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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 30.06.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19000630024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1900063002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1900063002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1900
- Monat1900-06
- Tag1900-06-30
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Di» „Dresdner Nackricklen" kttckeinvi ««glich «i»r«cn«: die Be,icker in Dreoden mid der näckitc» Uniiedz»,,. wo die Zutraamin durch riociie Bolen oder Kommmwnüre criolat, crl,alten das Blatt an Wockcuiaacn, die nickt aut Tonn oder it eiertaac «oiacu, in »wet Tlictlandaabctt Abend« und Morsen« zuaeileUl. gür Rückaade cinaeiandter Tchrisi- stucke keine Verbindlichkeit. gernfvreckanlcklub: »ml l Sr. N u. Lr. 2i)VS. Telearamm-Adreller v,qrtrl,lru Drr,»,o. Nevtrrg von Kiepsch Roicisavdt. AuKwarUae Auitraa« nur oeyen Vorausbezabiunci. Betegblätler werden mit iv Pt, dereckner. . Gr. » N'einxrmIi»n«IlW«e. R»rv««LQid, I, kmi8pi'. 3l Hori^vnux-, INivin- uni AL«»vInvii,«;, Vv8«vrtHvvlL»v, I«»lLi»rv, «Ivnt8«I»v m l kL»iiLÖ8!8<r»v Ullnnipnßxner. 1 Lninnns- Krieg in China. Neiiestc Drahtberichte. Hvsnachrichtcii. Stndtvcrordiiciei! - Sitzung, Unglück beim Bergsteigen. Apiigkt. „Die Entsührung aus dem Serail". Berliner Leben. »ZV» L.«/vv» Fernschreib- «nid Fernsprech - Berichte vom 29. Juni- Der Krieg in China. Berlin. Der kaiserliche Konsul in Tschifu meldet unterm 28. d. M.: Scmnour befreit. Jede nähere Nachricht, auch darüber, ob Gesandten bei ihm. fehlt. Eisenbahnverbindung mit Daku noch gefährdet. Lebte Strecke bis Tientsin, 12 Kilometer Landweg, nur für größere Abtheiluiigen paisirbar, 15 geflüchtete Ingenieure heute von hier Mi Wiederherstellung der ganzen Strecke nach Taku abgegangen. Beschienung von Tientsin von Westseite dauert fort. Chinesische Geschosse explodircn schlecht. Eingeborene angeblich drei gelobtet oder verwundet. Frühere An gaben über Zerstörung der englischen Niederlassung, wo die meisten Deutschen wohnen, scheinen übertrieben. London. Tie „Times" melde» ans Yokohama von gestern: Die rn Java» anwesenden Chinesen richtete» an die japanische Negierung eine Petition, sie möge ihren Einflug geltend machen, um die fremden Mächte zu veranlassen, den Kauer von China wieder cinzusetzen und die Hauptstadt nach dem Süden zu ver legen: dies leien die einzigen Mittel, um die Nuhe ivieder- hcrzuslellcn und Reformen in China cinzuführen. Kiel. Der Kaiser verlies; bald nach 7G Uhr Morgens die Nacht „vohenzollcrn" und fuhr nach dem Start zur Theilnahinc an der heutigen Wettfahrt Kiel-Travemünde. BeimPaisiren der Kriegsflotte feuerten die Schisse den Knisersalut. Ter Kaiser bestieg den „Meteor", Prinz Heinrich hatte die Führung seiner Dacht „L'ESverance" übernommen. Berlin. Tie Nachricht, das; der Minister der öffentlichen Arbeiten v. Thielen seine Aintscntlassnng iiachgeiucht habe, wird von sonst gut »uierrichketer Seite als nnzntrefsend bezeichnet. — Im RcichsgesundlicitSamt ist heute eine Konferenz von Sach verständigen zulammengetretcn, um die zu erlassenden Ausführungs- bestimmtingcn znm Schlackitviehgesctz zu begutachten. Bremerhaven. Der neue Hamburger Schnelldampfer „Deutschland" bat nach einer glänzend verlaufenen Probefahrt zunächst Bremerhaven angelanfcn, um hier die vor der ersten Neste übliche Dockung im neuen .uasterdock zu vollziehe», da die Dock anlagen in Hamburg zur Aninalnne des Riesenschisscs noch nicht bergerichtct sind. Tie „Denlichland" gebt Sonnabend nach Hamburg weiter, um am nächsten Donnerstag die erste Reise nach New-Dork anzutrcten. Bremen. Laut Bekanntmachung des O.ilarantänc-Amtes in Bremerhaven wird in Folge des erneuten Ausbruchs der Pest in Sporte die gcsnndhrilspolizeilichc Kontrole für ans Sport» und seinem Vorhafen Leirocs lonunendc Schisse angcordnct. Londo n. Dem „Dallu Cbrvniele" wird ans Pretoria vom 28. d. M. telegravhirt: Seit Sonntag bemühe» sich General French ans dem linken Flügel, General Hamilton aus dem rechten und die 11. Division in; Centrnm, ^>ie Stellung des Feindes ans den Hügeln 15 Meilen östlich von Silverton zu umzingeln. Ein dreitägiger Kamps hat stattgesnnden. Aber Dienstag Nacht rückte der Feind ostwärts längs der Dclagoa-Babn ab. Die englischen Verluste betragen insgesammt gegen 150 Mann. Man hofft, das; rS Genera! Bullcr gelingen werde, den Buren den Rückzug ab- zuschneiden. London. Der Sbcrbcselilshaber der Armee Feldmarschall Lord Wolielev hielt gestern a»f dem Banket der Vvlunteers eine Rede, in der er sagte: Ter gegenwärtige Ausblick ist für die ganze Welt kein sehr angenehmer. England hat noch mit dem Kriege tu Südafrika zu thun. obwohl ich hoffe, das; wir so ziemlich vor dem Ende desselben stehen. Ferner drohen ernstliche Verwickelungen in China. Aber ich habe zu dem militärischen Geiste des Landes das Vertrauen, daß, was für Schwierigkeiten auch immer ent stehen mögen, es uns an guten Soldaten nicht fehlen wird. Petersburg. Dem Kommandirenden des Kwantungschen Gebietes Viceadmiral Alexejesf sind die Rechte eines Komman- direnden über ein abgctheiltcs Korps zu Kriegszeiten verliehen worden. Helsiugfors. Das Erscheinen der Zeitung „Nna Pressen" ist wegen zweier Artikel „Unglaubliche Gerüchte" und „Zu welchen, Zweck" gänzlich verboten worden. Drei andere Zeitungen erhielten Verwarnungen. Der Herausgeber der Zeitung „Wiipuri" erhielt die Anweisung, sich vom Blatte zurückzuziehen. Rio de Janeiro. Der Finanzministcr überreichte dem Präsidenten den Staatsvoraiischlag für lOOl. Dem Funding- Ucbcreinkommen gemäß wird Brasilien die Zahlungen in Gold im Anslande wieder aufnehmen. Die Einnahmen in Gold belauicn sich ans 58,86!) Konto-Reis, die Ausgaben in Gold ans 35.79!) Konto-Reis, die Einnahmen in Pavier auf 281,367, die Aus gaben in Papier auf 2-11,125 Konto-Reis. Oertliches und Sächsisches. Dresden, 29. Juni. —* Se. Majestät der König, welcher gestern einen etwas längeren Spaziergang im Garten nnlernalmi und den größten Theil der vergangenen Nacht ruhig geschlafen bat, nahm heute Nachmittag 2 Uhr an der gcmcinfamen Königl. Mittagstafel wieder Theil. —* Der Kaiser!. NeichSgcrichtsrath Herr Dr- Jacob Friedrich Behrend, einer der ältesten Räthe beim Reichsgericht, qedenkt mit deni 1. Sktober in den Ruhestand zu treten. Damit scheidet ei» hochverdienter Jurist, der auch eine rege litterarijche Thätig- keit entfaltete, aus dem Dienste. —* Die gestrige Stadtverordnetensihung war auf Abends halb 8 Uhr anbcrannit. Ein Schreiben des Vorstands des Bürger- und Bezirksvereins der Pirnaischen Vorstadt, in welchem er sich über das iltischönc Aussehen der an der Ecke der Grunaer- und Albrechtstraße liegenden, zu Väsche- trocken, Wagen- und Kvhlenlagerplätzen verpachteten Baustellen beschwert und uni Abhilfe bittet, wird, nachdem St.-B. Wiedncr seiner Verwnndcrnng Ausdruck geacben hat, daß inmitten luxuriöser Villen ein solcher Plast bestehen könne, seitens des Herm Oberbürgermeisters Beutler dahin beantwortet, baß der Rath bereits beschlossen hat, den scho" feit der Zeit vor Erwerb ung dieses Grundstücks bestehenden Pachtvertrag zu kündigen und die gesaillinten dortigen Grundstücke znm Verkant auszubietcn. (Beifall ) Diese Parzellen seien seinerzeit gekauft worden, um dort das Vistthum'schc Gymnasium zu errichten. Nachdem diese Absicht gescheitert war. tollte daS Sberlandcsgerichtsgebäude dorthin kommen,' jedoch sei auch diese Absicht nach den Beschlüssen des Landtags hinfällig geworden, so daß der Kündigung des Pacht vertrags nichts mehr im Wege stehe. Ter bisherige Zustand sei mit Recht als anstößig bezeichnet worden. St.-V. Gvchrc meint, cs werde durch solchen Erwerb von Baustellen durch die Stadl der Baustcllenjobberci unter die Arme gegriffen. — Man tritt hierauf in die Tagesordnung ein und genehmigt in wiederholter Beratlmng die Abtheiluiigen 3. 4, 6 und 6a des Gesammt- bebaunngspla » s. betr. die Pirnaische Vorstadt, die Wils druffer Vorstadt nördlich der Wettinerstraßc, sowie die Friedrich stadt. Die Ausschüsse stellen dabei mehrere selbstständige Anträge, welche gleichfalls zum Beschluß erhoben werden. Darnach wird der Rath eriucht. die Johanncsstraße in der Strecke zwischen dem Gerogplast und der Johai»i-Gcorge»-Allee an der östlichen Seite auf 15 Meter zu Verbreiter», ferner dahin zu wirken, daß baldigst die Dinier- und Brüuergassc dem Fährverkehr eröffnet werden, sowie eine Planung vorzulegeu. wonach die Anlegung einer 20Metcr breiten Straße von der Fricdrichstraße nach der Magdeburgcrslraße vorgesehen wird und zwar ungefähr über die Parzellen 237 und 2-38 hinweg, St.-V. Baumeister Rühle hatte sich ein Minderheitsgiitachten Vor behalten, wo nach früherem Beschlüsse gemäß für die verlängerte Wachsbleichstraßc und die Straße II statt 16 Meter 18 Meter Hanptsimshöhe. sowie Erdgeschoß und 1 Obergeschosse ohne Dach ausbau genehmigt werde» sollen. Nachdem sich Stadtrath Kretschmar speziell gegen das anszubauende vierte Obergeschoß ge wendet hatte, da die Forderung nur im Interesse einer vermehrten baulichen Ausnutzung gestellt werde, aber daran festgehglten werden müsse, daß die Lzauptsimshvhe die Stcagenbreite nicht überweise, verwendet sich «st.-V. Göhre für den Wegfall des Tachausbanes namentlich in breiten Straßen, betont St.-V. Rühle, daß das an der Straße U gelegene Land der Stadt gehöre und es nnwirth- schasilich sein würde, die Bauvorschriften ungünstiger zu gestalten »nd beitreitet Nicevorstehcr Hartwig, daß m dem Ausbau des Dachgeschosses eine vermehrte bauliche Ausnutzung zu finden sei. Er fügt Hinz», daß Berlin für die ganze Stabt eine einzige Bau ordnung habe, Dresden aber besitze 61 verschiedener Regulative. Die Stadt Dresden sei eine Musteranstalt baupolizeilicher Jn- konicauenz. Hierauf wird auch das Nühle'sche Gutachten mit 41 gegen 12 Stimmen znm Beschluß erhoben. — Hieraus genehmigt man den Abschluß von Verträgen mit den Gemeinden Löbtau, N a u ß l i tz und Wölfni st über die Herstellung der Strom- rusührungsanlageii für die Stragenbahnlinie» und die Stromlieierung für den Llraßeirbalmbetrieb und nimmt von den Mitthciluiigen deS Rathes bezüglich der Einführung des Zehn- psennigtcirtts in Tressen Kenntnis;. St.-V. Göhre regt dabei an, cs möchte ans Umsteigekarren twie in Wien mehrmaliges Um steigen gestattet sein, es möchte auch ferner das Durchlochen der Fahrscheine einheitlich geregelt werden, damit den Fahrgästen etwaige Unannehmlichkeiten erspart werden, Berichternalter St.-V. Müller v. Bemerk verweist ans die mit den Straßcnbahn- gcscllichafleir fortdauernd gepflogenen Verhandlungen, bei deren Gelegenheit ans diese Punkte eingcgangen werden könne. Der mit der Gemeinde Tolkewitz über die Beschlensung dieses Vorortes und seine Versorgung mit Wasser zum Schutze des zweiten Wasserwerkes gegen Verunreinigung vereinbarte Vertrag, welcher der Stadtgcmcinde Kosten im Betrage von 228,«») Mk. au'bürdet, findet nur unter Hinzusügung einer ganzen Reihe von Bedingungen und Voraus«elzungcn gegen 1 Stimme Zuitimmung. ? ie L-chleuien Herstellungen sind mit 185.000 Mk., die Wasserrohrlcitnngen mit 26,0«» Mk.. die Anlicgerleistungen mit 17,000 Mk. veranschlagt. Ans dein Vertrag ist crwähiienSwerth, daß die Grundstückseigen-- lhümer von Tolkewitz ihre Senk- und Sammelarnben außer Be trieb zu setzen und die Abfallwässer der Hanptichlcm'c zuznffihrc» haben, sowie das; die Gemeinde Tolkewitz die Einlegung eines zweiten Hauvtzuführungsrohres nach Dresden in den öffentlichen Straßenkörper von Tolkewitz gestattet und die etwa nöthige Ab tretung von Grnndcigcnthuin zur Ttraßenvcrbreiterung durchführt. — Ter VerwaltungSausichus; empfiehlt durch «einen Vorsitzenden Vicc-Vorsteher Hartwig als Berichterstatter die generelle Annahme des Vertrages stimmt einer Reihe von Zusätzen. St.-V. Flocke mann wendet sich lebliait gegen die ganze Vereinbarung, denn diese bcdcirte für Tolkewitz ein fürstliches Geschenk. Nach dem Wortlaut des Vertrags könne für die Stadt Dresden die Ber Vtlichtung hergeleitet werden, die Straßen von Tolkewitz in gut baulichen Zustand zu versetzen. Jeder Schaden, der an der Straße entstehe, könne dann mit dem Schlcnicnban in Zusammenhang gebracht werden. Die ganze Angelegenheit erfordere eine gründliche Durcharbeitung, und er beantrage daher die Absetzung von der Tagesordnung zu späterer Berathung. Dieser Antrag wird jedoch nicht hinreichend unterstützt. Nachdem St.-V. Tr. Battmann sich kür den Abschluß des Vertrages verwendet uird gebeten hatte, in nächster Nähe des Wasserwerkes die Bebauung möglichst zurück znhalten, versichert Oberbürgermeister Beutler, das; der Vertrag nicht cingegangen tvorden «ei. um Tolkewitz eine Wohlthat zu er wciicn, «onocrn der Stadt Dresden falle die Pflicht zu. unter allen Umständen ihr zweites Wasserwerk vor Verunreinigung aus der Umgebung zu schützen. Man habe sich dabei nach dem Gutachten des Herrn Stadtbezirksarztes Medizinalrath Dr. Nicdncr gerichtet, welcher sich als einer der hervorragendsten und berufensten Sach verständigen bewährt habe. Tie Stadt Dresden gebe Tolkewitz das Wasser auf seine Kosten und beschleuse es aut seine Kosten, den» die Verlage Dresdens «eien im Bebanungsfalle znrückzuzahlen. Ter Satz sei so berechnet, daß die erwachsenden Zinicn auch mit gedeckt werden. — Betreffs der Einführung der gesetzlichen Vor mundschaft in Dresden trat Kollegium dem Beschlüsse des Rathes bei. der dahin geht, vorläufig zwar von der allgemeine» Einfuhr uiig der gesetzlichen Vormundschaft für den Bezirk der Stadt Dres den abznjelien, dagegen das Justizministerium um Genehmigung zu deren Einführung bei dem Erziehungshcuuc des Ehrlichö'chen Ge- stifts und bei dem Awl des Vlncentiusvereins zu ersuchen und die hierzu entworfenen „Bestimmungen" zu genehmigen. — Man er klärte alsdann die Annahme der Erbichaftcn. welcher Herr Ober- ! sinanzrath a. D. Battenberger dem Bürgerho'pikal und Frau verw. Hauptmann v. Witzleben der Stadtgemeindc ansgeieht haben. — l Fenier sprach man die Bewilligung einer Unterstützung von 800 Mk. K«ust «nd Wissenschaft. Königl. Hofover. Neueiiistudirt: „DicEntführung aus dem Serail". Die „Entführung" war die erste deutsche Oper Mozart's. das erste „nationale Singspiel" nach Kaiser Josef's Wunsch, denn Salieri's „Rauchfangkehrer" und die anderen noch ans der Hnnswnrstzeit herübergenoinnieiieii Machwerke können nicht iiiitgerechnet werden. Allerdings fehlte dem edlen Monarchen das volle Verständniß für Mozart's deutsches Genie: in den Gewohn heiten der italienischen Musik ansgewachsen und in ihnen vo» dein Jniriguanten Salieri sestgehalten. fand er „zu viel Noten" in der „Entsükrung". Aber die Wiener jubelten dem Werke zu, das im Juli 1782. in der beißcstcn Jahreszeit auf die Bühne gebracht wurde und trotz dieses ungünstigen Umstandes die größten Ein nahmen gewann, die bis dahin überhaupt erzielt worden waren. Auch heute noch entzücken fast ausnahmslos die Gesänge in diesem Meisterwerk zunächst durch ihren Wohllaut und Schönheit der Formen und sicher würde die „Entführung" um dieser Vorzüge willen im Repertoir der deutschen Bühnen öfter hervortreten, wenn die Handlung an und für sich nicht etwas zu harmlos wäre und wenn die Gesänge sich ausschließlich nicht rn ein und demselben Thema der schmachtenden Liebe, ohne kräftigere Zuthat, bewegen würden. Das weitaus größere Hinderniß, vie Jrntfiihrung" im Repertoir erfolgreich zu halten, liegt aber auch in den Schwierig keiten. die den Solisten, vor Allem dem Osmin und der Constanze erwachsen. Namentlich ist der Osmin ein Unikum in der deutschen Opernlitteratur. Wie Bach und Händel in der feierlichen Kirchen- musik ideale Tonbilder für den seriösen Baß geschaffen haben, so ist Mozart in der humoristischen Baßgestaltung des Osmin noch heute unübertroffen, lieber die Arie des Osmin: „Solche her- oetauf'ne Lasten" schreibt Mozart an seinen Vater: „Ein Mensch, der sich in einem so heftigen Zom befindet, überschreitet ja alle Ordnung. Maß und Ziel, er kennt sich nicht, und so muß sich auch die Musik nicht mehr kennen. Weil aber (fährt der junge Meister fort und spricht damit aus, worin der eigentliche Zauber feiner und aller wahren Kunst liegt) „weil aber die Leidenschaften, heftig oder nicht, niemals bis zum Ekel ausgedrückt sein müssen, und die Musik auch in der schaudcrvollsten Lage das Ohr niemals be leidigen, sondem dabei doch vergnügen, folglich allezeit Musik bleiben muß. io habe ich keinen fremden Ton zum (dem Ton der Arie), sondem einen befreundeten, aber nicht de« nächsten D-minors. sondern den weiteren ^.-minoro dazu gewählt. Der Zorn des Osmin wird dadurch i»'s Komische gebracht, weil die türkische Musik dabei angebracht ist." Soweit Mozart selbst — ausgemacht ist, daß Alles, ivas die Tonkunst an Wohllaut und an Charak teristik komisch wirkender Melodie, Harmonie und Jnstrunicittiriing bietet, in der tonlichen Darstellung dieses Wütherichs Anweiidniig findet. Daß Herr Wächter diese überaus schwierige Partie, die nebenbei gesagt, über zwei Oktaven spannt, gleich bei», ersten Versuch so trefflich und durchaus sicher dnrchfnhrte, ist nicht nur ein Beweis seiner hervorragenden stimmlichen Begabung, sondern auch ein Beweis des Fleißes, der Sorgfalt und der Hinaebiing an eine Aufgabe, die in den Leistungen eines Künstlers ein Großes bedeutet. Nächst Osmin ist die Constanze überaus reich mit Schwierigkeiten bedacht. Die Partie ist für die Bravouriängcrin Cavalieri geschrieben, die über ganz exceptionelle Mittel verfügte. Ein Komponist unterer Zeit würde nicht wagen, einer Sängerin ähnliche Koloraturen in halsbrecherischer Höhe zuzumuthen, wie sie der Constanze zugcdacht sind. Frl. Abendroth konnte zwar nicht allen Anforderungen entsprechen, cs fehlte ihrer Ausführung in Allem die unerläßliche Leichtigkeit, die scheinbar spielend all« Schwierigkeiten nehmen soll, auch Frische und Elastizität gingen der Stimme hier und da ab, im Allgemeinen verstand sie aber doch zu befriedigen und sich mit gutem Erfolg auf der steilen Höhe der Constanze zu behaupten. Ungleich leichter ist dagegen die Partie des ^Blondchen ^beherrschen, ^ie^zwar für eiiien Mezzo- Sovran"-^ durch, man der Darstellung den Charakter des Blondchen meist gänzlich ver fehlte. Blondchen ist sicher eine agile, muntere und pikante Kammer zofe, aber sie ist, wie man zu sagen pflegt, keine Kneipzangc und fern, ganz fern muh ihr das Gekeiser liegen, wie es die bösen Biihnen-Schwiegermutter mit Vorliebe zum Ausdruck bringen. Von solchen übertriebenen Lichtern beleuchtet, muß dem Blondchen vor Allem die Hauptsache abgchen: Grazie und Liebenswürdig keit. Komisch sein wollen unter allen Umständen, bringt immer Gefahr. Herr Gießen bewährte sich sehr gut tu den von edler Anmuth erfüllten Gesängen und Herr Hofmüller war ausgezeichnet in der köstlichen Figur des Pedrillo. Einen besonderen Reiz boten die schönen Stimmen der aenannten Künstler in den Ensembles. Der Aufführung war durch die Leitung des Herrn Hofkapellmeiffers Hagen die klcffstsche Ruhe gewahrt, die Mozart auch im bewegten Zeitmaße und in den humoristischen Momenten nicht entbehren sann. ü. 8t. Berliner Leben. L. Berlin. 27. Juni. D «c Gerichtsverhandlung gegen den Kiftmörder vom Tcnrels'ee bei Potsdam hat den Berliner Blättern wieder einmal den Anlaß zu erbaulichen Betrachtungen gegeben. Sie spielen die Harmlosen und kommen ans dem Erstaunen darüber nicht heraus, daß „dergleichen" an der Schwelle des 20. Jahrhunderts und dazu »och in der „Stadt der Intelligenz", im klugen, ausgeklärten Svrecathen möglich sei. Ja, mein Himmel, in welchem Wollen Knckucksheim leben denn eigentlich diese Herrschaften, vorausgesetzt daß ihr Erstaunen ehrlich ist! Wenn sie sich um das kümmern würden, ivas nicht nur an der Berliner Oberfläche, sondern auch ein wenig tiefer vorgeht, dann müßten sie längst vor der Ver- urtheilung des verschmitzten „Zauberers" gewnßt haben, daß kaum in einer zweiten deutschen Großstadt neben oft nur äußerlich zur Schau getragener Freigcisterei der blödsinnigste Aberglaube so weite Kreise beherrscht wie in Berlin. Die Berliner Polizei hat längst ermittelt und zahlenmäßig nachgewiescn, daß hier viele Tausende ihren Unlerhalt durch Kartenlegen. Eideuten, Bleiaieße». Wahr sagen aus den Linien der Hände und ähnlichen mystischen Schwindel reichlich finden. Meist sind es alte, häßliche Frauen, die diesem einträglichen Geschäft nachgehen — je häßlicher, desto besser, da sie so von vornherein den Eindruck von „Hexen" machen und um so leichter das Vertrauen ihrer Kundschaft gewinnen. Diese letztere setzt sich keineswegs nur aus Angehörigen der niederen, schon in der Schulbildung zurückgebliebenen Kreise zusammen. Auch die sogenannten „feinsten Herrschaften" aus Berlin V.. die für Ibsen, Nietzsche und was sonst zur höchsten TageSbildrwg ge bürt. öffentlich schwärmen, sind Stammkunden bei dielen Weibern. Sir scheuen nicht den WM nach dem entfernten Norden oder Osten, nicht die steilsten und finstersten Treppen, um sich von diesen „Erleuchteten" ihre Zukunft enthüllen zu lasten oder sich bei wich tigen Entscheidungen deren Rathschlügc einzubolen. Sie schwören aus daS. waS diese schlauen Spekulanten auf die Dummheit ihrer Zeitgenoffen ihnen vorschwindeln, mag es noch so thörjchteS Ze«a
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