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Wochenblatt für Zschopau und Umgegend : 12.08.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512512809-188608123
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512512809-18860812
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512512809-18860812
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- ZeitungWochenblatt für Zschopau und Umgegend
- Jahr1886
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510 werde. — Er lüftete den Hut, pfiff seinem Hunde und bog in die nächste Seitenallee. Etwas verstimmt trotz seiner scheinbaren Gleichgiltigkeit, schritt er dem Hause zu und fragte nach der gnädigen Frau. Man sagte ihm, daß die Dame dcS Hauses im Frühstückszimmer bereits die Herren erwartete. „Melden Sie mich." Eine Minute später wurde er in das Wohn zimmer geführt, wo Frau Stettingen den Freund ihres Sohnes, der stets von Artigkeiten gegen sie überfloß, mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit em pfing. Die Dame bot in der gewählten Morgen toilette eine stattliche Erscheinung. Bedeutend und geistreich konnte man allerdings dieses frische, Wohl konservierte Gesicht mit den etwas flach liegenden großen Augen nicht nennen, aber es war auch jedenfalls hübsch, anmutig und anziehend. „So ist doch wenigstens einer pünktlich," rief sie, nachdem Gustav ihr gegenüber Platz genommen. „Mein Gatte und mein Sohn lassen mich schmäh lich im Stich." „WaS Alfred anbelangt, gnädige Frau, so wissen Sie, daß es seltsame Gründe sein müssen, die ihn bewegen könnten, die beste der Mütter lange warten zu lassen — und Ihren Herrn Gemahl traf ich im Garten mit — wie heißt doch die Kleine? — Gnädige Frau, Ihre nied liche Haushälterin mit dem gestärkten Kattun kleidchen? — ach, Fräulein Wernerl mit Fräulein Werner beschäftigt." „Was Sie mir sagen!" rief Frau Stettingen, und eine Röte zog langsam über ihre weiße Stirn. „Bei dieser Gelegenheit, gnädige Frau, möchte ich gleich Ihr gütiges Herz ausnutzen und einem Verdachte Vorbeugen, den man Ihnen vielleicht bald gegen mich zu erregen sucht." „Einen Verdacht? Gegen Sie? Sie machen mich neugierig," fragte die Dame zerstreut. „Ich war vorhin im Garten, wo ich mit Alfred zusammenzutreffen versprochen hatte und fand dort statt seiner die kleine Werner, ich weiß nicht, zu welchem Zwecke. — Nun wissen Sie, gnädige Frau, ich bin etwas leicht —" er schlug die Augen nieder. — „Das Mädchen ist hübsch," fuhr er stockend fort. „Hm," macht Frau Stettingen wegwerfend. „Und kurz, ich sprach sie freundlich an und erbot mich, ihr beim Erdbeerenpflücken behilflich zu sein. Sie aber, in eine ganz unmotivierte Aufregung — die sie übrigens nicht häßlicher machte — geratend, lief schreiend davon. Ihr Herr Gemahl kam zufällig herbei, und sie sank in seine Arme — sie geberdete sich wirklich ganz wie außer sich; hätte Herr Stettingcn sie nicht hurtig gestützt, ich weiß nicht WaS geschehen wäre. — Nun sehen Sie doch ein, gnädige Frau, daß ich nicht mit Unrecht fürchtete, bei Ihnen verklagt zu werden." „Das Mädchen scheint eine Taktlosigkeit sonder gleichen zu besitzen. Ich werde Fräulein Werner eine scharfe Rüge erteilen und damit wird die Sache für Sie erledigt sein, lieber Rommbach," sprach die Gutsherrin finster. In diesem Moment trat Stettingen ein. „Ich fürchte, ich habe Dich warten lassen, liebe Helene?" wandte er sich entschuldigend an seine Frau. „Du wirst eben wichtigere Dinge zu thun ge habt haben," erwiderte diese kühl. Er blickte sie mit leichter Verwunderung an. Aber einige Launenhaftigkeit von ihrer Seite ge wöhnt, nahm er gelassen am Frühstückstisch Platz. Wie sehr Rommbach die Nichtachtung, die er ihn den Tag über fühlen ließ, verdiente, ahnte er gar nicht. Als man sich bald erheben wollte, trat Alfred ein, nahm, entfernt von den übrigen, am äußer sten Ende des Tisches seinen Stuhl und ließ sich nur durch das dringende Zureden der Mutter bewegen, seine Tasse einmal an die Lippen zu führen. „Du bist blaß." sagte Stettingen besorgt. „Es ist nichts!" cntgegnete Alfred und sein Blick schweifte durch das Fenster, um nicht dem des Vaters zu begegnen. „Laß doch lieber die Jagdpartie, mein Kind, du fandest ja früher kein Gefallen andergleichen," bat Frau Stettingen ängstlich. „Aber heute bin ich ausnahmsweise jagdlustig, liebe Mama, erwiderte er, und seine Stimme bebte, wie er sich an die Mutter wandte. Frau Stettingen empfahl sich gleich nach dem Frühstück, auch ihr Gatte verließ daS Zimmer, um noch eine Zurüstung für de» Lag zu treffen. Rommbach lehnte sich, die Beine gekreuzt, in das Eos» zurück. Eine zeitlang sah er schweigend seinen jungen Freund an, der, auf die Lehne eines Sessels gestützt, das Polster desselben mit seinen schlanken Fingern unruhig zerwühlte. „Wo der Tausend stecktest Du denn eigentlich heute morgen," begann Gustav nach einer Pause. „Ich habe wohl eine halbe Stunde vergeben- in den Anlagen auf Dich gewartet." „Und die Zeit über natürlich Dich mit nichts als der Sehnsucht nach mir beschäftigt," warf Alfred hin. Rommbach schnitt gleich die Spitze einer Cigarre ab. „Ach so, daher weht der Wind. Hat sich denn, zum Teufel, heut früh ganz Charlottenthal im Garten befunden?" „Es scheint so!" lachte Alfred bitter auf. „Bist Du eifersüchtig, Alfred?" „Es gilt mir nicht um Fräulein Werner," ent gegnen der Gefragte. „Wenn sie mir nicht gleichgiltig wäre, hätte ich wohl Eure Begegnung gleich im Anfang gestört und nicht erst abge wartet, bis Du Dich unmännlich betrugst?" „Und hernach wäre Deine Hilfe zu spät ge kommen, nicht wahr?" rief Gustav lachend. „Der „Dame" mangelt eS an Beschützern nicht. Was sagst Du jetzt?" Alfred wandte sich gequält ab und lehnte eine Weile schweigend am Fenster. Als er sich wieder umkehrte, war seine Stirn frei, sein Blick klar und heiter. „Bei unserer Freundschaft, Gustav, kein Wort mehr davon!" sprach er und legte die zitternde Hand wie beschwörend auf Nommbachs Arm. „Mein Vater steht erhaben über allen Verdachts gründen, er wird mir immer bleiben, was er ist: der Edelste aller Menschen, der Inbegriff alles Guten, Schönen und Starken, mein Vorbild, mein Ideal, mein Leben!" Gustav streifte den Freund mit einem fast mit leidigen Blick, schwieg aber eine ganze Weile. „Du weißt, ich bete keine Heiligen an," sagte er, nachdem seine gewohnte Natur über die mo mentane Betroffenheit gesiegt. „Aber davon ganz abgesehen — Alfred, wann wirst Du endlich alt genug sein, Dich von den kindischen Vorurteilen zu emanzipieren? Würde es denn Deinen An sichten über Deinen Vater schaden, und meinst Du, er beginge eine beispiellos dastehende Sünde, wenn er gegen ein hübsches Mädchen menschlich fühlen —" „Still!" rief Alfred, in ausbrechcnder Leiden schaft mit dem Fuß stampfend. Rommbach zuckte die Achseln und hüllte sich in die bläulichen Rauchwolken seiner Cigarre. Alfred wandte sich wieder von ihm ab, und als bald darauf der Gutsherr eintrat und ihn mit einem leichten Schlag auf die Achsel scherzend aus seinen Träumen riß, redete er ihn mit so viel Innigkeit und Achtung an, daß Stettingens Blicke aufleuchteten im zärtlichen Stolz. Frieda ging still und traurig ihren Geschäften nach, und wer sic ansah konnte ohne Mühe ent decken, daß ihre Augenlider fast immer vom Weinen gerötet waren. Ach, sielegte sich ja mit Thränen zu Bett und stand mit Thränen wieder auf. Das Benehmen ihrer Prinzipalin gegen sie war in der letzten Zeit mehr als unfreundlich gewesen und seit jenes scharfen Verweises wegen der Scene mit Rommbach, den Frieda ohne Verteidigung hatte hinnehmen müssen, behandelte Frau Stettingen sie mit einer Nichtachtung, die dem jungen Mädchen tief ins Herz schnitt. Wenn sie genötigt würde, ihre Stellung hier aufzugcben und als eine Gedehmütigte, als un brauchbar Bezeichnete in das Haus ihres Ver wandten zurückzukehren! Einige Male schon war der Gedanke wie ein Schreckgespenst an sie heran- getrcten, aber ihre fast krankhafte Angst davor hatte ihn immer wieder zuräckgewiese». Sie be schloß dann, ihren Eifer zu verdoppeln und alles geduldig zu ertragen, damit sie nur nicht in die Lage käme, dies Haus verlassen zu müssen. War es allein die Furcht vor dem strengen Gesicht ihrer Mutter, den Neckereien Franz's, dem Murren Onkel Reinhards, was sie bei diesen Gedanken so erschreckte?" Frieda gab sich keine Rechenschaft darüber, sie fühlte nur, daß ihr Leben ein gebrochenes sein Würde, wenn sie nicht mehr in Lharlottenthal weilte. Die stete Aufregung hatte sie ganz schwach und nervös gemacht, und während sie jetzt an einem schwülen Spmmernachmjttag die Treppe herunterstieg, um einen Befehl der Gutsherrin auszuführen, griff ihre Hand mehrmals nach dem Geländer und sie zog ihr Tuch fröstelnd um die Schultern. „Fühlen Sie sich krank?" fragte in diesem Moment eine teilnahmsvolle Stimme neben ihr, und Herr Stettingen, der eben die Treppe herauf kam, blieb stehen, sie an sich vorüber zu lassen. „O nein, ich danke!" entgegnete sie und ihre großen Augen, die schüchtern zu ihm emporblickten, füllten sich mit Thränen. „Aber ich glaube, Sie täuschen sich, Fräulein Werner," erwiderte der Gutsherr gütig. Wie mir scheint, nehmen Sie ihre Aufgabe zu schwer und stellen zu hohe Anforderungen an sich. Das Ziel der Vollkommenheit zu erreichen, ist j, uns Menschen allen nicht gegeben, aber wer so eifrig seine Pflicht zu erfüllen strebt, wie Sie. dem wird schließlich auch die verdiente Anerkennung von keiner Seite fehlen." Er reichte ihr mit aufmuvterndem Kopfnicken die Hand; sie zog dieselbe in überströmendem Dankgefühl an ihre Brust. Da öffnete sich die GlaSthür am Eingang und Frau Stettingen er schien auf der Treppe. „Ich glaubte Sie längst in Ausübung meines Befehls begriffen, Fräulein Werner," sagte die Frau des Hauses heftig. „Sie wiffen, daß ich langsamen Gehorsam bei meinen Untergebenen nicht liebe. — Da siehst Du gleich, lieber AlfonS," wandte sie sich danu an ihren Gatten, bevor noch die Zurechtgewiesene außer Hörweite war, „daß ich Grund habe, dem jungen Mädchen die verdiente Anerkennung noch vorzuenthalten, bis ich von ihrem vielgerühmten Eifer selbst überzeugt werde." Diese Demütigung in Gegenwart des Hausherrn, in einem Augenblick, wo sie sich durch dessen freundlichen Zuspruch so erhoben, so beglückt ge fühlt, nahm Frieda den letzten Rest von Mut. Und wie ein Unglück selten allein kommt, so folgten in den nächsten Tagen von seiten ihrer Gebieterin Verweise auf Verweise, und sie zitterte in jeder Stunde, daS lang gefürchtete Wort hören zu müssen. Auch als sie eines Abends traurig in ihrem Zimmer saß und ein Klopfen an der Thür ver nahm, war dies ihr erster Gedanke. Aber Plötz lich all ihren Stolz zusammenraffend, richtete sie sich hoch empor, als auf ihr „Herein" die GutS- herrin inS Zimmer rauschte. Sie warf nachlässig die Falten ihrer Schleppe zurecht und wandte dann ruhig den Kopf »ach dem jungen Mädchen, das sich, heimlich zitternd, auf eine Stuhllehne stützte. Das sah Frieda sofort: Sie war nicht blos gekommen, um ihr Vorwürfe zu machen, denn sie war nicht heftig wie sonst bei der geringsten Veranlassung; also sie wollte beleidigen, — denn — all ihr Mühen und Hoffen war umsonst gewesen! „Geschah es wirklich auf ihren Befehl," fragte Frau Stettingen, „daß —sie nannte irgend eine häusliche Verrichtung, die nach Friedas An weisung ausgcführt worden war. „Ja." „Weshalb, wenn ich so frei sein darf zu fragen?" „Wir pflegten zu Hause — mein« Mutter pflegte zu sagen —" „Sie begreifen, daß die Gewohnheiten Ihrer Mutter für mich nicht maßgebend sein können. Ich sehe aus diesem Umstande zum zwanzigsten Mal, daß ich leider einer bedauerlichen Täuschung unterlag, als ich Sie in der Voraussetzung enga gierte, in Ihnen eine Stütze in der Leitung des Hauswesens zu erhalten. Meine Geduld ist jetzt zu Ende, und ich hege nur den «inen Wunsch, sobald als möglich von ihrer wirksamen Hilfe verschont zu sein." (Fortsetzung folgt.) Redaktion, Druck und Verlag von Paul Strebrlow in Zschopau.
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