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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 14.05.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188505142
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18850514
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18850514
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungChemnitzer Anzeiger und Stadtbote
- Jahr1885
- Monat1885-05
- Tag1885-05-14
- Monat1885-05
- Jahr1885
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 14.05.1885
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Unterballrrns-oBIatt z«m „Chemnitzer Anzeiger". de» unter der Tanne Versammelten, ergriff sein an einem nahe stehenden Baume aufgehängteS Bewehr und verschwand mit demselben vm die Ecke de» Hause», um seinen unterbrochenen Rundgang durch den Forst sortzusetzrn, ohne von dem Baron bemerkt zu werden. Dieser näherte sich, offenbar in der Absicht» um ohne Notiz- nohme au der Versammlung vorüber zu gehen, al» dir stattliche und geschmückte Gestalt de» Gastwirth» ihm unter der Tanne hervor «nt. gegen trat und ihm einen Krug guten Biere» entgegen brachte. Der Baron sah sich, wie e» schien, ungern ans diese Weis« angehalten, aber der fröhliche Gastwirth ließ sich dadurch nicht irre machen, sondern Hub an:! »Erlauben Sie, gnädiger Herr, daß ich Ihnen im Namen unsere» Geburtstagskindes einen Ehrentrunk entgegenbringe.* »Wessen Geburtstag wird denn gefeiert?' fragte der Baron in vornehm-nachlässigem Tone, indem er den gutmüthigen Wirth unter brach. der sich aber nicht au» dem Konzeple bringen ließ, sondern fortfuhr: »Heute sind'» gerade hundert Jahre, daß mein seliger Groß Vater diese» WirlhshauS gründete und zugleich an demselben Tage diese Taune Pflanzte, und so habe ich denn alle meine guten Freunde eingeladr», den hundertjährigen Geburtstag meiner grünen Tanne mit mir z» feiern. Wir haben sie deshalb auch geschmückt, wie es an einem Geburtstage gebräuchlich ist. Und so wie nun meine Tanne ein« bescheidene gute Nachbarin Ihrer großen Forsten, so sind meine und Ihre Vorfahren auch immer gute Nachbarn gewesen, und da möchte ich den Herrn Baron bitten, auf ferneres Gedeihen und manches neue LebenSjährchen unserer Tanne, wie auf fernere gute Nachbar schast Bescheid zu thuu l* Der Baron vermochte die freundliche Einladung de» WirtheS unmöglich ganz abzulehnen, er berührte daher mit den Lippen den Rand de» Kruge», gab diesen aber sogleich wieder zurück und sagte »So. so, nun, ich gratulire. Wie ich sehe, ist ja Tellmann auch von der Partie!* »Nur aus kurze Zeit, Herr Baron,* rrwiederte dieser, »ich war schon im größten Theile meines Reviere- und weide es sogleich vollends begehen! Da es sich um den Geburt-tag einer Taune handelte, wollt« ich als Forstmann nicht ganz zurückstehen I* Der Baron verzog die Lippen ein wenig: »Ah, und Ender ist ja auch da!?* — Dieser stellte sich vor. »Gut, daß ich Sie treffe. Kommen Sie morgen früh zu mir Lassen sich die Herren in ihrem Vergnügen nicht stören!* Damit berührte er den Schirm seiner Mütze und ging, ohne eine Miene zu verziehen, seines Weges weiter. Der Wirth und auch die Mehrzahl seiner Gäste sah ihm kopf schüttelnd nach. Diese- vornehme, exklusive Wesen, welches so gar keine Rücksicht auf die Gefühle der weniger gut Situirten nahm, besaß für diese etwas so Verletzendes, als hätte er ihnen geradezu Beleidigungen ins Gesicht gesagt. „ES ist eben mit chm nichts anzufangen!* brummte der Wirth halblaut dem junge» Günther zu, »aber wir wollen unS in unserem Vergnügen nicht stören lassen. Tellmann, Sie werden doch nicht? „Ich gehe in- Revier," sagte dieser achsrlzuckeud und wandte sich dem Walde zu. »Und Sie, Herr Rentmeister?* Dieser lächelte beinahe boshaft, dennsser wußte, daß diese Frage Herrn Müller nicht so recht vom Herzen kam, und daß dieser lieber den Förster als ihn hier behalten hätte. Er erwiederte: »Ich bleibe noch ein wenig!* „Um zu horchen," flüsterten einige der Gäste. „Na, darum keine Feindschaft!" ries der joviale Wirth. »Musik! Komm Alte, wir wollen noch einen Walzer versuchen! Lustig, Ihr Herren, daS Faß ist noch lange nicht leer und Sie müssen eS mir Keren helfen! Heran, Schulze von Volkstedt, bist ein Kerl wie ein Riese, jetzt zeig, daß Du auch noch einen Tanz mitmacheu kannst! Wir wollen der Jugend mit gutem Beispiel vorangehen. Herr Doktor, lassen Eie sich von den Alten nicht beschämen! Frisch, eine Tänzerin gcholt I* So suchte der wackere Wirth seine Gäste zur Fröhlichkeit anzu- regt», wa» ihm denn auch gelang. Auch Günther tanzte flott nach einander mit alle» anwesenden Tänzerinnen, die mütterliche Wirthin zur grünen Tann« nicht ausgenommen. Sogar Snse, die in einer Ecke der Küche geweint hatte, kam aus vielfaches Zureden wieder zum Vorschein und mußte, wiewohl widerstrebend, noch mehrmals am Tanze thrilnehmen. Nach demselben rückte die Gesellschaft zu einer gemüthlichen Unterhaltung näher unter der Tanne zusammen. Herr Müller gab zu Ehren des Geburtstage- Braten und Fische und als bei dieser Gelegenheit auch der Rentmeister sich entfernte, dessen Anwesenheit al» eine Art Druck empfunden worden war. ließ sich gern Jedermann von der unverwüstlich guten Laune deS Wirthes anstecken, zumal der all gemein beliebte Oberförster Schirrholz noch zur rechten Zeit erschien, »m ebenfalls der lieben Tanne die Ehre anzuthun, wie Herr Müller sich auSdrückte. Mancher gute Trinkspruch und Toast, kurz, bündig nnd gut geweint, wurde zum Besten gegeben; am meisten Anklang fand aber der allbekannte, der bei allen festlichen Gelegenheiten im Gebirge gehört, und den der Oberförster zum Besten gab: »ES grüne die Tanne, eS blühe daS Erz, Gott schenke unS Allen ein fröhliche- Herz!* »DaS ist ein liebe-, gutes Wort!" sagte halblaut eine feine ' Stimme. Günther drehte sich und erblickte zu seinem Erstaunen die schöne Nichte d«S Barons. Doch um da- Erscheinen derselben aus diesem Schauplatz zu erklären, müssen wir elwastzzurückgreifen und den Baron nach dem Schlosse begleiten. „Wen» ich Dir rathen soll," sagte derselbe dort zu der Ersteren, velche ihren Spaziergang zu machen im Begriffe stand, „so nimm hente Deinen Gang nicht an der grünen Taune vorüber. Ta ist «io« jener bäuerlichen Festlichkeiten im Gange, welche gebildete Nerven nicht ans das Angenehmste zu berühren pflegen." „Um war handelt eS sich denn?" fragte Adelheid. „Um den Geburtstag einer Tanne, die mau aufpotztr nnd eifrig mit Musik und Tanz bejubelt!" „Aber daS ist ja allerliebst, Oheim, der Geburtstag einer Tanne? Die möchte ich in ihrem Schmucke sehe»! Ich liebe solche Volksfeste; bitte, führe mich hin!" Der Baron blickte seine Nichte mit sprachlosem Erstaunen an. „Nein, dar verlange nicht, Adelheid!" sagte er endlich zögernd, „ich habe genug von der Berührung, die ich vorhin mit diesen Leuten hatte, und möchte den Verkehr nicht zu intim werden lassen." Adelheid erwiederte: »Wenn Du nicht mitgebst, Onkel, so erlaube wenigsten-, daß ich mir die Sache aus einiger Entfernung ansehen darf; ich brenne vor Neugierde!' .Dagegen habe ich nicht- eiuziweuden: Du bist Herrin Deine- ThnvS und Lassen»! Nur aufmerksam wollte ich Dich machen, wa-'- D» dort finden wirst, eine Musik, die Hunde heulen nnd Menschen rasend machen kann, eine Anzahl Leute, die trotzdem dadurch in ver gnügte Stimmung versetzt werden, und einen Wirth, der Dir mit de» obligaten Bierkrug entgegenkommt." Mit diesen Worten verließ der Baron den Salon. (Fortsetzung folgt ) Ter amerikanische „gute Tou".*) Bon Arthur Zapp. Der »gute Ton* ist in der nordamerikanisch» Republik in »ehr als einer Hinsicht «in wesentlich anderer al» in Europa. Zuerst gilbt e» dort kein Hvfiebe», keine Hoffest» mit peinlich vorgeschrirbenem Zeremoniel, wie in de» »eisten «nropäischrn Staate». Im Hause des Präsidenten, deS ersten Beamten de» Lande», geht es nicht ander» her, al» in dem irgend eine» gut situirten Privatmannes Er empfängt seine Freunde und Bekannten in zwangloser Weise »ud schüttelt ihnen gemüthlich die biedere Rechte, wie vordem, als de» Volke- Wille ihn noch nicht nach dem »Kapitol* in Washington berufen hatte. Er fährt und geht spazieren, ohne daß besondere Vorkehrungen getroffen werden, und benutzt auf Reisen die gewöhn lichen Eisenbahnzüge wie andere Sterbliche auch. Früher, zur Zeit George Washington'», de» ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, war da» freilich ander». Damals herrschte am Sitze der Bundesregierung dasselbe steife Zeremoniel, da» noch heute am Hofe von St. James üblich ist. Das Oberhaupt der Republik fuhr nie ander», als in ei»er prächtigen, mit sechs Schim meln bespannten Karosse, mit Vorreiter und gepudertem Kutscher und Bedienten, zum Kapitol. Gab Washington eine Gesellschaft, so erschien er stets in weißseidenrn Strümpfen und Schuhen mit silbernen Schnalle«, weißer Atlasweste, den Degen an der Seite und den Hut in der weißbehandschuhten Hand. machte jedem Eingeladeneu eine formelle Verbeugung, ohne die Hand zum Gruß zu bieten, und ging dann, noch Art der europäischen Monarchen, die Reihen entlang, hie und da ein paar höfliche Worte plaudernd. Später, so schreibt Arthur Zapp im »N. Pest. Journ.*, unter Thoma» Jefferson, dem ersten demokratischen Präsidenten, schlug diese übermäßige Steifheit in das Gegrntheil, in absolute Formlosigkeit um. Als Thomas Jefferson sich zu seiner Einweisung in den Kongreß begab, ritt er auf seinem Gaul einher und band, am Ziele angekommen, die Rosiuante höchst eigenhändig an einen Zaun. Bon seidenen Strümpfen, Glacehandschuhen und zeremoniellen Verbeugungen war nicht mehr dir Rede. Das ist lange Jahre so geblieben, bis erst neuerdings rin jäher, vollständiger Umschwung eintrat. Unter der Präsidentschaft Lincoln'- ging es zwar sehr lebhaft in Washington zu, aber daS, wa» man heute in Washington »gesellschaftliches Leben* nenut, war nicht gerade die Leidenschaft des biederen, braven Abraham. Unter dem spar samen Junggesellen Mr. Johnson behielt da» Leben in Washington sein ernste- Gepräge. Grant liebte zwar Glanz und Vergnügen, aber ihm fehlten feinerer Schliff und Geschmack. Er hatte beständig eine Kohorte von wüsten Gesellen um sich; denen aber lag nur daran, in aller Eile ihre Taschen zu füllen. Herr Hohes war ein knauseriger Philister, der unter dem Pan toffel seiner, den Temperenzlern geoeigtcn, frömmelnden Gattin stand. Sarfield, dem das Glück des Regieren- ja nur für kurze Zeit beschicken, war von Hause au- ein zu ernster, einfacher und arbeit samer Mann, als daß er an gesellschaftlichen Nichtigkeiten Geschmack gefunden hätte. Erst Herr Arthur, der elegante, dem Luxus und der gesellschaftlichen Unterhaltung ergebene Wittwer, war der Messias, der den gesellschaftlichen Firlefanz in Washington zu einer neuen, glänzenden Auferstehung brachte. Eine solche Fülle von Festlichkeiten: DinerS, Parties, Rezeption-, Bällen u. s. w. war in dem Weißen Hause noch nie gesehen. Das Publikum dieser unausgesetzten Lust barkeiten an dem republikanischen Hose zu Washington bildeten das fremde Gesandtschaft-personal, die Ministerien, die Senatoren nnd Repräsentanten, sowie Offiziere und höhere Beamte- Die Reicheren unter den Senatoren uvd Repräsentanten haben sich in den letzten Jahren daran gewöhnt, ihre Familien während der Dauer der Session mit nach Washington zu bringen, um sie der Vergnügungen der »aus erlesensten Gesellschaft des Landes* theilhaftig zu wachen. Von republikanischer Einfachheit ist in diesen Zirkeln natürlich keine Rede mehr. Ter in diesen Gesellschaften entwickelte Luxus ist ein ganz enormer und zeigt so recht, zu welchem ungeheuren Reichlhum es daS Land gebracht hat. In der Mannigfaltigkeit und Kostspieligkeit der Toiletten, im Reichlhum ihrer Geschmeide können es die Damen des Washingtoner „bigb IiK" mit den Damen der europäischen Höfe wohl ausnehmen. Auch die Presse in Washington ist dem Beispiel ihrer Kollegin in den europäischen Residenzstädten gefolgt. Tie Washingtoner Zeitungen widmen einen großen Theil ihres Raumes den Besprech ungen der innerhalb der »Gesellschaft* statlfindendcn Festlichkeiten uud berichten gewissenhaft und in ollen Details über die kostbaren Toiletten der Damen von der kunstvollen Haarfrisur bis herab zu dem koketten Lederkunstwerk, welche- das zierliche Füßchen beherbergt. Während jedoch in Europa die abgeschmackten Vorschriften der Etikette mit einer gewissen feinen Eleganz und geistigem Schliff, wie ihn lebenslängliche Gewohnheit erzeugt, ausgesührt werden, wird in Washington Alles mit einer langweiligen Einförmigkeit und un geschickten Steifheit abgethao. Der Amerikaner ist eben in seinem eigentlichen Wesen nach Leu bei uns herrscheuden Anschauungen von einer schrecklichen Uumanier. Er ist im Durchschnitt nicht nur wissenschaftlich herzlich wenig gebildet, sondern läßt auch in seiner gesellschaftlichen Erziehung sehr viel zu wünschen übrig. Aller Zwang ist ihm verhaßt, er giedt sich am liebsten, wie er ist. Da bilden denn die Frauen das mildernde Element, ohne das die Männer bald in Barbarei Versalien würden. Mag die ameri kanische Frau auch in mancher Beziehung nicht an ihre europäische Schwester binanreichen, darin steht sie über ihr. daß sie den ent scheidenden Faktor in dem Kulturleben ihre- Landes darfiellt, daß sie im Privatleben ihrer Nation tonangebend ist. Der Amerikaner ist Republikaner durch und durch, die Ameri- kaneriu Aristokratin. Er prüsentirt sich am vortheilhaftesten im Geschäft, sie im Salon. In der Häuslichkeit, in der Wirlhschaft, bewegt sie sich wie in einem fremd«« Elemente. Der Amerikaner liebt den Prunk nicht; will er einmal glänzen, so thut er dar ge wöhnlich in der ungeschickten Weise eines Parvenü. Die Amerikanerin liebt den Glanz uud Prunk in ihrem Auftreten; sie fährt gern in glänzender Equipage, der Amerikaner, auch wenn er Millionär ist, nimmt lieber einen Platz für fünf Zcuts neben de» Arbeiter in einem Pserdebahnwagen. Daß eS die Frau ist, welche in dem amerikani schen Leben den Ton angicbt, kann mau schon dem Umstande ent nehmen, daß sie zuerst auf der Straße grüßt. Sie giebt durch ein leichte- Ricken mit dem Kopse dem ibr auf der Straße begegnenden Herrn ihrer Bekanntschaft die Er'.aubniß, sie zu grüßen. Wünscht sie au- irgend einer Ursache von einem Herrn nicht gegrüßt zu sein, so ignorirt sie ihn einfach im Borübergehen. Würde er dennoch wagen, seiuen ^>ut zu ziehen, so würde er sich dadurch eines sehr grober, Verstoße- gegen deu guten Ton schuldig gewacht und eS für immer mit der betreffenden Dame verdorben haben. Es hat diese Sitte für einen Europäer im Ausang etwa- sehr Unangenehme-, geradezu Demüibigende-, ober man fügt sich ihr bald, um so mebr, als man den Vortbeil gewabrt. den diese Einführung deu Damen bringt. Eie gewährt den besten Schutz gegen arrogante Gecken, die mit ihrem Gruß gern auch ihnen unbekauntc Tamcv belästigen. * Vir entnehmen diese interessante Studie dem .Neuen Pest. Journal*. Sied. d,S .Cbcmn. Sn) * Auch in der Art, wie mau eine Dame auf der Straße begleitet weicht die amerikanische Sitte von der europäischen ab. Der Herr hält sich immer auf der äußeren Seite, »ach dem Rinnstein, respek tive dem Fahrdaam zu. Man ist also beim Hinübrrgrhen nach der andern Seite der Straß« genöthigt, seine« Platz an der Seite de» Dame zu wechseln. Diese Sitte hat das Gute, daß sie bei überfüllte» Trottoir die Damen vor Unglück»fällen sichert. Beim Begegnen biegt man im Gehen wir i« Fahr» nach recht» an». Im Gedränge geht der Herr der Da»« vor«» »ud deu Arm giebt man selbst seine, Fra« aus der Straße nur ««»nahmSweise. Beim Fahre» grüßt man, kntschirt man selbst, durch Salutireu mit der Peitsche, wie dir» j, auch bei un» Sitte ist. Im Elevator (Fahrstuhl), der übrigen» in Amerika auch in Privathäusern viel mehr in Gebrauch ist, als bei uns, hält man, find Damen anwesend, seinen Hut in der Hand. Im Pserdebahnwagen und im Omnibus macht man der eintretenden Dame, die keinen Sitz mehr finden kann, Platz. In deu größeren Städten, wie New-Uvrk, begegnet man aller dings in neuerer Zeit immer häufigeren Abweichungen von dieser Regel. ES geschieht aber nicht selten, daß der Herr, der für die Dame in seiner Begleitung im Pserdebahnwagen keinen Sitz findet, den ersten besten Herrn zur Ueberlassung seines Sitze» an die »Lady* auffordert. Gegen diese Appellation an die Ritterlichkeit kann man sich natürlich nicht gut unempfindlich zeigen. Bei dem Reisen auf der Eisenbahn aber zeigt sich am besten, wie sehr da» republikanische Wesen, die Lehre von der Gleichberechtigung aller Menschen, den Amerikanern in Fleisch und Blut übergegangen ist. Es giebt außer dem Schlaf- und Salonwagen, deren man sich nur bei größeren Reisen bedient und die, wie übrigens bei unS auch, von Privatunternehmern, nicht von der Bahuverwaltuug dem regulären Train hinzugefügt werden, für alle Reisenden nnr eine Wagenklasse. Der Arbeiter fährt in demselben Waggon wie der Millionär, die Frau de» Bauern fitzt neben der in Seide und Gold strotzenden Bankiersgattin. Außerdem kennt man auf den amerikanischen Eisenbahnen nicht die Eintheilnng der Wagen in kleine, abgeschlossene KouperS, sonde» jeder Wagen enthält viel mehr nur eine« graßen Raum, in dem etwa vierzig Mensche« Platz haben. Die Einrichtung ist beque« und elegant, wie in den deutschen KouperS erster Klasse; gepolsterte mit Plüsch überzogene Sitze. In der Mitte des Raume- ist ein Gang, an den beiden Seiten befinden sich immer zehn Sitze nebeneinander, auf jeder Seite find etwa zehn solcher Zwrifitze. Die Ordnung ist in der Regel eine musterhafte. Wüster Lärm uud brüllender Gesang, wie er sich oft auf unseren Eisenbahnen in der dritten uud vierten klaffe sehr unangenehm hörbar macht, macht sich auf amerikanischen Eisen bahnen nie bemerklich. Der tiefe Respekt, der in Amerika auch de» ungebildetste» Männern den »Ladies* gegenüber innewohnt» hält die Reisenden, so lange sie sich im Wagen, also auch in der Gesellschaft von Damen befinden, von jeder Ausschreitung zurück. Betrunkene wird man ebenfalls selten oder nie in einem amerikanische« Eisenbahnwagen antrefseu, was leicht erklärlich ist, denn man kennt dort nicht die alte deutsche Sitte, auf jeder Station ein Glas Bier zu trinken . . . Die Selbständigkeit der jungen Damen in Amerika tritt recht charakteristisch in der Sitte hervor, daß die jungen Damen die Ein ladung zu Hausbällen, Soirsen in ihrem Namen, nicht in dem der Eltern absaften. So lautet da» Einladungsschreiben:.'»Miß Elle« Smith giebt sich die Ehre, Mr. Johnson* u. s. w. Will man sich nach dem Befinden einer jungen Dame erkundige», ihr überhaupt seine Aufwartung machen, so läßt man sich bei de« jungen Fräulein melden, nicht bei den Eltern, und die junge Dame empfängt ihren Besuch im Parlor allein. Daß junge Damen allein Ausflüge machen, Reisen unternehmen und sich tagelang in fremde» Orten anfhalten, ohne elterlichen oder brüderlichen Schutz, verstößt durchaus nicht gegen den guten Ton. Im Ganzen gestaltet sich der gesellschaftliche Verkehr in Amerika, zwangloser als bei uns, besonders wenn die Herren unter sich find. ES ist dann, als ob sie sich durch doppeltes Sichgehenlasscn für den Zwang entschädigen wollten, den sie sich vorher in Gesellschaft von. Damen auserlegen mußten. Es giebt keine» formloseren Mensche«, als den Amerikaner in Herrengesellschaft. Im Rauchzimmer, im Bureau, überall, wo LadieS nicht anwesend find, behält der Amerikaner seinen Hut auf dem Kopfe; beim Sitzen rekelt er sich in der als „amerikanisch* bekannten Manier, so zwar, daß er seine Beine weit von sich streckt uud irgendwo auf die Lehne eines Stuhle», auf einen Tisch oder auf das Fensterbrett placirt. Bei der Vor stellung zweier Herren geht es ebenfalls sehr ungenirt zu. Die Be treffenden machen weder eine Verbeugung, noch ziehen sie die Hüte, sondern sie reichen sich einfach die Rechte und schütteln sie einander recht herzhaft. Dabei murmelt Jeder das stereotype: „llov äc> von äo, Kr. X.?" Für einen Europäer ist es in der ersten Zeit unge mein komisch, zwei Menschen, die sich noch nie in ihrem Leben ge sehen haben, bei dem ersten Bekanntwerden fragen zu hören: „Wie geht es Ihnen, Herr A?* Wenn sich zwei Bekannte auf der Straße begegnen, so nehme« sie ebenfalls nicht die Hüte ab — diese Begrüßung widmet mau nur den Damen — sondern sie begrüßen sich durch eine leichte Hand bewegung, indem dabei Einer deu Andern anschreit: »Halloh, John!" „Halloh, Charles!* Das Handschütteln spielt überhaupt im gesellschaftlichen Verkehr jenseits des Ozeans eine große Rolle. Alles schüttelt einander die Rechte, aber nur beim Kommen, nicht beim Fortgehen. Auch dm Domen reicht man zur Begrüßung die Hand, der Handkuß ist bis her noch nicht eingesührt. Der Mann, dem am meisten die Hand geschüttelt wird, ist unstreitig der Präsident. Am NeujahrStage, de« die Amerikaner viel allgemeiner als wir feiern und bei dem die Be kannten sich gegenseitig kurze Besuche, sogenannte »Calls*, abflatteo, wobei Erfrischungen in fester uud flüssiger Gestalt geneicht werdsr, hält der Präsident großen Empfang ab, zu dem jeder Bürger Zutritt hat uud da- Recht, einen Händedruck»mit dem Oberhaupt des Lande» au-zutauschen. Wie der Amerikaner aber nach oben hin wenig überflüssige Formen und Höflichkeiten beobachtet, ebenso Wenig zeigt er nach unten da-, was man bei un» ..Herablassurg* nennt und das für deu fein fühligen Menschen oft verletzender wirkt, als offene Barschheit, „klasseudünkel* ist etwa- in Amerika durchaus Unbekannte-, lieber« flüssige Titel kennt man in der nordamerikanischen Republik ebenso wenig wie Orden. Man redet einander einfach „Mr.*, respektive .Mr-.* oder »Miß* an. Man macht vavon nur wenige Au-nahmen, etwa beim Arzt, den man »Doktor* nennt, ohne ein »Mister* davor zu setzen. Die Frau ober führt nie den Titel ihre- Manne». Die Frau de- Präsi denten wird nicht ander- als die Arbeiterfrau angrredet: Misst- So und so. Den Frack als gesellschaftliche- Kleidungsstück kennt man in de« Bereinigten Staaten wenig. In den mittleren und unteren Stünde« wird er absolut nie benutzt, bei den »oberen Zehntausend* aber auch viel seltener als in Europa. Gegenwärtig ist eS guter Ton, de« Frack nie vor fünf Uhr Abends zu trage», nicht einmal bei der Hochzeit Die meisten Leute aber baden nie in ihrem Leben eine« Frack auf dem Leibe gehabt. Die Glücklichen I — Berantmortlicher Redakteur Franz Sätze in Thinmitz. — Truck und Berla, von Alexander Wied» in Lhemnitz.
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