FLÄMISCHE MEISTER FLÄMISCHE BILDNISMALEREI D ie flämische Bildnismalerei und die Kunst Anton van Dycks - fast sind es gleichbedeutende Begriffe. Denn im Gesamtwerk von Rubens nehmen Bildnisse nicht annähernd so breiten Raum ein v.ie bei van Dyck, dessen frühe Porträts allerdings durch den großen Lehrmeister ent scheidend beeinflußt sind. Aber während Rubens beim Porträtieren sich immer wieder aufs neue mit den Problemen der Bildnisgestaltung auseinandersetzte, beschränkte sein Schüler sich im großen und ganzen auf stereotype Formeln und Effekte. Allzu anpassungsfähig wurde dann der repräsentative van-Dyck-Stil von den meisten flämischen Porträtisten nachgeahmt, und nur ein paar eigenwillige Meister besaßen Charakter und Kraft genug, ihre Persönlichkeit nicht zu ver leugnen und sich neben Rubens und van Dyck als künstlerisch selbständige Bildnismaler zu behaupten. An erster Stelle Jacob Jordaens mit urwüchsigen, von italienischen Vorbildern un abhängigen Einzel- und Gruppenporträts. Zwei der bekanntesten Bildnismaler ihrer Zeit, der 1602 in Brüssel geborene Philippe de Cham- paigne, der schon als Neunzehnjähriger dauernd nach Paris übersiedelte, wo er als gefeierter Meister 1674 starb, und der 1597 in Antwerpen geborene Joost Suttermans, der bis zu seinem Tode im Jahre 1681 in Florenz als Hofmaler des Großherzogs von Toscana gelebt hat, können kaum noch der nationalen flämischen Malerschule zugezählt werden. Suttermans’ in Italien entstandene Dar stellungen von Fürsten, vornehmen Damen, von Kindern und hohen Geistlichen weichen durch handfeste Technik und branstiges Kolorit von dem bravourösen Bildnisstil der flämischen Meister unvorteilhaft ab (Abb. 356). Und wenn Philippe de Champaignes akademisch kalte und strenge Emzelbildmsse und pompöse Gruppenporträts in Museumskatalogen unter den Werken der »Französischen Malerschule« angeführt werden, dann ist diese Einordnung berechtigt. Allerdings scheint Champaigne selber sich auch in Frankreich zeitlebens als Flame gefühlt zu haben. In seinem 1668 datierten Selbstporträt im Louvre, das im Stil an Poussin erinnert, hat der alternde Meister sich ostentativ vor einer Waldlandschaft dargestellt, die den Ausblick auf seine Geburtsstadt Brüssel und die Kirche St. Gudule gewährt. Neben Jacob Jordaens, dessen Kunst bereits durch Wilhelm von Bode gewürdigt worden ist (Bode, S. 509-534), zeichnen sich unter den flämischen Porträtisten nur Cornelis de Vos und Gon zales Coques als so markante Persönlichkeiten aus, daß sie eine ausführliche Sonderbetrachtung verdienen. Ms Bildnismaler von persönlicher Eigenart sei zögernd und mit Vorbehalt auch Pieter Franchoys erwähnt. Von diesem 1606 in Mecheln geborenen und dort 1654 gestorbenen Maler, der nach kurzer Tätigkeit in Antwerpen und Paris bis zum Lebensende in seiner Vaterstadt gewirkt hat, kennt man etwa ein Dutzend Herrenporträts. Nur vier sind durch seine Signatur beglaubigt: das genrehaft aufgefaßte Brustbildnis eines jungen Mannes mit weißer Mütze bei der »Nagelprobe« (Brüsseler Galerie; dat. 1639); das 1645 entstandene Porträt eines Geistlichen (Museum von Lille); *93