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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 20.07.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19000720023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1900072002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1900072002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1900
- Monat1900-07
- Tag1900-07-20
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Lerugsgebüdr: vierteljährlich z Mt. «n V°«.; durch die Post 2 Mk. 7S Pig. Di« »Dresdner iiiach richten' erscheinen tSgltch Morgen«; die Bezieher i» Dresden und der nächsten Umgebung, wo die Zutragung durch eigene Boten oder Aomuiiiiionärc erfolg«, erhalten da» Blatt an Wochentagen, die nicht aus Sonn- oder itciertagc iolae». in zwei Theilauegaoen Abend» und Morgen« zugeftcllt. Kür Rückgabe eingeiandter Schrift stücke leine Verbindlichkeit. Kcrnsvrcchanlchluk: »Mt l Lr. II u. Lr. 20SÜ. Telegramm-Adreise: »achrichton Dro«do». Donnerstag-Abendausgabe für Dressen und Umgebung. Anreizen-5an'f. Die Annahme von Ankündigungen ortolgt in der Äaubtacichästssteile und den Sicbenannabinesleüen in Dresden bis Nachinittag« bUkr. Sonn- und geierlag» nur Marienstrahe 28 von li biSV»lUbr. Die livallige Grüne- zecke ica. s Lilbciü IS P>g.. An kündigungen aut dcc Prival'cite Zeile ro Pig.: die rspaitigc Zeile als .Eingeiandt" oder auf Tertiäre oo Pig. In Nummern »ach Sonn- und freier- lagen l- bez. eivaltigc Grundwerten so, oo bez. oo und 80 Pig. nach besonderem Tarif. Auswärtige Aufträge nur gegen BorausbczahUüig. Betegdlätter werden mit w Mg. berechnet. ködert Vvdms Zu». omzillvlllt kloiÄvrSlottvill Krater Imivillil. kvorSplLlL 18. Nr. 197. Kpienel: Krieg in China. Neueste Drahlberichte. Hofnachrichten. Bundeslchießen, Bergnügungseck, „Liederkreis-Harmonie-, Mannergesangverein Plauen. Berliner Leben. Freitag, 2«. Juli ISttv. Aeruschreib- uud ^ernsprech - Berichte vom 19. Juli. Der Krieg in Cliina. Berlin. Der Chef des Krcuzergeschwaders meldet vom 16. d. M: Die Croberung war am l5. Juli früh vollendet, als die russischen Jahnen von der Citadelle webten. Bei dem Gefecht am 13. kümpftcn mit unter Alexejcw die Kompagnie Wedding von der „Gesion" und .Irene", die Kompagnie Kopv von der „Kaiserin Augusta", beide von Weniger befehligt. WO Meter entfernt fand eine ungeheure Explosion statt. Nur der russische General Stößel, der die Deutschen und Russen hervorragend führte, wurde leicht verletzt und eine Stunde lang behindert. Stößel äußerte, er iah nie bessere Soldaten als die unsrigen. In Folge des ivrnngweisen Vorgehens waren die deutschen Verluste am 13. dS. M Io aering. Die Deutschen nahmen mit den Russen Abends 7 Uhr 12 Geschütze. Tie Deutschen waren Abends 0 Uhr »och frisch und kämpften bis 1 Ulir. v. Wolf erhielt eine» Shrapnellichuß in's Knie. Ter größte Theil der Croberung der Chineienstadt fällt den Japanern zu. Pari s. Ter Minister des Acußercn erhielt aus Shanghai eine Depesche von gestern, welche besagt, nach Mittbeilung des Gouverneurs von Sbantung wären die Gesandten in Peking und ihre Familien unverfthrt. Die Gesahr lei aber iinmer noch sehr groß. Der Vicekönig benachrichtigte den Konsul, daß er nach Peking um Schutz der Gesandtschaften tclcgravbiren werde. London. „Dailu Mail" meldet aus Shanghai von vor gestern: Von chinesischer Seite wird amllich gemeldet, daß General Nieh in der Schlacht bei Tientsin gefalle» >ei. Das Eigensinn» aller Ausländer in der Provinz Schantnng sei zerstört. Die Truppen des Schantunger Gouperneurs hätte» die des Generals Tungfuhsiang unter großen Verluste» bei Tiangtschon, südlich von Tientsin, nage der Grenze der Provinzen Tschili und Schantnng. geschlagen. — Aus Tschifn erfährt dasselbe Blatt vom 13. d. M.. Die Lage in Mutschwang sei sehr ernst: 70 Kosaken ständen im Orte, und vor der Stadt lägen zwei javanische und ein russisches Kanonenboot. Die Boxer hätte» die Stadt eng eingcichlosscn. — Die „Times" melden ans Shanghai von vorgestern, der Vice könig von Nanking hgbc den Kommissar Taylor bis ans Weiteres mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Generasiniveklenrs der Scezölle betraut. — Ein Telegramm desselben Blattes ans Shanghai vom 16. d. M. besagt, dnß über die Lage in Peking seit dem 13. keine nuthentischen Meldungen Vorlagen. Viele Gerüchte, die natürlicher Weise den größten Besi'uchtmncn Aus druck geben, seien im Umlauf in der ans!ändischc» wie in der chinesischen Presse. Ter Estenbalindiicktor Schräg indessen, durch den man einzig »nd allein Nachrichten erhalten könne, erkläre, er Hobe keine weiteren Nachrichten empfangen. — Die Meldungen über den Ausbruch von Unruhen in Ningvo sind, wie dasfelbe Blatt aus Shanghai vom 16 d. Bi. erfährt, sehr übertrieben. Dort ist vielmehr Alles ruhig. Unter den Chinesen in Ningvo war eine Panik ansgebrochen, welche allmählich abiiinnnt. Zweifel los war sie im Wesentliche» durch die Gerüchte von der Todtung unschuldiger Chinesen in Tientsin verursacht. Es sind indessen nunmehr von der städtischen Verwaltung durch die Gilden mm Schutze der chinesischen Einwohner und der Frcmden-Niedrrlass- ungen beruhigende Erklärungen erlassen, die eine gute Wirkung gehabt haben. London. Wie dem „Standard" aus Shanghai gemeldet wird, begeben sich die Gouverneure von Hunan und Hapa an der Spitze ihrer Trupven nach Peking. Petersburg. Auf Grund der einschlägigen Gesetze werden das Amur-Gebiet, der erste Distrikt des Ebaborowsker Bezirks, ei» Theil des Küstengebiets. sowie die Städte Blagonncschticheast, Ebaborowsk. Nikolsk (Ussnri) und Wladiwostok als seit dem 17. Juli im Kr i cgsz u sta n d befindlich erklärt. Shanghai. Amtlich wird gemeldet, die sremden Frauen und Kinder seien ansgefoiderl worden, die Häfen am ?)angsickiang zu verlassen. Am Poygng ist in der Nähe von Kin-Kiang ein Ansruhr ausgebrochen. Mehrere Missionare sind geiödtct und die Kirchen eingeäichert worden. Ter Telegraph lsl zwischen >va»kan und Kin-Kiang unterbrochen. Hambur g. Ans der Werst von Blohm u. Voß wurden 135 Arbeiter entlassen, die beim Umbau des Poftdampfers „Sardinia" in einen Transportdampser beschäftigt waren, sich aber. weigerten, weiter zu arbeiten. Es wurden sofort andere Arbeiter an Bord der „Sardinia" mit der Ausführung der Arbeiten be austragt. In« Uebrigen ist die Lage des Ausstands unverändert. Tie Ruhe und Ordnung ist bisher nicht gestört worden. , München. Ter hiesige Umversitätsprofcssor Heinrich! v. Ranke, Direktor der Kinderklinik, stürzte auf Gut Laufzorn bei der Rehjagd ab und wurde mit drei Rippenbrüchen und Schulter- wunden bewußtlos aufgefunden. Wien. Die deutsche Fortschrittspartei und die deutsche Volkspartei in Mähren erklären zu dem Svrachengesctzentwurf der Regierung für Mähre», die ablehnende Haltung der Deutschen gegen eine auch nur theilweise Ausschließung der deutschen Sprache aus dem inneren Dienste werde zunächst von dem Streben nach nationaler Selbstcrhcsitung bestimmt. Die Forderung des Fort bestands der deutschen inneren Tienstsprache gewähre den vor nehmsten Entwickelungsbediiigungen des deutschen Volkes Schutz: die Einführung der inneren czcchischcn Ansprache, in welchem Maße immer, bedeute die Verdrängung des deutschen Elementes aus der Rechtsprechung und der öffentlichen Verwaltung. Es sei dies eine Frage der Erhaltung des nationalen Charakters des deutschen Gebietes. Die Vorlage babe mit dem Prinzip der inneren deutschen Amtssprache gebrochen; deshalb bleibe die Vorlage für die Deutschen unannebmbar. Innsbruck. Ter Führer Moser vom Zillerthcsi und ein Herr aus Berlin sind von der Königsspitze abgettürzt. Vom Hotel Sulden ist zur Bergung der Leiche» eine Expedition avgegangen. Paris. In der gestrigen Sitzung des Kongresses für Rett- nngswesen und erste Hilse sprachen Gerber-Köln, Knoblauch- Berlin über Rettungs-Einrichtungen der Berilssgenosienichafkeii, Max Schlesinger-Berti» über die Berliner Unfallstationen. Dr. Georg Meyer-Berlin über Krankentransporte und Graf Lomezan-Wien, Ein Glückwunsch-Telegramm des Ehren-Vice- Präsidenten des Kongresses Prinz Heinrich von Preußen jand be geisterte Aufnahme und fühlte zu einer Ovation sür die deutschen Mitglieder des Kongresses. Neapel. König Hinnbcrt besichtigte heute Morgen in Be gleitung des Kuegsministers und des Marin cministelS die nach China abgehenden Truppen. Ter König versammelte olle O sfizicre um sich, wünschte dann Allen guten Erfolg und fügte hinzu, daß er im Geiste stets bei ihnen sein werde. Eine große Menschen menge begrüßte den König mit lebhaften Zurufen. K o n st aiilinove l. Tic bakteriologische Untersuchung der verdächtigen KrankheitSsällc in Beirut ergab, daß cs sich um Pesl- eikraiikungeu handelt. LertUches und Lnchsisches. Dresden, 10. Juli. —* Ihre Masestäten der König und die Königin empfinge» gestern Nachmittag in Schloß Pillnitz den Bestich Ihrer Königs. Hoheit der Frau Großherzogin von Mecklciibnrg-Strelitz. welche zur Zeit im Kcppichlosfe zu Hostcrmitz wohnt. In den gestrigen Abendstunde!', nnternahmen beide Maiestäten eine Spazier fahrt in die Umgebung von Pillnitz. — Heute Vormittag empfing Se. Majestät der König die Herren Staaismiiiister v Metzsch und Dr. v. Seydewitz und die Herren HosdeporiemenlschefS im Schlosse zu Pillnitz zu Vorträgen. —* Se. König! Hobelt Prinz Johann G e o r gZst heute in Königsbrück eingetrossen und hat im Gasthos zum „Schwarzen Adler" (Inhaber Herr Arthur Listige) Wohnung genommen. Ter Prinz gedenkt Schießübungen beizuwohncn und wird bis znm 27. Juli in Königsbrück verweilen —* Ihre Kaiierl. n König!. Hobest Frau Prinzessin Friedrich Aug »st hat das Protctlmat des „Thlerschutzvercins zu Meißen" übernommen. —* Se. Exccllenz der Herr Knegsmiiiistcr v. d. Planitz be sichtigte am >7. Juli ds. I. in Begleitung von mehreren höheren Offizieren, darunter dein Kommandeur der 23. Feldaitilleric-Brigade Generalmaivr v. Rabenhorst. sowie dem Abiheilnngsches im Kriegs Ministerium Oberst Partcky daS Gestüt des Herrn Postmeisters Iaeger in Panitzsch, einer der wenigen sächsischen Pferde züchter. welche sich mit der Aufzucht edterer Pferde beschäftigen. Herr Jaeger bätt außer Vollbluthengsten und dergleichen Stuten auch edle Halbblntstuten. von welchen er bereits eine größere An zahl ausgezeichneter Fohlen gezogen hat. Auf dem letzten in Liebertwolkwitz abgehaltenen Remontcniarkt konnten ihm von der Militärverwaltung eine größere Anzahl brauchbarer Remonwn, die sich durch besonders starte Gebäude und guten Gang anszeichnetcn. abgenornmen werden. Tie Behandlung. Pflege und, Wartung der Pferde ist eine sehr sorgfältige und rationelle, wie üderharrpt das ganze Gestüt als musterhaft bezeichnet werden kann. Bon Sr. Excellenz wurde auch noch die Posthalterei des Herrn Jaeger in Leipzig besichtigt, woselbst eine größere Anzahl von Pferden, welche sür den Postdienst gehalten werden, ausgestellt sind. —' Im Interesse des dürstenden Publikums hat die Generaldircktion der sächsischen Staatseiscnbahncn in die Pacht verträge mit den Bahnhosswirthen die Bestimmung ausgenommen, daß in jedem Warteraum eine Flasche mit frischem Trinkwasser nebst Gläsern zur unentgeltlichen Benutzung bereit zu stehen Hai Ferner hat die Gencratdirettion unterm 10. Juni einen Erle' ergehen lassen, in dem den Bahnhosswirthen empfohlen wird, während der warmen Jahreszeit neben den sonst ausgcbotencn Ge tränken auch frisches Trinkwasser glasweise zum Preise von 5 Pfg. zu verkaufen. Das reisende Publikum wird lediglich in seinem eigenen Interesse handeln, wenn es koistrnlirt. ob die Herren Wirthc die Bestimmung hinsichtlich der Ausstellung der Wasserflaschen erfüllen und inwieweit sie dem nilsgesprochenen Wunsche hinsicht lich des Wnsierverkaufs an den Zügen Nachkommen. Es wird ge beten. etwaige schlechte Erfahrungen in dieser Angelegenheit dem Be- zirksverein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, Wasserstraße 7 m Dresden, gasigst mittheilen zu wollen. —* Die Nachfeier des 13. Deutschen Bnndcs- schießens hat gestern, begünstigt vom besten Wetter, einen durchaus würdigen Abschluß gefunden. Während am Nachmittag die Dresdner vrivilegirtc Scheibenichützengeiellschast durch Ver anstaltung eines großen Ilcbungsschießens in die seit Sonntag verwaiste Schicßbnlle noch einmal frohbewegtes Leben einziehcn ließ und noch einmal das weithin hörbare Geknatter der Büchsen die Luit erfüllte, zog am Abend das angekündigte Monstre-Coneert der beiden Grenadier-Regimenter und die Wiederholung der mit so vielem Beifall ausgenömmenen Illumination vom vergangenen Donnerstag Hunderte von Dresdner Einwohnern nach dem Fest platze. wozu das ermäßigte Eintrittsgeld und die damit verbundene Verabfolgung eines Gratislooscs zur Lotterie das Ihrige bei- getragen haben dürsten. Immerhin hätte der Besuch noch ein regerer sein können. Von Abends 7 Uhr ab brachten die beiden Militärkapellen unter abwechselnder Leitung ihrer Dirigenten, der Herren Musikdirektoren .Herrmann und Schröder, mit bestem Gelingen von der zum Musikpodium hergerichtetcu großen Königs loge aus ein gewähltes Programm zu Gehör, von dem die Parade märsche der Dresdner Garnison besonderes Interesse erweckten, während den Glanzpunkt des Eoneerts das große Schlackten- Potpourri von Saro bildete, das, leider theilweise in seiner Wirt nng beeinträcktigt durch das während dessen Ausführung fortgesetzte Concertire» der Musik in verschiedenen Schankzclten. mir nicht endcnwollendem Beifall ausgenommen wurde. Besonders glücklich und von erhöhter Wirkung erschien bei diesem Musikstück die Plaeirung der Signalisten an verschiedenen entfernteren Stellen des Fcstplatzcs. Gegen 0 Uhr begannen viele fleißige Hände mit dem Anznnden der Taniende von farbigen Lampions, die theils als Ranken an Masten in ornamentaler Anordnung, untermischt mit erleuchteten Scheiben die Rasenflächen umiäumtcn, während diese selbst durch an deren Rändern und Mitte ausgestellte ! Lampions in den verichiedensten Farben geschmückt wurden l Tic an den Seiten dcS HaupteingangeS zum Jestplatz absallcndc ! Böschung war mit reinigen gelben und rothen Tulpen reich ! beietzt. Besondere Ammertiamkeit erregte das mit überraschender ! Schnelligkeit und Sicherheit erfolgende Anzündcn der hängenden Lampions mittelst geschickt angelegter Zündschnuren, so daß inncl- I halb der kurzen Zeit von kaum 23 Minuten der Festplatz in einer ! geradezu märchcnhastcn Beleuchtung erstrahlte, die man mit eigenen s Augen gciehen haben muß, die aber auf den Beschauer einen Ein- ! druck macht, der kaum je ganz vergessen werden dürste. Allgemein > war man des LobeS und der Bewunderung über dieses prächtigc Schauspiel voll, um welches sich die Firma Franz Fröhlich (Jnhabei ! .Herr Hoflieferant A. I. v. Böhme), in deren Händen auch dicSma i wieder das Arrangement und die Ausführung lag. verdient gemacki Bcrliuer Lclreir. L. Berlin. 18. Juli. In der jüngst von Paul Lindau mit überraschendem Erfolge cnisgcgrabenLn Posse seines verstorbenen Schwiegervaters Kaiisch „Berlin bei Nacht" hat besonders ein Lied mit dem bekannten Kcbrreim „Das ist das Berliner Leben, wie es weint und lacht!" gezündet. Diese Posse ist knapp ein halbes Jahrhundert alt. aber wie hat sich in dieser verhält» ißmäßig kurzen Zeitspanne daS Berliner Leben verändert. Gewiß nicht durchweg zum Vortheil Die Verhältnisse waren damals klein und kleinlich, die Menschen philisterhaft »nd beschränkt wie ihr Gesichtskreis. Wir haben es hier heute allerdings in mancher Hinsicht „herrlich west" gebracht. Ader oft kommt nian in die Lage, mit Entsetzen wahrznnebmen. Wie weit wir es gebracht haben, und sich nach dem patriarchalischen und vorwiegend ehrbareren Zuständen der nicht immer „guten alten Zeit" zurückzusehnen. Eine Gerichtsverhandlung, wie sie sich dieser Tage vor einer Berliner Strafkammer abgespielt hat, wäre damals in Berlin undenkbar gewesen. Handelnde Personen. ein Rechtsanwalt, der die Beleidigungsklage angestrengt hat, weil ihm in einem hiesigen Blatte vorgeworsen war. er habe in einer Ehcscheidungssachc den Gatten durch eine von ihm dazu angestistctc Frau zum Ehebruch verleiten lassen und sei darauf nach Rußland geflüchtet; die Angeklagten: der Herausgeber dieses Blattes. Redakteur desselben, ein vielgenannter und nicht immer vortheil- haft genannter Börsenmann »nd ein Arzt. Die Geschichte endete mit der zum Theil sehr strengen Bestrafung der Angeklagten, da der Rechtsanwalt nicht geflüchtet und ihm auch nicht nachzuweisen war, daß er jene Frau zu der Ehebruchskomödic anaestistet hatte. Diese gerichtliche Feststellung muß nian natürlich als eine Tbatsache ansehen, wenn auch immer noch darüber hinaus Bedenk liches genug zum Vorschein gekommen und festgcstellt worden ist. Nicht zum ersten Male hat man erfahren, daß gewisse Berliner Rechtsanwälte sich nicht scheuen, mit weiblichen Detektivs zu arbeiten. Solange ihnen nicht das Gegentheil nachgewiesen werden kann, muß man aunehmen. daß sic auch dabei in gutem Glauben handeln, obwohl diese Annahme nicht leicht fällt. Im vorliegen den Falle batte die Sache folgenden merkwürdigen Verlauf ge nommen : Eine Ehrfrau kannte kein heißeres Verlangen, als von ihrem Manne möglichst bald loszukommen. Sie wandte sich an den bewußten Anwalt, der indessen wohl zu der Ucberzeugniig ge kommen sein mußte, daß das ihm vorgelegte Material für eine Ehescheidung nicht allsreiche. Nian mußte also sür eine bessere Unterlage sorgen, und zu diesem Zwecke machte der Anwalt in seinem Bmeau die scheidungslnstige Frau mit einer Person be kannt. die im Nebenberuf — über ihren Hauptberuf schweigt des Sängers Höflichkeit — privalpolizeiliche Ermittelungen übernahm. Sie war ,ung. hübsch und seich und soll nun angeblich auf eigene Faust beschlossen haben, dem betreffenden Ebemann eine Falle zu stellen. Sie begab sich in sein Geschäft, kaufte ihm etwas ab und bat ihn in io merkwürdiger Art. ihr die Waare in ihre Wohnung zu senden, das; der Kansmann dies versönltch anszusührcn beschloß. Er wurde mehr als entgegenkommend empsangen und trug einen leichten Sieg über diese weibliche Tugend davon. Mitten in seinem Siegesräusche öffnete sich indessen eine von ihm übersehene und in Folge dessen nicht verschlossene Thür und die Schwester seiner schönen Besiegten erschien, „zufällig" im Zimmer. Das war eine fatale Ueberraschung. die indessen noch fatalere Folgen hatte. Denn besagte Schwester erfuhr „zufällig" die Adresse der betrogenen Ehefrau und hatte nichts Eiligeres zu thun, als ihr die Geschichte brühwarm zu hinterbrinaen. Nun griff wieder der Rechtsanwalt in die Handlung ein und führte die Scheidungsklage ans Grund dieses unwiderleglichen Vcwcismatcrials mit tadelloser Schncidig- lcit znm gewünschten Ziele. Der Fall steht nicht vereinzelt da. Namentlich giftige Pilze nach warmem Regen aus dem Erdboden .. Detektiv-Bureaus bedienen sich mit Vorliebe derartiger weiblicher Hilfskräfte, die thatsächlich meist nur Lockspitzel sind und namentlich den Ehebruch, den sie eigentlich nur ausspioniren sollen, erst künstlich herbeiführen. Vor Kurzem ist hier der Inhaber eines solchen Bureaus und dessen weiblicher Agent wegen Meineides verurtheilt worden, da sie beschworen hatten, daß keine Anstiftung zu der absichtlich herbeigeführten Versichrung des Gatten statk- aefunden habe, während das Gegentheil erwiesen werden konnte. Ein vornehmer Rechtsanwalt aber wird unter allen Umständen darauf verzichten, mit derartigen Elementen zu arbeiten, die sich vorwiegend aus den Kreisen gescheiterter Existenzen ergänze». Er weiß genau, auch wenn er es vorsichtig vermeldet, dazu irgend einen Anstoß zu geben, daß diese weiblichen Menten in Ebe- scheidungssacheu nicht mit reinen und anständigen Mitteln arbeiten nnierc wie schießenden und wird daher unter allen Umständen ans deren Mitwirkung ver zichten. Aber leider gilt für gewisse Berliner Anwälte der Grund satz. daß. was nicht verboten, erlaubt sei. Sonst würden sic nickt dulden, daß derartige anrüchige Personen in ihren Bnreaur ein und ausgehcn, noch gar sich dazu hergeben, sie mit ihren Man dantinnen bekannt zu machen. Diese Gerichtsverhandlung hat auch sonst noch manchen Schmitt auigerührt und namentlich den Zuiammcnhang zwischen gewisser Kreisen und unserer Theaterwclr bloßgelegt. Was Alles huste, manchen Berlincr Cou 1 issen vorgeht, davon haben Fernei - stehende keine blasse Ahnung und selbst Diejenigen, die sich für Ein geweihte halten, werden immer von 'Neuem wieder durch gelegen! siche Enthüllungen überrascht. Seit einiger Zeit schenkt ia unser« Polizei diesen Vorgängen eine erhöhte Bedeutung und ist namenk- lich in der Konzessionsertheilung für Theaterdirektoren hier seh' vorsichtig. Aber eS finden sich immer harmlose Strohmänner, die man vorichieben kann, wenn man das Bedürfnis: empfindet, zu der äußerlich glänzenden und anziehenden Thcatcrwelt in nähere Beziehungen zu treten. Für die meisten Berliner Pcivcstthcater- Leiter ist die Kunst völlig Nebensache. In erster Linie steht das Geschäft — dann kommt das Vergnügen, ihr persönliches natürlich. Sie freuen sich in dem Glanze, den ihnen ihre Stellung in ihrem Bekanntenkreise verleiht, und befriedigen so ihre Eitelkeit. Außer dem beuten sic aber auch den weiblichen Mitgliedern gegenüber ilire Herrscherstellung in »linder hannloser Weise aus. DaS ist ein wahrer Krebsschaden des vielseitig entwickelten und nach Außen hin sehr glänzenden Berliner TheaterwesenS. Augenblicklich ist wenigstens in den ersten Theatern eine kurze Sommerpause eingetreten. Man- sammelt neue Kräfte zu dem neuen Theatericldzuge, dessen Führung bei dem wichsende» Wettbewerb immer schwieriger und aufreibender wird. In diesen zu drei Viertel naßkalten und einem Viertel tropisch heißen -sommci bieten die Theater, die „durch" spielen, in diesem Sommer mu die seichteste und fragwürdigste Kost. Eine so ernste und bc> achtenswerthe Sommeroper, wie sie uns hier im vorigen Jahn der überaus tüchtige Direktor Max Heinrich mit musterhaften Aust fühnmgen der „Zauberst öte", der „Versunkenen Glocke" u. s. m gebracht hatte, giebt es Heuer nicht. Freilich, wer die überlang« Winterzeit der Berliner Theater als ausmerffamer Beobacht« mitgemacht hat, wird im Sommer gern auf jedes Tbeatervergnüger
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