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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.06.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140627015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914062701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914062701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1914
- Monat1914-06
- Tag1914-06-27
- Monat1914-06
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Morgen-Ausgabe kür kelpiia «ad Vorort« durch unser, rrdarr V«AUAV^r»I^». und Spediteur« rmal tdgiick, in» Hao» »«drncht: monatlich i.rd M-, vierteljährlich;.7Z M. Sei der «eschdstostell», unser» -Malen und stuogabesteUen adgeholt: monatlich i M., oierteijührUch r M. durch dl« poft; inuerhald deutschland» und »er deutsch«» Koionie» monatlich 1^0 M.. vlert.ljdhrUch ».so M., auoschll.Altch postd,st«U,«l». da» leipziger ikagedlatt «rsch«int werktags rmal, Sona» «. -etertagslmal. Sa Leipzig, d«n Vachdarert«n und den lvrten mit eia«»«» -Malen wird dl« sldeadauogad« aoch am s»d«nd d«o erscheinen» in» Hau» geliefert. 0«rila«r Nrdaktion: In den Zelten 17, -ernsprech-^Inschluft: Moabit Nr. 407. 6arrdelsSeLturrg /stntsblaL des Rate» und des polizeüurvLes der Stadt Leipzig Nrdaktlon und Srschiiftsstrll«: -ohannisgag« Nr.d. d Zernsprech-slnschlug Nr. >«»»2. >«d»I und I4S04. ISS. Jahrgang L—l>r Snserat« au» Leipzig und Umgebung dl« /Anzeigenpreise. ispa,ng»p»t>tz«u«ttps.,»i«K«kians-,«n.,m.. v»a au»würt»Z0vs., Neklamen >.r»M., Klein« sinzeigen diepetitzrU« nur S»ps.b.wiederbol.Nab.,Inserat« von Vehörden Im amtlichenLeil di« Petit zeil« S0 Pf. S»schdft»anz»ig«n mit plahoorschrist >m Preise «rhöht. Nabatt nach Saris. Seilagea: Setamtausl.-M.Sa» Sausen» auoschl. Postgebühr, slazeigen-slnnabme: -ohannlsgaste«, bei sämtlichen Zilialen »«» Leipzig«« Sag«dlatte» und alten Nnnoncen-Lepeditionen des In» und stuolande». SrschästosteU« sür Verlin u.di« pr. VranLenburg: btrektionwalter-lieget, Serlin w. IS, Maraarethenstratz« 5. Zernsprech-stnschluK: Lützow »071. Nr. 321. Somisbend, Len 27. Juni. 1914. Das wichtigste. * Der Teutsche Aerztetag in München beschäftigte sich eingehend mit der Lage nach dem FriedcnSschluß im Kassen st reit. S. Ber.) * Der 1Ä o uv er n e m e n ts r a t von Deutsch-Ostafrika wurde am Freitag nach Abschluß seiner Beratungen geschlossen. (S. Kol.) * Fürst Wilhelm von Albanien soll sich angesichts seiner hoffnungslosen Lage mit Rücktrittsgedanken tragen. (S. bes. Art.) * Die g riechis ch e Regierung beruft sieben Klassen der Marinereserven ein. (S. Pol. Uebers.) * Der Vertrag über die chinesische Bahnlinie Tsinanfu —Chang tefn mit der deutschen Eisenbahngesellschaft ist in Pe king unterzeichnet worden. (S. Ausl.) * Zwischen Japan und den Bereinig ten Staaten ist es zu keiner Einigung über die Behandlung der Japaner in Kalifornien gekommen. (S. Ausl.) * Der Fliegermusketier Grünow erlitt bei Metz einen tödlichen Absturz. (S. Sp. u. Sp.) * Den Ju bi l ä u m S p r eis auf dein Ham burger Derbh-Meeting gewann Frh. v. Oppen heims Dolomit mit 5 Längen. z,S. Sp. u. .Spiel.) Vie Entscheidung. Pom Kais. Lrgationsrat Hermann vom Rath. Die internationale Situation spitzt nch immer mehr zu. Die Triebfeder ist . aber nicht der Kriegswunsch, denn selbst der nervöseste Mit bewohner des europäischen Hauses, das fran zösische Volk, verlangt nicht nach blutiger Fehde. Aber instinktiv fühlen cs die Nationen, die ge waltige Rüstungswclle brandet gegen das Bollwerk des Friedens von Jahr zu Jahr höher empör, und der Widerstand verstärkt sich nicht in gleichem Maße. Rüstungen lassen sich nur so lange als Friedensversicherungen vertreten, wie die Prä mie nicht so teuer wird, daß sie die Kräfte der Zahlenden übersteigt. Rüstungslasten, die ein Volk in seiner kulturellen nnd wirtschaftlichen Existenz beschränken, die den Aufstieg hemmen, sind unerträglich. Frankreich ist dem Punkte am nächsten, wo die Ansprüche an die militärische Leistungsfähigkeit der Bürger überspannt wer den. Trotz der drohenden Notlage hält aber sein Parlament an der dreijährigen Dienstzeit fest. Das tonnen wir Deutschen nicht nur verstehen, das müssen wir gerechterweise billigen. Denn wie die Franzosen sind auch wir zu jedem Opfer bereit, das wohlbewührte militärische Auto ritäre» nach reiflicher Erwägung als notwendig bezeichnen. Darum tritt aber auch die Reak tion in Frankreich zuerst ein; sie äußert sich in dem Berlangen: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Dadurch erklärt es sich, daß trotz des friedlichen Grund tones in der Gesamtnation manche bürgerliche Kreise sich mit dem KricgSgedanken mehr ver traut gemacht haben, als sie dies früher taten. Was »un den Charakter der Rüstungen an langt, so bezweckte die deutsche wie die sran- züsiichc seit dem kriege die Herstellung eines dauernden Zustandes, zum mindesten der Gleichheit, möglichst der Ueberlegenheit gegen über dem anderen. Frankreichs Motiv wär die Revanche, während Deutschland das klassische Beispiel der B ers ichc r u n g s t h e o r ic bot. Im Gegensatz zue voraufgegangenen Epoche, in der Bismarck, Roon nur» Moltke planmäßig das deutsche Schwert für die bevorstehenden unver meidlichen Kämpfe schärften. Solche „konzentrierte Rüstungs politik", um einen prägnanten Ausdruck Eon rad von Hötzendorfss zu gebrauchen, scheint, wenn nicht alle Anzeichen trügen, den rnssi- sch en Maßnahmen seit zwei Jahren zugrunde zu liegen. Nicht ein dauernder Zustand, nicht ein be waffneter Friede, nicht Versicherung gegen den Kriegsfall ist der Zweck, sondern die Schaffung cmer Organisation, die in dem Augenblick sicher funktioniert, wo die politische und militärische Lage als die denkbar günstigste zum Handeln erscheint. Ob zu diesem Zeitpunkte tatsächlich die Bajonette aufgepflanzt werden, ob nur durch den Bluff der Geste eine weittragende politische Wirkung erzielt werden soll, wer "kann das vor- aussagcn?! Für beide Evcntnalitätcn, Krieg und Bluff, braucht aber Rußland einen bis an die Zähne bewaffneten Bundesgenossen. Darum zwingt es die Republik, das DrcijahrSgcsctz auf- rechtzuerhaltcn. Diese „konzentrierte Rüstungspvlitil" ver langt auch eine möglichste Annäherung Englands. Der Zweibund weiß, daß Eng land ein Bündnis ablehnt. Solch enge Bindung würde der traditionellen Politik der Isolierung, würde dem Bolkswillen widersprechen. Darum versucht mau, ein Abkommen über die gemein same Verwendung der Flotten im Kriegsfälle zu erreichen. Diese Anstrengungen sind so intensiv, daß man fast den Eindruck gewinnt, ein solches Abkommen bilde die Voraussetzung des Fort bestandes der Entente. Auf die russische Freund schaft legt aber namentlich Sir Edward Grep entscheidendes Gewicht. Vor kurzem erst hat er sie als die notwendige Vorbedingung bezeich net, um das an NeibungSmöglichkeiten so über reiche asiatische Geschäft mit Rußland abwickcln zu können. Aber die britische Regierung hat sich bisher gesträubt, die Bedingung des Flotten abkommens zu erfüllen. Denn die ist unpopulär, die muß dem Volke erst plausibel gemacht wer de», die darf auf Billigung nicht rechnen, solange noch die Möglichkeit einer Verständigung mit Deutschland besteht, solange nicht ein offizielles Nein unserseits vorliegt. Ferner sträubt man sich, weil die Erfüllung jenes russischen Ver langens die Kriegsgefahr steigern würde, Eng land aber den Krieg nicht will, der offenbar im Rahmen der russischen Berechnung liegt. Nun sind Sir Edward Grey und Mr. Curchill in einem Dilemma, sie müssen sich ent scheiden. Ehe sie dies aber tun, scheinen sie einen Versuch machen zu wollen, wohl den letzten, mit Deutschland zu einer Verständi gung zu gelangen. Daraufhin deuten die Zei chen, dafür spricht der demonstrative Besuch briti scher Kriegsschiffe in Kiel, dahin zielte offenbar der erfolglose Versuchsballon, Churchill wolle selber das Geschwader begleiten. Was kann Mr. Churchill vernünf tigerweise verlangen, was kann er bieten'?! Nicht, daß Deutschland an seinem bestehenden Flottengesctz rüttele, wohl aber, daß zukünftigen Ueberspannungen der Flottcnrüstun- geu durch eine llebereinknnft ein Damm errichtet werde. Eine Abmachung, die uns nicht nur die volle Bewegungsfreiheit bezüglich der Landarmee ließe, denn die interessiert England gar nicht, sondern auch bezüglich des Schntzes der Küsten, des Handels und der Kolonien, die demnach ausschließlich eiue etwaige Vermehrung der Großkampsschifse über den jetzigen Stand hinaus beträfe. Hat Herr von Tirpitz dem nicht vercils grundsätzlich zugcstimmt'?! Deutschland und England garantieren sich gegenseitig, daß sie wie in der Vergangenheit ihre Waffen niemals kreuzen werden. Die For met müßte beide» Teilen die Aktionssreiheit, die Fortsetzung oder Anknüpfung derjenigen Be ziehungen ermöglichen, die ihr Interesse anrät, aber ohne Spitze gegeneinander. Etwa nach dem kiderlenschen Schema: „Beide verpflichten sich, nicht auf der Seite der Gegner des anderen zu fechten." Englands Freunde würde diese For mel zwingen, die Politik, die sie stets im Munde führen, der aber ihre Taten widersprechen, in Wahrheit zu befolgen, nämlich die des euro päischen Gleichgewichts, des Friedens, nicht aber die der auf den bevorstehenden Entscheidungs tag konzentrierten Rüstung. Ich habe von jeher die Ansicht vertreten, daß es eines präzisierten Fk ot t c n a b ko m m e n s zwischen England und Deutschland gar nicht bedarf, um die unendliche Rü- stungsscl,raube zum Stillstand zn bringen: daß der ehrlich geschlossene, ehrlich gehaltene diplo matische Traktat genügt, daß seine Rückwirkung auf den beiderseitigen Schiffsbail sich von selber einstelleu wird. Au dieser Ansicht halte ich auch heute noch fest. Aber wenn Herr von Tirpitz nach seinen bekannten Aeußerungen im Reichs tage weitergeht, wenn er die englisrherscits vorgejchlagene Proportion annehmen kann, so begrüße ick) dies mit um jo größerer Befriedi gung, als cs heute tatsächlich den Anschein hat, daß England die Orientierung seiner Politik von einem Flottenabtommen abhängig macht, mit uns oder mit Rußland. Letzterem ist es bisher trotz allem Drängen aus dem Wege gegangen, weil es eben zu einer Verständigung mit uns bereit war und noch ist. Allerdings, lehnen wir diesmal ab, oder gehen wir der Verhandlung aus dem Wege, dann "bin det England sich an Rußland, dann senkt sich die Wagschale des europäischen Krieges, und die des Friedens schnellt empor. Es handelt sich demnach nicht um eine ma rinetechnische, sondern um die Schicksalsfrage des Reiches. Nicht der klügste Admiral, sondern der Reichskanzler muß den Kaiser darin beraten, der die verantwortungsvollste Entscheidung zu treffen hat, seit der russische Rückvcrsichcrlings- vertrag aufgegcben wurde. Möge nach reiflicher Erwägung dann geschehen, was Deutschlands Würde, aber auch, was die Staatstlughcit er- heischt! Zur Erhöhung -er Sarreserven, über die wir uns in unserer Handels zeitung bereits wiederholt ausführlich geäußert haben, schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung": Da über die neueren Bestrebungen der Reichs bank zum Zwecke einer Erhöhung der Bar reserven der Banken in der Presse vielfach irre führende und unrichtige Mitteilungen gemacht wor den sind, erscheint es erwünscht, die Vorschläge der Reichsbank in ihren wesentlichen Punkten der Öffentlichkeit nunmehr bckanntzugeben. Die Reichsbank vertritt den Standpunkt, daß nicht länger damit gezögert werden darf, die von ihr als nötig erachtete Erhöhung der Barreserven der Kreditbanken (Kassen und Guthaben bei Noten- und Abrechnungsbanken) zur Durchführung zu bringen, und daß die Zeitverhältnisse für diese Durch führung außerordentlich günstig liegen, und sie ohne besondere Störungen für unser Wirtschaftsleben er möglichen. Die wirtschaftliche und finanzielle Ent wicklung Deutschlands ist in ruhigere, durch die Abschwächung der industriellen Konjunktur und die größere Flüssigkeit am Geldmärkte gekennzeichnete Bahnen eingelenkt und beginnt einer größeren Liquidität unserer Volkswirtschaft die Wege zu ebnen. Ueberdies darf erwartet werden, daß nach der gewaltigen Erpansion unserer großen Gewerbe auch die nächste Aufstiegsperiode nicht so große Kapitalinvestierungen erfordern wird, wie die ver gangene. Ein weiteres Hinausschieben der zu ergreifenden Maßnahmen, deren Durchführung nur mit der gebotenen Schonung innerhalb eines längeren Zeitraumes möglich sein wird, könnte leicht ver hängnisvoll werden. Was die Reichsbank zur Kräftigung ihrer Leistungsfähigkeit tun konnte, hat sie getan; ins besondere hat sic mit Hilfe der Ausgabe kleiner Notenabschnitte ihren Goldbestand erheblich gestärkt und die Deckungsverhältnisse wesent lich verbessert. Die privaten Banken haben ihre Ueber- zeugung von der Notwendigkeit einer Verbesserung der Kassenliquidität und dementsprechend Vermeidung einer übermäßigen Ausdehnung der Kreditgewährung schon vor fast zwei Zähren auf dem letzten Münchner Bankiertage in einer einstimmig angenommenen Resolution deutlich zum Ausdruck ge bracht. Dieser in der Fachpresse schon lange allseitig betonte Gedanke ist nunmehr Gemeingut der Öffentlichkeit geworden. Als Vorbereitung zu seiner Durchführung wurde von den Banken das Co nditionen-Kartell — unter Führung der Reichsbank — an vielen Plätzen Deutschlands geschaffen. Die dadurch be wirkte Steigerung ihrer Gewinne wird den Banken jene Aufgabe erleichtern. Bisher ist in dieser Hinsicht noch wenig geschehen. Ausweislich der von einer großen Zahl Kreditbanken veröffentlichten Zwei monatsbilanzen zeigt die Bardeckung der fremden Gelder (Depositen und Kreditoren) im Jahre 1913 im Vergleich zum Jahre 1912 keine Aenderung. Die Ausnutzung der Giroguthaben hat sich sogar verschärft. Erst die Zwischenbilanzen vom 30. April d. I. lassen einen Fortschritt erkennen, aber auch nur für die Kruppe der Berliner Großbanken. Der Reichsbank präsident hat nun in einer Besprechung am 18. d. M. zunächst den Berliner Großbanken empfohlen, die Deckung ihrer fremden Gelder durch den Barbestand allmählich bis auf 10 Prozent zu verstärken. Die Reichsbank wolle an die Banken gruppenweise herantreten und wende sich zunächst an die Berliner Großbanken, um, wenn mit ihnen eine grundsätzliche Verständigung erzielt sei, zur Durch führung ihres Programms an die Provinzbanlen heranzutreten. Eine gewisse unterschiedliche Behand lung würde sich dabei nicht umgehen lassen. Von den P r o v i n z b a n k e n könnten nicht die gleichen Lioniditätsziffern gforoert werden wie von den Großbanken. Nach Lage der Verhältnisse müß ten bei den Provinzbanken erhebliche Abstufun gen nach unten eintreten. Die sür nötig erachtete Bardeckungsquote würde sich deshalb für die Gesamt heit der Kreditbanken nur auf 8 bis 9 Proz. stellen. Von einer besonderen Bemessung der Barreserven für jede einzelne Bank nach dem Stande ihrer sonsti gen und sachlichen Liquidität solle und müsse aus naheliegenden Gründen völlig abgesehen werden; die Reichsbank habe vielmehr geglaubt, ihre Vorschläge auf ein Mindestmaß bejchränken zu sollen, das sich für jede Bank rechtfertigen lasse und erheblich unter denjenigen Sätzen bleibe, die die Bank noch vor zehn bis fünfzehn Zähren allgemein gehalten habe. Es sei jeder Bank überlassen, ob sie ihre Kassenbestände vermehren oder ihre Guthaben bei Noten- und Ab- rcchnungsbanken erhöhen wolle. Für die Ausfüllung der Barreserven werde ein Zeitraum von zwei Jahren für ausreichend erachtet, jo daß erst das dritte Jahr die gewünschte durchschnittliche Liquidität bringen solle. Die an zusammelnden Kassenrfcrocn seien nicht als äußerer Bestand gedacht, sondern sollten zur freien Verfügung der Banken stehen, die sie in flüssigen Zeiten nach Möglichkeit auffüllen könnten, um in Zeiten der An spannung davon Gebrauch zu machen. Sie sollten die betreffenden Quoten nur im Jahresdurchschnitt er reichen. Da die Barreserven der Berliner Groß banken nach dem Durchschnitt der fünf Zweimonats bilanzen und der Zahrcsschlußbilanz von 1913 5,1 Vroz. — nach der Zwischenbilanz vom 30. April 1914 sogar 5,4 Proz. — der Depositen und Kreditoren betrugen, würde für iie die Forderung der Reichsbank ein« knappe Verdoppelung ihrer bisherigen Bar deckung bedeuten. Für die Gesamtheit der überhaupt in Betracht kommenden deutschen Kreditbanken würde cs sich darum handeln, ihre Barreserven um durch schnittlich etwa 4 Pcoz. ihrer fremden Gelder, d. h. um rund 350 bis 400 Millionen, zu verstärken. Für die bisher Zwischenbilanzen vcrösfentlichcnden Kredit banken würden sich diese 1 Proz ihrer fremden Gelder nach dem Durchschnitt des Jahres 1913 auf etwa 323 Millionen Mark stellen. Die Banken werden die gemachten Vorschläge unter sich einer cinzeh:noen Prüfung unterziehen, und die Verhandlungen sollen demnächst fortgesetzt werden. Zum Sriesträgerstreik in Parks. (Von unserem Pariser I, - M i t a r b e i t e r.) Paris, 25. Juni. Der Belagerungszustand des Zentralpostamts, der nach den Enieutcszenen vom Dienstagcbend» gestern bis 2 Uhr nachmittags fortdaucrte, hat die Pariser Geschäftswelt in hohem Maße geschä digt. Nicht genug damit, daß wegen der jüngsten Erdrutschungen 30 000 Abonnenten des Telephons (wie auch der elektrischen und Gasbeleuchtung) ihrer Anschlüsse beraubt sind — gestern blieb auch die schriftliche Korrespondenz aus, und die Briefe nach der Provinz und dem Ausland gingen zum großen Teil nicht ab. Schöne Zeiten für Leute, kie nicht auf den Außenverkehr völlig verzichten können. Als der Minister der öffentlichen Arbeiten, Thomson, im Direktionsbureau des Zentralamts eintraf, um höflich mit seinen ausständigen Unter gebenen zu parlamcnticren, fand er ein Dutzend Großkaufleute vor, die weder ihre Abende noch Morgenpost erhalten hatten und Aufklärung ver langten. „Gedulden Sie sich", sagte der Minister. „Es liegt in Ihrem Interesse, daß vor allem Ihre Briefschaften nicht sabotiert werden — unv die Beamten sind nicht nur Herr der Räume, in denen sie sich verbarrikadiert haben, sondern auch ungezählter Briefsäcke, die dort lagern. Aber lassen Sie mir nur Zeit: das Gesetz wird schließlich trium phieren." — Aber wie lange sollen wir denn noch warten?", fragten die Kaufleute. — „Das kann ich Ihnen nicht sagen." — „Wenn Sie wenigstens mit den Beamten verhandeln wollten ..." — „Daran ist im Augenblick nicht zu denken. HörenSiedoch nur.. ." — Aus den oberen Stockwerken dröhnte wüster Lärm herunter: „Nieder mit dem Se nat!". „Hu! Hu! Die alten Simpel!" „Wir wollen unsere 400 Franken!", schrien die „Postiers" im Chor. Etwa tausend Mann hatten seit 7 Uhr früh, nachdem in d-er Nacht ruhig gearbeitet worden war, den Tumult des Vorabends neu begonnen. Sämt liche Etagcntüren waren mit Säckcn und Tischen verstopft worden; von den offenen Fenstern ließen die Unzufriedenen ihre Protestrufe weithin vernehmen. Drunten kommandierte Polizei präfekt Hennion ein großes Polizeiaufgebot und verhinderte ein weiteres tausend Postbeamte, in das Gebäude einzudringen. Obschon auch Infanterie an rückte, verzichtete man auf eine gewaltsame Einnahme der Festung — immer in der Furcht, die „Postiers" könnten sich an don Millionen Bricsschaitcn rächen. Man wollte sie aushunger u. An Stricken zogen die Belagerten Brotlaibe, Würste und Weinflaschen hinauf, die Freunde unten anbanden, bis den Poli zisten Befehl erteilt wurde, dies zu verhindern und« alle Viktualien abzuschneiden. In der Nachmittags stunde aber gelang es, von einem oberen Stockwerk ein Seil über die Straße nach einen« Restaurant hinüber,zuschwiugen, an dem entlang große Proviant mengen hinaufbesördert wurden. Inzwischen verhandelte der Minister ununterbrochen mit seinen Direktoren, fuhr auch zuweilen zum Ministervräsid<nten Viviani. Erst um 2 Uhr kam er auf den Gedanken, den „Postiers" sagen zu lassen, sie möchten eine Abordnung von zehn Mann zu ihm schicken, mit denen er über die Bewilli gung aller Forderungen sprechen werde, falls sogleich die Arbeit wieder ausgenommen würde. Die zehn Mann wurden erwählt und die Türen geöffnet. Thomson verpflichtete sich im Namen der Regierung, bei der zweiten Lesung des Budgets die vom Senat gestrichenen Kredite für die Forderungen der Post- untcrbeamten durchzusetzen. Das war die mutige Kapitulation der Negierung, die zwar von Anfang an die Berechtigung der Wünsche nicht bestritt, aber bedingungslos die Rückkehr zur Diszi plin hätte verlangen können. Thomson hatte gesagt, die hauptstädtische Gehalts zulage von 100 Franken werde insgesamt nur 50 000 Franken erfordern. Senator Dupont -aber sagte In terviewern, diese Zulage werde rund 700 000 Franken kosten, und im nächsten Jahre das Doppelte, da die „Postiers" nach der ersten Erhöhung eine zweite für das folgende Budget erwarten. Wie dem auch sei — das Publikum atmete auf, als in dvn Abendstunden die Briefträger haufenweise die verspätete Korrespondenz brachten. Manche hatten so viel Zu tragen, daß die Direktion sie in Droschken ausfahren ließ! Aber es wird wohl die Woche zu Ende gehen, ehe der ganze aufgespeicherte Briefwust sortiert sein wird. Rücktritt -es Zürsten von Albanien! Nach einer Wiener Meldung sind die Verhand lungen mit den Aufständischen auf Betreiben der holländischen Offiziere, die ja von vornherein gegen den Waisenstillstand waren, abgebrochen worden. In Berlin wird die Lage des Fürsten als hoffnungslos angesehen und dieser selbst soll sich ernsthaft mit Rücktrittsgedankrn tragen. Die Miriditcn und Ma lissoren in Durazzo beginnen den Gehorsam zu ver sagen, so daß nicht einmal die Hoffnung auf eine wirksame Verteidigung der Stadt aufrechtcrhalten werden kann. Wir verzeichnen folgende Mel dungen: Abbruch der Verhandlungen? Wien, 28 Juni. Rach einer der „Renen Freien Presse" au» Durazzo zugegangenen Meldung sollen die Verhandlungen mit den Ausständj- sckien aus Betreib«« d«r holländischen Offiziere endgültig abgebrochen worden sein.
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