Bachs Musik für den Leipziger Universitätsgottesdiensi 1723—172S 71 Bach gerade in der ersten Leipziger Zeit, wo er mit allen nur denk baren Mitteln auf Bekräftigung seiner Meisterschaft bedacht sein mußte und auch bedacht war, solche älteren Kantaten hervorgeholt habe. Sollten sie nicht eher für den im städtischen Musikleben erheb lich zurücktretenden Universitätsgottesdienst bestimmt gewesen sein? Weiter: eine ganze Anzahl kleiner, minderwertiger, dennoch in der Bachausgabe stehender Kantaten ist unecht. Mit Bachs Namen mögen sie deshalb versehen worden sein, weil irgendein Umstand — ihre ehemalige lokale Unterbringung, eine gewisse Bündelung oder Numerierung, eine verschollene Notiz oder bloße mündliche Über lieferung — sie als von ihm aufgeführt annehmm ließ. Eine Reihe merkwürdiger Kennzeichen verbindet mehrere dieser Kantaten unter einander. Ich hege den Verdacht, gerade von ihnen möchten etliche zu den in S. Pauli aufgeführten gehört haben. Durchschnittlich ohne höheren Schwung, zuweilen flach und ungeschickt, zum mindesten unbachisch, kommen sie denen nahe, die nach Sebastians Rücktritt (Ende 1725) Görner als Universitätskomponist geschrieben hat, ob wohl keine von ihnen bis auf die Linie dieses erbärmlichsten aller Stümper herabsinkt, ^s ist denkbar, daß Bach sie vorfand und nun wiedererwcckte, nicht ohne hier und dort allzu Genügsames durch Eingriffe seiner Hand bedeutender zu gestalten. Hierbei ist folgendes zu bedenken. Es läßt sich bedauerlicherweise nicht mehr seststellen, welchen Notenvorrat Bach beim Antritt seines KantoratS in der Schule angetroffen hat. Die noch zu Kuhnaus Tagen gewaltige Noten bibliothek der Thomasschule, deren Verzeichnis im „Archiv für Musikw.", I.Jahrg. 1918/19, S. 277ff. veröffentlicht wurde, muß schon während der zwanziger Jahre einem ersten großen Aufräumen zum Opfer gefallen sein. In dem Inventar 1729—1730 der der Schule gehörigen (d. h. ehemals für sie erkauften) Sachen stehen folgende vier Posten H: 68 Bücher ^uttiorss librorum musicalium laut der Rechnung 1679 beschießen. (Diese meist gedruckten Stücke hatte Schelle 1678 nach Knüpfers Tode von diesem übernommen; siehe Arch. f. Musikwissensch. a. a. O., S. 277—278.) i) Thomaskirchenrechnungen unter 1729—1730.