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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.01.1918
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1918-01-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19180123010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1918012301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1918012301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1918
- Monat1918-01
- Tag1918-01-23
- Monat1918-01
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Morgen-Ausgabe Vezrrgsprets: L M »tH.lsldrU» «. «w ftr >»»at!I» M. 1^; »«ch MUel«, U>« -««« -»««kttch Ml. »M, »ghittch M. »LV: »,rch »I« Soft buieicheli Veillchl«»»« v«s«»».B,«a«d, „„«'Ich Bi. 225, »I»kl«NLH«Nch M. < 75; M. 120, M. 020, S»ni>t«ß»-Ä,«,«<« M. 020 „»atltch <ao«schU«tzUch P»lid<st«ll,«»rtzr>. Hauptschriftletter: Dr. Erich Everlh, Leipzig. Hmrdels-AeUung /Urrtsblatt des Kales und des pollzetamLes -er Stadt Leipzig 11L Jahrgang A»jeig«npr«Is: L'^L'L SW o. B«tz»rd«, I» ««N. r«U »l« K»I,„lZ«U« 80 Pf, » «,«». >' p^ 5l»I»« Ä»j«I^»n d«, N»l,»»lZ«U« M Pf, IS VeschSstt«»,eigen mit pl«tz»»rlchklfl«n N» pr«I>« «rhrtzt. DHe-en: chefamlanflaae M. ?.— »«« Lanlen» „«Ichl. poftg,d«br. io Pf. — V»„. «»» Feg«,,« li Pf. Snnhnech-BnschUitzRr.l«»»?.«««» »nd l4«0«. — p°It>ch«t»°,^ «g Schriftl,»,^ »nd DelchoNI»«!,: 4U.S, Verlag: Dr. Reinhold L Co^ Leipzig. Rr. 41 Mittwoch, den 23. Januar 1S18 Die Kabinettskrise in Oesterreich AbgeschlagenerAngriffindenArgonnen vtd. Berlin, 22. Januar abends. (An»Wch.) Do« den Kriegsschauplätzen nichts Neues. * MÜ» Berlin, 22. Januar. (Drahtbericht.) Am 21. Januar lag in den Argon ne» bei Foor de Poris ad 7 Uhr vormittags leb haftes Feuer auf unseren Slellnngen, das sich allmählich zu großer Heftig keit pelgerl« nab um 4 Uhr nachmittags in kurzes Trommelfeuer über ging. Bald darauf brachen mehrere französische Kompanien zum Angriff vor. In ihre Linien, die sich nur mit größter 'Anstrengung langsam durch den aufgeweichteu Boden vorarbelleu konnten, schlug unser vernlchtendeS Artillerie- und Maschinengewehrfeuer, so daß «S dem Gegner nur ge lang, an einer einzigen Slelle vorübergehend in unser« Slellungen «in- zndriagen, eus der er onler erheblichen Verlusten an Toten und Ver wundeten im Nahkampfe und Gegenstoß sofort wieder hiuavSgeworfen wurde. Ebensowenig Erfolg hatten in Mazedonien mehrere englisch« Kompanien, die gegen Bukovo Dzvma vorzugehen versuchten and sich eine blutig« Schlappe holten. Oe erreichifch-rmgarlscher Heeresbericht W te n, 22. Iannar. Amtlich wird verlautbart: Keine besonderen Ereignisse. Der Ches des Generalstabes. (W.T.B.) Die Seeschlacht vor den Dardanellen Der türkische Bericht Konstantinopel, 22. Januar. (Agentur Milli.) Amtlicher Bericht. 1. Dardanellen: Zn kühnem Angriff stieße« gestern ^3 av » s Selim" and «M idilli" sowie Torpedoboote aus de» Dar- danellsn vor, um die feindlichen Streitkräfte, die del JmbroS fest gestellt worden waren, zu vernichten. Zwei feindliche Monitoren, Die Kabinettskrise in Sesterreich Wien, 22. 3aavqr. (Eigener. D.rahtbericht.) - Entgegen dem offiziellen Dementi besteht die Kabinettskrise fort. Wie hiesige Blätter melden, ist der frühere Ministerpräsident Dr. von Körber zum Kaiser berufen worden: vielfach glaubt mau, daß er der kommeade Manu sein wird. Anderwärts wird unirr den Männern, die die Aus sicht haben, die Ministerpräfideulschaft zu übernehmen, der frühere Mi nisterpräsident Boron Deck, der in tschechischen Kreisen beliebt ist, genannt. — Der Budapester .Az Eft" schreibt: Das Kabinett Seidler wird in den nächsten Tage« aus dem Amte scheiden, well sich Graf Czervl« beim Kaiser beschwert Hot, daß Dr. von Selb ter den ArbetterauSfland und die Agitation gegen Ungarn in der Ernährungs frage gefördert habe. Budapest, 22. Januar. (Drahtberichk.) Der VolkSernäh- rnngsminister Graf Johann Hadik hak sein« Entlassung gegeben, die der König angenommen hat. MiMer-rWeut v. Seidl« m ASzeordüetnWs Wien, 22. Dezember. (Drahtdericht.) 3m Abgeordneten haus beantwortete Ministerpräsident von Seidler zunächst die Interpellationen der deutschen und tschechischen Abgeordneten, be treffend die Prager Entschließung. Er führte aus, daß sie mit den dynastischen und politischen Grundbegriffen der Oesterreicher nicht in Einklang zu dringen sei und das Selbstbeftimmungsrecht unter Auf lösung des bisherigen Etaatsv^danües anstrebe. Ein« solche Auffassung werde von jedem Oeste^reicher mit Entrüstung zurück gewiesen und von jeder österreichischen Negierung mit allen Mitteln bekämpft werden müßen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Wir erstreben, fuhr der Ministerpräsident fort, einen ehrenvollen Frieden, der uns und unseren verbündeten Negierungen alle Zelt den sicheren Bestand verbürgt, wir erstreben ihn im Geiste der Gerech- tigkeik und der Versöhnlichkeit, aber auch mit jener Einigkeit und Festigkeit, die den Gegnern die Aussichtslosigkeit ihrer Vergewaltigung-abflchken vor Augen führen wird. Dir AuSstandS- beweguno habe Mar keinen ausschreitenden Charak ter, an sich aber doch bedenkliche Formen annehmen können. Die Negierung hat kein« Bedenken getragen, besonders auf dem Ge biete deS GemeindewahlrechteS, den sctt lange m erwogenen Reformen zuzusagen. Die Durchführung wird so geschehen, daß die nationalen Besitzstände gewahrt werdcm (Lärm und Zwischenruf« bei den Tschechen.) uud die berechtigten Ansprüche aller Volkstelle müssen möglichst ihre Befriedigung finden. politisch- Meinungsverschiedenheiten müßten hinter den gemeinsamen Gedanken zurücklreten, das Vaterland sei in Gefahr. Di« Regierung vermöge ihre schwierige Aufgabe nur zu er füllen, wenn sie an einer starken Volksvertretung sinken Rückhalt findet. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) General Arz an die streikende Arbeiterschaft Wie», 22. Januar. (Etg. Drahtdericht.) Der Kriegs berichterstatter der .Arbeiterzeitung', Schulz, wurde ins Hauptquartier zum Chef d«S GeueralslabeS brschieden, um diesem Aufschluß über di« Ursachen und de» Hergang d«S AuSstaadeS zu geben. Wie di« .Arbeiter zeitung" mltleltt, nahm General Arz die Gelegenheit wahr, den Stand- ponkt des Ober-Armeekommandos bekaualzugede». Vor alle» erklärte er, di« Erregung Ker Masten, deren bisherig« Opferwlllig- keik über fedeS Lob erhaben sei. und deren Sehnsucht nach dem Frieden er voll würdige, z, verstehen und zu begreifen. Er hoffe aber, daß «S gelingen werb«, der Arbeiterschaft die Ueberzeuguug beizubringen, daß weder bi« Regierung noch die HeereSleitoag dem Frieden irgendwelche Hlad er niste bereite. .3ch kann", sagte Generol Arz, auf das bestimmtest« ver- stchera, bah eS in unseren Reihen ebensowenig wl« in Kreisen der verantwortlichen Negierung, irgend jemand gibt, der das FriedenSwerk verzögern oder verschleppen möchte. Der FriedenSwvnfch ist allgemein. Niemand denkt an Eroberungen uud Annexionen. 3m Osten gibt «S Schwierigkeiten technischer Natur, berea Behebung einig« Geduld er fordeuß. Auch di« Arbeiterschaft mast noch etwas Gednld üben; -e darf aber öberzingt sei«, daß der beste Wille besteht, gUl«blich und bald zum Frieden M kommen.' Die Nänmnng deS besetzte» Gebietes ist «in« Sach«, die sehr genau erwogen werdea must. Es bestehe« für btefe Gebiete, - n, sie beiderseits von Truppe» entblößt »erd«», wirk lich« Gefahren, da sich in diese» verlest««e» NLnnen sehr üble Eteme»»« .Raglan" (4—5000 To.) mit zwei 35,6-Zentimeter-Geschützen. ferner der Monitor .dl 28" (500 To), mit einem 23,40-Zealimeler-Geschüß and einem 15,20-Zenklmeler-Geschüb, ein Transportdampfer von 2000 To., «ine Sigaalstalioa nnd zahlreiche Munilionsdepots wurden vernichtet. Beiderseits herrscht« rege Fliegertätigkeit. Ein feindliches Flugzeug wurde im Luftkampf abgeschosten, ein anderes schwer beschädigt. Die Küfleaballerlen beschaffen erfolgreich feindlich« Torpedoboote. Auf der Rückfahrt sank di« .Midilll" durch mehrfache Minentresfer. 2. Palästia a-F ro « k: Rach Luftkampf mußte ein englisches Flugzeag hinter unsere» Linien lande«. Die Besatzung, zwei englische Offiziere, wurde» gefaageageaommen. Die englische Darstellung Haag, 22. Januar. (Eigener Drahtberichk.) Revter meldet aus London offiziell: Die britische Admiralität berichtet folgende Einzelheiten za dem Seegefecht an den Dardanellen vom 20. Januar: Die .Go eben" and die «BreSlau" erschienen am frühen Morgen des 20. Januar an den Dardanellen und griffen die britischen Streit kräfte nördlich von 3mbroS mit dem Erfolge an, daß die .Raglan" and .Z^ M. 28" schwer von den Geschützen getroffen uud zer stört wurden. Die feindlichen Schiffe stießen daraafhia bis südlich von 3mbroS vor, wo die «Bres lau" gezwungen wurde, ia elueS der euglischea Minenfelder etuzufahreu. Sie stieh auf eine Mine und sank. Me .Soeben" fuhr mtt Volldampf nach den Dardanellen zurück, während türkische Tvrpedojäger za Hilfe kamen und von britisch«» Torpedojägern l» «in Gefecht verwickelt und vertrieben wurden. Als die .Goebea" sich de« Eingang der Dardanellen näherle, stieb sie ebenfalls auf «ine Mine, wodurch ihre Fahrgeschwindigkeit vermindert wurde. Die .G-eben" machte etwa 15 Grad Schlagseite und brachte sich selbst zum Strande», westlich von Rogara, wo sie nun von britischen Fliegern fortdauernd bombartüert wurde. Die Engländer ret tete« 172 Mann oo, der .BreSlau". Sie warden gefangen genommen. Dl« Namen der Ileberlebeuden von .Raglan" und ,L üi. 28" sind »och nlcht bekannt. Bisher wurden 132 tteberlebende gemeldet. Die Gesamtzahl der Verunglückten beträgt etwa 310. «inuisien könnten. Dazu kommt noch» bah wir sehr bedenkende S ne» men und Werte la diesen Geaenden investiert, Eisen- b.a-vep und Derwallua-sela^tchtungen geschaffen haben, die im Interesse der VevöLernng irgend wie sichergestellt werden müssen. Daun habe» wir auch grobe brachUegeabe Flächen la A » baa ge nommen. Lad so, wie die Ding« augenblicklich Lege«, lfl nufere Lr - nähraag auf das besetzte Gebiet angewiesen. 3ch Meiste nicht, bah «< gelingen wird, hierüber zu einer Einigung zn kommen; nur etwas Geduld muh dl« Bevölkerung haben." Zum Schluß gab General Arz auch der Hoffnung Ausdruck, daß die organisiert« Arbeiterschaft die unbesonnenen Elemente von Ausschreitungen zurück hatten wird. Wien, 22. Januar. (Eigener Drahtdericht.) Die T^- sache, baß der Streik zam Teil weiter anhäll, ist vor ollem dem Um stand zuzuschreiben, baß der radikale Führer der Arbeiterschaft, der auS der russischen Gefangenschaft zurückgekehrte bekannte Sozialdemokrat Otto Dauer, einen Führer gewonnen hat, der sich gegenLber den Anordnungen der gesamten Partei im großen »ab ganzen ablehnend verhält. Es zeigt sich la diesem radikalen Teile der Arbeiterschaft «ine Strömung, di« an die Haftung der russischen Maximalisten erinnert. Reben Bauer Pub insbesondere der Arbeiterführer Steiner und d:r Sozialdemokrat Dr. Max Adler und andere leitende Persönlichkeiten unter diesem radikalen Teile der Arbeiterschaft zn nennen. Immerhin wird gehofft, bah der Ausland in Wien and ia Riederöflerreich bereits la den nächsten Togen vöMg erlösche» wird. Prag, 21. Januar. (Eigener Drahtberichk. Verzögert.) Vormittags fand in Prag ein großer Demonstrakiönszug statt, an dtzm ungefähr 100000 Streikend«, in der Mehrzahl Frauen, teilnahmen. Die Prager Zeitungen erscheinen heute und morgen nicht, ebenso bleiben die Theater und Kinos heute geschloffen. Die Bahnen sind durch den ArbeUerausstand nicht getroffen. Desgleichen wurd: in Pilsen, darunter in den Skodawerken und in Kladno gestreikt. Morgen soll d'e Arbeit wieder ausgenommen werden. Wien, 22. Januar. (Eigener Drahtdericht.) Wle hier vertäutet, hat di« deutsch« Verwaltung 450 Waggon Mehl zur Be kämpfung der dringendsten ErnShrungSschwierjgkeikea zugefagt. Eine Erklärung der deutsch-bShmifchen Vereinigung Wien, 22. Januar. (Wiener Korr.-Bureau.) Die Deutsch- Böhmische Vereinigung beschloß, im Abgeordnetenhaus« eine Erklärung abzvgeben, in der gegen die Bestrebungen derTschechea entschieden Stellung genommen und di« Errichtung einer selbstän digen Provinz Deutsch-Böhmen mit allen Eigenschaften, Rechten und Einrichtungen eines Kronlandes im Rahmen des Kaiser, lums Oesterreich, ohne irgendwelche Abhängigkeit von dem tschechischen Teile Böhmens, gefordert wird. Die Deutschböhmen werden den Land tag des Königreiches Böhmen niemals anerkennen und keinesfalls dulden. Sie verlangen für die Provinz Deutjch-Böhm^n eine eigene Landesvertretung, aufgebaut auf dem allgemeinen, gleichen und unmittelbaren Wahlrecht, Abgrenzung und Vereinigung ter deutschen Gebiete Böhmens und für dieses Gebiet alle einem .Kronlande zukom menden Zentralstellen, Anfia'ten und Einrichtungen: ferner die Zurück ziehung aller tschechischen Staatsbeamten und Diener aus Deutsch- Böhmen sowie die ausschließliche Geltung der deutschen Sprache in Amt und Schule daselbst. Eine bolschewistische Delegation der Ukraine 2« Berlin, 22. Januar. (Drahtberichk unserer Ber liner Schriftletlu»-.) In Brest Lltowsk ist in diese« Tagen «in« zweit« »krainifche Delegation einqelrvffen, di« ans den Herren Mebwebfe», Schachwey and Sadonsky besteh», bre ans das energischste bas Recht der Nada-Vertreter bestreiten, tm Namen der gesamte« Ukraine zu verhandeta, ba nur die Dourgoifie der Ukraine hinter ihr stände. Sie selbst «ter wären Vertreter der Ar- better- und Vanernregierung der Ukraine, bl« ihren Sitz ia Charkow hab«. Da dt« Charkow« Regler»»- bolschewistisch gesinnt ist, würbe» sich di« gen «ritte» Vertreter der russischen Delegation an- fchaetze». aller dauernd im i mitinbegriffen, zu tref Land in gleich große t Zur Krise des Bolschewismus Die bolschewistische Idee, die heute eine Krise durchmacht, beherrschte bisher Rußlands Bauernschaft, also achtzig Prozent der gesamten Bewohnerschaft des gewesenen Zarenreiches, obwohl sie nicht in diesen Volkskreisen geboren worden war. Ihr erster Vertreter war vielmehr Michael Alexandrowitsch Bakunin, einer der glänzendsten Offiziere der Petersburger Garde. Nus vornehmstem Bojarengeschlecht stammend, von der Hofgesellschaft der Newastadt vergöttert, entdeckte dieser Mann plötzlich um die Mitte deS vorigen Jahrhunderts in sich den Nus zum Bol schewisten. Er gab Stellung und Reichtum auf, saß als Ketten sträfling in Sibirien, floh, wurde dreimal zum Tode verurteilt, entrann aber stets diesem Lose und starb schließlich arm, doch als treuer Bolschewist, obgleich ihm die Zarenregierung häufig genug, bei Verzicht auf seine Anschauungen, die Möglichkeit der Rück kehr in das frühere Leben bot. Die Bauern sind fast mit der gleichen Schnelligkeit wie er Bolsä-ewisten geworden. Noch 1866 waren sie leibeigen und fühlten sich wohl dabei, wie schon ihre damaligen zahlreichen Bitten, sie doch in der Hörigkeit zu belassen, dartun. Und trotzdem haben ein paar Jahre genügt, um aus diesem im Sinne des Zaris mus idealen staatserhaltenden Element eine die Berechtigung jedes Prioatlandbesltzes schroff verneinende Masse zu machen'. Doch auf diesem, nur einen Teil des bolschewistischen Partei grundsatzes bildenden Standpunkte, der ja nicht lediglich das Auf hören des Landeigentums, sondern sämtlichen persönlichen Be sitzes fordert, sind die Bauern nicht stehengeblicben. Bereits 1890 — also nur vierundzwanzig Jahre nach der Aufhebung der Leibeigenschaft — verlangten sie schon die Aufteilung alles Privat eigentums. Und die damals erhobene Forderung zur Stunde mit ständig zunehmender Schärfe von ihnen vertreten worden und füllt heute ihr ganzes Denken und Streben aus. Aber nicht nur -aä macht die russischen Bauern zu Bol schewisten ausgesprochensten Charakters, daß sie den Uebergang des Eigentumsrechts aus den Händen der Großgrundbesitzer an die Mitglieder der damit bisher nicht gesegneten VolkSklasscn perlangen, sondern daß sitz ihn dey Dorfgemeinden zuaeteilt wissen wollten. Die Art der Verteilung des Besitzes soll nach ihrer Auf fassung folgende sein: Alles Land, das bisyer noch nicht den Dorfgemeinden gehört, geht unverzüglich in das Eigentum dieser über. Diese haben alle drei Jahre eine genaue Feststellung I..: Dorje lebender Mitglieder, Frauen und Kinder sen, und durch die sich so ergebende Zahl das gleich große Teile zu zerlegen. Jeder der so gewonnenen Landkeile erhält eine Nummer und kommt unter dieser an die Dorfbewohner gur Verlosung. Also jeder von ihnen ge winnt einen Landteil, der gleich groß dem eines jeden anderen ist. Ihn darf er drei Jahre kostenlos nutzen. Das bildet seinen Anteil am Gesamlvermögen. Auch den dritten Hauptparteigrundsah der Bolschewisten, die sogenannte «Propaganda der Tat', Haden die Bauern gleichzeitig mit ihrer Bekehrung zu den bolschewistischen Eigcn- tumsanschamingen sich zu eigen gemacht. So ist es in Rußland, und zwar in stets zunehmendem Matze, seit 1800 die Regel geworden, daß die Bauern versuchen, sich des ihrer Ansicht nach unberechtigt vorenthaltenen Landes mit Gewalt zu bemächtigten, um es den Dorfgemeinschaften als Eigentum einzuoerleiben. Dieser Drang, der ursprünglich nur schüchtern zutage trat, da er ja alle bisherigen Begriffe auf den Kopf stellte und der Staat sich ihm mit allen seinen militärischen und polizeilichen Machtmitteln entgegenstellte, hatte schon 1905 und 1906, also nur vierzig Jahre nach der Auf hebung der Leibeigenschaft, elne Wucht erreicht, vor der ganz Ruß land damals erbebt«. Denn anders als mit diesem Ausdrucke kann man die Folgen des japanischen Krieges, die in den Vorgängen von 1905 und 1906 zum Ausdruck kamen, kaum bezeichnen. Zwar nahmen die damaligen Ereignisse ihren Anfang an der Front. Aber entfesselt hat sie im Grunde genommen nur das Bestreben der Bauern, die das russische Heer bildeten, sich mit dem Mittel der Gewalt des einheimischen noch nicht in ihrem Besitze befindlichen Landes zu bemächtigen. Und in diesem Stile ist es von da an immer weitergegangen. Die Geschichte der russischen Landwirt schaft enthält seit 1905 und 1906 eine Reihe von Verbrechen, die durch die Bauernschaft gegen andere Kreise wegen ihres Land besitzes begangen sind. Nach amtlicher Quelle der revolutionären Regierung ist dle Bestellung des Ackers im gewesenen Zarenreich während des verfloßenen Jahres um fünfzig Prozent zurück gegangen wegen der Uebcrgriffe der Bauern gegen die anoeren Landbesitzer. Datz die russischen Bauern, die in ihrer konservativen Gesinnung immer dos staatserhaltendc Element bilden und sich sogar unter der Leibeigenschaft wohlfühlen, sich trotz dem »:nd noch dazu derartig schnell, in Bolschewisten reinsten Charakters gewandelt haben, daran trägt der Zarismus die Schuld. Er schaffte die Hörigkeit, ..da sie Rußland vor Europa beschmutze', ab, aber diese, durch Rücksichtnahme auf ausländische Anschauungen veranlaßte Maßnahme sollte den Grotzgrundbcsihcrstand, also die Mächtigen des Reiches, nicht schädigen. Deshalb erhielten die Bauern bei ihrer Befreiung so wenig Land, daß sie davon unmöglich leben konnten. Dadurch sollten sie gezwungen werden, ihre Arbeitskraft für billiges Geld den gewesenen Herren zur Ver fügung zu stellen. Auch die Uebergabe des Bauernlandes an die Dorfgemeinden mit der Verpflichtung der dreijährigen Verteilung erfolgte aus dem gleichen Grunde. Dadurch sollte einer Ver mehrung des Besitzes ein Riegel vorgeschoben werden. Aber all diese ausgeklügelten Berechnungen erwiesen sich als falsch. Das geht schon aus der Tatsache hervor, daß in Rußland seit 1890 im Durchschnitt jährlich »ünfztgtaufend Rittergüter zum Zwangs verkaufe, und zwar nur wegen Bankschulden, gelangen. DoS als Folge der Aufhebung der Leibeigenschaft bedingte Ausscheiden der Gutsbesitzer aus dem Wirtschaftsleben wandte sich aber auch gegen die Bauern. Denn diesen fehlte nun dock der Arbettsoerdienst, der zu ihrem Lebensunterhalt unerläßlich war. Weiteres Land, das ihnen so nötig gewesen wäre, erhielten
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