Jahresbericht über das Schuljahr 1870—1871. I. Chronik. Das Jahr, über welches zu berichten dem Unterzeichneten obliegt, ist für das Gym nasium ein überaus schmerzliches und betrübendes gewesen, denn der Tod hat unter denen, welche es die Seinen nennen darf, eine reiche Ernte gehalten; die tiefste Wunde aber hat ihm der plötzliche Heimgang seines hochverdienten Rectors, des Professor Dr. Johann Friedrich Palm, geschlagen. Derselbe erkrankte am 3. Februar d. J. Der Zustand des Kranken, obgleich er sehr schmerzhaft war, gab anfangs zu keinerlei ernsten Befürch tungen Anlass; noch am 12.Februar konnte der Unterzeichnete, den der Kranke an diesem Tage an sein Schmerzenslager berufen hatte, um ihm die Abfassung des Jahresberichtes und die Anordnung der Examina zu übertragen, nach dieser Unterredung aus dem Munde des Arztes die beruhigende Versicherung entgegennehmen, dass der Zustand des Patienten ihm nicht bedenklich erscheine. Leider aber trat bereits am folgenden Tage eine Wendung zum Schlimmeren ein. Der 14. Februar brachte anfangs wieder einige Hoffnung, der Kranke aber war überzeugt, dass er diesen Tag nicht überleben w r erde und hatte bereits am Morgen desselben — es war gerade der Geburtstag seines einzigen Sohnes — mah- nende und segnende Worte an seine Kinder gerichtet. Am Nachmittag trat wieder ein heltiger Schmerzensanfall ein; es war der Vorbote des Todes, dem der Kranke bei vollem Bewusstsein mit der Fassung eines Christen entgegensah. Gegen 6 Uhr Abends ent schlummerte er sanft unter dem Vorlesen der beiden letzten Verse des Liedes: O Haupt voll Blut und Wunden etc. Der Unterzeichnete theilte am folgenden Morgen in Gegen wart seiner erschütterten Collegen dem Scliülercötus die Todesnachricht mit, nachdem er ein kurzes, auf den Trauerfall bezügliches Morgengebet gehalten hatte, und liess unter dem überwältigenden Eindruck des schmerzlichen Ereignisses mit Zustimmung seiner Lollegen die Lectionen für diesen Tag ausfallen. Bereits am Abend vorher hatte das Collegium beschlossen, zu Ehren seines entschlafenen Rectors einen feierlichen Gedächtnis- Actus in der Aula des Gymnasiums zu veranstalten und den Unterzeichneten beauftragt, • 16 \t e dächtnisrede zu halten Dieser feierliche Traueractus, zu dem der Unterzeichnete im Namen des Collegiums öffentlich eingeladen hatte, wurde den 17. Februar Nachmittags • n “ ^ er a ^3 e h a lten, wo vor dem Katheder der bereits geschlossene, mit Blumen rachgeschmückte Sarg aufgestellt war. Zu den beiden Seiten desselben standen als r. nwache die Schüler der Prima theils mit Trauerstäben, theils mit Palmzweigen, ms liohe Kömgl. Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts, welches bereits durch eine Zuschrift vom 15. Februar der Gymnasial-Commission und dem Lehrer-Colle- gium in warmen Worten seine Theilnahme an dem schmerzlichen Verluste des Gymnasiums ausgesprochen, hatte zu den Begräbnisfeierlichkeiten einen besonderen Vertreter aus seiner Mitte in der Person des Herrn Geheimen Kirchenraths Dr. Langbein abgeordnet. Der selbe eronnete den Traueractus, nachdem die Versammlung die beiden ersten Verse des 1*