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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.06.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189006204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18900620
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18900620
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-06
- Tag1890-06-20
- Monat1890-06
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.06.1890
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1. M-k W KjMk WM M AllMl Nr. 171, Miß kn 20. Inni 18W. » find« n>> »»" ,k dakir mß >»chr. k»«ch«. »ansch er »«« e< »aa, Dick ze ch k«r» u». I mme. >«. st ». mehl „i zwei er »arzt- lüSS. !NMNN« ffsnnntz , wir». >on »er > nicht; s, »or- ri««. n o«- 1 k»e »st». ebr«»ck chr»«tz Der Taiy um das goldene Kalb. Bon Gustav Kleinert. NochernS rrrbolen. (Schluß.) Der alte Stichel rieb sich vergnügt die Hände, als ibm am andern Tage bei Tische sein Sokn erzählte, daß er sich demnächst mit Fräulein Bertba Knochen verloben würde. Er mußte dem beglückten Valcr einen kurzen Bericht darüber geben, wie er da- nur so in der kurzen Zeit fertig gebracht habe „So, so, natürlich, ich kam, ich sab. ich siegte", meinte der Papa, „na ja, das liegt nun so mal in unserer Familie." „Aber ich verstehe nur nicht recht, lieber Artbur, warum Du diese famose Ucbcrrumpclung nicht gleich bis in ihre lebten Confequcnzen auSgcbcutet bast, daß Tu nicht sofort »nt dem gefangenen Bögelchen vor die (Gesellschaft tratest und Bertha als Deine Braut vorstelltest." „Ich weiß nicht, Papa, ob das so ganz richtig gewesen wäre. Aufrichtig gesagt, habe ich in der Hitze des Gefechts auch nicht daran gedacht; wer konnte denn einen so glänzenden Sieg vermuthen. Und ob Bertba nicht doch stutzig geworden wäre? Ich glaubte, daS Bögelchen erst ganz kirre mache» zu müssen, denn eS wird nickt an Versuchen fehlen, uns auch nach der Verlobung zu diScrctitiren. Ich wollte mich daher einiaermaßcn sichern: Hach ackl Tagen wird sie eher auS den Fenster springen, als daß sie einen Andern nähme." „DaS hat etwas für sich, gewiß; indessen man soll daS Eisen schmieden, so lange es warm ist. Jedenfalls würde ich jetzt so bald wie möglick auf eine öffentliche Verlobung dringen." Arthur hatte übrigens bei diesen Geständnissen vergessen, daß er auch bei der Eroberung Bcrtha'S ganz nach seiner alten bewährten Schablone vorgcgangcn war — „dock wer keck ist und verwegen, kommt vielleicht »och besser fort" — und daher im letzten Augenblicke versäumt, eine kleine für diesen speciellen Fall angemessene taktische Aendernng zn treffen. Bisher batten eben alle seine Liebschaften damit geendet, seine» ,,süßen Schatz" um ein heimliches Stelldichein zu bitten, und im Taumel seines unerwartet schnellen Sieges batte er nicht daran gedacht, daß in diesem Falle gerade die Oefsentlickkeit deS Verfahrens statt einer Fortsetzung hinter verschwiegenen Rosenlauben dringend geboten war. Sein Papa hatte darin ganz Recht, aber er durste doch seinen strategischen Fehler nicht so eingcstehcn. Noch heute wollte er daher die nöthigen Schritte thun, nm daS Versäumte nachzuholen. Arthur War jedoch trotz der schönen Aussichten aus die Zukunft in einer etwas gedrückten Stimmung. Daß er auch gerade auf heute eine Zusammenkunft mit Tilli verabredet hatte! Ob eS nicht doch besser wäre, wenn er nicht hingingc! Aber dann würde er wohl niemals wieder die schöne Tilli in seinen Armen halten können. DaS wäre zu grausam gewesen für sie und vielleicht auch für ihn: Im Gegensätze zu allen seinen bisherigen Liebeleien batte er — so weit er überhaupt dazu fähig war — für Tilli eine ernste Leidenschaft gefaßt, und wenn er ein reicher Mann gewesen wäre, wer weiß, ob er sie nicht doch zu seiner Frau gemacht hätte. Sonderbar, auch die schöne, kluge, vor sichtige Tilli hatte er so mit einem Schlage gewonnen, gerade wie alle andern, gerade wie die unschuldige Bertha. Aber so leicht wie bei der letzteren war eS ihm »och nie geworden: DaS wollte allerdings nicht viel sagen, wußte sie doch nock nicht einmal, waS ein Kuß war. Ack, aber ein Kuß von Bertha und von Tilli! Nein, er mußte noch einmal, das letzte Mal, ihre rosigen Lippen kosten, ihren wonnigen Leib umfassen und dann wollte er ihr gestehen, frei gestehen, wie unglücklich er sei, wie er sich seinem Vater, den Verhältnissen opfern müsse, wie er sein höchstes Gut dahingeben, um an der Seite eines ungeliebten WeibeS sein Leben zu vertrauen;. Er könne seinen Vater, der jbiSher Alles für ihn getba», nicht dem Untergang vrciSgeben, er muffe seiner Familie dieses schwere Opfer bringen. Er war selbst schon ganz gerührt bei dieser Generalprobe, waS mußte er erst für einen Eindruck macken bei der Ausführung beute Nachmittag. Und dann, er wußte, daß Tilli eine großmüthige Natur war, und daß sie eS ihm vergeben würde, wenn er — hatte er denn anders gekonnt, sie auS ihrem seelischen Gleichgewimt gerissen, wenn er sic geliebt hatte, ohne jetzt ihre stillen Hoffnungen erfüllen zu können. * Bertba hatte sick, Müdigkeit vor^chlitzend, gleich nach dem Mittagessen auf ibr Zimmer zurückgezogen. Wie wurde ibr heute die Zeit so nncndlich lang! Drei volle ganze Stunden sollte eS nock dauern, ehe sie ib» wiedersab. Was sollte sie denn nur anzieben, wie würde sie ihm wobl am besten gc- sallcn! Sie besann sich. Ach, sie konnte ihn doch nicht in großer Toilette in der Laube treffen. In der Laube: Sie fand das kente sckon lange nicht mehr so roinantisck wie gestern Abend. Ware eS vielleicht doch nickt besser gewesen, wenn er frei und srank heute an ihrem Hause vorgejprochen hätte. Da hätte eS sich denn auch wobl einrickten lassen, daß sie ein kleines Viertelstündckc» allein gewesen wären: also aus daS Alleinsein legte sick doch einiges Gewicht. Cie errölhrte, als sie sick bei diesem Gedanken ertappte, wenn er auch ibr Her; höher schlagen machte. Freilich, da war die Rosenlaubc ein günstigerer Ort, das hatte der Schelm wobl gewußt. Also »n HauSklcite, so wie sic da stand, wollte >>c ikn Wiedersehen. Indessen, eine Roscn- knoSpe im Haar. daS würde doch nickt so übel sein. LH, die AoscnknoSpe: eS zog sie eben unwillkürlick sckon jetzt in den Garten, es wurde ihr zu eng, zu beiß aus den, Zimmer. Tilli wollte eine Fchnndin besuche», wie sie ihr schon beute Morgen gesagt batte, mit der Konnte sie also auch die Zeit nicht verplaudern. Ob Tilli nicht doch ein wenig eifersüchtig werden würde, wenn sie hinter ihr Gcbcimnitz käme? Sie hatte immer so das Gefühl gehabt, als wenn auch sic sich für Artbnr intercssirc. Ja, wer von ikren Freundinnen that das denn nicht? Sie hatten ihn alle gern, und sie allein hatte jetzt den Sieg davon getragen. Werken Tie alle Angen machen, sagte sich Bertba beglückt, wenn man sich bald in der ganzen Statt erzählt, Arthur Stichel hat sich mit Bertba Knochen verlobt. Mit diesen Gedanken eilte sie in den Garten und iblenderte der Rosenlaubc zu. Wahrhaftig, Arthur batte so Unrecht nickt, eS war dort ein viel traulicheres Plätzchen zum Kose», als ihr steifer Besuchssalon. Woher er nur diese genaue Kenntniß ikreS GartcnS haben mochte? Er batte sreilick schon zu Lebzeiten Papa« tri ihnen verkehrt, aber „scknurrig" war eS doch, daß er so genau Bescheid wußte. So stand sie in Sinnen versunken da, als sie in einiger Entfernung einen leichten Schritt hörte Sie stutzte und horchte DaS konnte doch Tilli nicht sein Sie ging leise an daS nahe Strauchwerk heran und erkannte jetzt, daß wirklich Tilli eilenden Schritte- dem äußersten Theile de« Gartens zustrebte. Und sie wollte doch eine Freundin be suchen. Sie batte sie wohl nickt anzetrofsen Und jetzt? Sir schien dem kleinen GartenpjSrlchen zuzueilen Also einen einsame» Spaziergang wollte sie machen, ah, sie wurde neu gierig. Sie folgte. Tilli eilte indessen nicht dem Psörlchen zu. sondern schlug den Weg link« »ach dem kleinen Tannengehölz ciu. Schnurrig, waS hatte sic denn nur in jenem entlegenen Winkel de- GartenS »u suchen. Ob sie am Ende auch hier Jemanden erwartete? Ein leichter unbestimmter Argwohn drängte sie ebenfalls dem Gebüsch zu. Sie eilte den Weg an der Mauer entlang um das kleine Gehölz herum. Entweder mußte ibr hier Tilli begegnen, oder — na, sie würde ja sehen. Niemand da. Sie schlich behutsam weiter. DaS Herz klovste ihr und sie ^vußte doch nicht warum. Dann blieb sie ängstlich steben. Sie hörte ein Geräusch. Sie macht noch einige Schritte. Jetzt glaubt sic eine Stimme zu vernehmen. Aber es war nicht Tilli'S Stimme. Für ein kleines Abenteuer war dieser Ort tvahrhaftig nicht schlecht gewählt. ES gewährte ihr eine gewisse Befriedigung, daß auch Tilli so ikrc Heimlichkeiten hatte, doch eS beunrubigtc sie auch. Wieder hört sie jene Stimme. Sie späht umher. Sie konnte nur aus der Fliederlaube komme». Ei, ei, Tilli mit einem Liebhaber in der alten Fliedcrlaube. Am Ende gar der biedere Gottlieb. Wer sollte r- denn sonst sein? So ein Heuchler. Sie schleicht sich leise an die Laube heran, die ganz zugewachsen war, so daß man kaum ^en Eingang unterscheiden kann. Jetzt hört sie deutlich zwei Stimmen Wahrhaftig, daS war Tilli'S Stimme Und die andere? Sie kam letzt ichärfer zu ihr herüber. Wer ist da»? Es überläuft sie heiß und kalt. Regungslos steht sie hinter einem alten Baumstämme. Wieder Hort sie ein Paar unverständliche Worte. Ihr Herz steht still. ES kann ja nicht sei». Aber sie will Gewißheit haben. Wie ein Stoß- Vogel schießt sie auf den Eingang der Laube zu, thut einen wilden Schrei und sinkt ohnmächtig zusammen. Tilli reißt sich aus Arthur'» Armen Am ganzen Leibe zitternd, versucht sie daS unglückliche Mädchen aufzurichten. Arthur, bleich bi« in die Lippen, die er sich blutig beißt, stürmt von dannen. * » Innerbalb der nächsten acht Tage schwirrten allerhand Gerückte durch die Stadt. Fräulein Backhaus Kälte ganz plötzlich ihre Stellung bei Knochen'» aufgcgeben. Es sollten Eifersuckt-scrncn zwilchen den beiden junge» Mädchen statt- gesunde» haben. Auch der Name Arthur Süchcl wurde bier und da genannt. Man hatte aber so recht keine Klarheit über die Sache. Gewiß war, daß sich Fräulein Knocken in den letzte» Tagen nirgends batte sehen lassen, man behauptete sogar, sic habe einige Tage zu Bett gelegen und würde dem nächst mit ihrem Vormunde ein Bad Thüringens aufsuchen. Der jung« Georg Knickebein sollte nämlich einen Korb von Fräulein Knochen bekommen haben. Und Arthur Süchcl hätte sich mit Fräulein Tilli Backhaus verloben wollen, sei aber von seinem Vater mächtig inS Gebet genommen worden. Nach weiteren acht Tagen wußte inan aber schon ganz genau, daß sich Bertba »nd Tilli im Garten heftig gestritten batten und man Bertba i» Folge dessen ohnmächtig in« Haus ge tragen hätte. ES solle sich bei diesem Streit ganz bestimmt um Georg Knickebein gebandelt haben. Selbst der Herr Eommerzienratd konnte sich über die Sachlage nicht ganz klar werden. Daß cS sich bei der ganzen Gefauchte nur uni da« Stelldichein in der Fliederlaube handelte, war außer Zweifel; desgleichen, daß jetzt die Chancen seines SobneS nicht schlechter geworden fein konnten. Tann wurde eS wieder still in der Stadt von dieser Angelegenheit. Man klatscktc von Anderen und über Andere. So vergingen drei Monate. Fräulein Bertha war auS Thüringen, wohin sie sick in der That mit ihrem Vormunde begeben batte, noch immer nicht wieder zurückgekebrt. Herr Doctor Süchcl hatte mittlerweile auch die Stadt verlaßen, nachdem er sick ausfallendcrwcise schon lange von allen Ver gnügungen fern gehalten. Vier Wochen später gab cS eine große Neuigkeit. Dian redete beinahe acht Tage davon. Der Eommerzienratb behauptete zwar in der Ressource, von dieser Neuigkeit gar nickt überrascht zu sein, für alle Andern aber war eS eine Uebcrraschung: Die Firma Sückcl Söbne hatte nämlich ihre Zahlungen eingestellt. DaS war so um die Zeit, a>S Georg Knickebein von Wiesbaden wieder nach Hause kam, wo er sick längere Zeit ausgehalten hatte. Er batte dort — ob eS Zufall war oder ob er orientirt war, läßt sich nickt sagen — Tilli BackbauS in einer ähnlichen Stellung wicdcrgestintc» und seine Neigung für daS schöne Mädchen halte dort einen solchen Grad erreicht, daß er jetzt ganz unumwunden mit seinem Vater sprechen wollte. DaS tbat er den» auch eines Tages. , „Du willst also allen Ernstes die ehemalige Gesellschafterin von Knocken'S zu Deiner Frau machen?" „Ick bin fest dazu entschlossen, fall» sie mich selbst nicht abweisrn würde, sogar ans die Gefahr bin, Dein Mißfallen zu erregen." „So. daS bat also die Schlange eben in der kurzen Zeit scrtiggebrackt: Du hast wobl sckon reckt süße Augenblicke mit ibr verlebt, daß Du so begeistert von ihr sprichst?" „Ich möchte Dick zum Mindesten bitten, von meiner AuSerwähltcn in nickt so verächtlichem Tone zu reden. Ich liebe Tilli und werde keine Andere beirathen." „Du liebst Tilli, das glaube ich sckon. Und Tilli wird Dick auch wohl wiederlieben, daS glaube ich ebenfalls. Es sragt sick nnr, ob Tu der Erste bist, den sic geliebt hat; cS fragt sich nur, ob sie, ganz abgesehen von ihren Verhältnisse» und ihrer Stellung, verdient, von Dir geliebt zu werden, so weit man dabei etwa an eine Heiratb denkt." „Was beißt da«, Papa?' Du trittst ein Mädchen in den Staub, nur weil ick das Unglück habe, eS gegen Deinen Wille» bciratbcn zu wollen. Du kannst Dein Veto einlege», aber Du kannst tie nicht in meinen Augen als unwürdig binstrllcn." „Und wenn ick da» doch könnte?" „Bedenke. Papa, WaS Du sagst!" „Da- will ich. mein Sobn. Ick denke nämlick. daß cs nicht Deine Absicht sein kann, ein Mädchen, daß Dein Freund Arthur abaeküßr bat »nd mit dem er heimliche Zusammen künste gehabt, mit einem Worte, die Geliebte Deine« Freundes Arthur, zu Deiner Gattin zu machen" ,Da« ist eine schändliche Verleumdung!" „Nicht so hitzig, mein Sohn; ick weiß ganz genau, Wa ich sage und nehme kein Wörtchen zurück: die Geliebte Deines Freunde« Arthur." Er berichtete hierauf seinem Sobne, der seinen Vater mit weitgeöffnetkn Augen starr ansah, waS er damals unbeab sichtigt belauscht balle „Ich danke Dir, Pava", sagte Georg tonlo». „Und ich darf Aribur selbst danach frage» ?" fügte er binzu. „Gewiß, wenn Tu mir nicht glaubst." * » ES mögen ungefähr zwei Jahre nach dieser kleinen Familienscenc verstricken sein, da fand in der Stadt ein glänzendes HochzeitSsest statt. Die beiden Erbe» der reicksten Familie» Halle» sich glücklich gesunden »nt gelobten sich vor dem Altäre ewige Treue. Der Herzenswunsch deS Eonimcrzienralhe« hatte sich erfüllt trotz aller der Hinder niffe, die demselben in den Weg getreten waren: da« -lnochcn'sche und Knickebein sche Vermögcu hatte sich vereinigt. Ob der tugendstolzc Herr Ratb, wenn er gewußt hätte, daß auch die gute Bertha von dem bösen Arthur bereit« ab- gcküßt worden war wie die schöne Tilli, wobt tie Heiratb verhindert hätte? „Sonderlich verliebt scheint er in seine junge Frau nickt zu sein", murmelte cm naseweise« Mädchen in der Menge, die sich vor der Kirchentbür angesammelt hatte, um den HockzcitSstaat anzustaunrn „So glücklich, wie sie eigentlich sein müßte, sicht sie nickt auS", meinte eine Andere. „DaS macht sich spater ganz von selbst", fügte eine alte Frau binzu. Und die Frauen haben immer recht, besonder» aber die älteren. Ungefähr nock ein halbe» Iabr später machte die Ver lobung von Di Artbur Süchcl und Fräulein Tilli BackbauS in der Stadt von sich reden. Jedoch wunderte man sick nickt zu sebr darüber: cS sollte eine alte Liebe von ibm sein, faate» die Leute. Ja, Arthur batte feine ganze gesellschaft liche Liebenswürdigkeit, seine, wenn auch etwas defect ge wordenen Familienconnexionen und seine Chemie zusammen- geraffl, und sich damit eine leidliche Lebensstellung erworben, welche er sich nun auch durch eine schöne Frau versüßen wollte Alle Liebe rostet also doch nicht immer, und da» Unglück — e« leben die Gemeinplätze — bringt die Menschen zur Erkennlniß ihrer selbst. Wortlllaim's Feritlireiscu. „Die Bächlein von den Bergen springen, Die Lerchen jubeln bock vor Lust, Wie sollt ich nicht mit ihnen fingen, An- voller Kehl und frischer Brust?" Zinn achten Mal« ergeht der Nus de- Führer- der Wortmann' scheu Feriencolonie» an die Schüler »»lerer höheren Schulen zur srischsrvbllchen Fahrt in die Berge de- schonen LachienlandeS. Das Unternehmen bedarf keiner besondere» Empfehlung; die von Iabr zu Jahr sich steigernde Zahl der Theilnebmer spricht für seine Be- liebiheit. Und wahrlich, wir wustlen »ns kein idealere- Ferienleben eines Schüler- z» denken, als dort im herrlichen Jugelthale, wo die wanderlustige Schaar den nie endenden Wald weit »nd breit be herrscht. Frühnwraens ivenn die Hähne krähen, erklingt auch des Führers: ..Erhebt Euch von der Erde, Ibr Schicker aus der Ruh! Dann geht- hurtig an« Stiefelwichsen und Sletderrciniqen, den» daS ganze Leben athmet inllitairiiche Diseiplli, und Ordnung. Wenn doch Baler und Mutter den oft elwas verwöhnten, grostsiädtischen Jungen einmal sehen könnten, wie er dort mit ackgekreinpten Hemdsärmeln stehend die Bürste und die Klopsveilsche schwingt, „hier tritt kein anderer für ihn ein. ans sich selber steht er so ganz allein!" Dann wird Kopf und Brust i» daS krifftallhelle Berg wasser gesteckt und wie neugeboren die Milch oder der Mocca bei noch warmen, knusperige» Semmeln mit deliciöser Landbulter vcr- tilgt. Ein kurzes Morgengebet vereinigt die Schüler. — dann sieht Alles, ein Sträußchen am Hute, den Stab in der Hand, vor seinen» Garderobeplatze. Scharfe Musterung wird hier gehalten, denn nur peinlichste Reinlichkeit und muslerdasleslc Ordnung vermögen das Zu sanlinenleben für alle Theiie angenehm zu gestalten. Dann gehis hinaus in Gottes schöne Welt. „Ans. Ihr Brüder, lasst »nS wallen in den lieben freien Wald!" erklingt- aus vollen Kehlen und i»i strammen Tritt und Schritt ziehen sie dahin, die wanderlustigen Mannen aiisdie sonnenumsloffenkn Hohen. HochvomBeraesenden sieden Morgen- grüß ins liebliche Thai, und da» „O Thäler weit, o Höhen I v schöner, grüner Wald" erlernt bald jeder Torsbube von den Leipziger Gymnasiasten. Zwanglos schweist nun die Schaar in den Wälder» umher. Die Signalvfeis« des Führers ruft sie von Zeit z» Zeit zusammen, sie hindert aber keinen Botaniker, reichste Beute cinzu- heimsrn. Nach mehrstündiger Wanderung lagert sich die Schaar aus ihren PlaidS am mild daliinichießende» Gebirgsbache, durch den mit Blitzesschnelle die liebliche Forelle dabinschiesst. Wie schmeckt Mutter Themet'L Frühstück so vortrefflich, wie labt die durstige Kehle der kühle Trunk, Nach einslnndiger Rübe ziehen sie weiter durch Städte und Dörfer, überall gern gesehen. Was die Schüler aus diesen Streiszügen erlernt und erlebt, erzähl! Iren »nd wahr das Tage buch. ein Dietat des Führers. Zum Mittagessen zieht die Colonie mit Sang und Klang ins Standquartier ei», die Kleider werden gewechselt, der stnnbrelche Leib gewaschen nnd husch aehtS hinunter in die Küche zur Tochter de- Hauses mit der leisen Anfrage: „Was aiebt« heute zu essen? Ist es bald sertig?" Ja, bald dainpsen die Schüsseln aus schneciatem Leinen und nach gesprochenem Tischgebet gehl« wie zurAttacke los. Dock dieSeeundaner »nd Primaner überwachen mit prüfendem Auge die fest zugreiienden Schüler, damit gute Sitte »nd Anstand nicht verletzt und kein Bescheidener z» kurz kommt. Hieraus zivei Stunden Ruhe. Der Bibliothekar überreicht am Vnnich Lectüre nnd aus den Plaids hingestreckt hatten die müden Wanderer aus grüner Wiele süße Siesta. Zum Kaffee ist Alle» wieder im Speijesaale veriammelt, dem bei gutem Weller ei» Fußbad im rauschenden Jugelbach folgt. Das „Anf zum Spiel!" wird durch einen Jubelruf der beivegnngslusiiaen Junge» erwidert, und gar bald saust aus grünem Plane der Ball zum blauen Aelher emvor und feurigste Lust und Freude lachen auS jedem Auge. Wahrlich, das Turnspiel. noch dazu in der herrlichen Gebirg-lust betriebe», ist und bleibt für alle Zeiten ein nie versiegender Quell heiterer Iuaendfrende», von dein die Jungen immer und immer wieder in vollen Zügen gern nnd osl kosten. Erst des Abend- Kühle treibt die Schüler zum Abendbrod in den Lveisesaal zurück. Die Ereig- niffe de- Tages würze» das Mahl, nickt minder heilere Ziehen von Jung und All. Tie Liederbücher werben zur Hand genommen, und unterBcglellungeines Pianino-, da» allerdings nur ein Kunstkenner zu spielen vermag, erklinge» srohlicbe Wanderlieder durch de» Saal in den Frieden und die Stille des Thales, Musikalische Borträge weckleln mit de» Liedern, dis gegen 9 Uhr das Abendgebet den Lag beschließt. So geht» Tag aus, Tag ein. In Wahrheit ist das Wvlliiiann'ich« Unternehme» so recht geeignet, unseren blasse», geistig oft sehr überarbeiteten, großstädlffcheu Jungen ,«ne Frische des Geiste- und Körpers, jene stille Heiterkeit des GemüIheS zu verleihe», die Schule und Leben zur Heranbildung eine- lrajiigen Geschlechts zu fordern berechtigt sind. Zlerblichktils- nnd Kesundlititsverhältnilse. * Gemäß den Veröffentlichungen de- kaiserlichen Gesund heitsamtes sind in der Zeit vom 1. bis 7. Juni er von je 1000 Einwohner», aus das Jahr berechnet, als gestorben acmeldct: in Berlin 2.1,5, in Breslau 27,3, in Königsberg 36,6, in Köln 26,1, in Franliurl a M. Ist,6, in Wiesbaden 16,4, in Hannover 14.7, in Cassel 20,2, l» Magdeburg 25.4, in Stettin 28Z, in Altona 13,3, in Straßburg 26,2, in Metz ?, in München 31,1, ln Nürnberg 26,4, in Augsburg 23,0, in Dresden 25,8, in Leipzig 19,0, in Sluttgart 17,6, in Karlsruhe 19,1, in Braunschweig 19,6, in Hamburg 13,7, in Wien 25,0, in Pest 34,8, in Prag 27,0, in Triest 24,7, in Krakau 39H, in Amsterdam 19,7, in Brüssel 20,5, i» Paris 21,5, in London 16,4, in Glasgow 27,3, i» Liverpool 19,5, in Dublin 21,4, in Edinburg 16,9, ln Kopenhagen 22H, in Stockholm 20,2, in Ehrisriania ?, in Petersburg 28,9, in Warschau 22,0, in Odessa 37,1, in Rom ?, in Venedig 21,3, in Turin 23,3, in Alerandria 38,7. — Ferner in der Zeit vom 11. bi- 17. Mai er. in Ncw-Pork 22,8, in Philadelphia 18,4, in Baltimore 20,4, in Ealcntta 40,4, in Bombay 19,4, in Madras 45,4. Die Geiundkeitsverbättnisse der meisten europäischen Großstädte blieben in der Berichl-wochr günstige, wenngleich au« einer größere» Anzahl von Orten elwaS höhere «lerblichkeit-zahlrn als aus der Vorwoche gemeldet wurden. Sehr gering, »och nicht 15,0 per Mille und Jahr, war die Sterblichkeit in M ^ÜIaddack und Hannover. Günstig (bis 20,0 per Mille und Iabr) war die Stcrblickkeit in Wie-baden, Hamburg, Altona, Creseld, Düsseldorf, Elberfeld, Leipzig, Brannickweig. Bremen, Sinttgnrt, Karlsnide, London, Liverpool, Edinburg, Aiiisierdam: auch in Breme», Ecksei, Darmstadt, Kopenhagen, Brüffel, Pari-, Dublin, Warschau, Stockholm, Venedig u a. blieb die Sterblichkeit eine mäßig Hobe »etwas über 20,0 per Mille'. In Eisen. Kiel. Königsberg, 2übkck und Charlotlenburg stieg die Sterblichkeit über 35,0 per Mille. — Unter den Todes ursache» sind zunächst Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder an vielen Orten »och hänffg ausgetreten und haben zahlreiche Sterdesalle hervoraerusen, wie in Berti», München, Köln, Königsberg, Danzig, Magdeburg, Nürnberg, Mannheim, Pest, Paris, Petersburg, Ldejja u, a. Tie Theilnahme des Säuglings atters an der Sterblichkeit war im Allgemeinen eine größere als in der Borwochc. Bo» >e 10000 Lebende» starben, aus« Jahr de- rechnet, in Berlin 99, in München 141, in Leipzig 54 Säuglinge. —- Acute Entzündungen der Athmu „gs orga»e haben im Allgemeine» weniger Todessälle veranlaßt. — Unter den Jnsectioas- krankheiten wurden Slerbesälle an Maser», Scharlach und Keuch husten vielfach in größerer, a» Unterleibstyphus, Diphtherie und Pocken in geringerer Zahl geineldel. So wurden Todesfälle an Masern aus Berlin, Lübeck, Königsberg, Paris, London, Liver- Pool, Petersburg und Kopenhagen zahlreicher, au« Dresden, Ham burg, Allona seltener, aus Wien in gleich hoher Zahl wie in der Borwoche mitgelheilt. Erkrankungen kamen au» Berlin, Hamburg, dem Regierungsbezirk Schleswig, ferner au- Wie», Pest, Edinburg, Kopenhagen, Petersburg noch immer in großer Zahl zur Anzeige, wenn auch i» vielen Orten, wie in Berlin, Wie», Pest, Peters- bürg u. a., di« Zahl der neue» Erkrankungen etwas kleiner geworden ist. — Dem ^charlachsieber erlagen in Berlin, Königsberg, Nürnberg, Paris, Liverpool, Warschau, Stockholm etwas mehr, nur in London und Petersburg etwas weniger Opfer. Erkrankungen haben in Berlin und Hamburg abgenomnie», während sie an Wien, Kopenhagen, Stockholm und Petersburg zunahmen. — Tie Sterblichkeit an Diphtherie und Eroup war in vielen Orten, wie in Berlin, Hamburg, Altona, Hannover, Frank furt a M., Stettin, München, Dresden, Wie», Pest, Paris, London, Petersburg, Kopenhagen, eine geringere oder nur wenig im Vergleich zur Vorwoche veränderte, dagegen i» Breslau, Kiel, Magdeburg, Leipzig, Braniijchlveia, Lyon eine gesteigerte, Erkrankungen haben in Berlin, Breslau, Wien, Pest, Kopenhagen zugeiionlnien, während sie in Hamburg, Nürnberg, dem Reg. Bez. Schleswig und in Peler»b»rg seltener wurden. — TerUnterleibSlyphus führte in Paris und London etwas öfter, in Petersburg elwas seltener »um Tode. Erkrankungen kanien säst aller Orte» in beschrankter Zahl zum Vorschein. — An Flecktyphus wurde» aus Krakau, London »nd Peter-bura je 1 Todesfall, aus Petersburg auch 3 Erkrankungen, a» Rücksallsfieber aus Petersburg öTodcssälle und eine grötzere Zahl von Erkrankungen mitgelheilt. Au« Nürnberg werden 1, aus Kopenhagen 2 Erkrankungen an Genickstarre berichtet. — Ter Keuchhusten forderte in den Vororten Wien», in Paris, Peters burg etwas mehr, in Berlin, London und Liverpool etwa- weniger Opfer. Erkrankungen waren in Wien, Kopenhagen, Stockholm mast selten. — Vereinzelte Todesfälle a» Pocke» käme» auS de» Vor orten Wiens, aus Prag, Pari-, Lyon, mehrlache ans Petersburg (B, au« Venedig (3), aus Warschau (11) zur Anzeige Erkrankungen wurde» aus den Reg -Bezirken Schleswig und Aachen 1 brzw, 10» ans Wien 4, aus Pest 2, aus Petersburg 6 gemeldet. vermischtes. — Meiningen, l7. Juni. Der vom Herzog genehmigte Beschluß der kieggen Stadtdcbörten, einer Straße de» Namen „Bisniarcksl rage" beiziilegen, ist vom Oberbürgermeister Schüler dein Fürste» Bismarck mitgctbcilt worden, »vorauf folgende Antwort ergangen ist: „Friedrichsrnh, den 29 Mai l3l«0. Durch den in Ihrem ge neigten Schreibe» vom 23 Mai milgethcilten Beschluß der Stavi- behürdeii, einer Straße der Residenzstadt meinen Namen beizulegen, fühle ich mich hochgeehrt, und bitte Sie, meine» verbindlichsten Dank riilgcgtnznnehintn nnd den Herren vom Magistrat nnd Gemeinderath übermitteln z» wollen. v Bismarck." ---- Hannover, 18. Juni. Die 75. Wietcrkebr deS SiegeStageö von Waterloo und Belle Alliance wurde beute bier durch eine Feier am Fuße der Waterloo Säule festlich begangen. Die vereinigten Männerckörc sangen patriotische Lieder, der Miliiair Obcrpsarrer Rocboll hielt eine Gedäcktnißrede. Trotz de» nn,günstigen Witterung wovnte der Frier eine sebr zahlreiche Menschenmenge bei. Die Stadt trägt reichen Flaggknsckiiiuck. AbenkS findet ein Fest coiittncrö statt. — Hann au, >6. Inni. Der Geb Regierung- und Scbulrath Bock aus Liegnitz revidirtc am Freitag im Beisein eine- köbercn japanischen Beamte», welcher die deutschen Schulverbältnisse kennen lernen will, die Landschulen zn Steudwitz und Pautbcnau hiesige» Kreise« und heute die Scbwabr-Pritsemntb Stiftung zu Goldberg. -—Athen, 18. Juni Der König wird morgen auf dem Panzerfahrzeug „Spbaetcria" die Reise nach Aix-leS- BainS über Brindisi oder Marseille anlreten. kür Äie selir vortkeilliLltö tu llvvvstsll Husten», lotvdtv, Lvvd billlev Lrdstteo, ok: Decks», Stoff- mul I-vtosoeUvkorviso, Lillüerardskso, SedirmtliUIvn, riaiä- IIUSIUkN UVITVN düllvii. «sl8vllvov88Ltrs8 vtv io grösster stosvall. OHO ?6t6?88t?L8S6 13.
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