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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.11.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19141128023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914112802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914112802
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1914
- Monat1914-11
- Tag1914-11-28
- Monat1914-11
- Jahr1914
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veue 2. Nr. 605. Nveno-nuvsade. Leipziger Tageblatt. Sonnavenü. 28. Nooemver lSl4. niedergemacht wurden. Der weiter beschuldigte Ma jor S-eifert vom 26. Infanterieregiment gibt gleichfalls an, bah ein Bataillon nach der Erstür mung des Drinauiers beim Verlassen von Zworntk non Komitalschis und Bauern von rückwärts aus den Häusern beschossen worden ist, was viel Opfer kostet«. Die Erbitterung über dieses Vorgehen der Bevölke rung, welche man absichtlich bc anders gut behandelte, um gl zeigen, dass sie es mit einem vornehmen Geg ner zu tun habe, wuchs derart, das; einzelne Häuser, worin Komitatschis versteckt waren, angezündet werden muhten. Der Hauptmann Wuich vom 21. Landwehrregiment erklärt die Meldung des ser bischen Preßbllros, daß er jeden dritten serbischen Cx>- sangenen als Franktireur nicdermachcn ließ, für Er ft n d u n g und fügt hinzu, bah während des ganzen Feldzuges weder von ihm noch von seinen Mann schaften ein nichlkombattanler »erde niedcrgemacht worden sei. Von Hauptmann Kozda vom 79. In fanterieregiment, der sich bei einer schwer erreichbar detachierten Abteilung befindet, liegt noch keine Aeußcrung vor. Anlangend endlich bei der auf an geblichen Mitteilungen kriegsgefangener öster reichisch-ungarischer Militärärzte der 9. Insinterie- Truppen-Divisien beruhenden Mitteilung, das; unsere Truppen alle verwundeten Serben ge tötet hätten, sei mitgetrilt, das; nicht ein einziger derartiger Fall bekanirtge- worden ist. Auch die unverwundet in Eefangen schäft geratene serbische Mann chaft wird von der oitcrre-ch-sch ungarischen Manu'chast mit großer Rück sicht behandelt und sogar verpflegt. Aach diesen Fest stellungen ist es klar, das; die serbische Diplomaric diese Anschuldigungen nur deshalb erhoben bat. um die von der serbischen Bevölkerung und dem M l'tiir an unseren Soldaten verübten Grau samkeiten als Repressalien hin stell en zu können. Tatsächlich wurden von un'e-en Truppen nur dann Repressalien angewendet. wenn sie hinter listig von Weibern, Kindern und Nichtkombattanten angeschosscn wurden. Die Verluste -er Russen in Polen. fr.s Mailand. 28. November. (Eigene Draht- lachricht.) D:r Kriegsberichterstatter des „Torriera della Sera" meldet seinem Blatte, dost die Ver luste derRussen in dem letzten seit Ende voriger Woche andauernden Kamps» in Polen nahezu 12V vvv Mann an Toten. Verwundeten und Gefangenen be tragen. Die finnländifchen Regimenter, die in der Schlacht mitkämpften, haben fast die Hälfte ihr:s ge samten Bestandes eingcbiiht. Es sei, so meldet der Korrespondent, zwecklos, zu leugnen, daß zirka 65 OW Mann U »verwundete dem Feinde in die Hände gefallen sind. sDabct sind offenbar die von den Oestcrreichcrn gefangenen Russen noch gar nicht mitgerechnet. D. Red.) Intervention Schwedens zugunsten Finnlanüs. (r.) Stockholm. 28. November. Eigene Drahtnachricht.) In der schwedischen Presse mehren sich ausfallend die Stimmen, die eine so fortige Intervention Schwedens gegen Rußlands Vorgehen in Finnland for dern. „Nyaste Bladct" in Christianstadt schreibt, das; Rußlands „Sieg über Deutschland" nur noch ein A m men m ä r ch e n sei, das; Schweden jetzt den Augenblick sehe, seine Verluste vor hundert Jahren zuriickzuholcn. Auch in Göteborg und in Malmö fordert die Presse, einschließlich der liberalen Blätter, Schwedens Eintritt in den Krieg, während die hauptstädtische Presse mit Rücksicht auf die Auslandswirkuug sich noch Reserve auflegt. Die Entscheidung in der öffentlichen Mei nung erwartet man von der Vortragsrcise Sven Heb ins, die kommende Woche beginnt. Aur Haltung Rumäniens. Unser ^-Berichterstatter schreibt uns aus Bukarest, 22. November: In zweitägiger Sitzung beschloß das Exekutiv komitee der konservativen Partei unter Vorsitz des Chefs dieser Partei. M arghiloman, der hierbei feinem Parteigenossen Filipescu wegen besten Straßenpropaganda zugun ien eines Krieges gegen Oesterreich-Deutschland scharf entgegentrat, dabin zu wirken, daß die N e u t r a l r t ä tRumäniens ausrechterhalten bleibe. — Dieser Tage sprach ich mit dem früheren Minuterpräjidentcn Carp. der in dem Kronrate, den König Carol nach Ausbruch des Krieges abhielt, für den sofortigen Eintritt in den Kampf an der Seite Oesterreichs und Deutschlands rintrat. Carp äußerte mir gegenüber feine Meinung dahin, daß Rumänien seine Neutralität bi» zum Schlüsse des Krieges werde uuirechterhalten können. Nur fürchtete er, daß die rumänische Re gierung den für sie günstigsten Augenblick zum Ein tritt rn den Kampf, der nur an der Seite Oesterreich» und Deutschlands geführt werben könne, versäumen und deshalb nicht alle Vorteile davon werde ernten können, die ihr im anderen Falle zuteil werden würden. Carp wünscht für Rumänien den vollen Besitz der Donau mündung mit Bessarabien, das ja fast ganz rumänisch iei und dessen jüdische Bevölkerung sich unter rumänischer Herr chaft weit wohler sllhien werde als unter russischer; der Besitz Bessarabiens wurde Rumänien in Verbindung mit der im vorigen Jahre vergrößerten Dobrudlcha die Möglichkeit geben, die Donaumiindung wirksam verteidigen zu können vom türkischen Kriegsschauplatz. Konstantinopel, 27. November. Meldung des Hauptquartiers: Unbedeutende Zusammenstöße sanden an der k a u k a s i s ch e n Grenze zwischen Erkundungs kolonnen beider Parteien statt. Konstantinopel, 27. November. Die „Agencc Ottomans" meldet aus Jaffa: Ein O fizler, ein Unteroffizier und 27 englische Soldaten, die einen Teil der bei den Zummmenstößen an der ägyptischen Grenze gemachten Gefangenen bilden, sind nach Jaffa gebracht worden. Ihr Eintreffen erre te große Freude unter der ein geborenen Bevölkerung. Protest gegen -re VeMung Zyperns. * Konstantinopel, 28. November. Dir aus Zypern gebürtigen, in Smyrna ansässigen Musel manen haben an die Blätter in Smyrna einen Protest gegen die ungesetzlich: Besetzung ihres Vaterlandes durch England gerichtet. Für Ersatz „Em-ea". Halle, 28 November. (Eigener Drahtbe richt.) Der Bankier Ernst Haussen gier hier sandte an die Marineverwaltung die Summe von 20000 Mark als Beitrag zum Bau einer neuen, stärkeren „Emden". Vie Englän-er verhöhnen -as Eiserne Kreuz — un- stch selbst. Wie man der „Dtsch. Tgsztg." meldet, tragen viele englische Söldner eine grobe Nachbildung des Ener- nen Kreuzes mit einer Imchrift die die deutschen Soldaten verhöhnt. Sie haben dieses Spolttreu' aber bezeichnenderweise auf ihren Rücken ange bracht — woraus doch wohl hervorgeht, daß sie sich selber bewußt sind, dem Gegner, den sie verhöhnen wollen, diese Seite öfter als die andere zu zeigen! Eiserne Kreuze. Das Eiserne Kreuz erhielten ferner verliehen: Der Oberstleutnant Becker, früher Bezirkskomman deur in Döbeln (außerdem den Kgl. Sachs. Verdienst ordcn 1. Klasse mit Schwertern); der Hauptmann und Koinpanieführcr im Pionier Bataillon 22 Armin M i rus-Riesa (zu dem bereits früher erhaltenen Eisernen Kreuz 2. Klage die 1. Klasse und das Ritterkreuz des Albrcchtsordcns 1. Klasse mir Schwertern); der Leutnant im Landwehr Infanterie regiment 100 Franz Lindner; der Oberleutnant der Reserve im Reserve Fcldartillericregiment 53 Ingenieur Rudolf Rittershaus. Mitinhaber der Firma Satinc K Nittershaus in Dresden; der Bankbeamte Fritz Hasche <zurzeit verwundet in, Dresdner Garnisonlazarctt), Sohn des Finanzrcch nungsinspcktors Hasche: der Oberfcucrwerter bei der 3. Reserve Artillerie - Miinitionskolonne Paul Fritzsche, sämtlich aus Dresden: der Soldat in der Maschinenqewchrkompanie des Grenadier-Regi ments 100 Max Hartwich, Sohn des Schüh- machermeislers Hermann Hartwich in Freiberg: der Reserveleutnant im Bayr. Reserve Fußartillerie-Ncgi- ment 3 Kgl. Daurat Johannes Kluge. So.,n -es verstorbenen Brandmeisters Kluge, der Feld webel ini Brigade-Ersatz Bataillen v8 Pa u l B a r t h, der Gefreite im Infanterie Regiment 105 Fritz Placn, Sohn des verstorbenen Ingenieurs Gustav Plaen. der Gefreite im Feldartillerie-Regiment 08 Walter Orden, sämtlich aus Chemnitz, der Re servist im Infanterie Regiment 139 Richard Berthold aus Hainichen, der Kriegsfreiwillige Cond phil. Theo Klemm. Bruder des Pfarrers Klemm in Plauen, der Gefreite Hans Busch, der Feldwebel Max. Arn. Schöns elder, der Ofsi- zierstcllvcrtreter R. Müller (unter gleichzeitiger Beförderung zum Leutnant der Reserve), der Reser vist Arthur Rieß, der Soldat Kaufmann Karl Schmidt (unter gleichzeitiger Beförderung zum Gefreiten) sämtlich au» Plauen, der Offizierstell vertreter «tud. phil Curt Rceb aus Pohlitz, der Landwehrmann Curt Zenker, Sohn des Guts besitzers August Zenker in Schneckengrün, der Leut nant der Landwehr und Führer einer Munitions kolonne der überplanmäßigen Etap'-en Fuhrpark kolonne t Dr. Karl Händel au» Crimmitschau. weitere Mel-ungen. * Auf den Aufruf des Deutschen Städtctagcs und des Reichsoerbandes deut scher Städte um Spendung von Beträgen zur Linderung der Krieasnot in O st - preußcn und für ElsaßLothringcn, sind bis jetzt insgesamt 2"/« Millionen Mark gezeichnet worden. * Ein Kredit von fünf Millionen Mark ist von der Breslauer Stadtv-'rordnetenver- sammlung zur A u s f ü h r u n g von Notstands arbeiten bewilligt worden. * Auf dem östlichen Kriegsschauplatz ist der Präsident des badischen Militärvereinsver bandes. Generalleutnant Ferdinand Waenker von Dankenschweil. gefallen. fius -em Tagebuch eines Kriegsfreiwilligen. Vom Kriegsfreiwilligen Alfred Perl», M.tglied der Redaktion des „Leipziger Tageblattes". (Schützengraben-Gedanken. — Der erste Kampftag.) (2.) Man hört oft, daß Worte nicht ausreichten, um Schönheit zu schildern. Wie viel mehr gilt das von Dingen und Ereignissen, die so ganz und gar keine Berglcichungspunkte aus dem Leben des Alltags haben. Wer vermöchte sich zu unterfangen, auch nur eine schwache Schilderung geben zu wollen von )>er Gewaltigkeit einer heutigen Schiacht. Wahrlich, am Miterleben sehlt's nickt, und die Gewaltigkeit und Furchtbarkeit des Gc rnützdonners und das Krach.n der krepierenden Schrapnells und Granaten, in Las sich das Fitschen der Gewchrgeschossc mischt wie un heimliches Vogelgezwitscher, dieses wahrhaftige Toben der Schlacht mit seiner einen Minute für Minute umlauernden Todrsgesahr empfindet man im Schützengraben, unmittelbar, nur hundert, ja siebzig Meter vor dem Feinde deutlich und stark wie nur möglich, aber — die Worte finden sich nicht zu lebens voller Erzählung. Nicht, daß einem die Kameraden freundlich-unfreundlich allzusehr dazwischenreden und mich in ihre zritverrreibendc und stimmungbringcnde Unterhaltung hineinziehen, auch daß das Donnern der Kanonen plötzlich alle geistige Tätigkeit zu er schlagen scheint, nicht, daß die Spannung über den Erfolg einer vielleicht nur zehn oder fünf Meter ent fernt cinschlagenden Granate zu sehr störe, nicht, daß der Aufschrei eines verletzten oder das Stöhnen eines sterbenden Kameraden die Lust zum Schreiben lähme un- vielleicht allzu wuchtig an eigenes nahes Ende gemahne — nein, das alles ist es nickt. Es fehlt einfach an Worten oder an anderen Ausdrücken zur Wiedergabe besten, was man hört und fühlt. Viel leicht tommt ein großer Musiker, etwa von Beetho vens Gestaltungskraft, der die grause dröhnende Schlachtmufik. sei es auch nur einigermaßen, in nur lebhaften Anklängen darzustellen und wiederzugeben weiß So will man das Gewaltige und Große, das einen umbraust, wiedcrgeben. so schickt sich mancher an. ein mal die moderne Schlacht gleichsam in ihrer Psyche zu erfassen, und wenn er weit kommt, dann gelingt es ihm, die Psyche eines Beteiligten zu erfassen und seinem Empfinden Worte zu verleihen. Eines Beteiligten unter den vielen Millionen. Vielleicht unrersckeiden sich dabei diese Empfindungen der vielen Millionen auf unserer Seite nickt einmal viel voneinander. Eine eigenartige Mischung: starkes Wollen, voll stolz-vaterländischer Empfindung, der Blick sbei fast allen!) ins Jenseits gerichtet, und doch eins ewige süße Hoffnung, baldigen, glückhaften Endes und froher Heimkehr. Das alles aber nicht in der Begeisterung, wie man sie daheim am Biertisch Kollegium oder in phrasenrcichen, hier draußen nur belachten Artikeln völkischer Bramarbasse vermeint, sondern still und ernst. Das von Hauff uns so schön gesungene Morgenrot-Lio- trifft immer noch den richtigen Ton. Mein erster Sch lach tag. .... Um 12.30 Uhr begann plötzlich ein gewal tiger Schrapnellreqen. Es war doch unheimlich, wenn in einer Entfernung von 10, 20 Metern die Schrap nells platzen und ihren Eifcnregen ausgosten. Eine Vie aeutscve vrt. 4f Ein Roman aus unseren großen Tagen von Paul Burg. Unten iril Schatten des Busches verlöschte jäh aas lustige Kichern. Eine Gestalt huichtc mS HauS. Als der Diener eintrat, die Lichter im Kran lenchter zu laschen, kam die alte Erzellenz wider ihre Geiaahnheit — nach einmal aus der Kammer. „Wenn Sie den Verkehr mit denen drüben nicht aufgeben, muß mein Enkel Sie entlassen. Reinhardt! Gute Nacht!" Die Tur fiel ins Schloß, die Greisin begab sich zur Ruhe. Reinhardt starrte ärgerlich aut die Kammertür. Unten iir der Küche schüttete er dem Mädchen sein Herz aus. „Was wohl zwei junge Menschen dazu kön nen, wenn sich ihre Herrschaften nicht vertragen! Ich sage Ihnen, Lina, wenn sie mich noch mal so anjchnauzt, die Oma, dann sage ich'S dem gnä digen Herrn, und suche mir einen anderen Dienst. Wahrhaftig!" Das HauSmädclien warf dem Diener einen zweifelnden Blick zu. „Das kriegen Sie im ganzen Leben nicht fertig, Reinhardt. Ich brächt'S auch nickt übers Herz . . ." seufzte sie schwer. „Na ja, es tst dock wahr," murrte er „Man ist doch auch ein Mensch. Die Oma tut weis; Gott, als hätte sie lfier ganz allein -n komman- dieren." „Hat sie ;a auch. Und nickt bloß stier. Die regiert die ganze Stadt und das halbe Land. Ich glaube, sagt sie Ia! und unser gnädiger Fürst sagt Rein! — die Leute überlegen sich'S, ob das Ja gelten soll oder das Nein." Da schob Reinhardt seinen Teller weit von sich und stand energisch auf. „Lina, das ist doch bloß ein Spaß von .Ihnen. Wenn der Fürst waL befiehlt, dann be fiehlt er es. Verstanden! Da haben alle jungen mi» alte» Weiter zy schtSkiga^ Ltzgaohl! Ich bin Soldat gewesen. Ich muß cs doch wissen." „Wissen Sie denn überhaupt, warum wir mit denen drüben nicht sprechen? — Das wissen nun Sic wieder nicht, Reinhardt. Die Frau Baronin ist doch der Oma ihre Nichte. Und da ist mal ein Empfang im Schlosse gewesen. Henkelmann — Sic kennen ja den alten .Henkelmann — hat inir's selber erzählt, wie er damals noch im Schlosse Dienst getan hak und gerade den Tag vor der Tür die Wache gehabt hat. Er hat die Oma vor ihrer Nichte, der Baronin, gemeldet, weil die Oma doch eigent lich Exzellenz ist, wo sie doch aber gar keine richtige Exzellenz mehr ist. Der Fürst pat's wie der gutmächen wollen und ist ein paar Schritte auf die Baronin zugegangcn, bloß ein paar Schritte. Aber seitdem ist der Krach fertig. Wie er das erfahren hat, soll er mächtig über die beiden gelacht haben. Und das dauert nun schon über zwanzig Jahre!" Reinhardt zuckte die Achseln. „Da soll einer nicht über die alten Weiber lachen! Die allen Leute sind manchmal wie die kleinen Kinder. Na, ich warte nicht noch lange, bis die Oma noch kindischer wird. Ich gehe. Der gnädige Herr mnsi das einsehcn." o Tag für Tag sengte die Iulijvune Hers; ins Tal hinab. Die blauen Weserberge jenseits standen wie eine tote Mauer in der flirrenden Luft. Und keine Nacht brachte erquickende Küh lung. Bon ihrem Fenster sah die alte Exzellenz lveithin über das wogende gelbe Meer der Aehren, sah die Halme sinken, Garben und Hau ben sich türmen. Wie siegreiche Schwerter blitz, ten die mörderisckzen Sensen. Aber der Sang der Schnitterinnen hatte keinen fröhlichen Hall unter dem heißen Julihimmel. Ein Sommer wie Siebzig! dachte die Exzel lenz und ließ die Rolläden herniederknattern, hielt im verdunkelten Zimmer Zwiesprache mit ihren Bildern. Verwundert über sich selber schaute sie Hans Martin in die vertranten Züge. Wie sie nur jetzt aus Siebzig gekommen war! Vorige Nacht hatte sie doch noch geträumt, es wäre ihr ein Urenkel geboren. Den mußten Er hard! und Elena Hans Manin neunen: vielleicht lies; ihn der liebe Gott einen realen Jagemann werden. Jedenfalls wollte sie der jungen Frau jetzt mit doppelter Liebe begegnen. Der Kern iu ihr war gut, und wenn sie nur erst Mutter war, würde sic gewiß auck eine gute, rechte Mutter werde«, und den ganzen Bilbungsjtrlcfanz ab tun, selber ihr Kindchen an die Brust nehmen. Die alte Exzellenz schob sich einen Sessel vor ihren Schreibsekretär und schloß den Klappdeckel auf. Viele Fächer und Kasten voller Papiere, Bricfbündel und Päckchen schauten sic an. Die zierlichen, ehrwürdigen Schnörkel ans den sein- volicrten Schubladen blinkten in verblichener Malerei, Rosenranken und güldene Ketten. Liebevolle Bticlc tauschte die Greisin mu ihrem trauten Schcwbewahrer. Das alles sollte einmal der kleine Hans Martin erben. Gott behüte ihn; er war ja noch gar nicht geboren. Einen Schubkasten zog sic auf, der leise klirrte. Hob blinkende Orden und blanke Me daillen ans dämmernde Licht der verdunkelten Stube. Das waren alle Herrlichkeiten gewesen, die ihr Friedrich Franz von Kressenthin hinter lassen hatte. Als sic mit den vielen Ehrenzeichen -um Fürsten kam, hatte der Regent sic traurig wieder in ihre Hände gelegt. „Behalten Sie das nur, liebe Exzellenz; Sic haben ja auch weiter nichts." Aus dem Herzstück des einen Kreuzes funkelte ecu Brillant vor chr auf. Wie ein Tränentropfen. Leise legre sie alte Frau die goldenen Lasten wieder in das kleine Schubfach zurück und drängte das schwere Kästckzen zaghaft wieder in seinen Nahmen. Ans einein orderen Fache nahm sie ein Bündel Briefe, zerknittert, oft gelesen, Hans Martins Feldzugsvriese. Sie fuhr mit streicheln den Fingern darüber hin und wog das Machen stumm tu der Hand. Meldereiterpatroutlle wird überrascht, aber nur ein Pferd bleibt liegen. Mutig geht unser Unterarzt ein junger, beherzter Mann, hinzu und richtet den Gaul auf, schirrt ihn wieder und führt ihn, trotz neuen Schrapnells zurück .... Wir hatten hinter einem anderen Grundstücke neue aber schlechte Deckung ge sucht, die nach bangen 10 Minuten verlosten werden mußte. Ueber frischen schwerscholligen Ackerboden hinweg in neue Deckung, die wir. nachdem wir in voller Ruhe und Ordnung angctreten. nach weiteren 20 Minuten verließen. Wir schwärmen in Schützen linien und liegen setzt, 2 Uhr, auf nassem Boden, während die feindlichen Granaten über uns hinweg gehen. Die deutsche Artillerie erwidert stärker, wäh rend unsere In'an erie in NW. feuert. 21", Uhr. Der Schrapnellregen des Feindes hort auf, nachdem er noch einmal fürchterlich hernieder gegangen. Schönes Leipzig, mit all deinem Reiz vollen und Lieben, ich denke an dich? 2.30 Uhr. Wieder etwas englisches Schrapnell feuer. 2.35 Uhr Die deutsche Artillerie legt offenbar ordentlich las. Ich wollte, es wäre Nacht, oder die Hessen kämen!!? Hessische Dragoner sollen 3 Uhr im Verbände einer Kavalleriedioision eingreifen.) Wir liegen als Schrapnellziel da; inzwischen pfeffert unsere „Arric" auf Las Städtchen B-, Vas in Brand stehen soll. 2.50 Uhr. Sckwenkuna in Aufmarfckffront, bereit zum Infanterlsangnff. Eigenartiges Gefühl, wenn wir. die erste Angriffslinie, hinter uns die Mann schaften sehen, die zum Einrücken für Tote und Ver wundete schwärmen und in Bereitschaft gehen. Don nern, Zischen, Krachen, Rauchwölkchen, Flammen, laute Kommandarufe. :;:'.O Uhr. Maschinengewehre rücken an. 4 Uhr. Wieder ein lebhaftes Schrapn llfeuer, in das sich ein heftiges Gervehrseucr mischt Wir decken uns platt dal'cacnd, dann in Deckung kriechend. Ich bleibe zuerst hinter einem Wagen, mit Tabakb'ättern babbelnden. Zwischen meinen Knien rollen Schrap- nellkuaeln. Dann schnell an einen Kleinbahndamm und über einen Acker hinweg in ein Gehöft. Der Komvaniefühcer sammelt, und im Sturm geyt's 300 Meter über Wiesen und Graben hinweg, hinein nach V., das vom Feinde geräumt ist. 5 Uhr. Wir können nicht weiter. Schrapnellregen. Eins prasselt nach dem anderen nieder, aber wir — vierzig Mann mit Oberleutnant und Leutnant zu sammen — haben Glück. Nur ein Kamerad leicht am Kopf getroffen Es dunkelt. Der Befehl kommt; Zur Höhe hinauf und zum offenen Kampf mit dem Feinde. >/L8 Ukr. Zwischen pfeifenden Gewehrkugeln hin durch, rücken wir die Anhöhe hinauf und an eine Hecke. Es ist dunkel. Wir Haven den Gegner vor uns, wir sehen ihn nicht, aber wir hören ihn. Wie kitschen die Kugeln, wie krachen die Schrapnells und Granaten! Es stürzen die ersten Verwundeten, es fallen die ersten Kameraden. Ein Schrapnell schlägt mich vor den Magen und nimmt mir, noch gnädig, nur für einige Minuten die Besinnung. Man schleppt mich zurück in ein Bauernhaus, wo ich wieder zu mir komme. Es sind ein Dutzend Verwundete da, ich ver binde. so gut sch kann. Um >/L10 Uhr komme ich mit ein paar verletzt:« Kameraden zum Verbandplatz, zur Kirche, die er leuchtet ist von einigen in Brand geschossenen Häu fern. Es wimmelt schon von Verwundeten, und mancher Kamerad stöbnt schwer. Der Kompanie führer stebt kampfunfähig, durch Oberschenkelschuß, dabri. Ich ruhe mich etwas aus, und gehe wieder hinaus. Einem Offizierstellvertreter reißt eine Gra nate beide Beine ab, ein Korporalschaftskamerad er hält einen Sckuß durch die Brust. Der unsichtbare Feind feuert wie wahnsinnig. Um 12 Uhr wende ich mich mit einigen Kame raden an eine andere Stelle, wo es, wies scheint, bester vergeht. 1/-.S Uhr morgens komme ich wieder in B. an — mein erster Schlächttag ist vollbracht. Liebig s Zleischextrakt-Eompagrrie un- ibre üeutfcherr Angestellten. Aus dem Leserkreise erhalten wir folgende Mit teilung: Mein Sohn schreibt mir aus Argentinien vom 28. Oktober folgendes: „Die Liebig-Fleisch extrakt Compagnie hat alle in ihren Dien st en stehenden Deutschen, angeblich infolge Auf forderung der englischen Regierung, entlassen. Das gilt sowohl für die Mitglied:! des Aussichtsrats, wie den vielfachen Millionär Mallinkrodt in Ant werpen, für die Vertreter der Compagnie allent- 8odrvidms8vd1»vl> kkEimx. «. Aiit»»1iitr. CeimmnI-iebe 8tr. 24. Te!. 12989. Uei „Wenn ich Elena daraus vorläse, wie sein Herz bei mir und Hans Karl war, von seinen Gefahren, hätte sie wohl ein Bild von dem Tapferen, und ihr mutiges Herz würde noch mehr erstarken, das; ccktcs Jagemannsches Blut in ihrem Kinde flösse — Kriegsbriefe für eine hoffende Frau —? Sie werden mich auslachen. Diese Menschen heute stellen sich schöne Gipsfiguren in die Stuben, daß ihre Kinder körperschön geboren werden sollen! Als ob die toten fremden Gesichter das Herz einer Mutter bewegen können. . .?" Ein schmales Päckchen gelber Blätter nahm die welle Hand aus dem untersten Schub und brei tete cs vor sich auf der Schreibplatte aus, Tage- buckblattcr, die Hans Martin von seinem Vater überkommen hatte. Die Tagebücher jener Vor eltern, die noch einfach Iagemann geheißen hatten, waren längst in Erhardts Händen und schufen ihm manche Sorge. Er verstand das Ge schleckt des vorigen Jahrhunderts nicht, das seitenlang von Nichtigkeiten schwärmte und seine Gefühle aus dem Spiegel herausbuchstabierte. Die lebten losen Blätter und Briefe aus einer eisernen Zeit hatte er zurückgegeben und sich von der Oma Exzellenz für svätcr ausgebeten. Freilich, freilich, später, wenn er einmal wirklich ein Mann geworden war . . . Sechsund zwanzig Jahre und so schwankend in allen Ent schlüssen! Ein wahres Glück, daß ihm Gott eine beherzte Frau gegeben hatte. Die Greisin schüt telte den Kopf über den Jungen; sic konnte ihn und seine schwankende, unzufriedene Zeit nickt begreifen. Was sie nur da von der Zigennerin erzählt hatten? — Sie wollte ihnen doch einmal die andere Weissagung sagen, die vor hundert Jah ren Hans Martins Vater JosiaS einer Zigeune rin um einen Taler abgckaukt hatte, als er ins Feld ritt. Tiefer neigte sie sich über die vergilbten Seilen, blätterte und laS in den schlanken, schnei len Zeilen. LaS vom Kriege und Krieges Not. (Sortsstznn, H« vrorgriuuuaaL«.),
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