24 Ulrich Siegele der Wahrung der hergebrachten Definition des Amts zu bestehen, und zwar ohne die Konzession einer privatrechtlich vereinbarten Ausnahme. Ihr Spre cher, Bürgermeister Platz, hat als erster das Wort; jetzt ist es an ihm, zu höh nen: „Man habe nicht ursach sich zu betrüben, daß Telemann nicht herkomme.“ Ergänzt könnte der Satz lauten: Man, nämlich die Kantorenpartei, habe nicht, wie die Kapellmeisterpartei, Ursache, sich zu betrüben, es sei ihr vielmehr ge rade recht, daß Telemann nicht herkommc, denn er habe ohnehin dem von ihr vertretenen traditionellen Prinzip nicht entsprochen. „Man habe hauptsächlich bey dem Cantor dienst dahin zu gedencken, daß das Subjectum nicht allein die Music verstehe“ - wie die Kandidaten der Kapellmeisterpartei -, „sondern auch informiren könne“ - wie die Kandidaten der Kantorenpartei. Dieses Prinzip sei nun zur Anwendung zu bringen. Zwar kann Platz der Kapellmeisterpartei ihren neuen Spitzenkandidaten, den ihr Sprecher als Regierender Bürgermeister bei der Vorlage zu nominieren Gelegenheit hatte, nicht verbieten: „man könne Faschen die Probe . . . lassen“, aber unter Anwendung des Prinzips: „in musi- ciren und informiren“ - Telemann hatte offensichtlich gar keine Probe im In formieren abgelegt. Am Informieren, das war sicher, würde Fasch wie jeder andere Kandidat der Kapellmeisterpartei scheitern. Dann käme einer der Kandidaten der Kantorenpartei zum Zug. Denn wenn Platz auch nichts mehr dagegen unternehmen konnte, daß Fasch an erster Stelle stand: an einziger Stelle würde diesmal der Kandidat der Kapellmeisterpartei nicht stehen. Er nominiert zur Probe Rolle und Duve, fügt allerdings einschränkend hinzu: „einer von beyden“. Vielleicht erlaubte die Geschäftsordnung einem Mitglied des Gremiums die Nominierung auch nur eines Kandidaten. Doch Bürger meister Steger übernimmt sogleich den anderen: Er „votiret zur Probe auf Faschen, Tufen und Rollen“ (die nun festgelegte Reihenfolge, die den nachge schobenen Duve vor den früheren ersten Kandidaten Rolle stellt, zeigt, daß auch Platz seinen Spitzenkandidaten an letzter Stelle genannt hatte 3 '). Um aber den Kandidaten der Gegenpartei auf dem ersten Platz dieser Dreierliste mit Sicherheit zu paralysieren, beharrt Steger nachdrücklich auf der Anwendung des Prinzips: „sowohl in musiciren als auch in informiren.“ Er ergänzt: „und zwar ied(em) 20 Thlr. zu Reise Kosten.“ Vermutlich ist das eine Mahnung zur Sparsamkeit: Mit diesen 20 Talern sollten alle Aufwendungen abgegolten sein; nicht daß, wie bei Telemann, die Stadt außerdem auch noch die Kosten des Aufenthalts erstatten mußte. 38 Die Geschäftsordnung hatte, nach Langes Vortrag, Platz und Steger das Wort gegeben. Das Zusammenspiel dieser beiden hatte die Kapellmeisterpartei aus manövriert. Was blieb da Johann Franz Born anderes übrig, als zuzustimmen: er „lässet sich gefallen“ - kann also nichts mehr dagegen unternehmen „daß 37 Ebenso wird Dok II/261 in den Sitzungen beider Gremien der Spitzenkandidat an letzter Stelle genannt. 38 Vielleicht hatte Telemann seinem Wirt auf eigene Faust gesagt, die Stadt werde die Kosten seines Aufenthalts erstatten. Als der Wirt sich dann bei der Stadt meldete, war die Übernahme dieser Kosten zunächst umstritten, erfolgte aber schließlich doch, weil letzten Endes nicht Telemann, sondern ein Leipziger Bürger geschädigt gewesen wäre. Das erklärte die Verzögerung der Auszahlung, die wohl nicht von ungefähr erst unter der Regierung von Bürgermeister Lange erfolgte.