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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.07.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140727017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914072701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914072701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1914
- Monat1914-07
- Tag1914-07-27
- Monat1914-07
- Jahr1914
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Sette 2. Nr. 376. Morgen-üussisve al» möglich wieder normalen Verhältnissen Platz mache» solle». So werden silnf kaiserlich, Berard»»«, gen aus Grund de» K 14 de» Staat»grundg«setzbuche», ferner eine Reihe von Minifterialverord. » ungen erlassen, die sogleich in Krast treten. Di, kaiserlichen Verordnungen beziehen sich u. a. aus die Uebertragung von Befugnis sen der p o l i t i s ch e n Verwaltung an den Höch st« kommandierenden -er Streitkräfte in Bos nien, der Herzegowina und Dalmatien. Die Ministerialverordnungen betreffen u. a. die S u s p e n s i o n von staatogrundgesetz. lichenBestimmungen bezüglich der persönlichen Freiheit, sowie des Versammlungsrechts und der Prrtz- sreiheit, ferner auch dir Einstellung der Wirksamkeit der Geschworenengerichte, der Beschränkung des Patz wesen», die Unterstellung von Zivilpersonen wegen strafbarer Handlungen gegen di, Armee unter die militärische Strafgerichtsbarkeit, ferner ein teilweises Ein-, Durch- und Ausfuhrverbot für verschiedene Ar tikel, das Inkrafttreten des Kriegsleistungsgesetzcs und anderes mehr. Ferner wird die Session des Reichsrates sofort geschlossen, ebenso alle Landtage. Analoge Ausnahmeversiigungen werden auch für Ungarn, Bosnien und die Herzegowina erlassen. Kundgebungen für Oesterreich in veuffchlan-. Stratzburg i. E., 26. Juli. Als gestern abend gegen 10 Uhr durch Extrablätter die Ablehnung der österreichisch-ungarischen Note durch Serbien bekannt wurde, machte sich alsbald im Vcrkehrsmittelpunit, am Hohenstrg, Meisendamm und am Broglirplatz ein ungewöhnlich lebhafter Verkehr bemerkbar. Die Strotzen und anliegenden Restaurants waren dicht gefüllt und alsbald wurden lebhafte Kundgebungen für Oesterreich laut. In verschiedenen Casös wurden die „Wacht am Rhein" und „Deutschland, Deutschland über Alles" gesungen. Der Gesang pflanzte sich auf die Strahen fort. Erst nach Mitternacht verlies sich die Menge. Ausschreitungen in München. ^Eigener Drahtbericht.) Niünchen, 26. Juli. Hier ist es zu schweren Ausschreitungen gekommen. Zn dem grotzen CasL und Restaurant Fahrig am Karlstor ver bot der Sohn des Besitzers dem Kapellmeister das Spielen patriotischer Lieder. Infolgedessen kam es zu einem grotzen Getümmel. Der Besitzers, sohn wurde tätlich angegriffen und muhte sich durch die Flucht in Sicherheit bringen. Im Casv wurde alles kurz und klein geschlagen. Studenten brachten in Automobilen Ziegelsteine heran und eröffneten mit diesen «in Bombardement. Die grotzen Spiegelscheiben und die gesamte Einrichtung des Restaurants wurde von der wütenden Menge während eines zweistündigen Ansturmes vollständig zerstört. Die Steine flogen bis in das zweite Stock in die Zimmer der Hotelgäste, die von grohem Schrecken ersaht wurden. Die Polizei muhte Gewalt anwendcn, um die Menge zu zerstreuen. Insgesamt wurden 20 Verhaftungen vorgenommen. Vie Rückkehr -es Kaisers nach öerlin. sVon unserer Berliner Redaktion.) Berlin, 26. Juli. Die von uns bereits an gekündigte Rückkehr des Kaisers nach Berlin wird jetzt bestätigt. Offiziös wird bekanntgegrben, dah der Kaiser früher wie ursprünglich beabsichtigt auf der Heimreise von der Nordlandreise begriffen ist und voraussichtlich im Lause des morgigen Tages in Berlin eintressen wird. Kiel, 26. Juli. Der Kaiser, der ursprünglich in Kiel an Land gehen wollte, ist unterwegs nach Cux haven. Der Hofzug, der bereits aus Lein Wege nach Leipziger Kiel war, ist in Hagrnow nach Cuxhaven umgelritet worden. Keine Kriegserklärung Oesterreichs an Serbien. (Eigener Drahtbericht.) Wien, 26. Juli. In hiesige», dem Auowärtigeir Amte nahestehenden Kreisen verlautet, dah Oester reich keine offizielle Kriegserklärung an Serbien richten werde, da Serbien das Haager Protokollnichtunterfchrieben habe. Italien an Oesterreichs Seite. Wien, 26. Juli. Die italienische Regierung lieh der österreichisch, ungarischen Regierung die Erklärung zukommen, dah sie in einem even- turllen Konflikt zwischen Oesterreich und Serbien eine Oesterreich freund- liche und dem Bündnisverträge ent sprechende Haltung ei „nehmen werde. Kunügebungen in Paris. Paris, 26. Juli. Heute morgen zogen etwa 100 junge Burschen vor die österreichische Botschaft und brachen in Rufe: „Nieder mit Oester reich! Tod Oesterreich!" aus. Einer der Demonstranten zog eine schwarz-gelbe Fahne aus der Tasche, setzte sie in Brand und trat sie mit Flitzen. Schutzleute schritten sofort ein und zerstreuten die Demonstranten. Der österreichische Bot schafter erhob sofort am Quai d'Orsay Ein spruch gegen diese Kundgebungen und verlangte, dah Mahnahmen getroffen würden, die ähnliche Aus schreitungen unmöglich machen. Der Direktor im Auswärtigen Amte sprach sein Bedauern aus über das Vorkommnis und erklärte, die nötigen Vorsicht», mahregeln sofort treffen zu wollen. Die Demon stranten begaben sich von der österreichischen Botschaft zur russischen Botschaft, um dort eine Sym pathiekundgebung zu veranstalten, wurden aber von der Polizei an ihrem Vorhaben gehindert. Paris, 26. Juli. Clemenceau bedauert im „Lhomme libre", dah Frankreich keine amtlichen Mittel habe, um zu handeln. Wenn Poincarc- und Vioiani von Stockholm aus ihre Ansicht nach Peters burg übermitteln, so haben sie dies getan, ohne die Minister um Rat zu fragen. Inmitten dieses über stürzten Erwachens Europas sind wir ohne Leitung und Willen. „W irsind ein von seiner Re gierung verlassenes Lan d." Paris, 26. Juli. (E i g. D r a h t b e r i ch t.) Der „Temp s" veröffentlicht einen Leitartikel unter der Ueberfchrift: „Will Deutschland den Krieg?" In diesem Artikel wird eine ziemlich scharfe Sprache gegen Deutschland und Oesterreich ge führt. U. a. heiht es: Bisher hat die deutsche Re gierung rückhaltlos das vorgehen Oesterreichs ge billigt, obgleich es behauptet, an den Vorbereitungen zu dem österreichischen Handstreich nicht mitgearbeitet zu haben. Der Kaiser und Bethmann Holl weg sind zu erleuchtete Geister, um sich über die Tragweite der Haltung Deutschlands zu täuschen. Deutschland muh Oesterreich den Rat geben, eine der verschiedenen Lösungen zu ver suchen, die den Krieg hätten vermeiden können, sonst mich die Welt annehmen, datz auch Deutschland den Krieg wünscht. Will Deutschland den Krieg? Wir stellen diese Frage und erwarten eine Antwort darauf. Nur Deutschland kann in Wien sein Wort durchsetzen, an dessen Aufrichtigkeit selbst die leidenschaftlichsten Anhänger der Kriegs partei nicht zweifeln können. Die Hoffnung auf -en Kaffer. (Eigener D r a h t be r i ch t.) Paris, 26. Juli. Die gesamte heutige Mar ge »presse veröffentlicht lange Prioatmeldungen über die kriegerischen Kundgebungen, die Tageblatt. sich gestern abend in Berlin Unter den Linden und in der Wilhelmjtrahe abgespielt haben. Es sei nicht zu verkennen, datz diese Manifestationen, selbst wenn sie in Wirklichkeit sehr unbedeutend gewrse» feie», doch einen äußer st peinlichen Eindruck her- vcrgerufen haben. Besonders die nationalistische Presse hat diese» Umstand sehr stark hervorgehoben. So ruft das „Echo de Pari»": Die Deutschen singen der Serben wegen, die an der Donau sitzen: „Die Wacht am Rhein". Wir wären Narren, wenn wir uns nicht bedroht suhlten und wenn wir nicht einsähea, datz ein zweites 1864 uns an den Vorabend eine» 1870 bringt. In den Ministerien und Kabi netten herrscht überall fieberhafte Tätigkeit. Sämt liche Minister sind nach Paris zurückgekehrt und haben ihre Posten wieder angetreten. Besonders fieber hafte Tätigteit herrscht im Kriegs mini» sterium. Im Lause der Nacht erschienen aus der einzigen össenrlichen Telegraphenstation in Paris, der Vörie, eine ganze Anzahl von Soldaten der Rad- sahrerabteilung der Pariser Garnison, die bündel weise Depeschen auslieferten, sämtlich an Offiziere gerichtet, tue sich auf Urlaub befinden und ofjenbar ausgefordcrt werden, sofort zu ihrem Regi ment zurückzukehren. Es ist übrigens sehr bezeichnend und merkwürdig, datz sich hier augenblicklich alle AugenausdenDeutsch en Kaiserrichte n. Dutzende Male hört man aus den Boulevards das Wort: Wenn Kaiser Wilhelm erst wieder in Berlin ist, wird sicherlich alles arrangiert werden. Wil helm II. ist ein friedliebender Mann. Es ist unmöglich, datz er das zugibt, datz wir uns Serbien wegen mit den Deutschen schlagen. Vas serbische Mobilisterungs-ekret unterzeichnet. Belgrad, 26. Juli. Der Thronfolger hat im Namen des Königs das Dekret für die Mobi lisierung der ganzen Armee unterzeichnet. Ein Mftuf an -as serbische Volk. Belgrad, 26. Juli. Es soll eine Proklamation an das Volt erlasse» werden, worin die Bürger auf- gcsordcrt werden, ruhig in ihren Häusern zu blei ben, weil, wenn das Land angegriffen werde, die Armee es so gut wie möglich verteidigen werde. Der Cin-ruck in Serajewo. Serajcwo, 26. Juli. Die durch ein Extrablatt verbreitete Nachricht über den Abbruch der diploma tischen Beziehungen mit Serbien rief in der Stadt gehobene Stimmung hervor. Da wegen des Standrechts Ansammlungen in den Stratzen nicht gestattet sind, sammelte sich das Publikum in den Kaffeehäusern, in denen freudige Bewegung herrschte. In den Nachtstunden sammelte sich vor dem Landes regierungsgebäude eine grohe Menschenmenge an, darunter viele Moslemins, und veranstaltete unter Zioiorufen auf den Kaiser, die Monarchie und die Armee begeisterte Kundgebungen. Sie wehrpflichtigen Gesterreich-Ungarns. Im amtlichen Teile der vorliegenden Nummer des Leipziger Tageblatts befindet sich eine von dem österreichisch-ungarischen Ge schäftsträger in Dresden ausgehende Kund- gebung an die Wehrpflichtigen Oesterreich-Ungarns folgenden Inhalts: In Oesterreich-Ungarn wurde von Seiner- Majestät eine teilweise Mobilisierung «»geordnet. Diejenigen Dienstpflichtigen, die ans diesem Anlasse einzuriickcn haben, werden hiervon durch Ein rückungskarten verständigt. Den Einberu fenen werden die Reise ko ft ei: vergütet. Zur Erfolgung des Reisekostenbeitrages haben sich jene Einberufenen, die nicht über die erforderlichen Reiscmittel verfügen, unter Borweis der Ein- berufuugskarte beim K. u. K. Konsulat zu melden (Leipzig, Dresden oder Chemnitz). Den übrigen Mont»,, 27. ZuU lSl«. Einbernsenen werden die Reisekosten nach den be stehenden BergütungSsätzen nachträglich ausbezahlt. Tie Beförderung aller Einrückenden auf den Eisen bahnen (auch den reichsdeutschen) erfolgt aus Grund der Einberufungskarte, die auf der Einsteige, station zur Abstempelung dem Dchalterbeamten vor- zuweisen ist. Der Schalterbeamte händigt die Eisen- bahnbillette ohne Bezahlung aus. Einberufene, deren Wohnsitz der Monarchiegrcnze (Einbruchstcuion) näher gelegen ist, als dem Amtssitze der nächst gelegenen K. u. K. Bertretungsbehörde, haben sich direkt in die Einbruchstation zu begeben. Seine K. u. K. Apostolische Majestät haben eine Amnestie für einberufene sofort einrückende Stellungsflüchtlinge und Deserteure erlassen. Die gleiche Amnestie gilt für nicht ein- berufene, jedoch sofort einrückende Stcllungsflncht- linge und Deserteure. O Vie vermutliche Gestaltung -er strategischen Lage in einem österreichisch-serbischen Krieg. Der Ausbruch eines bewaffneten öftcrreichisch- serbijchen Konflikts, der seit dem Jahre 1909 als ewig drohendes Verhängnis auf der Donaumonarchie lastete, ruft das Interesse an der vermutlichen Gc Haltung der strategischen Lage in höchstem Grave mach. Dabei wirs allerdings oorauszusetzcn sein, datz Las kriegerische Verhältnis nur die beiden genannten Staaten ergreift und sich nicht etwa, was leider nach den letzten Nachrichten zu befürchten steht, zu einen, allgemeinen LUelttrieg auswächst. Soviel leuchtet auch ohne weiteres dein militärisch ungeschulten Blia des Laien ein, datz in diesem an sich ungleichen Waffengange zwischen dem mächtigen Oesterreich und dem kleinen Serbien die Donaumonarchie der an- greifende Teil sein wird und muh. Das ergibt sich nicht nur aus den beiderseitigen «tärkeverhültnissen. sondern erst recht dann, wenn man das politische Ziel im Auge behält, das Oesterreich mit seiner kriege rischen Aktion verfolgen will. Serbien wird also in die Defensive gedrängt sein. Die Stellung der Angreifers ist für Oesterreich um so günstiger, als ihm für seine Angriffsoperationen zwei Einfalls tore zur Verfügung sieben. Die Gestaltung der gegen wärtigen österreichisch-serbischen Grenze bringt es mit sich, datz ein österreichischer Einmarsch in das Reich König Peters ebensogut vom Norden her über die Donau als von Westen her aus Bosnien erfolgen kann. Auf diese Weise mühten die serbischen Streit kräfts, falls Oesterreich, was sehr viel Wahrschein lichkeit für sich hat, diese beiden Einmarschruten be nutzt, in eine Umklammerung geraten, die ihnen leichr verhängnisvoll werden kann. Nun ist es allerdings richtig, datz die serbische Nordfront durch die vor ihr liegende Donau immerhin einen strategischen Schutz genieht, ist doch ein Fluh mit einer Breite von über 1000 Meter und einer Tiefe von durchschnittlich 7,5 bis 10 Meter ein militärisch sehr beachtliches Hindernis. So würden hier die Oesterreicher ver mutlich auf ernsthafte Schwierigkeiten stoßen, wenn man nicht wühle, datz eine gleichmähige Verteidigung des Donauflusses in seiner ganzen Ausdehnung von 250 Kilometer den Serben raum möglich sein wird und datz ferner die serbischen Donaubefcstigungeu keinerlei strategischen Wert beanspruchen können, weder die van Belgrad, noch die von Semendria und Kladowo. So wird man damit rechnen können, datz die österreichischen Truppen einen Donauübergang vcrhältnismätzig leicht werden bewerkstelligen können Gesetzt aber den Fall, dah die Serben im Verträusn auf die sichere Deckung auf die Donau hinter dieser die Offensive der Oesterreichcr annehmen werden, so mühte ein kräftiger Vorstotz von Bosnien her er folgen, um die Serben mit Erfolg in der Flanke ,u treffen. Dieses werden sich wahrscheinlich auch die leitenden militärischen Stellen der serbischen Armee sagen und es deshalb vorziehen, ihre Hauptstreitiräfte mehr im Süden zu konzentrieren, wo sie selbst an griffsweise vorgehen könnten. Unter allen llmstün den aber muh die Landeshauptstadt Belgrad, die ja der Grenze zu nahe liegt, aufgegeben werden. (Nach den letzten Meldungen ist dies bereits geschehen. D. Red.) Der nördliche Aufmarsch der^österreichischcn Streitkräfte würde etwa bei Semlin zu erfolgen haben, der südliche an der bosnisch-serbischen Grenze. Es versteht sich von selbst, dah, um di« volle stra tegische Wirkung zu erzielen, beide Aufmarschgruppen zu gleicher Zeit in Feindesland vorstohen müssen. * Vie heeresflärken. Die österreichisch-ungarische Armee verfügt über eine Kriegsstärke von ca. 2 500 000 Mann mit Kunst und Wissenschaft. Schneiöer wibbe!. Komödie in fünf Bildern von Müller-Schlösser. (Erstaufführung im Alten Theater a m 26. Juli 1011.) Schneider Wibbel genietzt Vers seltene Glück, sein eigenes Begräbnis zu erleben. Die Groteske dieser Trauerfcierlichkeit ist der Höhepunkt der Komödie. Alles andere bleibt nur Mittel, um diese Szene zu ermöglichen. Schneider Wibbel ist durch eine Ver wicklung in die üble Lage geraten, als ein Toter gelten zu müssen. Er hatte nämlich das Unglück, einen hcitzblütigen Augenblick, in dem er feinem patriotischen Herzen allzu laut Lust machte, mit vier Wochen Gefängnis quittiert zu belommen. Da war nun guter Rat teuer, wie das Geschäft ausrcchterhalten werden könne, bis die findige Meisterin auf die Idee kommt, Len schwindsüchtigen Gesellen an Stelle des Meisters in die Haft zu schicken. Der Meister wird dafür in einem Kämmerlein vor aller Welt versteckt. Dort kann er in aller Stille mit Nadel und Elle weiter hantieren. Dies wäre alles recht gut, wenn nicht der unglückselige Geselle im Gefängnis sein Leben be schlösse, und zwar nach seinen Papieren als Schneider Wibbel. Die Folgen der Verwicklung find mit herzhaft grotesken Strickzen gezeichnet. Meister Wibbel erlebt als Beschauer vom Fenster aus seinen eigenen Leickzenpomp. Dies und die vorhergehenden Kondolenzbesuche sind von einer Komik, der man sich nicht entziehen kann. Der letzte Aufzug bringt die Lösung der Schwierigkeit, wie nun Wibbel weiter die Lust des Daseins geniehcn kann, ohne als ein von den Toten erstandener zu gelten. Dieser letzte Aufzug hat reichlich viel Plumpheit. Die drei mittleren Aufzüge sind straff und bühnensicher gebaut. Der erste zerbröckelt in ein Mosaik von an sich farbenlebendigen Genrebildern au» der Napoleonischen Zeit, ohne datz die Lini: der Handlung bemerkbar würde. Das beste dieser Bilder ist die Szene der Bänkelsängerin. Die rücksichtslos d«rb« Gestaltenzeichnung erinnert an Rosenows „Kater Lampe". Karl Huths Regie hatte die Sgentt» rotrkung»sicher h«rau»gearbettet. Ekert» Schneider war eine lebendige Gestalt uird war in seinen Verlegenheiten recht ergötzlich. Er hielt sich erfreulich fern von Uebertreibungen, zu denen die Rolle verführen konnte. Marie Dalldorf lieh der Meisterst« ihre ge sunde, unverwüstliche Komik. Reimers war als Gesell ein frischer Kerl, während Jngenohl für feine Darstellung des schwindsüchtigen Zimpcl ein besonderes Lob gebührt. Verschiedene Anzeichen, z. B. auch die trefflich gesagte Charge des Lyrikers im „Marquis von Keith" weisen darauf hin, Latz Jngenohl sich mehr charakteristischen Rollen zuwenden füllte. Sonst war unter den Kleinbürgern noch manche gute Maske zu sehen. I)r. kriockriob sebreodt. * Die Dresdner Hostheater versenden soeben ihren Jahresbericht. In der Spielzeit 1913/14 gelangten an 287 Spieltagen in der Hofoper 57 verschiedene Opern, 1 Ballett Divertissement und 3 Pantomimen zur Ausführung. An 15 Abenden fanden im König licken Opernhause Konzerte statt. Von Len aufgc- sührten Werken wurden folgende Opern und Pan tomimen zum ersten Mal gegeben: „Der Schmuck der Madonna" (l 6lojelli »lolln Kackoniml. Oper in drei Akten aus dem neapolitanischen Volksleben. Hand lung und Musik von Ermanno Wolf-Ferrari, Verse von C. Zangarini und E. Golisciani, deutsch von HanS-Liebstocckl. „Coe-nr-^.«", Oper in drei Akten nach Scribc von Emil Tjchirch und Carl Berg. Musik von Eduard Künneke. „Glockenspiel" (Oarillon), Komische Oper in einem Akt von Bruno Warden und I. M. Welleminsky. Musik von Ian Brandts- Buys. (Uraufführung.) „Der Liebhaber als Arzt", musikalisches Lustspiel in zwei Akten nach Möllere. Verse von Enrico Golisciani. Deutsch von Richard Batka. Musik von Ermanno Wolf-Ferrari. (Urauf führung.) „Das lockende Licht", Pantomime in vier Bildern von Felix Salten. Musik von Wladimir Metzl. (Uraufführung.) „Parsisal", ein Bühncn- weiyfestspiel von Richard Wagner. „Gabina", Musikdrama in drei Aufzügen. Dichtung von Ro bert Overweg. Musik von Arthur Wulffius. (Ur aufführung.) „Dornröschen", Märchen Pantomime in drei Akten. Musik von Engelbert Humper dinck. Bearbeitet von Alex. dArnal». Im Schauspiel gelangten an 28ö Abenden und au 30 Nachmittagen im ganzen 53 verschiedene dra matische Werke zur Aufführung. Von diesen wurden 12 zum ersten Mal aufgeführt, und zwar: Szenischer Prolog zur Eröfsnung des neuen König!. Schauspiel hauses von Herbert Eulenbcrg (Uraufführung). Ernste Schwänke von Herbert Eulenberg (Prolog, Die Welt will betrogen werden. Die Geschwister. Die Wunderkur). „Me-n Freund Teddy", Lustspiel von Andrä Rivoire und Lucien Besnard. Deutsch von Brlten-Baeckers. „Die armseligen Besenbinder", ein altes Märchen von Carl Hauptmann (Uraufführung). „Pygmalion", Komödie von Beruh. Shaw. Deutsch von S. Trebitsch. „Das Gottes Kind", ein Weihnachts spiel, das der Sternsinger beginnt und die Drei Freudigen beschlietzen. Nach alten deutschen Volks spielen und -Liedern von Emil Alfred Herrmann (Uraufführung). „Der lebende Leichnam", Drama von Leo Tolstoi. Uebersetzt von August Scholz. „Schirin und Gertraude," ein Scherzspiek von Ernst Hardt. „Ostern", ein Passionsspiel in drei Akten von August Strindberg. Deutsch von Emil Schering. „Kater Lampe", Komödie in vier Akten von Emil Rosenow. „Der Marquis von Keith," Schauspiel in fünf Aufzügen von Frank Wedekind. „Herr Viel- gejchrey" oder „Der Mann, der keine Zeit hat". Ko mödie von Ludwig Holberg. Uebersetzt von Karl Morburger (Uraufsührung). * Zu Ehrendoktoren der Theologie ernannt« die Theologisch« Fakultät der Universität Leip zig den als ordentlichen Professor der Theologie an die Universität Leiden (Holland) berufenen bisheri gen Prioatdozenten an der Universität Leipzig Lic. theol. Dr. phil. Hans Windisch und den außer- ordentlichen Professor der Theologie an der Universi tät Marburg Lic. thcol. Dr. phil. Horst Stephan; der ebenfalls früher als Privatdozcnt an der Uni versität Leipzig wirkte. * Die verschollene „Rheingold"-Partitur, die im Archiv des Hauses Wahn fried aufgefunden wurde, wird jetzt von der Vermögensverwaltung des Königs Otto offiziell zurückverlangt, das heisst, es sind offizicll« Nachforschungen angeftcllt worden, und es hat ganz den Anschein, als ob Richard Wagner die Partitur, die tatsächlich -as Eigentum König Lud wigs war, leihweise der Bibliothek des Königs ent nommen hat, ohne eine Bescheinigung darüber zu geben. Die Partitur ist dann im Halffe Wahnfried geblieben, und es wäre jetzt Veranlassung, falls die Untersuchungen diesen Abschluß ergeben sollten, datz das Manuskript vom Hause Wahnfried dem König!. Archiv zu Recht zurückgogeben wird. Schon der frühere Generalintendant Freiherr v. Perfall hatte solche Untersuchungen angestellt, die aber aus be sonderen Gründen seinerzeit wieder eingestellt wurden. * Der Maler Louis Kolitz f. In Berlin ist Sonnabend der hervorragende Landschasts- uno Schlachtenmaler Professor Louis Kolitz im 70. Lebensjahre nach längerer Krankheit gestorben. Louis Kolitz hat als Direktor der Kasseler Kunstakademie, di« er dreißig Jahre — bis zu seiner 1911 «rfolgten Uebersiedlung nach Berlin — leitete und durch sein Schaffen eine angesehene und einflußreiche Rolle gespielt. 1845 zu Tilsit geboren, studierte er an der Berliner Akademie und danach in Düsseldorf. Er war ein Schüler Oswald Achen back>s. Sein bekanntestes Bild ist „Der Große Kur fürst auf dem Haff", das im Provinzialmufcum zu Hannover hängt. * Da» Institut zur Erforschung der Kohle in Mülheim an der Ruhr wird heute Lurch einen Festakt seiner Bestimmung übergeben wcrdcn. Das Institut ist der K a i sc r - W i l Helm- Gesellschaft zur Förderung der Wissen schaften in Berlin ungegliedert. Die Stadt Mülheim, der Sitz des Instituts, konnte aus einer Stiftung des Dr. Leonhard die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Die ausgedehnten Anlagen haben einen Kostenaufwand von 700 000 erfordert, Sie sind auf einem 4 Morgen großen Grundstück ans dem Kahlenberg errichtet. Verschiedene Werke, Einzelpersonen, Vereine und Gesellschaften Haden als jährlichen Beitrag ''nsgesamt 165 000 aezeichnct. Die Leitung der Anstalt wurde Professor Franz Fischer, bisher cm der Technischen Hochschule in Thar- lottenburg, übertragen. Der Vorsitzende des Kura toriums ist de: Regierungspräsident von Düsseldorf Dr. Kruse. In der heutigen Abendausgabe beginnen wir mit dem Roman „Das stille Leuchten" von Paul lSrabr'n.
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