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Dresdner Nachrichten : 08.12.1864
- Erscheinungsdatum
- 1864-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-186412088
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18641208
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18641208
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1864
- Monat1864-12
- Tag1864-12-08
- Monat1864-12
- Jahr1864
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 08.12.1864
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fache Schwindeleien, die hier vorgekommen, bekannt gemacht worden sind, so lassen sich doch immer wieder Leute täuschen. Ein Hauptschwindel wird gegenwärtig wieder von einigen jungen Leuten in der Weise ausgeübt, daß sie sich in Schlaf stellen einmicthen, von den Vermiethern auch ohne Weiteres ausgenommen werden und bei der ersten besten Gelegenheit, theils mit Sachen, die dem Wirth gehören, theils mit Sachen anderer Schlafgenossen verschwinden. Derartige Manipula tionen würden nun bei nur einiger Beobachtung der vorge schriebenen Vorsicht dcr Logisvermiether gar nicht ausführbar sein, denn in der Regel ist Jedermann, der von auswärts nach Dresden kommt und hier Unterkommen sucht, im Besitze eines obrigkeitlichen Ausweises, entweder hat er eine Reise legitimation, cinen Hcimaths- oder Geburtsschein, oder ein Arbeitsbuch. War er bereiis bier aufhältlich oder ist er gar hier heimathsangehörig, so wird er sich ebenfalls im Besitz einer von der hiesigen Behörde ausgestellten Legitimation be finden, mag diese nun Einwohner- oder Produetionsschein oder Aufenthaltskarte u s. w. beißen Es ist daher den Logisvermielhern dringend anzurathen, bei etwaigen Ver miethungen nach den Legitimationen ihrer Mictbleute nachru fragen und selbige sich von ihnen produciren zu lassen, in diesen: Falle werden sie gewiß davor bewahrt bleiben, daß sie in der oben beschriebenen Weise beschwindelt und bestohlen werden. — — Die seit dem 4 d. M. in Betrieb getretene neue Dainpsfähre der hiesigen Fischerinnung ist sammt Zubehör des eingetrctcncn Frostes wegen — die Elbe geht stark mit Treib eis — gestern in das für dieselbe bestimmte Winterquartier — in die zunächst der Wasserstraße gelegene Eindeichung gebracht worden. — Gestern früh 6 Uhr begab sich eine Feuerlöschcom mission nach dem Keller des Hauses Altmarkes Nr. 15, in welchem am 3. das von uns bereits gemeldete Feuer ausge- brochcn war, und man fand zur größten Ueberraschung der damit beauftragten Personen keine treuere Zerstörung an Fäs sern und Flaschen, sondern Alles in bester Ordnung vor. — In einer auf der großen Brüdergasse befindlichen Restauration wurde vorgestern Abend der Wirth von einigen ihm unbekannten Gästen thätlich beleidigt. Er schickte des halb nach Hülfe, allein noch ehe dieselbe cintraf, hatten sich die Gäste sammt und sonders verzogen und waren natürlich auch nicht so freundlich gewesen, dem Beleidigten ihre Visiten karten zuräckzulassen, bez. ihre Wohnungen vorher auf zugeben. — — Auf der königl. wcstl Staatseisenbahn sind am Mon tag Nachmittag nach I Uhr kurz vor dem Bahnhöfe in Plauen zwei Güterzüge auf einander gefahren. Glücklicherweise soll das Personal beider Züge bis aus cinen Beamten, welcher be deutend verletzt ist, ohne Beschädigung davon gekommen sein. — Vorgestern spät Abends wurde auf der Louisenstraße ein Schulmädchen angetroffen, das dort hinter einem Stein haufen kauerte und schon halb erfroren war. Es ergab sich bald, daß eS der Sorte v.n Kindern angchvrte, die ihren Eltern nicht gehorchen und ihnen bei je'er Gelegenheit, wö sie zur Ordnung angehalten werden sollen, entlaufen. — — Concert. Das 3. Abonnement-Concert der königl. musikalischen Kapelle («!. Dccbr.) unter Direktion des Herrn Hofkapellmcister Krebs war im Ganzen mehr belehrend als erhebend. Zum Schlüsse desselben wurde die 1. Symphonie «L «kur- von Beethoven vorgctragcn, dieses überaus klare reiz volle Weck, dessen leicht beschwingte Melodicen und dessen Satzgefüge noch so ganz an die großen Vorgänger Haydn und Mozart erinnern. Dies war das un gleich bessere Stück dcS Abends. Die drei vorangehenden andern Sachen waren eine Symphonie in O-mol! von R. Volkmann und zwei Ouvertüren, eine von Mendelssohn „zur schönen Melusine" und eine andere sogenannte erste Ouvertüre von F. Hiller. Unsere Besprechung kann sich der Kürz: hal ber nur über das Volkmann'sche und über das Hiller'sche Werk erstrecken. Wenn sich Beethoven, der größte Orchester komponist Beethoven nicht scheute, die betretenen Wege seiner Vorgänger zuerst auch einzuschlagen, d. h. wenn dieser große Genius, der gewiß das Zeug gehabt hätte, gleich mit völlig originalen Eompositioncn vorzugehen, dennoch in derselben lichtvollen und architektonisch einfachen Weise zu componiren ansing, wie Haydn und Mozart das thaten, — so hatte er dafür seine guten Gründe. Die nachfolgenden Orchestercom- ponisten hätten es für eine um so heiligere Pflicht halten sollen, es ebenso zu machen, d. h. aus denselben reinen Quellen zu schöpfen, weil sie ja die Aufgabe lösen wollen, den Riesen Beethoven noch zu überbieten. Wie fangen es aber die neuern Componisten ter Mehrzahl nach an? Ohne nach den alten Vorbildern zu fragen, ohne ihre Gedanken logisch ordnen und architektonisch abrunden zu können (denn ich behaupte dreist: diese Fähigkeit ist fast außer Mode ge kommen), tischen sie uns aus ihrem engen persönlichen Ge fühlskreise kleine geistreiche Bilderchen mit prätentiösen Grund strichen auf und halten das in eitler Selbstverblcndung für wirkliche Musik. Wer einigermaßen Bescheid weiß, muß wissen, daß wir auf dem Wege zu einer Art Mosaik kommen, zü geistlosen Potpourri's und zu nichts weiter. Um eine nichtssagende Motive im Eontrabasse zerren sich eine Menge von Instrumenten, als wenn es sich um diplomatische Noten von größter Wichtigkeit handelte; auch an Paukcnlärm und an Blechinstrumenten Geschmetter sind die Zuthaten schon da, und doch kann kein Eemponist durch diese Gewaltmittel das Publikum so chloroformiren, daß es die Sehnsucht nach einem klaren und genießbaren Gedanken ganz aus dem Herzen ver löre. So war, ohne auf Einzelnes einzugehen, der Eindruck, den die Volkmann'sche Symphonie machte. Solche Musik fordert zu sehr ernsten Betrachtungen auf. Das Hiller'sche Werk entwickelte zwar cinen noch größern Lärm. Hier fallen aber die Theile nicht gerade so unangenehm aus den Fugen und über's Ohr, wie dort. Armin Früh. — Angekündigte Gerichtsverhandlungen. Mor gen den 9. Lecemder Vormittags finden folgende Verhandlungs termine statt: Vormittag- 9 Uhr GerichtSamt Dippoldirwalb« de« Mihlenbefitzer« Hanßwald zu Kreischa Gut»»W«zl« Patzig in Kautzsch; io Uhr n Pnbatankl ^ ^ ^ ^ Privatanklagsache de» «. Ten wider den GerichtSamt Döhlen Pribätanklagsach« de« GutSbes. Schleinitz in Kleinnaundorf gegen di» verehr!. Klöß in Zschiedge; tzl l Uhr wrder dm Handarbeiter Kriedr. Wilh. Walther in Kötzschen broda wegen Diebstahls und Unterschlagung; ^ 12 Uhr G«. richtSamt Döhlen Pckvatanklagsache Johanne Christiane Häntzschel »u Döhlen wrd r den Schmiede meist er Jlschner daselbst. Bor» sitzmdrr: Herr ÄerichtSrath Ebcrt. Auch etn Jubiläum. Am 29. November d. I. waren es fünfzig Jahre, daß die „Times" ihre Leser mit folgender Ankündigung überrascht: London, 29. November 1814. Unsere Zeitung vom heutigen Tage übergiebt dem Pu blikum das praktische Resultat der größten Verbefferung, welche die Buchdruckerkunst seit ihrer Erfindung erfahren hat. Der Leser dieses Paragraphen hält jetzt einen der vielen tausend Abdrücke der Times in der Hand, die vorige Nacht durch einen mechanischen Apparat gedruckt wurden. Ein fast organisches System von Maschinerie ist erfunden und ausgeführt worden, welches, während es den Menschen von den mühevollsten An strengungen des Drückens befreit, alle menschlichen Kräfte an Schnelligkeit und Wirksamkeit weit hinter sich läßt. Um das Publikum in den Stand zu setzen, die Größe der Erfindung nach ihren Wirkungen richtig zu schätzen, führen wir an, daß, nachdem die Buchstaben gesetzt und in die sogenannte Form geschlossen sind, wenig mehr für Menschenhände zu thun übrig bleibt, als diesen bewußtlosen Agenten zu bedienen und zu be aufsichtigen. Die Maschine wird blos mit Papier versehen; sic selbst führt die Form hin und her, trägt die Farbe auf die Form, bringt das Papier auf die mit Farbe geschwärzte Form, druckt den Bogen ab und liefert ihn in die Hände des Wärters. Zu derselben Zeit gebt die Form zurück, um von Neuem gefärbt zu werden und dem nachfolgenden, bereits unterwegs befindlichen Bogen zu begegnen, während dir Ver- theilung der Farbe beständig vor sich geht, und das Ganze dieser complicirten Verrichtungen wird mit einer solchen Schnelligkeit und Gleichzeitigkeit der Bewegung vollführt, daß in einer Stunde nicht weniger als 1100 Bogen gedruckt werden. Daß die Vollendung einer Erfindung dieser Art, die nicht die Wirkung des Zufalls, sondern das Resultat me chanischer, im Geiste des Künstlers methodisch geordneter Com- binationen ist, von vielen Hindernissen und vielem Verzug be gleitet sein muß, wird gern zugegeben werden. Unser An- theil an diesem Ereigniß beschränkt sich blos auf die Anwen dung dieser Erfindungen in unserem eigenen Geschäft unter Vertrag mit den Patent-Inhabern; doch Wenige können sich vorstellen, wie vielen getäuschten Erwartungen hinsichtlich der Zeit der Vollendung und welch banger Besorgniß, selbst bei diesem beschränkten Antheil, wir eine lange Zeit hindurch unterworfen waren. „Ueber die Person des Erfinders haben wir Weniges hinMufügen. Sir Christophe! Wren's edelstes Denkmal ist das Gebäude, welches er errichtete; ebenso ist die beste Lob preisung, die wir dem Erfinder der Druckmaschine darbringen können, in vorstehender Beschreibung von der Mächtigkeit und Nützlichkeit seiner Erfindung begriffen. Nur das wollen wir noch hinzufügcn, daß er von Geburt ein Sachse und sein Name: König ist, und daß die Erfindung unter Leitung sei nes Freundes und Landsmannes Bauer ausgeführt worden ist." Im Vorstehenden ist das Wesentlichste der neuen Er findung kurz bezeichnet. Welches Staunen dieselbe nicht nur in den Druckerciwcrkslätt^n, sondern bei Allen hervorrief, welche mit der Presse in irgend einer Beziehung standen, kann erst eine Vergleichung der damals gebräuchlichen hölzernen Druckerpresse mit der neu erfundenen, durch Dampf getriebe nen, menschliche Kräfte nur nebenbei in Anspruch nehmenden Erfindung Königs ahnen lassen. Guttenbcrg erbaute die erste Druckerpresse nach dem Vor bilde einer Weinkelter; hundert Jahre lang wurde nichts an der einfachen Vorrichtung geändert, alle späteren Verbesser ungen hatten nur den schärferen Abdruck des Buchstabcnkildcs erreicht; König blieb es Vorbehalten, die Leistungsfähigkeit der Presse zu verzehnfachen, und die Gegenwart, welcher diese Schnelligkeit nicht genügt, hat sie verzwanzigfacht, denn die Little'sche Schnellpresse liefert in der Stunde 15,750 Abdrücke. Es ist hier nicht der Ort, den Entwickelungsgang der Königschen Erfindung zu verfolgen; unfern Lesern wird es von größerem Interesse sein, über die Person des Erfinders, welche die „Times" sehr beiläufig erwähnt, Näheres zu erfahren. Friedrich König wurde in Eisleben am 17. April 1775 geboren, erlernte bei Vreitkopf in Leipzig die Druckerei und studirte dann Mathematik und Mechanik. Schon als Jüng ling beschäftigte ihn die Verbesserung der Buchdruckpresse. Nachdem er seine Mittel in vergeblichen Versuchen vollständig erschöpft hatte, ging er im Jahre 1800 nach England. Sechs Jahre lang suchte er auch hier vergebens bei den berühmtesten Typographen und Mechanikern Vertrauen und Unterstützung für seine Pläne. Im Jahre 1812 verband er sich mit seinem Landsmann Bauer, der ihm treuen Beistand leistete und fort gesetzte Versuche ermöglichte. Als diese endlich vollständig ge lungen, verbanden sich die beiden Deutschen mit dem Englän der Walker, dem Verleger der Times. In aller Stille wur den in dessen Osficin zwei große Schnellpressen erbaut und durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesetzt. Das erste Erzeugniß dieser Pressen war die Nummer der Times vom 29. November 1814, welche der Welt die Nachricht von der großen Erfindung in der von uns mitgetheilten Ansprache brachte. König und Bauer kehrten im Jahre 1825 nach Deutsch land zurück und begründeten in dem am Main gelegenen Kloster Oberzell bei Würzburg eine Maschinenfabrik. Als die bisher dem stillen Frieden geweihten Räume des Klosters zum ersten Male von den Hammerschlägen der Arbeiter ertönten, da pflanzten König und Bauer in dem Klosterhof eine Edel tanne. Dieser Baum überragt jetzt das Dach des Hauses; mit Ihm ist auch das Werk der beiden Männer gewachsen. Hunderte von Arbeitern umschließen die Klostermauer«, und in dm näck um die taus Zwei seinem Geiste fort. Der Erfinder der Schnellpresse ruht auf dem Familienfriedhofe in der unmittelbaren Nähe des Schau platzes seines Wirkens an der Seite seines Freundes. Auf dem Grabstein aber hat des Dichters Hand die Worte gesetzt: Vorwärts dränget der Geist, Und die Presse hat zehnfaches Tagwerk; Daß sie genüge dem Dienst, Hast Du ihr Flügel gesonnt. * Die Prinzessin Clotilde. A. Wild berichtet in dem Feuilleton der „N. Fr. Presse:" Die Prinzessin Clotilde steht sehr früh auf: im Sommer um 5, im Winter um 6 Uhr Morgens. Ihr erster Gang ist an die Wiege ihrer Kin der, wo sie betet, und von da geht es in die Messe. In der Pariser Welt giebt es nicht wenig Leute, welche dm Prinzen mehr als die Prinzessin in dieser ungleichartigen Zusammen stellung bedauern, und meinen, daß er sich an der Seite seiner düsteren, frommen Gemahlin zu Tode langweilen würde, wenn er nicht seine Zerstreuungen außer dem Hause suchte. Sie erinnern an das Stück: „I.v msri -»la o»mp»»ne." Am Hofe jedoch imponirt die junge Königstochter selbst den mit der Moral am meisten Entzweiten, zum Theil freilich durch ihre fürstliche Haltung bei jeder Gelegenheit, zu welcher die anderen Frauen in derselben Sphäre vergeblich zu gelangm sich bemühen. Sie widmet nicht, wie die Kaiserin, die meiste Zeit und die meiste Sorge ihrem Anzug, und dennoch findet sie die strengste Kritik in diesem Fache elegant und geschmack voll, wenn auch äußerst bescheiden gekleidet. Jeden Morgen zwischen 10 und 11 Uhr führt sie das älteste der Kinder an der Hand und trägt sie das jüngere auf dem Arme in das Gemach des Prinzen, um für die Kleinen etwas Vaterzärt lichkeit zu erhalten. In politische Angelegenheiten und Jntri- guen mischt sie sich gar nicht, und sie nimmt es übel auf, wenn Jemand ihre Fürsprache beim Prinzen oder etwa noch hoher hinauf in Anspruch nimmt. Früher hatte die Prinzes sin die Gewohnheit, in der Kirche von St. Roch, zu deren Sprengel das Palais Royal gehört, Messe und Predigt zu hören. Eines Tages predigte der Jesuit Pater Lefövre. Als er die Prinzessin gewahrte, die mit aller Sammlung ihm zu- hörte^ rief er mit allem Aufschwung: „Ah, ich sehe vor mir die neue Clotilde, welche Christus den neuen CloviS zuführen wird." Aller Blicke wendeten sich nach der Prinzessin, deren Züge Verlegenheit und Unwillen ausdrückten. Seitdem hat sie aufgehört, ihre Andacht in der St. Rochkirche zu verrich ten. Die Prinzessin ist fast immer wortkarg, zurückhaltend und in sich gekehrt. Auf den ersten Anblick erscheint sie hart, unfreundlich; es sind besonders die stark gewölbte Stirn, der hervortretende Untertheil des Gesichtes, welche dem Kopf einen strengen Ausdruck geben; ihr Auge scheint sich vor jedem Blick zu fürchten und zu verschließen. Je aufmerksamer man sie aber betrachtet, desto einschmeichelnder und gewinnender schei nen ihre Züge zu werden. Tiefblaue Augen verkünden war mes Empfinden, Schwärmerei und Kraft der Hingebung, und das blonde Haar, in reicher Fülle um Stirn und Hals ge legt, verbreitet einen reizenden Schimmer über den Weißen Teint des Gesichtes. Schultern und Nacken sind von plastischer Schönheit. Die Prinzessin Clotilde lebt im besten Einverneh men mit der Kaiserin, die ihr jede Woche wenigstens einen Besuch abstattet. Die Kaiserin zeigt sich sogar sehr eingenom men für die Gemahlin ihres Gegners im Palais Royal. Der Kaiser behandelt sie mit einer Art von väterlicher Zärtlichkeit. * Wieder eine Heldenthat. Der „Graudenzer Ge sellschafter" berichtet aus Graudenz vom 18. Nov.: „Ein hiesiges Putzgeschäft war beute Mittag der Schauplatz einer ungewöhnlichen Scene. Ein an den Fenstern vorübergehender Offizier nahm anscheinend eine Bemerkung des in der Thüre stehenden Lehrlings übel und folgte demselben in den Laden, um ihn eigenhändig zu bestrafen, zog auch, da der Lehrling sich seiner Haut wehrte, den Degen. Es ging glücklicherweise mit einem ungefährlichen Hiebe ab; doch hat, wie verlautet, der Inhaber des Geschäfts über diese Justiz freier Hand Be schwerde erhoben. * Frankreich hat in diesen Tagen seinen letzten Trouba dour, Jacques Jasmin, zu Grabe getragen. Jasmin war in Agen, an den schönen Usern der Garonne, geboren. Als er in den Kinderjahren einst auf der Straße spielte, sah er seinen Großvater auf einem Lehnsessel von zwei Männern vorüber tragen. Er fragte diesen, wohin er sich bringen ließe? „Nach dem Spital, mein Kind," antwortete der Alte, „wo alle Jas mins ihren Lebenslauf beschließen." Das machte auf den kleinen Jacques einen so tiefen Eindruck, daß er sich entschloß, ein Handwerk zu erlernen. Er widmete sich der Barbier- und Fri- seurkurrst, der er auch bis an sein Lebensende treu blieb. Die Lorbeerkränze, die er von der ^cuäemio ckes ckeux üore»ux zu Toulouse und von anderen Gesellschaften erhielt, verhin derten ihn nicht, täglich die Stoppeln von dem Kinn seiner Mitbürger zu mähen, die Locken seiner Mitbürgerinnen zierlich zu kräuseln, und höchst tadellose Perücken zu verfertigen. Im Jahre 1825 erschien sein erstes Gedicht „Olmlibouri" (Charivari», wie seine folgenden im Dialect von Languedoc. Er war ein ächter Gascogner, der mit einer Lebhaftigkeit und einer ungewöhnlichen Mimik seine Dichtungen vortrug. Jas min wurde bald nicht nur in seiner Vaterstadt, sondern in ganz Südfrankreich sehr populär, und als er kurz vor der Februar-Revolution nach Paris kam, empfing ihn Ludwig Philipp höchst freundlich, lud ihn zur königlichen Tafel nach Neuilly und gab ihm das Kreuz der Ehrenlegion. Die bedeu tendsten Dichter und Schriftsteller, wie Lamartine, Victor Hugo, Charles Nodier, Amp«'re, Sainte-Beuve, widmeten ihm Ar tikel und bewunderten nicht nur seine Verse, sondern auch seine feurige geistvolle Unterhaltung. Die Stadt Agen ver anstaltete dem Dichter auf öffentliche Kosten ein großartige- Leichenbegängniß und wird ihm ein Denkmal setzen kaffen.
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