Bachs Stellung in der Leipziger Kulturpolitik seiner Zeit zur Probe aufgestellet werden Fasch, Tufen und Rolle“ - natürlich unterschlägt er als Angehöriger der Kapellmeisterpartei den Zusatz: in Musizieren und Informieren. Außerdem aber bringt er die beiden Kandidaten, die seine Partei auf die Plätze zwei und drei nominiert haben würde, in die Diskussion, näm lich Kauffmann und Schott, setzt also den nachgeschobenen Kauffmann zwi schen Fasch, der auf der ersten, und Schott, der auf der letzten Stelle bleibt. Er „lobet Kauffmann in Merseburg“, lobt ihn, gemäß der Linie seiner Partei, „wegen der Music“; „iedoch könne er nicht informiren“. Weiter: er „hätte seine Absicht auf Schotten gerichtet gehabt, da man die N(eue) Kirche unter einerley Directorium bringen können“; damit faßt er eine Lösung des problematischen Verhältnisses zwischen der Leitung der Musik der beiden Hauptkirchen und der Neuen Kirche ins Auge: Durch die Wahl des Musikdirektors der Neuen Kirche zum Kantor an der Thomasschule würde die Leitung der Musik der beiden Hauptkirchen und der Neuen Kirche in einer Hand vereinigt. 39 - Gott fried Wagner „conformiret sich auf die benanten 3. Personen und daß ieder von ihnen 20 thlr. zur Hin- und HerReise bekomme« - unterstützt also Stegers Vorschlag zur Sparsamkeit. Die übrigen anwesenden Ratsherren stimmen zu. Das Ergebnis dieser Sitzung ist die Dreierliste Fasch, Duve, Rolle. Dem Spit zenkandidaten der Kapellmeisterpartei auf Platz eins stehen auf den Plätzen zwei und drei der Spitzen- und der nächste Kandidat der Kantorenpartei gegenüber. Die Kantorenpartei ist also nach der Zahl der Kandidaten im Vor teil. Wichtiger aber ist das: Sie hat ihr Prinzip einer Probe nicht nur im Musi zieren, sondern ebenso im Informieren durchgesetzt und dadurch ihren beiden Kandidaten gegenüber dem Kandidaten der Gegenpartei eine bedeutend größere Chance verschafft. Die Kantorenpartei hat, durch Telemanns Absage begünstigt, den Versuch einer neuen Definition des Amts abwehren und seine hergebrachte Definition uneingeschränkt, selbst ohne Konzession einer Aus nahme, sichern können. Durch die Diskussion dieser Sitzung sind die sieben vorgestellten Kandidaten zunächst einmal in zwei Klassen eingeteilt worden: Drei stehen auf der Liste, vier stehen nicht auf der Liste. Genaugenommen allerdings sind drei Klassen gebildet worden, denn von den vier Kandidaten, die nicht auf der Liste stehen, sind die beiden Kandidaten der Kapellmeisterpartei, Kauffmann und Schott, als Anwärter auf einen Listenplatz genannt, die beiden Kandidaten der Kan torenpartei, Lenck und Steindorff, nach der Nennung ihrer Namen bei der Vorstellung überhaupt nicht wieder erwähnt worden. Mit den Proben freilich war man ins Gedränge gekommen. Denn der 1. Advent lag nahe, am 29. November, sechs Tage nach der Sitzung; danach aber schwieg die Musik für drei Sonntage. Da man eine weitere Verzögerung vermeiden wollte, verfiel man auf die ungewöhnliche Lösung, drei Proben an einem Tag, eben an diesem 1. Advent, abzuhalten, nämlich die erste vor, die zweite nach der Predigt des Hauptgottesdiensts und die dritte in der Vesper. Die Frist für die Einladung der Kandidaten war knapp bemessen. Deshalb waren sie nach Möglichkeit im voraus darauf vorbereitet worden. Der Regie- 38 Siehe dazu vorerst H.-J. Schulze in Ber. Lpz. 1975, S. 72, und U. Siegele in Fs. Dadelsen, S. 339-344, besonders 341 Anm. 37.