1879. Ende November. Nr. 22. Zeitschrift '£'10 un für verwandte Wissenschaften. Erscheint monatlich zwei Mal. Redacteur: Hofrath Dr. J. G. Th. Graesse, Directoi des IC. Grünen Gewölbes, der K. Porzellan- und Gefäss-Sammlu’ig und des K. Mßnzcabinets zu Dresden, K. Bibliothekar, wirkl. Mitglied der K. Russ. Archäolng. Gesellschaft zu Moscau, Ehrenmitglied des Germanischen Museum za Nürnberg und des Museum Francisco-Carollnum des Randes Oesterreich ob der Enns, correspondirendes Mitglied der Academia Araldico-Genealogica Italiana zu Pisa und der Soci6t6 des bibliophiles zu Antwerpen, Ritter des K. Sächs. Verdienstordens 1. Classe und dos K. K. Oesterr. Ordens der Eisernen Krone, des K. Russ. St. Annen-Ordens und des K. Frenss. Kronenordens Classe, Inhaber der Medaille S. H. des Papstes Pius IX.: Causa laetitiae nostrae, etc. Erscheint Mitte und Endo jeden Monats. — Abonnement^preis pro Jahr 20 Mark. Einzelne Nummern 1 Mark. — Inscrtionspreis für die durchlaufende Petitzeile oder deren Raum 1 Mark, zweimal gespalten 50 Ff-, viermal gespalten 25 Pf. Bei zwölfroaliger Aufnahme wird von diesen Preisen 25%, bei vierundzwanzigmaliger 40°/o Rabatt gewährt. Inhalt: Ueber die vorzüglichsten Miniaturmaler des Mittel alters. — Die drei Cabinetstücke Dinglinger’s im K. Grünen Gewölbe. — Ein Beitrag zur Münzkunde der Kipperzeit. Von J. und A. Erbstein. (Fortsetzung.) — Inserate. Heber die vorzüglichsten Miniatur maler des Mittelalters. Die Geschichte der Handschriftenminiaturen be ginnt erst mit dem 8. Jahrhundert n. Chr., denn wenn sich auch in den Bibliotheken von Rom, Florenz, Wien etc. einzelne Codices finden, welche Miniaturen aus einer früheren Zeit enthalten, so beginnt doch ein eigentlicher Styl in dieser Kunst erst seit dem 8. Jahr hundert, und dürfen wir den Ursprung derselben vermuthlich erst in der Zeit Karl’s des Grossen, der hierüber selbst gewisse Vorschriften gegeben zu habm scheint, suchen. Zwar lässt sich der Einfluss der byzantinischen Kunst auf die Maler Italiens, Frank reichs und Deutschlands nicht ableugnen, allein immerhin haben wenigstens die Künstler der letztge nannten beiden Länder etwas vollständigEigenthüm- liclies und Selbständiges. Freilich ist ihr Zeichnentalent sehr mangelhaft, allein dafür zeigen sie mehr Erfin dungsgenie und überhaupt oft ein wirkliches Talent. Während nämlich jene im Colorit, der Gewandung, Architektur stets noch, wenn auch nur schwach, an das antike Zeitalter erinnern und ihren Figuren Charakter, Ausdruck und Leben nicht abzusprechen ist, sind ihr Haschen nach Effect durch allzu starke Anwendung des Goldes auf den Gewändern ihrer Personen und die fast hässliche langgezogene Form ihrer Gesichter merkwürdig verschieden von denen der ebengenannten Künstler, die in der Gewandung be reits einen reinen Styl, in den Köpfen aber Aus druck und Wahrheit zur Schau tragen. Im 9. Jahrhundert tritt bei den deutschen, französischen und englischen Illuminatoren der Handschriften bei architektonischen Sujets offenbar eine Neigung zum romanischen Styl, bei den italienischen zwar Spuren des* Nachahmens der Antike, aber sehr viele Mängel in der Zeichnung, vorzüglich in der anatomischen Partie, hervor. Das 10. Jahrhundert zeigt im Gan zen ein Stadium des Verfalls an, das Clair Obscur verliert sich fast ganz und die Formen der Figuren werden steifer und unschöner. Nur die deutschen Miniaturmaler machen davon eine Ausnahme: sie bevorzugen die blaue und grüne Farbe, zeichnen ihre Gesichter recht leidlich, und auch die Gewan dung ist bei ihnen natürlich, aber gegen das Ende desselben influirt die byzantinische Manier, Purpur und Zinnober, sowie Goldgrund prädominirt, und die Fleiselitöne werden brauner. Das zu Gotha aufbe- walirte Evangeliarium von Echternach aus den Jahren 972—983 liefert einen eclatanten Beweis hiervon, ebenso wie das berühmte, im Vatican aufbewahrte Menologion des Kaisers Basilius II. (989—1025) die gleichzeitige Höhe der byzantinischen Miniatur malerei versinnbildlicht. Das nächste Jahrhundert (1000—1150 n. Chr.) ist entschieden das schlech teste für die Kunst gewesen; genau so wie in den