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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.03.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140328013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914032801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914032801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1914
- Monat1914-03
- Tag1914-03-28
- Monat1914-03
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Morgen - Ausgabe tttr Leipzlg ua- Vorort, Sur» unser* ErT«, vkZugSP» Elf » » un- SpeSit««re »matt-glt» In» yau» gebracht: »onatilck» l.r» M.. vierteyühriich r.75 M. »et -er SelchäftssteU», «ns« Zttialea u«- ftu»gad«strUea abgehoit: monatlich iM.,»l«rtelIährUchr m. vurch -I» Post: innerhalb Veutschlanü» un» »er üeatschen Kotonle« awnatUch 1^0 M., vierteliührUch M.. «roschUeAllch postdrlteUg^». va» Leipziger Tageblatt erscheint Werktag» »mal. Sonn» a. Zetrrtag» lmat. 2» Leipzig, -en Nachbarorten un- Sen Drtrn mit eigenen Ziliatea wtr- »t, siden-ouogab» noch am fldea» -«» Erscheinen» tu» Hou» geliefert. Seriiner NeSakrton: Ja »en Zeiten >7. Zerusprech-^nschluß: Moabit Nr. »»7. ZkrrtsblaL desRates und despoUseuuutes derEtudtLcrpzur kte-aktion ««- «»schastosielle: Johonaisgass« Nr.». 0 Zernsprech-Nnschlutz Ne. 1«-»r. 1«»« unü 14»»«. Nr. lS8. Sonoaden». -en 28. MSrz. ISS. Jahrgang tüe Inserat» au» Leipzig na» Umgebung »I« /inzelgenprEif E. ,,»»««,»p»»,te»u» u p,.. Sie a,kinm.,»«i» 1 m., von auowart» ra Pf.. Neklamen t.ro m. Klein, ftnzeigea Stepetitzeilr nur ropk.d.w>iS«rl>»t.Nad . Inserat» »on SekorSeo im amtlicheaTeti -ie Petit» -eit« -0 Pf. Seschüftoaazetgen ml» playv»rs<br«st >m Preis» erhöbt. Nodatt na» Tarik. Vetiogea »«samtouki.»M »aoTooseaS anoschl. poltgrdühr. klnzeigew-ktnaahm« Johanniogalse«, de« sSmtlt»cn klllolen -«» Leipziger Tageblatt«» un» alten Nnaoarea-Txpeüitionro -»» In» un» huoloa-e». «rschastastrllr für Vertin u.Sir pr.vran^endurg virektionWalterZUegel, Serlra w i» Morgarethenüraß« ». Jernsprech» ktnschluS: Lühow »»71. 1Sl4. Vas wichtigste. * Der Kaise r hat am Freitag auf Schlag M i - ramare dem Erzherzoge Franz Ferdinand einen Befuch abgestattet und L«ann die Fahrt nach Korfu fortgesetzt. sS. bes. Art.) * Der Reichstag hat sich am Freitag bis zum 28. April vertagt. (S. Art. u. Ber.) * Zm preußischen Abgeordnetenhause wurden am Freitag die von der Regierung geforderten sechs staatlichen Einschätzkommissionen gegen die Stimmen der liberalen Parteien abgelehnt. sS. Art. u. Ber.) * Die Nachricht über Unruhen in Durazzo wird als unbegründet bezeichnet. sS. Ausl.) * Die Suffragetten haben einen Land sitz niedergebrannt. sS. Nachr. v. T.) * An der neuen Nordseeschleuse bei Brunsbüttelkoog ereignete sich infolge Herabstürzens eines Laufwagens der Kabelbahn ein jchwcres Unglück. sS. Nachr. v. T.) Zur /luflehnung -er Offiziere in England. Die Osfiziersbeweaung im Lager von Ear- ragh hat sich dem Namen nach ausdrücklich gegen „Sr. Majestät Regierung" gerichtet. Es war eine regelrechte Gehorsamsverwei gerung, insofern die Befolgung des Marsch befehles nach Ulster an die Bedingung ge knüpft wurde, daß die Truppen dort nur zum Schutze der Arsenale gegen Masscnraub, aber nicht zu angrisfsweiscm Vorgehen gegen die „Freiwilligen »Armec" verwandt werden sollen. Und die Regierun'g hat diese Be dingung einfach — angenommen! In unserer preußisch-deutschen Armee wird ein solcher Borfall hoffentlich noch nach hundert Jahren „unerhört" heißen. Lon ganz verein zelten Abfällen bei den Straßenkämpfen des Frühjahrs 1848 abgesehen, erinnern wir uns eigentlich nur zweier offenen Auflehnungen preu ßischer Offiziere in einer zweihundertjährigen Geschichte: das war erstens der bekannte Fall khorck und zweitens der jenes Fcldmarschalls, der Friedrich Wilhelm I. in den Arm fies, als er das Todesurteil über den „Deserteur Friß" verhängen wollte („Majestät, der Weg zur Tötung des Kronprinzen führt nur über meine Leiche!"). Beide Fälle haben das Ge meinsame, daß sic ohne theoretische Ausein andersetzungen ungefähr die Grenzen bezeich nen, jenseits deren eine U c b e r s p a n n u n g des soldatischen Gehorsams beginnt. Die Hand lungen Yorcks und Grnmbkows werden heutzutage wohl allerseits als sittliche Groß taten gewürdigt. Ob inan die Aufkündigung der Leute von Earragh auf die Stufe des Abfalls von Tau- r o g g e n stellen darf, hängt hauptsächlich von der Frage ab, ob die nationale Gefahr für das bri tische Reich bei Einführung einer Dubliner S o n de r r e g i e r u n g annähernd gleich groß :st. wie ein Beharren Preußens beim Bündnisse mit Napoleon im Jahre 1818 gewesen sein winde. Eine solche Frage kann eine Halbwegs w-schöpfcnde Beantwortung natürlich nur im Rahmen einer nicht ganz kleinen Abhandlung suchen. Im allgemeinen muß man wohl er klären, daß die Gefahr des Homerula-Geseßes nicht so unmittelbar, nicht so dringeno erscheint. Mit diesem Urteile entfällt aber die Möglichkeit, das Borgehen der englischen Offiziere zu recht fertigen. Es handelt sich bloß um seine Entschuldbarkeit. Will man das richtige Augenmaß für den gegenwärtig das britische Reich durchzitternden Streit nicht verlieren, so muß man vor allem sich nicht durch die Bor stellung täuschen lassen — wie vielfach geschieht - als drehe sich der Hader der Parteien um eme einfache B e r w a l t u n g s m a ß re g c l, um die Errichtung einer örtlicl-en gesetzgebenden Körperschaft in Dublin etwa mit den Befugnissen eines preußischen Provinzial-Landtages. Nein: will man den in England hart an die Grenze leiner Bcrwirtlichung gerückten Plan sinngeireu ui die deutschen Verhältnisse übersetzen, so nehme man an, eine zufällige Zentrumsmehrhen, etwa des preußischen Abgeordnetenhauses, wolle für West Preußen und Posen einen von den V ölen beherrschten besonderen Landtag entrich ten, auf den fast alle Rechte des Landtages der G e s a m t m o n a r ch i c übertragen werden soll i n, und dieser Polcnherrschaft wolle man sogar die deutschen Bezirke jener Provinzen, Stadt Danzig, Broinbcrg nsw. überantworten! Wenn man die Frage so stellt, wird man den tiefen Groll der Offiziere im Lager von Earragh wenigstens begreiflich finden. und dann, man täte dem Obersten Gough und seinen Gesinnungsgenossen un recht. wenn man ihre Handlungsweise nach den festländischen Begriffen von der unbeding» ten Pflichtigkeit des soldatischen Gehorsams be urteilen wollte. Die englische Bolkspsyche hat nun einmal eine andere geschichtliche Schule durchgemacht. Uns steckt der Begriff der mittel alterlichen Mannentrcuc im Blute: eine schöne und große Idee, die wir uns um keinen Preis durch vernünftelnde Betrachtungsweisen erschüttern lassen möchten. Und dieses Feudal- shstem ist dem alten angelsächsischen Reiche der Egbert und Alfred unbekannt ge blieben. Die Normannen Wilhelms des Er oberers brachten es nach dem Jnsclrcichc hin über. Aber auch die Normannen hatten in Frankreich nur seine äußere Form übernommen, der Bolksart dieser von ihrem Hcimatsboden entwurzelten Nordleute war seine ürgermanischc Verinnerlichung versagt. Und die zahl reichen gewaltsamen Dynastiewechsel zwischen den verschiedenen Zweigen des Hauses Planta genet hatten die KönigsFreue der Eng länder schon längst von ihrer unmittelbaren Be ziehung aus die Person des Königs und fei nen Willen gelöst, ehe die Revolutionen Cro m- wells und Wilhelms III. von Oranien an der Einrichtung des Königtums selbst rüt telten und dessen Rechten. Und dann: selten ist wohl die englische Redensart von „Sr. Majestät allergetreuester Opposition" so sehr ein Mahnwort gewesen, wie gegenwärtig. Es ist ein öffentliches Geheimnis, daß König Georgs Herz nicht bei der Sache seiner Minister ist, daß die herrschende Partei ihm einen konstitutionellen Zwang an getan hat, als sie ihm seine Unterschrift unter die Homerulebill wie unter das ihr den Weg ebnende Oberhausgesetz abverlangte. Nimmt man nun hinzu, daß, nach dem Ergeb nisse zahlreicher Ersatzwahlen zu urteilen, auch im englischen Volke gegenwärtig schwerlich noch eine Mehrheit für den Fortbestand der herr schenden Partei überhaupt vorhanden ist, ge- schweig» denn für die zweimal schon durch Volksabstimmung verworfene Homerule ldic Iren müssen doch von einer solchen Berechnung abgezogen werden!), so steht es geradezu ver zweifelt um die politische wie um die sittliche Berechtigung der Minister, das Gesetz von viel leicht verhängnisvoller Bedeutung für die Zu kunft des Reiches diesem aufzuzwingen. Die Wirrnis ist jetzt so arg geworden, daß eine so fortige Auflösung des Unterhauses als das einzige rettende Mittel erscheint. 2. Ver Kaiser aufSchlofi Miramare. Die „Hohenzollern" mit dem Kaiser an Bord sowie die Begleitschiffe, die Freitag früh 6 Uhr Venedig verlassen hatten, kamen gegen ^11 Uhr am Horizont von Triest in Sicht. Von Riva und Moli beobachtete eine zahlreiche Menschenmenge die deut schen Schiffe, die bei prachtvollem Wetter und spiegel glatter See den Kurs auf Schloß Miramare nahmen. Man sah die „Hohenzollern" mit dem Kaiser Wilhelm und dem Gefolge an Bord, knapp da hinter den „Sleipner", gefolgt von den Kreuzern „Goeben" und „Breslau". Mit dem Lloyddampfer „Serajewo" waren zahlreiche Mitglieder der deutschen Kolonie mit einer Musikkapelle an Bord dem Deut schen Kaiser entgegengefahren. Bei der Begegnung in der Austernbucht von Muggia intonierte die Ka pelle die deutsche Hymne, worauf die an Bord be findlichen reichsdeutschen Untertanen den Monarchen mit lebhaften Hurrarufen begrüßten. Nachdem die Schiffe des österreichisch-ungarischen Geschwaders die auf der Facht „Hohenzollern" gehißte kaiserliche Standarte mit 2l Schüssen salutiert hatten, gab der Kreuzer „Goeben" den Territorialsalut ab, den das österreichisch-ungarische Schlachtschiff „Viribus Unitis" rcglementsmäßig er widerte. Mittlerweile hatte das deutsche Geschwader, dem ein österreichisch-ungarisches Hochseetorpedoboot entgegenfuhr, um die deutschen Schiffe zu ihrem Ankerplatz zu führen, sich derart genähert, daß die Standarte des E>.-Herzogs Franz Fer dinand, di« auf dem Schlachtschiff „Viribus Uni tis" gehißt war, aufgenonMen werden konnte, wor auf alle deutschen Schüfe dieselbe mit 21 Schüssen salutierten. Nachdem die deutschen Schiffe geankert hatten, be gab sich Erzherzog Franz Ferdinand in deut scher Admiralsuniform aus die Facht „Hohen- zoller n", wo er von Kaiser Wilhelm in herzlichster Weise empfangen wurde. Nach der Vorstellung des Gefolges des Deutschen Kaisers an Bord der „Hohcn- zollern" begaben sich Kaiser Wilhelm und Erzherzog Franz Ferdinand beim Schloß Miramare an Land, wo Kaiser Wilhelm die Herzogin Sophie van Hohenberg und die Familie des Erzherzogs Franz Ferdinand begrüßte. Beim Verlassen der Hohen zollern" leisteten alle Kriegsschiff« einen Salut von 21 Schuß. Nach Begrüßung der Familie des Erzherzogs Franz Ferdinand begaben sich Kaiser Wilhelm und Erzherzog Franz Ferdinand an Bord des Schlacht schiffes „Viribus Uniti s", wo Geschwader kommandant Konteradmiral Löffler Kaiser Wilhelm die Schiffskommandanten der österreichisch-unqurischen Schiffe vorstellte. Hieran schloß sich eine Besich tigung des Dreadnoughts „Viribus Unitis" durch Kaiser Wilhelm und Erzherzog Franz Ferdinand. — Um > Uhr mittags sand in Schloß Miramare Früh stückstafcl statt, nach daran anschließendem Cercle ein Rundaang durch das Schloß und den Schloßpark. Die Einschiffung Les Kaisers zur Weitcrfahrt nach Korfu erfolgte um 5 Uhr nachmittags. tverefiäjews Enthüllungen über -as russische Heer. Von Leopold Froden. Zehn Fahre ist es l>er, daß das große russische Heer unter den Schlägen der kleinen Japaner zusammen brach. Damals machte der bekannte russische Arzt Weressajew, der in Ostasien als Lazarettarzt mit in der Front stand, seine Beobachtungen, die er einige Fahre daraus in den „Erlebnissen im R u s j i j ch - F a p a n i s ch e n Krieg" (deutsch ui der Memoirenbibliothek von Robert Lutz in Stutt gart*) zum Staunen und Entsetzen der ganzen ge bildeten Welt veröffentlichte. Obwohl das Buch die denkbar vollzähligste Sammlung von Beispielen raf finiertester Unterschleifc durch die russischen Offiziere und Militärbeamten enthält, und es in schonungs losester Weise die empörende Unfähigkeit und Ge wissenlosigkeit aller militärischen Obrigkeiten aus- dcckt, ist es mit Genehmigung der russischen Zensur erschienen. Einen gültigeren Beweis für die Richtig keit und Wahrhaftigkeit der Enthüllungen kann es nicht geben. Und so haben wir denn in diesem An klagebuch eine wahrheitsgetreue Schilderung der rus sischen Armee, die uns Zustände schauen läßt, die auch heute noch ähnlich liegen müssen. Eine so abgrund tiefe, festgewurzelte Korruption im gesamten höheren Lffizielkörps und allen höheren Stellen der Armee verwaltung läßt sich nicht in 10, nicht einmal in 20 Fahren ausrotten — wenigstens nicht im heutigen Rußland. Denn wer die Verhältnisse kennt, der weiß, daß in dieser Hinsicht das Zarenreich orientalischer ist als die Türkei! Charakterlosigkeit, Unfähigkeit, Mangel an allem soldatischen Ehrgefühl bei den Offizieren, dazu noch insbesondere bei der Verwaltung ei.ie geradezu chinesische Bureaukratie und die allgemeine Bereiche- rungssucht, das sind die Hauptmotive, um die sich Weressajews Erlebnisse gruppieren, Seite um Seite, in ungezählten Varianten. Die Krankenschwestern sind häufig nur die ver kappten Mätressen höchster Offiziere und Beamten — die Verwundeten gehen dafür zugrunde. Roß und Reiter haben nichts zu nagen und zu beißen — weil das Proviantamt Lieferscheine, die mit Bleistift stakt mit Tinte geschrieben sind, nicht berücksichtigt. Bei Chardin liegen 07 Eisenbohnzügc mit Truppen und Kriegsmaterial fest, weil der Statthalter Alexejew seine zwei Lnxuszügc für die Gefahr eines Rückzuges auf den zwei Hauptgleisen unter Dampf hält, und weil außerdem kein Zug Charbin bei Nacht passieren darf. Der Statthalter wohnt nämlich im Bahnhof und möchte seine Ruhe haben. Fn der Front dagegen fehlt es an Truppen und Kriegsmaterial. Aber natürlich: die Ruhe des Herrn Statthalters! Lieber mag Rußland einen Krieg verlieren. Besonders empörend ist das Benehmen Stakel- bergs. Weressajew erzählt von seiner berühmten Kuh, von seinen Spargeln und davon, wie in der Schlacht bei Wasango eine große Menge Verwundeter auf dem Schlachtfeld zurückgelassen werden mußte, weil Stakelberg mit seinem Luxuszuge den Sanitäts zügen den Weg versperrte: während der Schlacht waren zwei Kompanien damit beschäftigt, unaushöi- lich Wasser auf die Leinwano zu gießen, die über dem Zuge des Generals ausgcspannt war, — denn im Zuge befand sich die Gemahlin des Barons Stakel berg, und sie fühlte sich von der Hitze belästigt. Der Chefarzt eines Lazaretts steckt die Kassen gelder in seine Tasche, „zur Sicherheit", damit das Geld den vordrrngenden Japanern nicht in die Hände falle, wenn der Kastenwagen genommen würde. Das Kommando, das die Kasse eskortiert, bekommt aber vom Chefarzt den Befehl, an einem sehr gefährdeten Punkt auszuharren und unter gar keinen Umständen vom Platz zu gehen. Damit nämlich der Chefarzt den Verlust der Kaste melden kann — der Kaste, die leer ist! Aus demselben Grunde werden beim Rückzug die Magazine viel zu früh verbrannt, die Truppen leiden Hunger und revoltieren, aber ein Dutzend Fn- tendanturbeamte l>at ein gutes Geschäft gemacht. Weressajews Chefarzt Treposf tauft in Sibirien unterwegs Hafer zum Preis von 45 Kopeken unv nimmr ihn auf dem Ctappenweg mit bis Mulden. Dort ist der Marktpreis für Hafer 1 Rubel 85 Ko peken. und Trepofs zusammen mit dem Verwalter machen ein Gejchäft von mehr als 1000 Rubeln, indem sie den Hafer als in Mulden gekauft verbuchen. Der Typhus ist eine „verbotene" Krankheit, also behandelt man die Typhösen als Fnfluenzakranke. Und an dieser Fnfluenza sterben Hunderte, Tausend«! Aber wie nett macht es sich doch auf dem Papier, wenn da steht: „Die Armee ist frei von Typhus." Wenn s nur aus dem Papier stand! Als späterhin der Typhus doch nicht mehr verschwiegen werden konnte, besuchte ein Ko> psarzt ein Spital. „Haben Sie die Desinfektion vorgenommen?" „Desinfektion? Wir haben gar keine Des infektionsmittel." „Haben Sic die Desinsektion norgcnommen?" wiederholte der Korpsarzt nachdrücklich. „Fch sage Fhncn ja . . „Fch hoffe, Sie haben die Desinfektion vor genommen?" „Fa—a . . . Aber . . „Schon gut! Bitte, machen Sic einen Rapport, daß die Desinfektion vorgenommen worden ist." Das ist nur so ein kleines Beispiel, dem man ein Dutzend ähnlicher zur Seite stellen könnte. Es ist Nacht. Man befürchtet einen Angriff der Japaner: alles ist vorbereitet. Plötzlich ein rasendes Feuer in der russischen Postenlinie, Ordonnanzen fliegen, das Feuer wird allgemein, eine wütende Kanonade beginnt. Der Kommandeur bittet tele graphisch um Verstärkung, er könnte sich nicht länger halten, sü) Minen werden gesprengt, der Rückzug eingcleitet. Und Weressajew wundert sich, daß nach ') Die deutsche Uebersctzung verzeichnet bereits die 10. Amlag«: die 11. Auslage befindet sich im Druck. dreistündigem Kampf noch kein einziger Ver wundeter ankommt. Dann klärt sich die -ache auf: Vorposten hatten das Getrappel einer ausgebrochenen Schweinehcrdc vernommen, und im Glauben, es seien Japaner, das Feuer eröffnet, das von allen Truppen ausgenommen wurde, ohne daß vom Feind auch nur das Geringste zu sehen war. Kuropatiin aber stellte das ehrenvolle Ereignis in einer „unter tänigsten" Devesche auf folgende Weise dar: „Fn der Nacht auf den 25. Dezember singen die Japaner an, uns auf der Front des Zentrums unserer Schlachtstellung zu beunruhigen. Rechtzeitig von unseren 'Wachtposten bemerkt, wurden sie mit Artillerie- und Gewehrfeucr empfangen und zogen sich nach einigem Geplänkel zurück. Wir hatten drei Tote und 18 Verwundete, darunter ein Fähnrich." Kuropatkin hat nur nicht bcigefügt, daß diese durch russische Kugeln getötet und verwundet worden waren. Man sucht sich möglichst zu bereichern, man stiehlt die für die Truvpen bestimmten Liebesgaben, man gibt lauter falsche Rapporte ab, und — die lieben „Krankenschwestern" sind ja auch da! Dann auf ein mal die Katastrophe. Das ganze korrumpierte Regime bricht nun in sich zusammen, die Rächer er heben sich, Fapancr und — der eigene russische Soldat, dieser arme, betrogene und verratene Soldat, der mit unglaublicher Geduld alles ertragen hat. Fetzt stehen 500 000 Menschen da in Waffen statt der russischen Armee. Es wird geplündert, geraubt, ge mordet. lleberall Leichen von Offizieren. Und die Offiziere selbst? Dafür ein Beispiel. Ein dicker, aus einer Kalesche steigender General schrie wütend einen Leutnant an. Dieser gab ihm Worte zurück. Es entspann sich ein Streit. Ein Häu'chen Offiziere stand herum. Fch ritt hinzu. Der Leutnant war bleich und äußerst erregt und rief keuchend: „Fch will Sie nicht anhören! Fch diene nicht Eurer Erzellenz, sondern Rußland und dem Zaren" Alle Offiziere ringsum aerictcn in Wallung und schlossen sich enger um den General. „Und lasten Sie uns, bitte, wissen, Exzellenz, wo -ie zur Zeit der Schlacht waren?" schrie mit flammenden Augen ein magerer, sonnverbrannter Hauptmann. „Fch war fünf Monate lang in den Schlachtstellungen und habe nie auch nur einen General gesehen! . . . A?o rvaron Sie beim Alle roten Hosen haben sich versteckt wie die Wanzen in die Ritzen, und wir haben uns allein durch geschlagen! Feder hat sich geschlagen, so gut er konnte, aber Sie licsen davon! . . . Und jetzt, hier hinten, kommen alle aus ihren Ritzen heraus gekrochen, und alle wollen wieder kommandieren!" „Hasenfüße! Rothvsen!" riefen die Offiziere. Der erblaßte General bestieg schleunigst seine Kalesche und sagte fort. „Fhr Lumpenpack!... Habt Rußland verkauft!.. scholl es ihm nach. Weressajews Buch ist ein düsteres Gemälde von größter Kraft und Eindringlichkeit. Die unerhörten Tatsachen graben sich ins Gedächtnis, sie nehmen unser Denken ganz gefangen Und man fragt sich: Kann Rußlands Armee heute, kann sic in den nächsten fünf, zehn Fahren schlagfertig sein? politische Ueberlicht Ein Erlaß -es Reichskanzlers zur Kaßenfrage. Der Reichskanzler hat nunmehr persönlich in einem Erlaß an die Bundesregierungen zur Kasscnfrage Stellung genommen, um die Durchführung des sog. Berliner Ab kommens zu beschleunigen und sichcr- zustellcn. In den Ausführuiigsbestilnmungcn zu Nr. 11 dieses Abkommens heißt es: „Sobald aus den von den Aerzten be willigten Abzügen von jährlich lO Pfg. vom Arzthonorar, die dem Leipziger Verbände nach dem Berliner Abkommen znfallcnde Hälfte der Abfindungskosten gedeckt ist, sind von den Kassen nur noch die Zuschläge vou ä Pfg. zum Arzthonorar abzusühren." Zu diesem Punkte äußert sich der Reiche kauzler in seinem Erlas; wie folgt: „Nachdem inzwischen auf Seiten der Aerzte durch den Leipziger Verband der Beschluß gesagt wordeu ist, von jedem Iahreshonorar einen Beitrag von 10 Pfg. auf den Kopf der Versicherten zur Deckung einer Hälfte der Abfrndungskosten zu erheben, darf ich anheimstelleli, im Interesse der Aufrechterhaltung des ganzen, am 20. Dc.zembcr l!)10 geschlossenen Abkommens tunlichst darauf hinzuwirken, das; auch die Kassen überall einen Zuschlag von jährlich ö Pfg. auf den Kopf der Versicherten be willigen. Diese Bewilligung ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen sür von Abschluß uns die Aufrechterhaltung des Abkommens, die nach meiner Ansicht für alle Krankenkassen sehr ernste Bedeutung hat. Denn auch diejenigen Kassen, welche vorläufig die erforderliche Zahl von Aerzten sickicr zur Verfügung haben, kommen naturgemäß nach verhältnismäßig kurzer Zeit in die Lage, neue Aerzte zu brauchen, deren Gewinnung durch das Abkommen wesentlich er leichtert wird." die ^usjchmückungskommißion -es Reichstags hat den Ankauf des alten Gobelins ves Gräf lich Ranlzau-Baudlssinscl)en Fideikommisses aus den Mitteln des Ausschmückungsfonds beschlos sen, nachdem die Subkommission zur Bcsichti- aung des Gobelins in bezug auf seine Geeignet heit für Ansschmttckungszwccke sich nach Rantzau
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