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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.01.1877
- Erscheinungsdatum
- 1877-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187701100
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18770110
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18770110
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1877
- Monat1877-01
- Tag1877-01-10
- Monat1877-01
- Jahr1877
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.01.1877
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halten, wenn wir kraftvoll eiastehen für DaS, wa< wir in schwerer Zeit uuS errangen haben, wenn wir die Regierung unsere- Kaiser- des Einflusses und de- Ansehen» nicht selbst entkleiden, die sie sich in der ganzen Welt erworben hat. Darum, lieber Wühler, kannst Da, auch wenn Du die Dinge von der wirthschastlichen Seite de- trachtest, nicht zweifelhaft darüber sein, daß Da Deine Stimme nicht geben kannst den Candi« daten von Parteien, die den offenen Kampf gegen Reich oder Reichsregierung auf ihre Fahne ge schrieben haben, sondern nur unserem bewährten Vertreter Bicebürgermeister a. D. vr. Stephani. Hegen die Socialdemokratie. Ei« W»rt zur Wahl. Drei Candidaten sind in unserer Stadt ausge- stellt worden für die heutige ReichStagSwahl. Da ist, um mit dem Neuesten anzufangen, zu vörderst eine kleine Partei, welche sich erst seit Kurzem hier aufaethan hat und nun mit all ihrer Kraft vom „Verrathe" der nationalliberalen Partei bei der Verhandlung über die Justizgesetze fthreit, um Capital daran- zu schlagen für ihren „gesinnung-treuen", „manneSmuthigen" Candi daten, al- wenn Muth dazu gehörte, irgend wie abzustimmen, wo man völlige Freiheit der Abstim mung hat, und alS ob e- die beste Gesinnung wäre, nur seine Meinung durchsetzen zu wollen auf Kosten einer großen Errungenschaft für die ganze Ration. Und man frage doch in den großen Kreisen der Wähler, um wa- eS sich bei dem Lompromiß wegen der Justizgesetze gehandelt hat, die Wenigsten wissen eS. Diese Candidatur Hänel wird nur den Erfolg haben, eine Anzahl Stimmen der liberalen Par teien auf sich zu ziehen und so den Socialdemo kraten den Weg zu einer Stichwahl zu ebnen. Diese letztere Partei arbeitet mit allen Kräften in den Kreisen, welch« ihrer Bildungsstufe nach den Einflüssen derselben zugänglich sind. Mit geschickter Berechnung der Verhältnisse wirkt mau ans die Kreise der Arbeiter, der kleinen Beamten, der Angestellten und aller Derer, die sich in ihren Verhältnissen beengt fühlen, die sich freuen, wenn herrschende Zustände und hervor ragende Personen in den Staub getreten werden, die eS für Muth halten, Alle- zu bemäkeln und zu verwerfen, waS sich im Lause der Zeiten ge schichtlich herangebildet hat und die den Ver sprechungen Glauben schenken, nach welchen in Zukunft ein Jeder mit gleiche« Maße da- Glück der Erde zugetheilt erhalten soll. Und da dieses Publicum läder immer ein äußerst zahlreiche- ist, so sind die Erfolge der Socialdemokraten erbebliche. Au Geschick und Unverfrorenheit fehlt eS ihnen nicht, aber eben nur jenen Kreisen gegenüber, die sie wie eine Heerde, einer schlauen Hierarchie nachahmend, nach den Wahlstätten zu treiben vei stehen. Hätten jene Kreise mehr Bildung und UrtheilS- fäuigkeit, so würden sie erkennen, daß die socialen Zrele der Socialdemokraten eitel Wind und Unsinn sind; daß sie nie erreichbar sind, so lange der Mensch ein Mensch bleibt, und daß sie, wirklich zu Stande gebracht, da- Bild eine- großen Universal- Znchthause- ergeben würden, in dem Jever sein Pensum an Arbeit leisten müßte und sein Theil an Futter dafür erhalten würde. Kein vernünf tiger Mensch glaubt, daß sich die Menschheit zu einem solchen Zustande der Zuchtarbeit und Stall fütterung herabwürdigen lassen wird, in dem jede Individualität von vorn herein zu Grunde ge richtet wird und jede- Borwärt-gehen der Mensch heit ausgeschlossen bleiben müßte. DaS wisse« auch die Macher der Socialisten ganz gut, ihnen ist eS vor Allem um die politische Seite der Sache zu thun. Sie wollen herrschen, sie wollen erhoben werden auf die Schultern der Masten und von ihnen die Macht leihen, die zu ihren Pläneu erforderlich ist. Wenn aber den Plänen der Socialisten keine Erfüllung, auch in Jahrhunderten, bevorstehen kann, Erfolge haben sie doch! Worin die selben bestehen, diese Frage ist leicht zu beant worten. Sie säen Unzufriedenheit in die Reihen der Arbeiter und aller Derer, die da meinen, es qehe ihnen nicht wohl genug aus Erden; sie schaffen Zwietracht zwischen Arbeiter und Arbeiter, zwischen dem Letzteren und dem Arbeitgeber, indem sie den Glauben verbreiten, daß jeder Arbeitgeber die Arbeiter schiude und nur zu seinem Vortheile ou-nutze; sie schaffen in Folge besten faule Arbeiter, die mit Unlust arbäten, und haben e- dabrn gebracht, daß die Geschicklichkeit der Arbeiter in Rückgang gekommen ist; sie haben dem Klein gewerbe, dem sie süßen Honig um die Lippen streichen, wenn e- gilt, die Industrie zu verlästern, dadurch den empfindlichsten Stoß gegeben, daß sie ihm den Arbeiter arbeit-unlustig, ungeschickt und anmaßend gemacht haben. Da- sind die Erfolge der Socialdemokraten und sie sind gerade groß genug und in so hohem Grade unheilvoll, daß eS Zeit ist, ihnen mit aller Kraft entgegen zu treten. lind nun sollen wir in Leipzig dulden, daß ein Man» wie Bebel gewählt werde oder doch so viel Stimmen erkalte, um zu einer Stichwahl zu ge langen, ein Mann, der vorwiegend die socialistische Partei leitet und der seine unleugbar großen Gaben dazu verwendet, seine oben besprochenen bcdauern-werthen Erfolge zu erkämpfen. Nein. Dem muß eutgegengewirkt werden mit aller Kraft. Der Kampf muß ausgenommen werden gegen die Socialdemokratie auf der ganzen Linie. ES ist hohe Zeit, dem festen Willen AuS- wruck zu geben, daß Bildung und Intelligenz imStaate herrschen sollen und nicht die rohe Masse, geführt von ehrgeizigen Phrasenmachern. Mögen alle Wähler, denen diese Parole au- dem Herzen gesprochen ist, am heutigen Wahltage ein gedenk fern, worum e- sich handelt. ES gilt, ein Princip zu wahren, e-gilt, gegen die Social demokratie sich zu erklären und gegen ihre Erfolge! Nie wird ein Candidat Allen recht sein, möge aber Jeder bedenken, daß eS sich nicht um kleinliche- Mäkeln, sondern um einen Grundsatz handelt. Wenn auch mancher Wähler auö irgend welchem Grunde nicht ganz einverstanden ist mit dem von der liberalen Partei aufgestellten Candidaten, er mag bedenken, daß eS gilt, eine Stichwahl mit dem socialdemokratischen Candidaten zu verhindern, und Stephani wählen Mögen vor Allein die Gewerbetreibenden, welche den <Ägeu der socialdemokratischen Wühlereien schon allzu lange genoffen haben, Mann für Mann zur Wahlurne eilen und Stephani wählen. Unser Ruf zur Wabl sei aber der allgemeine: Bildung und Intelligenz sollen herrschen im Staute und nicht die rohe Masse! Lagesgeschichtliche Aeberlichl. Leipzig« 9 Januar Die „Berliner autographirte Correspondenz" schreibt: „Zu deu Urnen, nationalliberale Wähler! Die Aufregung, welche durch da- feindselige Vorgehen der Fortschrittspartei gegen die Nationalliberalen in eine große Anzahl Wahl kreise von außen her hineinaetragen worden ist, führt eS mit sich, daß die Reichstagswahlen diese- Mal unter wesentlich anderen Bedingungen alS im Jahre 1874 vor sich gehen werden. Wo Huß und Zorn in maßlosen Ausfällen sich Luft machen, da ist wenig Raum für die kühle Berechnung der Chancen; da ist em planmäßige- Vorgehen absolut unmöglich gemacht. ES versteht sich von selbst, daß diese- für uns nun nicht die Bedeu tung haben kann, da- gemeinsame sachliche Inter esse irgendwie hinlenanzufetzen. Selbst das ent schiedenste Unrecht aus der andern Seite würde denselben Fehler auf unserer Seite nicht ent schuldigen. ES bleibt nach wie vor die Pflicht unserer Parteigenossen, mit Eifer danach zu trachten, daß dem politischen Besitzstand der libe ralen Partei überhaupt kein Abbruch geschehe. Wenn eS nicht möglich ist, einen Candidaten der eigenen Parle, durchzusetzen, so wird dahin zu wirken sein, daß Candidaten solcher Richtungen, die der nationalliberalen am nächsten stehen, auS der entscheidenden Wahl hervorgehen, daß der Sieg von Candidaten solcher Parteien verhindert wird, welche von un« unter allen Um ständen zu bekämpfen sind. Dazu ist nothwcndig, daß alle natioualliberalen Wähler sich am Wahlact betheiligen Der Ha^plseind unserer Sache ist die Gleichgültigkeit, das Nicht- Erscheinen der Wähler unserer Partei am Wahl- tenuiu. Nickt allein würde dadurch unser In teresse an der Wahl selbst geschädigt werden, sondern eS würde auch bei der späteren Fest stellung der Beteiligung der Wähler an dem Wahlact die Gesammtlumme der Stimmen, welche für »atioualliberale Candidaten in die Urnen ge fallen sind, eine« Ausfall erleiden, auS welchem bei der Bemessung deS Sch ivcrgewichles der Partei?« im gefammten Reiche unS nachteilige Schlüsse ge zogenwerden würden. Rührt euch also, ihr national liberalen Wähler, legt in allen Wahlkreisen, auch wo gar keine Aussichten auf die Durchsetzung eigener Candidaten vorhanden sind am 10 Jan. Mann für Mann eure Stimmen in die Urnen; erst recht aber da, wo die Wahl eines Partei genossen gesichert erscheint und wo Biele von euch auS diesem Grunde vielleicht den Gang inS Wahl local nicht nöthig zu haben glauben. Wir haben e- vor 3 Jahren erlebt, daß in einzelnen Wahl kreisen, wo der Sieg de- ultramontanen Candi daten absolut gesichert war, doch über 19,000 Stimmen für denselben in die Urnen sielen, wäh rend 3000 reichlich genügt hätte«, ihn alS den gewählten Abgeordneten erscheinen zu lassen! Auch vom Feinde soll man lernen. Ihr national- liberalen Wähler also iu-gesammt regt Fuß und Hand am 10 Jauuar, damit man euch nicht hinterher der Gleichgültigkeit gegen die Vertreter eurer Ueberzeugung zeihe." Freiherr v. Siausfeuberg hat in einer Münchener Versammlung seinen Wählern zu- aernsen: „Wenn Sie mich für einen ehrlichen Mann halten, so wählen Sie mich." Darob schlägt die radicale Cokorte einen ungeheuren Lärm. Davor hüten diese meist anonymen An greifer sich freilich, einem Stausfenberg nach« Zusagen, daß er bei der Abstimmung über die Justizgesetze nicht als ehrlicher Mann gehandelt habe. Aber waS man dem Enzelnen vorzuwersen nicht den Muth hat. da- schleudert mau auf die Gesammlheit Die nationalliberale Partei wird der politischen Ehrlichkeit bar erklärt ES dürste schwer sein, sich mit Demokraten nach dem Muster der „Frankfurter Zeitung" über den Begriff der Ehrlichkeit zu verständigen; wir können nur sagen, daß die Männer, die. einem Gebote ihre- Ge wissen- folgend, da- Compromiß über die Justiz- gesepe aunahmen, sich durch alle- Geschimpfe vo» dieser Seite wohl am wenigsten berührt fühlen werden Interessant aber wäre eö, von der „Frankfurter Ztg." zu erfahren, mit welchem moralischen Prädicat da- Verhalten zu belegen ist, welches ihre eigeuen Parteigenossen in München den Wahlen gegenüber beobachten. Die Münchener Volk-Partei hat nämlich beschlossen, einen eigene« Candidaten nicht aufzustellen, aber ihre Mitglieder dringend zu ermahnen, für den Candidaten einer andern Partei zu stimmen, um den National liberalen möglichst zu schaden Die Auswahl der „andern" Partei bat man sreigestellt In Frage kommen nur die Socialdemokraten und die Ultra- montanen. Die VollSpartei behauptet sonst, mit der Socialdemokratie in den Kragen der staatS-1 bürgerlichen Rechte zwar Übereinzustimmen, ihre wirthschastlichen Utopien aber, also die Haupt sache, prinoipiell zu bekämpfen. WaS den Ultra montaniSmuS anlangt, so rühmt sich die BolkS- partei, der unversöhnlichste Feind desselben zu sein. Trotzdem setzt sie jetzt alle Kraft daran, entweder dem socialistischen oder dem ultramontanen Candi daten zum Siege zu verhelfen. Ohne Zweifel ist Da- „politische Ehrlichkeit"! Von conservativer Seite ist der Vorschlag ge macht worden, daß in Berlin die Con fer nst iven dem Candidaten der Nationalliberalen, Herrn v. Forckenbcck, ihre Stimmen geben sollten. Die ..Kreuzzeitung" widerspricht diesem Vorschläge aufs Lebhafteste und stellt ihrerseits alS Candidaten für sämmtliche Berliner Wahl kreise einen Grafen Bredow auf. „Eine Be günstigung der Nationalliberalen", meint sie, „welche in principiellem Gegensätze zu den Grund sätzen der conservativen Partei stehen, würde für letztere besonder- gefährlich werden " Man kann der „Kreuzztg." im Interesse der politischen Auf richtigkeit für diese Erklärung nur dankbar sein. Für die Candidatur Forckenbeck können alle jene gemäßigten Elemente stimmen, welche die an der ReichSschöpfung selbst «it logischer Noth- wendigkeit sich ergebenden Ausgaben aus dem Wege der Verständigung mit der Reichsregierung zu lösen entschlossen sind. Jene angeblich confer- vative Richtung, welche die „Kreuzztg." vertritt, ist dazu aber nicht entschlossen; sie stellt viel mehr Vorbedingungen, welche, wenigstens in ihren weiteren Consequenzen. eine völlige Umgestaltung der Grundlagen unsere- nationalen Staat-wesen- herbeisühren müßten. Mit Recht fühlt sich darum die „Kreuzztg." im principiellen Gegen satz zur nationalliberalen Partei. Zugleich aber bestätigt sie damit aufs Neue, daß die von ihr vertretene politische Richtung, unter dem Gesichts punkte der Erfordernisse einer gesunden ReichS- politik betrachtet, nicht ConservätiSmuS, sondern Reaktion ist. Die Wahlen zum deutschen Reichstage finden seit einiger Zeit eine lebhafte Beachtung iu der Pariser Presse, namentlich soweit die selben Elsaß-Lothringen betreffen. Die französische Presse begnügt sich aber nicht mit patriotischen Reflexionen, sie mischt sich direcr in den Wahlkampf ein, somit iu die inneren Ange legenheiten Deutschlands. Nicht allein unter stützt sie die Männer der Protestpartei, sie bekämpft sogar m längeren Artikeln die reich-- freundlichen Candidaten. und speciell den Herrn SchneeganS, der im Saverner Kreise candidirt, alS AuSgangspunct nehmend. spricht sie von einem „wahrhaften Skandal", von der „un verschämten Frechheit" solcher Wahlen von „Renegaten" — denn „roter paar lui serait une trabiscm eurer« la patrie kran^aise!" Neber den Frankfurter Frieden, einen feierlich sanctio- nirten völkerrechtlichen Act, setzt man sich mit größter Leichtigkeit hinweg, und unzrveideutig tritt dabei wieder einmal klar zu Tage, daß Frankreich den geschaffenen «tutn« guo gär nicht als einen definitiven anerkennen will, daß es ihn nur hin nimmt, weil es zu machtlos ist, ihn zu ändern. Welchen Lärm würde man schlagen, wenn die deutsche Presse daS — allerdings kaum wahrschein liche — Verlangen zeigen würde, direct Partei zu ergreifen in den französischen Partei- und Wahl kämpfen. Bekanntlich haben fortschrittliche Blätter den in Mülhausen im Elsaß aufgestellten Rcichs- tagScandidaten DollfnS schon im Voraus alS ein sehr scbätzenSwertheß Mitglied der Fortschritts partei begrüßt. Der Aufruf, welchen das Mül hauser Wahlcomits unter Zustimmung deS Herrn DollfuS erläßt, sagt nun u. A : „Die Bedeutung dieser Wahl wird keinen« von Euch entgehen; die gegenwärtige Lage von Europa giebt ihr eine ganz charakteristische Bedeutung. ES ist unsere Pflicht, entschlossen, gesetzlich und unablässig jenes moderne Recht zu fordern, welches jedem Volke die freie Verfügung über seine Geschicke zugrsteht." Ma die „gegenwärtige Lage von Europa" und daS „Selbstbestimmung-recht der Völker" im Munde von notorisch französisch gesinnten Elsässern zu bedeuten hat. weiß Jedermann; nur die Organe der „deutschen Fortschrittspartei" scheinen sich iu der Beurtheilung der reichSländischen Verhältnisse einer Harmlosigkeit zu erfreue», deren nähere Be zeichnung wir auS HöflichkeitSrücksichten lieber unterlassen wollen. DaS Befinden dcß Fürsten Bismarck, welche- in den letzten Wochen durchaus nicht er freulich war, hat sich zwar etwas gebessert, nöthigt den Fürsten indessen noch, das Zimmer zu hüten und sich strenger ärztlicher Pflege zu vertrauen. Der ehemalige Präsident de- Reichskanzleramts, StaatSminister Delbrück, ist mit einem pracht vollen Album erfreut worden, da- ihm die Mit glieder de- BundesratheS mit ihren Photogra phien überreicht haben Eine Deputation, be stehend auS dem bayerischen Gesandten Freiherr» Pergler v. PerglaS, dem württembergischen Ge sandten Freiherrn v. Spitzemberg, de« hansea tischen Ministerresidenten vr Krüger «ud dem StaatSsccretair Vr. Friedberg, überbrachte die werthvolle Gabe alS eine dankbare Erinnerung an die großen Verdienste, die sich Herr Delbrück «ährend seiner neunjährige» Leitung der Ver handlungen de- BundeSrathS erworben. Der „Politischen Correspondenz" wird auS Aonstantinopel ge«eldet: Die Pforte ver weigert bebarrlich sogar die Einsetzung einer inter- »ationalen Commission und die Festsetzung eine- ModuS zur Ernennung der Gouverneure von BoSnien, der Herzegowina und Bulgarien, obwohl die Conserenzbevollmächtigttn die Forderung, daß die türkischen Truppe« in die festen Plätze und die Hauptorte der genannten Provinzen zurückgezogen würden, aufgegeben haben. General Jgnatieff > hat sich dahin ausgesprochen, daß es unmöglich sei, neue Zugeständnisse zu machen. — Der MarguiS v. SaliSburh hat deu Lloyddampfer „Aqmla" gemiethet. Der „Post" meldet man au- Wien: DaS so fortige Scheitern der Conferenz wird hier noch bezweifelt. Die Pforte erwägt die Ab berufung ihrer Vertreter in Europa, s«>S die Botschafter Konstantinopel verlasseu würden. Mibhat Pascha hat die Beschleunigung der Wahlen für daö türkische Parlament aageordnet. — AuS Jassy verlautet, nach Auflösung der Conferenz werde der Vormarsch der russischen Armee erfolgen. In Kischeneff sind 4 Dragoner- Regimenter und 3 ukränische Scharsschützen- Bataillone eingetroffen; e- ist Befehl zur Con» centrirung der russischen Flotte im Golf von Otschakoff ertheilt worden. Iu Triest bat eine feindliche Demonstration gegen die nach Konstan tinopel reisende ungarische Studenten-Deputation statkgefunden. Wie der „Standard" erfährt, hätte der eng lische Krieg-minister den Oberst Lennox zum ständigen Militairattachs beim türkischen Hauptquartiere ernannt. —r. Leipzig, 9 Januar. Beim letzten Quar- talwechsel sind, wie gewöhnlich, viele WohnungS- veränderungen geschehen. Dieser Umstand wird bei der ReichStagSwahl sich insofern bemerklich machen, als Diejenigen, welche Anfang Januar eine andere Wohnung bezogen haben, genöthigt sind, in dem Wabllöcal abzustimmen, dem die früher innegehabte Wohnung zugewiesen worden ist. Durch die Beachtung dieses Verhält nisse- wird sich Mancher einen unnützen Weg er» sparen können. Da- Comitö für vr. Stephani ist insofern praktisch verfahren, alS es jedem Wähler gleichzeitig mit der Uebersenduug deS Stimmzettels da- betreffende Wahllocal angegeben bat, so daß sich Niemand hinsichtlich de- Letzteren im Zweifel befinden kann. * Leipzig, 9. Januar. Im Anschluß an die Notiz im vorgestrigen Blatte über eine in Bremen von der Socialdemokratie gestörte Wähler versammlung sind wir heute in der Lage, einen ganz gleichen Fall auS dem 22. sächsischen Wahlkreise veröffentlichen zu müssen. Nachdem der nationalliberale Candidat dieses Kreise-, Herr Dietel, in sämmtlicben Versammlungen der letzten Tage ganz wesentlicher Erfolge, speciell über die Socialdcmckraten, sich zu erfreuen hatte und da- Wahlterrain den Letzteren etwas unsicher zu werden anfängt, griffen sie in letzter Stunde zu dem alten beliebten Gewaltmittel, die liberale Versammlung zu sprengen und den Redner nieder- zuschreien. (Wir verweisen auf die unten folgende Correspondenz.) Wenn man den ganz anawgeu Fall derSprengung in Bremen mit der Sprengung dieser undjvieler anderen Versammlungen in Ver bindung bringt, so geht daraus mit Evidenz her vor, daß die Agitatoren der Socialdemokraten Ordre haben, den gegnerischen Candidaten mund- todt zu machen, sobald sie merken, daß derselbe ihnen vollständig gewachsen und durch seinen Vortrag ausklärend zu wirken im Stande iß. * Aus dem 22. Wahlkreise, 7. Januar. Wilkau, welches bei der letzten ReichStagSwahl mit dem 22. Wahlkreise wählte, war im November v. I. auf Verordnung der königl AmtShaupt- mannschaft Zwickau zum 18. Wahlkreise verlegt worden, und erst vor wenigen Tagen traf von der genannten Behörde eine Gegenverordnung ein, nach welcher Wilkau wieder wie früher mit dem 22. Wahlkreise wählen soll AuS diesem Grunde hat da- liberale Wahlcomits zu Wilkau noch Veranlassung genommen, eine Wählerver- sammlung einzuberufen, um dem Candidaten der nationalliberalen Partei. Herrn Franz Dietel auS Wilkau, Gelegenheit zu geben, vor den Wählern in öffentlicher Versammlung fein Pro gramm entwickeln zu können. Diese Absicht wurde ihm jedoch vereitelt, in dem eine verhältnißmäßig kleine Anrahl an wesender Socialdemokraten daS alte Mittel in Anwendung brachte, die Versammlung zu spreugen und den Redner niederzuschreien. Die Versamm lung war von beiläufig 5—600 Personen besucht. Herr Gottlob Dietel eröffnete um 3 Uhr die Versammlung, indem er der urplötzlichen Umände rung deS Wahlkreise« gedachte, in Folge deren eö nur schwer möglich gewesen sei, entgegen bereits früher getroffenen Dispositionen, in Wilkau noch eine Versammlung abhalten zu können. Er über trug alSdann den Vorsitz Herrn Fabrikant Schultz auS Wilkau worauf eine Anzahl von Stimmen lärmend Herrn Ebert au« Zwickau zum Vorsitzen den verlangte. Herr Dietel berief sich auf sein gesetz liches Recht und übertrug Herrn Schultz defini tiv den Vorsitz, welchen Dieser auch übernahm um sofort dem Candidaten das Wort zu ertheilen. Ehe eSDiesem aber gelang, zu Worte zu kommen, entstanv ein wildes, unarticulirteS Schreien und Johlen im Hintergründe des Saale-, während dessen Herr Ebert auS Zwickau und ein Herr Rohleder ausElsterberq, Beide socialde«okrat'scbe Agitatoren, das Wort zur Geschäftsordnung ver langten. Letzterer drängte sich a» den Tisch de- Bureau, um mit Gewalt zur Geschäftsordnung zu sprechen, weil der Vorsitz ungesetzlich gewählt sei. Herr Kramer-Kirchberg verlas die betreffend« Stelle a«S dem VereinSgeletz, nach welcher der Einbenifer der Versammlung Las Recht hat, einen Vorsitzenden zu ernennen, worauf sich der Lärm nur noch vermehrte. Während diese- SkandalS erklärte Herr Ebert daS Verfahren de- Elnbcruserö al- TerroriSmuS und forderte seine politischen Gesinnungsgenossen aus, mit ihm unter Protest den Saal zu verlassen. Dieser mit großem Aplomb in Scene gesetzte Coup verfing jedoch nicht, denn nur Einzelne verließen mit ihm für einen Moment den Saal, um sogleich wieder zurückzukehren; namentlich verblieben die Ruhe störer in ungeschwächter Zabl im Saale. Nach- ! dem nun eine kleine Pause eingetrcten und die
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