von Kaid zu Kaid weitergeben lassen, wobei mir meine, wenn auch bescheidenen, Kenntnisse auf dem Gebiete der Krankenpflege gute Di«nste leisteten. Anderseits ist nicht zu verkennen, daß die Pionierarbeit der Brü der Mannesmann und der beiden französischen Ge sellschaften, der Union des Mines Maroccaines und der Compagnie Maroccaine, der wissenschaftlichen Forschung als gute Schrittmacher gedient haben, wenn auch leider — wenigstens auf deutscher Seit«, diese Tatsache bisher der einzige Dienst ist, den die Wissen schaft von jener Seite empfangen hat. Namentlich die deutschen wirtschaftlich an Südmarokko interessier ten Gesellschaften sind trotz ihrer zweifellos bedeu tenden Landeskenntnis sehr zurückhaltend mit deren Preisgabe; man kann aus wohlverstandenem Ge schäftsinteresse diese Zurückhaltung wohl verstehen. Indessen lieben sie di« Franzofen nicht, und fahren dennoch gut dabei. Und anderseits existieren für die wissenschaftliche Erforschung eines Landes die Rücksichten auf Privat interessen nicht in dem Maße, daß sie für «ine Ver pflichtung zur Geheimhaltung wissenschaftlicher For schungsresultate als sittliche Forderung existiert«, und dann um so weniger, wenn von wirtschaftlich inter essierten Kreisen einseitig ausgewählte und frisierte Nachrichten lanciert werden, deren Zweck« in erster Linie eigennützig sind und deren Wirkungen unter Umständen ein schiefes Bild und ein« politische Ge fahr sind. Der natürliche und kürzeste Weg ins Sus gebiet führt üer Mogador nach Agadir. Hier ist inan an der Nordwestecke des Sus, und demnach heißt es für den, der nur Agadir gesehen hat, «r hat vom Sus selbst — nichts gesehen. So ging es mir, der die Idee hatte, von Agadir aus ins Sustal weiterzu reiten und d«n Spuren Gerhardt Rohlfs zu folgen, der allerdings als mohammedanischer Bettler reiste, und so über Tarudant und den Antiatlas nach dem Uad-Dra-Gebiet gelangt«. Seitdem ist nur noch ein mal ein Deutscher, der Bergassassor Wilberg, auf diesem Wege aus dem Sus wieder heraus-, nicht hin eingekommen. Auch er mußte als Marokkaner reisen, und da er der Sprache nicht mächtig war, den Taub stummen markieren. Dennoch wurde er zuletzt von den Ksimas erkannt und bis hinein nach Funti, dem Hafenplatz von Agadir, verfolgt. Dieselben Ksimas begrüßten mich mit Flintenkugeln, als ich versuchte, von Agadir nach Tarudant zu r«iten. Und soeben kommt di« Nachricht, sie baben einen deutschen Pro spektor, namens Steinwachs, d«r in den Diensten der Mannesmann steht, und der sich zu weit vorgewagt hatte, gefangen genommen. Das wird ein Lösegeld von etwa 6000 kosten. Damit wird die Sache sich erledigen — bis zu einem nächsten Male, das wieder 6000 -4t kostet, wenn nicht inzwischen die Franzosen im Sus Ordnung schaffen. Aber jetzt haben sie es nicht so eilig mehr mit kostspieligen Truppensendun- gen, seitdem ihnen das Land nicht mehr abgestritten wird. Also darf man bis auf weiteres als Tatsache hinnohmen, daß die natürliche Zugangsstraße zum Susgebiet vom Meere aus durch frcmdenfeindliche Kabylen, nämlich die Ksima, Schtukka und einen Teil der Huara, für Europäer verbarrikadiert ist. Wer daher, von Westen und Norden kommend, ins Sus reisen will, muß über Mogador oder einen der nörd lichen Häfen reisen — und anderswoher gibt es zur zeit keine Aufmarschstraßen. Denn von Süden legt sich der Antiatlas, von Osten der Sirua, dessen Massiv das Sustal nach Osten abschließt und sich zwischen Hohen Atlas und Antiatlas hineinquetjcht, als Mauer um das Susgebiet herum, und als weiterer konzentrischer Wallgraben — mit Sand gefüllt — die Sahara. Um also von Agadir nach der Hauptstadt des Susgebiets, nach Tarudant, zu gelangen, mußt« ich von Agadir über den Hohen Atlas zurück nach Mogador und von hier aus den ganzen langen Nord abhang des Hohen Atlas entlang ziehen, dann auf äußerst gefährlichen Saumpfaden, die für Kamele unpassierbar sind, mit Maultierkarawanen den Hohen Atlas erneut übersteigen, um ausgerechnet an der Stelle ins Susgebiet zu gelangen, wo dieses gen Osten zu Ende ist. Dann erst hatte ich die Chance, nach Westen zu reiten und so nach Tarudant sti ge langen. Der direkte Weg von Agadir nach Taru dant beträgt etwa 70 Kilometer, der indirekt«, den ich machen mußte, etwa 650 Kilometer, — «in kleiner Umweg, wie man ihn in Marokko heute eben noch in Kauf nehmen muß, dazu ein Pferd abgestürzt, «in Pferd tot, noch ein Pferd unld ein Maultier abge stürzt — vom »aumpfad! Während man auf der Tour Agadir—Mogador fast andauernd an der Küste entlang marschiert und nur in der Gegend oer Kasba des Kaid Gclluli eine größere uno fast in ihrer ganzen Ausdehnung in Kultur genommene Ebene durchzieht, bringt uns unser Marsch bereits nach zwei Stunden ab Mogaoor in Gegenden, di« durchaus agrarischen Tendenzen huldigen. Ich hab« mich für 'o«n direkten Weg ent schlossen, der zwar nicht der in der Tat schnellste und nächste, aber der interessanter« ist. Wer schnell reisen will, nimmt den direkten Weg nach Marrake'ch, der über nur wenig hügeliges Land führt. Bon Marra kesch aus reitet er dann über das Gurguru-Plateau und trifft nach Uebersteigung der Vorberge des Rhir- Haia-Gebirges, eines Teiles des Hohen Atlas oas Tal oes Uad N'fis, das «inen natürlichen Quer schnitt durch das Gebirge legt, und zu den zurzeit sozusagen einzigen passierbaren Atlaspässen des Dje- bel Uischdan und des Tisi N'tas hinaufgeleitet. Auf diesem Wege kann man schnell vorwärts kommen: dieses ist weniger der Fall auf unserer Route über Kasba M'tugi und Amsmiz, auf oer man andauernd über die nördlichen Ausläufer des Atlas bergauf, DM" Man beacht« auch die Inserate in -er Abend-Ausgabe.
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