ZWEITES KAPITEL. DAS AUS LAND. W ir müssen mit Eng land beginnen, weil in diesem höchsten und bis zum Verfall reifen Kulturland Europas die moderne Kunst wie nir gend anders im Volks empfinden wurzelt und aus dem Schosse eines ge sunden Volkslebens sich heraus entwickelt hat zu einer imposanten, stolzen und in sich gefestigten Höhe, die unbedingt einen gewaltigen Eindruck und Sir Edward Burne-Jones. Federzeich- Einfluss auf dem Konti- nung für „ihe Daily Chromcle". nent hervorrufen musste. Die gegen den Akademismus revoltierende Kunstbewegung setzte in England im Jahre 1848 mit dem Auftreten von John Millais, Holman Hunt und Dante Gabriel Rossetti ein, die sich zu der so berühmt gewordenen Gruppe der ,,Prae-Raphaelit-Brotherhood“ zusammenschlossen; die edle Kraft dieser zukunftstürmenden Reformbewegung bewährte sich schon damals. Die Begründung der Morris-Company im Jahre 1861 bedeutet einen weiteren, bedeutsamen Abschnitt in der neu-englischen Kunstgeschichte; diese Ver= einigung erweckte die gesamten Kleinkünste zu neuem Leben. Wie in einem reichen Garten nach einem warmen Nachtregen unter den Sonnenstrahlen des aufgehenden Morgens plötzlich alle duftenden Blumen sich entfalten, also bewährte sich unter den flammenden Reden John Ruskins die Blüh-Willigkeit der englischen Kunst und trieb eine wundersame Blüte in dem Dreigestirn des Edward Burne-Jones, William Morris und Walter Crane. Die Präraphaeliten betrieben die Kunst wie einen heiligen Gottesdienst und trachteten danach, alles mit Schönheit zu beleben; ihnen und ihrem grossen Agitator Ruskin, der mit sittlichem Ernst und ungeheuerem Eifer seine social politischen Ideale zu verwirklichen trachtete, haben wir es zu danken, dass der erlösende Frühlingssturm über alle Fährten der Kunst strich; denn sie waren die Ersten, die sich nicht mehr zu vornehm dünkten, ihre Schaffens kraft in den Dienst des Kunstgewerbes zu stellen; sie predigten „die Kunst für das Volk und durch das Volk“. Mit einer Wünschelrute scheinen sie Alle Zeit ihres Lebens gearbeitet zu haben.