i6 Ulrich Siegele mation, und zwar von Amts wegen, nicht bloß auf privater Basis. Das war die „Gestalt“, die Anstalt, die Einrichtung, die sie wegen der Lektionen zu treffen beabsichtigte. In dieser Frage der Information stand die Definition des Amts des Kantors zur Diskussion. Drei Positionen sind genannt: das traditionelle Prinzip der Kantorenpartei, daß die Information unverzichtbarer Bestandteil des Amts sei, folglich vom Amtsinhaber in eigener Person verrichtet werden müsse; das pro gressive Ziel der Kapellmeisterpartei, daß die Information abzutrennen und das Amt einzig und allein musikalischen Aufgaben zu widmen sei; die Konzes sion der Kantorenpartei angesichts der Unvermeidbarkeit der Wahl Telemanns, daß als einmalige Ausnahme vom traditionellen Prinzip diesem Amtsinhaber gestattet werde, auf privater Basis eine Vertretung für die Information zu ver einbaren. Die Kantorenpartei verteidigte die hergebrachte Definition des Amts. Die Kapellmeisterpartei zielte auf eine neue Definition des Amts. Die Kan torenpartei machte einen Kompromißvorschlag: Sie verlangte zwar den Ver zicht auf den öffentlich-rechtlichen Akt einer neuen, verlangte also die Wahrung der hergebrachten Definition des Amts, war aber unter dieser Voraussetzung bereit, der privatrechtlich vereinbarten Freistellung dieses Amtsinhabers von der Information als einer einmaligen Ausnahme zuzustimmen. Wahrung der hergebrachten Norm, öffentlich-rechtliche Setzung einer neuen Norm, Genehmi gung einer privatrechtlich vereinbarten Ausnahme von der hergebrachten Norm: In diesem Dreieck rechtsdogmatischer Punkte bewegen sich die Verhandlungen von Anfang bis Ende. Die Kapellmeisterpartci ging auf den Kompromißvor schlag der Kantorenpartei nicht ein. Denn sie hoffte, mit der Überzeugungs kraft der Persönlichkeit Telemanns an ihr Ziel eines ausschließlich musikalisch definierten Amts zu gelangen. Am 13. August, zwei Tage nach den Sitzungen des Engen Rats und der Drei Räte, eröffnete der Regierende Bürgermeister Steger Telemann die Wahl mit der für die Kapellmeisterpartei maßgebenden Begründung: „Weil Er nun, wegen seiner Music, in der Welt bekannt wäre“, und übertrug ihm das Amt. Erstaunlicherweise ist keine Antwort Telemanns protokolliert. Nach der Form hätte er für die Wahl danken und die Annahme des Amts erklären müssen. 1. Er hat gewiß gedankt, aber keine förmliche Erklärung abgegeben: deshalb schweigt das Protokoll. Er hatte schon den vorbereiteten Revers, der ihm un mittelbar vor der Eröffnung der Wahl vorgelegt wurde, nicht unterschrieben; denn das hätte ja gerade die verbindliche Annahme des Amts überhaupt und im besonderen eine endgültige Festlegung hinsichtlich der Information bedeu tet. 18 Doch wird er kaum, ohne ein weiteres Wort zu sagen, weggegangen sein. Er wird geltend gemacht haben, das Vorliegen seiner Hamburger Entlassungs urkunde sei die Voraussetzung für die Annahme des Leipziger Amts; er werde, sobald er zurückgekehrt sei, in Hamburg um seine Entlassung einkommen und, wenn er sie erhalten habe, den Revers unterschreiben. Das war korrekt; dem konnte nicht widersprochen werden. Auch wird er seine Terminvorstellung ge- 17 Vgl. DokII/133. 18 Zum Revers s. DokI/92 Kommentar, zur Reihenfolge: Unterzeichnung des Reverses - Eröffnung der Wahl Dok II/615 Kommentar.