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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 04.01.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19060104023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1906010402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1906010402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1906
- Monat1906-01
- Tag1906-01-04
- Monat1906-01
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Diese« Blatt wird den Lesern von Dre-den «»d Uwgedung am Tage vorher bereit« al« zngeftcllt. während e« die Post-Monnenteu am Morgen m einer Gesamtausgabe erhalten. Serugrgedlldn nouar» » v« vT». » vn. «t»«Lltaer äumkluna durch »KrtolmeVeVlla-W,,«« » «u «ttveechendrm Au«»» >NrMt«»rUa re»»»»»- bei tS«N» Mt««NLsr NuNMU« durch unter, «i»»n «»»« «ck ««»» an ». «>b Mouta«n uur a»«av »P». ««B». »«r» a»«wLrt«»»»m. ,«».»«. »Ml. »oP, ^ durch die ,«u». dlagc. «achdru« aller Lrttm u. Onaiual. MUNW«,« uur MU deutlicher v»»l >»»««« ab» i.»r««d. «achr") »ÜM». «achtriialiche Souorar- «,'prllch« bleiben «>b»rüchlch»i,t: Mauu«riote «erden nicht auidrwabrt. r»l«ara««'»dr«»ib: »achrlch««» »»««de». 1 KeszvLrnSoL L8LV Druck und Verlag von Liepsch L Neichardt in Dresden. -snresgen°5arif. Nnnabme von Stnkündlaunain Vis uachmitiaas s Uvr. Sonn, und ktckniaa» nur Marifiillradc or von n bi» >/n Ulir, Die i ivalli,e ü>r»nd .eile !ca, 8 Lilbew so Bia. Au- liiiiviauiiakli nm der^Pkwalleile Zeile LS Pia : dleatvaltiacZeileou'Ter» >eiie so Pia. al» EiiraeliuiLt Zette so Pis ün Nummern nach Sonn. »nd Feiertagen i ivalliae <Vrui!d<eiIc so Pig . aui Privatteite so P-u, sipainae Zeile au» Tertieit« und aio iLmgeioiidi M Via. Auswärtige Au> trage nur aeaeu PorauSd««ai,Iui,g. Betesvlätler koste» 10 Pieuuiac. Jernlprecher: Sir. U und SV»«. Hauptgeschäftsstelle: Mariealtr, :,x i-anolin-Lsifs mit cism „k'tsüi'inL" 2! > pfßs. per 81ück. MV « Neueste Drahtberichte. Hostiachnchse», Geplante Hnglene-Ausstelluug, Laudcsversicherungsanstnlt. Gewerbeverein, «»« vffisllte. Ziganenabschnitt-Saniinelperci». Lage in Rußland, Die Sixtinische Madonna. j Ti>ili,crsinli, 4. Januar 1U06. Ne«este Lraljtmeldnngen vom 3. Januar. Zur Lage in Rußland. Petersburg. lPriv.-Tel.) Unaufhörlich werden Haus- juchungen und Verhaftungen vorgenommcn. — Ter Adjutant deS Kommandierenden des Warschauer Militärbezirks, v. Meyer, erschoß sich, weil er bei einem Bankkrach sein ganzes Vermögen verloren hatte. Petersburg. Die Zahl der noch ausständigen Fabrikarbeiter ist hier aui 25M gesunken. Die Ver- Haftung von Arbeitern und Studenten dauert fort. — In Pskow wurden viele Mitglieder des Bauernverbandes, im Moskauer Eisenbahngebiet diele EisenbahnangesteUtc wegen Teilnahme an betvaffneten Aurständen verhaftet, Alle Re- gierungsmahnahmen sind daraus gerichtet, die sozialrevolutio- niire Agitation einzndämmen. — Vom Kaukasus fehlen seit zwe» Wochen alle Nachrichten. Petersburg. In Gorodischtsche kam cs zu einer Iude nh e tz e, die aber bald wieder unterdrückt werden konnte. Moskau. <Priv.-Tel.) Die Aufständischen leisten der Wlederamnahinc des Verkehrs «nf der Kasan, che u Bahn heftigen Widersta n d. Aus Moskau kamen zwei Bataillone Infanterie an, welche jede Station einzeln erobern mußten. Es gab wütende Zusammenstöße dabei. Allein auf den nächsten drei Stationen wurden 360 Bedienstete getötet, 17 Beamte stand- rechtlich erschossen. Die Kosmische Bahn ist noch nicht im Betriebe. , Moskau. Die letzten Banden der Aufständischen, dl« sich in die Prochorowschen Fabriken geflüchtet hotten, er gaben sich. Nachdem sich die Truppen sämtlicher Stationen v«r Käsaner Eisenbähn bemächtigt hatten, rückten sie in der Richtung auf Ajäsen vor. Die beioaffneten Banden wurden vom Militär zerstreut. , Warschau. (Priv.-Tel.) Die Gewaltakte gegen die Bahnen werden fortgesetzt. In Skarzyski wuroe der Tepotgchrlfe angegriffen und durch Revolvcrschüsse getötet. In Krelce wurde erne gemauerte Eifenbahnbrücke in die Lust ge sprengt. Die Station Wierzbnir wurde Lurch Exzedenten zer- stört, die Bahnkaffe beraubt. Warschau. Der allgemeine Ausstand ist hier g e s ch «rt e rt. An , wenigen kleineren Fabriken wird g«. arbeitet. Die Arbeiter, mehrerer größerer Fabriken haben anoeründiat. daß sie morgen die Arbeit wieder aufnehmen wollen. Die Läden und Bänken sind ofseu. Die Straßenbahn verkehrt. die Handwerker arbeiten. Der Eisendahnverkehr besteht se«t dem 31. Dezember unverändert. Die Stadt ist ruhig. Lodz. In vielen Fabriken war die Arbeit wieder aus genommen worden, doch Mangen die Agitatoren die Arbeiter, die Käbrikräume wieder zu verlassen. Der A u s st a n d L o u e r t fort. Gestern vormittag wurde in Pabiadice ein Sekretär de- Polizciamtes durch Ncvolverjchüsse getötet. Die Missetäter entkamen. Debreczin. Als gestern abend der neuernannte Ober- gespan Gustav Kovkacs hier ankam, erwartete ihn am Bahnhöfe eine aufgeregte Memcheiimenge, die ihn angriff und mißhandelte, wobei Kovkacs schwer verletzt wurde. 'Der Obergespan wurde schließlich in bewußtlosem Zustande fort- geschafft. Debrecz' n. Gustav Kovkacs, der gestern bei seiner An kunft am Bahnhof von einer Volksmenge angegriffen wurde, hat telegraphisch seinen Abschied als Obergespan einge reicht und ist. nachdem er sich unter militärischer Bedeckung zum Bahnhof begeben hatte, von hier abgercist. Mi tau. Der direkte Bahnverkehr mit Libau ist heute wieder eröffnet worden. Kattowitz. sPriv.-Tel.s Die aufständischen Gruben- und Hüttenarbeiter des r u s s i s ch - p o I n i sch e n Industrie bezirks haben heute die Arbeit wieder ausgenommen. Swinemünde. Der Dampfer „Ostsee" ist heute vormittag 9*/s llhr hier eingetrofscn. An Bord befanden sich 24 Reichs deutsche und ungefähr 6V Dcutschrussen. Frankfurt a. M. sPriv.-Tel.j Zu den erneuten Nevotten in Riga wird der „Franks. Ztg." gemeldet, daß 50 Revolutionäre gestern den Torwäckttcr der Gummiwaren fabrik Prowodnik töteten und darauf die barm wachthabenden Dragoner in ihren Betten erschossen. Auch die zu Hilfe eilenden Soldaten und Schutzleute wurden nicderaemacht. Als dann beschossen die Ausständischen die Straßenbahnwagen und töteten gleichfalls zahlreiche Personen. Viele Arbeiter sind verhaftet worden. Es heißt, daß sie erschösse» werden, wenn die Schul digen nicht ermittelt werden sollten. Die „Petersb. Telegr.-Aaentur" verbreitet folgende Nachrichten: völlig zerstört. Einige Gutsbesitzer sind gefangen genommen. Kosaken. Insanteric und 80 bewaffnete Gutsbesitzer verfolgen die Uebeltätcr. Charkow. Bei einem Zusammenstoß mit Aufstän dischen in der Nähe von Ljubotin wurde das Bahndepot von einer Truppenabteiluna beschossen, wobei ein Waggon mit S P r e n g m a t e r i a l i e n in Brand geriet und außer diesem weitere 39 Wagen vernichtet wurden. — In Iarensk und Iekaterinburg fließen in letzter Zeit die von den Bauern aus den Staatsspärkossen herausgezogenen Einlagen reichlich zurück. Auch kaufen die Bauern vielfach im Preise gesunkene Staatspapiere, besonders Reute. — In Libau sind Post und Telegraphen wieder in Tätigkeit. 'Der Eisen- bahn erstreik ist beendet. Bachmut. Ein Detachement Kosaken mit Infanterie wurde nach der Station Debalzewo geschickt und diese von ihm eingenommen. — Der Kommandant der Truppen in Danezbajfin gibt durch Anschlag bekannt, daß die Truppen die aufständischen Arbeiter in Gorlawka geschla gen hatten, wobei 300 Mann getötet und viele verwundet seien. Um Blutvergießen zu vermoiden, werden die Arbeiter ermahnt, zur Arbeit zurückzukehren. Zur Aufrechterhaltung des regel mäßigen Eisenbahndienstes soll jeder Streik mit Waffengewalt unterdrückt werden. Waffe» sind an die Behörden abzuliefern. Alle Personen, die mit Waffen er griffen werden, oder versuchen, die Ruhe zu stören oder zum Streik auszureizen. werden als Aufruhrer angesehen, gegen die die Truppen energisch Vorgehen werden. Magdeburg. In der vergangenen Nacht wurde das hiesige Vergnügungslokal „Flora" durch ein Feuer zerstört, das anscheinend in der Küche ausgebrochen ist. Zwei Dienstmädchen, die in einem über der Küche gelegenen Raume schliefen, kamen in den Flammen um. Kottbus. Gegen das Urteil im Prozeß wegen des Sprewberger Er scnbahnun falls wurde seitens der Angeklagten Stullgys und Schmidt Revision angemeldet. Auch der Staatsanwalt hat gegen das Urteil, soweit es die Frei sprechung des Angeklagten Wiedemann betrifft, Revision ein gelegt. Posen. Gcnerallandschaftsdirektor v. Staudp. Mit glied des Reichstages und Abgeordnetenhauses, wurde aus An laß seines hcutigen 50jährigen Dienstjubiläums zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Prädikat „Exzellenz" ernannt. Wien. Der Kaiser hat dem Vorstand des K. K. Telegra fischen Korreipondenzbureaus Karl Ritter v. Fabrizii den Titel und Charakter als Hosrat verliehen. Neusatt e l. Nach langwierigen Arbeiten ist es heute ge lungen. die Leichen vvn 16 der am 20. Dezember imHelencn - Schachte Verunglückten zu bergen. Infolge neuer lichen Auftretens von Rauchgasen mußte das Brandseld wieder abgedämmt werden. Paris. Der Untersuchungsrichter Cavaillon in Marseille ließ den Pariser Advokaten Destrez. den Ver teidiger des Hauvtbeschuldigten einer internationalen Diebes bande, verhaften, weil er sich geweigert hatte, ihm den Aufenthalt eines anderen Mitgliedes dieser Diebesbande be- kannizugcben. Ueberdies wurden die Papiere des Advokaten Desirez, der erst nach fünfstündiger Hast frelgelaffen wurde, beschlagnahmt und durchsucht. Ter Präsident der Pariser Ad vokätcnkammer yat beim Justizminister gegen das Vorgehen des Marseiller Untersuchungsrichters entschieden Verwahrung ein gelegt. Das Justizministerium ordnete eine sofortige Unter suchung an. Amsterdam. Amtliche Meldung. Ter Person eir und Güterverkehr der Tampferlinre Enlhinzen—Stavoren ist von beute an gestört. London. Der Uuterstaatsjckrctär für die Kolonien. Winslon Churchill, hat an den Führer der Zionisten in Eng land, Israel Zongwill, ein Schreiben gerichtet, in welchem er seiner vollen Symoathic für das Proiekt einer jüdischen Kolonie in Ostafrika Ausdruck gibt. Er gedenkt der Schwierigkeiten des Planes, meint ober, sie würben hoffentlich überwunden werden, und verspricht, sein Äeußerstcs zu tun, um Zangwills edle Vision einer festen Heimat für Juden unter der Flagge der Toleranz und der Freiheit in die Wirklichkeit umzmetzen. London. sPriv.-Tel.s „Dativ Telegraph" meldet aus Moskau, daß General Averianow dort verhaftet wurde. Er stand iu Beziehungen zu den Revolutionären. — Den „Times" wird ccmeidct, daß sich Maxim Gorki in Moskau aufhält. Die Polizei habe eine Haussuchung in Gorkis Woh nung veranstaltet, ohne ettvos Kompromittierendes zu finden. Gorki sei weiter nicht belästigt worden. — Dasselbe. Blatt meldet aus Petersburg, daß der Direktor der Bahnlinie, die von Peters bürg nach dem Zarenschtosse Zarskoje Sselo fuhrt, verhaftet wurde. Der Direktor soll die Revolutionäre tatkräftig unter stützt haben. — Heftige Kämpfe fanden auf der Eilenbahn Urne Moskau—Charkow statt. Längere Strecken der Eisenbahn befanden sich in den Händen der Revolutionäre und mußten von den Truppen zurückerobert werden. Dabei wurden von beiden Seiten 800 Personen getötet oder verwundet. — In Saratow ist ein Aufstand ausgcbrochen. Die Aufständischen haben die sclnvache Garnison verjagt und beherrschen vorläufig die Stadt. Die Errichtuna einer demokratischen Republik wurde proklamiert. Saratow wird von Neglerungstruppen belagert und von der Artillerie beschossen. Konftantinopel- Die Pforte hat heute an ihren Botschafter in London eine Antwortnote auf die letzte Erklä rung des Ministers des Aeutzern, Sir Edward Grep, gerichtet. In dieser Note wird die Hoffnung ausgedrückt, daß auch Eng land seine ungerechtfertigte Haltung aur- neben und die kür die makedonische Finanzrc'orm nötigen Maßregeln akzeptieren werde. Oertlichcs und Sächsisches. Dresven. 8 Januar Se. Majestät der K önig empfing, heute vormittag die Herren Staatsminister und den KönigUcyen Kabinettssekretär zu Vorträgen. Heute, abend wird der Monarch das Diner ber dem Staatsminisler Dr. Otto einnrhmen. —* König Friedrich August erschien heute mittag mit seinen drei P r i n z e n s ö h n e n auf der eben eröffneten Eisbahn deS Carola-Sees im Großen Garten. —* Ihre Majestär die K ö n i g i n - W i t w e empfing gestern vormittag halb 12 Uhr den Kommandeur ihres Hujarcn-Ragi- meiits r. bcrstleutmiut, Freihcrrn v. d. Bussche-Sircithorst, der ihr die Neujahrsglückwünsche des Regiments iiberbrachle. Weiter nahm sie die Vorstellung der im Laufe des vergangenen Jahres neuernanntcn Offiziere, Sanitätsoffiziere usw. der beiden säch sischen Armeekorps entgegen. Tiefe Herren wurden später auch von Ihrer Könial. Hoheit der Prinzessin Mathilde empfangen. Nachmittags 1 llhr wurde der Königin-Witwe eine Anzahl Damen und Herren vorgestellt, deren Präsentation am Königlichen Hose am Neujahrstage stattgesundcn hat. —* Ihre Exzellenzen Herr und Frau Ltaotsminister v. Metzich gedenken am 19. Januar einen großen Nont uns am 31. Januar und 21. Februar größere Ballscstlichkciten im Mimsterhotel, Secstraße 18, 1., abzuhalken. Kunst und Wissenschaft. s* In der für gestern abend in der Königl. Hosoper anberaiiniten Bvlstelluna von Verdis ,, Nigvletto" wrang für die indisponiert gemeldete Frau Wedekuid als Gilda Frau Abendroth ein. Die Künstlerin führte die Partie mit glän zendem Gelingen und unter lebhaftem Beifall des sehr gut be suchten Hauses durch. s AuS New York wird geschrieben: Carnegie jetzt seine 10 Millionen-Dollars-Stiftung zur Förde- Mg deS höheren Unterrichts in den Vereinigten Staaten und Kanada demnächst in Wirksamkeit. Der bisherige Präsident deS Bostoner Technologischen Instituts Dr. Henry S. Pritchett ist zum Leiter und Präsidenten des Berwaltungs- rats der Stiftung nach Newyork berufen worden und beginnt dort am 1. Januar seme Tätigkeit. Der erste Schritt ist die Einführung eines P e ns i o n Ssy st e m s, durch das hoch betagte Professoren in den Ruhestand versetzt und jüngere Kräfte früher an ihre Stelle berufen werden können, afS eS bei dem bisherigen Mangel irgend welcher Pensionie- ryngSvorkebrungen an amerikanischen Hochschulen möglich ivar. Der Verlvaltungsrat besteht aus den Präsidenten sämtlicher großen Universitäten und vieler kleinerer Colleges der Vereinig, ren Staaten und Kanadas. Dr. Eliot, der berühmte Präsident der Bostoner Harvard-Universität, ist der Vorsitzende des Voll- juaSauSschusseS. Hervorragende Schulmänner werden aufge- fordert, Vorschläge sonstiger Verwendung des Fonds für höhere Erziehungszwecke zu machen. Die Stiftung wird unmittelbar mit allen Hochschulen in Verbindung sieben und gewissermaßen «ine 1'aiverlal. und Zentralbehörde bilden, die fördernd und helfend nach ollen Seiten wirkt. Die Sixtinische Madonna in russischer Beleuchtung. Der berühmte Erzieher des Kaisers Alexander II., der russische Dichter W. A. SchukovSki j. der seine Landsleute mit den meisten Werken der deutschen klassischen Literatur in jo guter und getreuer Uebersetzung bekannt gemacht hat, daß sie die Urtexte kaum vermissen, verbrachte einige Jahre seines Lebens im Auslände, darunter eine Zeit in Sachsen. Und es ist nicht zu verwundern, daß gerade Dresden mit seiner berühmten Gemäldegalerie und seiner schönen romantischen Um- gebung aus einen so poetisch veranlagten Besucher einen ge- waltigen Reiz ausübte, und daß Schukovskij seine Eindrücke in semen Retscbeschreibungen in überaus lebhafter und male rischer Form wiedergegebcn hat. Da diese interessanten Briefe, die vom Juni 1821 an datieren, dem deutschen Publikum noch unbekannt sind, so wurde in einer fortgeschrittenen Gruppe der russischen Abteilung des Dresdner Reform-FortbltdungS- Vereins veicblossen, einige daraus gemeinschaftlich zu übersetzen und zu veröffentlichen. Besonders interessant ist der Brief, der Raffaels Madonna zum Gegenstände seiner Betrachtungen macht. Er liegt in einer von I. I. Mulmann besorgten Sonderaus gabe vor, die auch den Originaltext bringt, und lautet in dieser Uebertragung folgendermaßen: Den 29. Juni 1821. „Ich habe sie mehrere Male gesehen, aber nur einmal sah ich sie so, wie man sie sehen muß. Beim ersten Besuch wollte ich sogar nicht näher treten. Ich erblickte sie von weitem, wurde aeioapr. daß vor chr ir, end ein Fignrchen mit gepudertem Kopfe stand, daß dieses gräßliche Jigurchen in seiner frechen Hand eine» Pinsel hielt und schonungslos Raffaels erhabene -seele verhöhnte, die er ganz in dieses wunderbare Werk hineingelegt Kat. Ein anderes Mal verscheuchte mich der Galerieführer, der für einen Dukaten den Reisenden die Bilder zeigt und an den mich zu wenden ich unterlassen hatte. Er stand vor ihr mit leinen Zuhörern und schwatzte wie ein Papagei den eingepaukten Unsinn. Endlich einmal, gerade als ich mir vorgenommen hatte, den Augen und der Seele Freiheit zu geben, trat eine meiner Bekannten zu mir und besann mir zuzuflüstern, daß sie vor der Madonna Navoleon gesehen hätte und daß ihre Töchter den Raffaelichen Engeln ähnlich säben. Da enffchloß ich mich, so früh wie möglich in die Galerie zu gehen, um allen Beiuchern zuvorzukommen. Das gelang. Ich setzte mich auf das Losa gegenüber dem Gemälde und betrachtete eS eingehend eine ganze Stunde lang. I Ich muy gestehen, daß man es hier ebenso unehrerbietig behandelt, wie alle anderen Bilder, Erstens, ich weiß nicht aus welcher hottenlottischcn Ursache, ist cs verkleinert. Der obere Teil der Leinwand, auf welcher sie gemalt ist, und mit ihr der obere Teil des auf dem Bilde dargcstellten Vorhanges ist zurück geschlagen. Demzufolge ist sowohl die Proportion als auch die Wirkung des Ganzen vernichtet uno entspricht nicht der Absicht des Malers, Zweitens ist sie voller Flecken, nicht gereinigt, schlecht ausgestellt, so daß nian anfänglich denken kann, die reinen und glänzenden Kovien des Bildes seien bester als das Original selbst. Endlich, was »ich: weniger ärgerlich ist, verliert sic sich sozusagen unter den anderen Bildern, welche die Aufmerksam keit von ihr abziehen. Zum Beispiel steht '» einer Reihe mit chr das Bildnis des satirischen Dichters Arenn von Tizia». Ein schönes Gemälde — aber welch eine Nachbarschaft für die. Madonna! iDcr Brief ist. wie wiederholt sei. im Jahre 1821 geschrieben, seitdem bekanntlich vieles anders geworden ist, was den russische Poet hier tadelnd oorbringt. D. Red.l Und so gewaltig ffr dic Kraft der Seele, die in dieser göttlichen Schöpfung atmet und ewig atmen wird, daß alles nm sie herum verschwindet, sobald man sie mit Aufmerksamkeit betrachtet. Man erzählt, daß Raffael, nachdem er die Leinwand für dieses Bild ausgespannt hatte, lange nicht wußte, wa§ er daraus malen sollte. Die Ein gebung kam nicht, Einst schlief er mit dem Gedanken an die Madonna ein. und wahrscheinlich hat ihn ein Engel geweckt. Er sprang auf. „Ich habe sic!" rief er laut, aus die Leinwand zeigend, und entwarf die erste Zeichnung, Und in der Tat. oaS ist kein Bild, sondern eine Ericheinung, Je länger mau hinschaut, desto mehr wird man davon überzeugt, daß sich vor uns etwas Ucbernatürlickes ereianet. besonders wenn man so Hinsicht, daß man weder den Rahmen noch dre anderen Bilder gewahrt. Das ist auch keine Täuschung der Einbildung. Ivelchc durch die Lebhaftigkeit der Farben oder durch äußerlichen Glanz verführt Ohne jede raffinierte Kunst, vielmehr mit wunder barer Einfachheit und Leichtigkeit hak hier der Künstler ans die Leinwand jenes Wunder übertragen, welches sich m seincr Seele vollzog. Ich beichrcibe sie als eine Ihnen völlig Unbekannte. Sie haben keinen Begriff von chr, falls Sie sie nur in Kopien oder Müllerschcn Kupferstichen kennen, AIS ich das Original noch nicht gcieben hafte, wollte ich mir in Dresden einen solchen Kupferstich kaufen, aber nachdem ich sie gesehen hatte, wünscht
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