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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1853
- Erscheinungsdatum
- 1853-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185302184
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18530218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18530218
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1853
- Monat1853-02
- Tag1853-02-18
- Monat1853-02
- Jahr1853
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1853
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Leipziger Tageblatt und Anzeiger. ^ 49. Freitag den 18. Februar. 1853. Nettungshäuser. Ueber die Nothwendigkeit zu errichtender Rettungshäuser hat der Kirchen- und Schulrath vr. Döhner in Zwickau vor Kurzem eine besondere Schrift herausgegeben, in welcher derselbe uns einen tie- ferm Blick thun läßt in die Verwahrlosung, welcher das Heran wachsende Geschlecht des Proletariat- aller Stände ausgesetzt ist. Wir erfahren, daß eS in Sachsen außer den Pestalozzistiftungen und den kleineren Anstalten größerer Städte bereits folgende Ret- tungSHLuser giebt, und zwar die des Staates zu BräunSdorf und GroßhennerSdorf, so wie die eigentlichen Privatrettungshäuser zu Schneeberg (Marienhof), bei Waldenburg (Marienstiftung), zu Stollberg, Riesa, Schönefeld und Waldkirchen, ingleichen daß solche noch zu Kirchberg, Oppach, Reichenbach, Auerbach und Elsterberg bereit- im Entstehen begriffen sind und daß man auch anderwärts den Gedanken festhält, daß nur damit noch »u helfen sei. Nachdem der gmannte, gerade in diesem Fache mehr wie man cher Andere sachverständige Herr Verfasser von Seite 11 bis 24 die erschreckendsten^ Beispiele sittlicher Verwahrlosung der Jugend gegeben hat, berechnet er Blatt 26 die Zahl der verwahrlosten und der Verwahrlosung auSgesetzten Kinder des Zwickauer Kreisdirections- bezirks auf 2060, und ««nähernd im ganzen Lande auf 4000, was Mir durchaus nicht zu hoch gegriffen »u sein scheint. Als Ursachen der Verwahrlosung führt er ebendaselbst folgende au, und wollen wir ihn hier, wmn auch nur bruchstückweise, redend einführen. //Fassen wir das alles zusammen, was uns vorliegt, so begegnen wir vor Allem der Armuth in allen nur möglichen Formen als einer solchen Ursache, hier der verschuldeten in Folge von Ar beitsscheu und Faulheit, von Mangel an Sparsamkeit in guter Zeit, von Verschwendung, Putzliebe, Spiel-, Vergnägungs- und Genußsucht; dort der unverschuldeten in Folge erlittener Un- glücksfälle, von Krankheiten, Mangel an Verdienst im Verhältniß zur Menge der zu ernährenden Kinder; hier der im Stillen schmach tenden Armuth, dort der an's Bettlergewand gewöhnten, in Lum pen umherziehenden und sich trotzig und unverschämt geberdenden. Eine andere Ursache zur Verwahrlosung begegnet uns in der tiefen sittlichen Versunkenheit vieler Aeltern, die vor dm Augm der Kinder ungescheut jedem Gesetze Hohn spricht und jedes Gelüste sich erlaubt, die voll giftigen Neides auf jeden Wohlhaben deren hinblickt, stiehlt und raubt, was ihr unter die Augen kommt und — satanisch genug — die eigenen Kinder dazu anhält. Wir begegnen ferner einer leidenschaftlichen Liebe zum Schnaps, die sogar schon dm Kindern in dB zartesten Jugend eingeimpft wird, die sich um Gesundheit und Verstand trinkt, die kaum eine andere Nahrung kennt als Branntwein, und dem daher auch der letzte Groschen geopfert wird, wenn auch die Kinder daheim hungern *). Wir begmnen weiter einer geistigen Beschränktheit und einem Mangel an Bildung, denen es gar nicht beikommt und beikommen *) ES ist lange nicht bekannt genug, wie viel dem Schnapse, diesem Boechus der neuern Zeit, geopfert wird, besonders seitdem zu den vielen Gchankstätten auch noch die gekommen find, wo «an ihn zwar nicht ver- gläseln darf, dagegen ihn »n Fläschchen nach Belieben zum sofortigen Genuß erhalten kann. — An einem )ahrwarkt-tage in einer Mittelstadt mit etwa 86 Gchnapsstätten soll ohnlän-st in einer einzigen allein für 47 Thlr. Schnaps vergläfrlt worden sein; haben nun auch die übrigen vielleicht nur zu einem Dritttheile so gute Geschäfte gemacht, so würde sich doch dir ganz anständige Summe von mehr dl- 0«> Lhlrn. ergeben, die?lcher an einem einzigen Tag« für Schnaps negozirt worden find. kann, sich um eigentliche Erziehung der Ihrigen zu kümmem und die jedes Geschick dazu ausschließen; einer Rohheit und Gefühl losigkeit, die ihr eigen Fleisch und Blut bis zur Grausamkeit miß handeln kann; einer unfläthiqen Schamlosigkeit und einem Hange zur Unzucht, unter deren Einflüssen ein kindliches Schamgefühl gar nicht erwachen kann, und wo die Keuschheit „in Worten und Werken" gleich von vorn herein ermordet wird, namentlich in den Armen- und Gemeindehäusem, wo Alt und Jung bunt durch einander zusammengepfercht oft ein Leben führt, von dem man sich in andern Verhältnissen gar keine Vorstellung zu machen im Stande ist. Und fragen und forschen wir nach dem Haupt - und Grundübe! der meisten dieser beklagenswerthen Erscheinungen, so begegnet uns neben dem äußern — der Dichtheit der Bevölkerung und dem Pauperismus — da- innere, jetzt leider überall und auch durch die nieder» Volksschichten hin verbreitete — der Abfall von Gott und seinem heiligen Worte, der mit der Verneinung alle- Übersinnlichen und Ewigen anhebt und mit der frechsten Verach tung und Verspottung des Evangeliums von Christo endet, für den weder Kirche noch Altar, weder Bibel noch Gesangbuch vor handen ist, eS wäre denn zur Verlästerung, und dem selbst die Schule auf christlicher Unterlage und voll christlichen Geiste- ein Greuel ist. — Der Verfasser weiß, daß eS Ausnahmen giebt — viele Ausnahme» sogar, wie denn auch die eingegangenen Tabellen solcher g^enken, aber daß dermalen auch unter den Armen die Zahl derer groß, sehr groß ist, di« an jener unheilvollen Krankheit leiden, welche von Oben herab nach Unten wie ein Krebsschaden in die bürgerliche Gesellschaft sich eingefreffen und zur Zeit noch jedem Heilversuche gespottet hat — da- weiß er auch. Daß aber unter solchen Verhältnissen, wie die eben besprochenen, Kinder, wenn sie noch nicht verwahrlost sind, der Verwahrlosung unfehlbar über lang oder kurz anheimfallen müssen und resp. an- heimfallen mußten, liegt auf der Hand und bedarf keine- Beweises. Im weiteren Verlaufe seiner Schrift beantwortet vr. Döhner die Krage: wie sich die besprochene Verwahrlosung kund giebt? und stellt hier ein überaus trauriges, leider aber wahre- Bild auf, durch welche- unS da- sittliche Elmd so wie die körperliche Entnervung der bezeichnet«» Staatsangehörigen klar vor die Augen gebracht wird, namentlich deutet er auch darauf hin, daß in unfern Aucht- und Correctionshäusern bis jetzt nur wenig zur eigentlichen Besse rung der Sträflinge bewirkt worden sei. Seite 33 kommt er dann auf die Frage: „Wodurch da- Kind zu rettm sein möchte?" und dadurch von selbst auf die eigentlichen Rettung-Häuser, wie man sie in der neuem Zeit hier und da er richtet hat. Hier nun sagt vr Döhner Seite 26. „Anlangend die sehr häufig beantragte Aufnahme in Bräun-- dorf, so steht auch ihr mehr al- ein Bedenken entgegen. Denn abgesehen davon, daß diese CorrectionS- und Erzichungsanstalt so wie jetzt auch die zu GroßhennerSdorf dem Gesammtvaterlande an gehört, dem eS auch in seinen übrigen Bezirken nicht an sittlich verwahrlosten Kindern fehlt; daß sich in Bräunsdorf, welches für 320 Köpfe und zwar 270 männliche und 50 weibliche berechnet und eingerichtet ist, am Schluffe de- Jahres 1851 sogar ein Be stand von 324 inel. der Beurlaubten befand, so fragt sich noch aar sehr, ob eine solche casernenartige Unterbringung und Erziehung so vieler verwahrloster Kinder, besonder- wmn sie zum Theil bereits in das Jünglings- und Jungfraumalter eingetretm find, auch schon mehrfach verbrecherische Handlungen begangen habm, selbst bei der größten Wachsamkeit und dem gewissenhaftesten Etftr de- Direttors
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