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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920704026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892070402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892070402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-04
- Monat1892-07
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Juli. „Unser Wunsch gipfelt darin, das deutsche Reich und dessen Hauptstadt in einer Veranstaltung von so hoher Cultur- bcdeutung nicht durch rivalisircnde Bestrebungen in anderen Ländern verdrängt, vielmehr rechtzeitig verbürgt zu sehen, daß Deutschlands Anspruch aus eine Weltausstellung innerhalb dieses Jahrhunderts unwiderruflich festgestellt werde" — so lautete der Schlußsatz deü Schreibens, welches das Präsidium dcS Vereins Berliner Kaufleute unterm 7. Juni an den Reichskanzler Grafen Caprivi gerichtet hat. Schneller, als man es geglaubt, treten jene „rivalisirenben Bestrebungen" zu Tage, hier in Paris, wo heute sehr vernehmlich ein Lockruf zu einer in Paris im Jahre 1900 zu veranstaltende» Welt ausstellung ertönt. Vom Abgeordnete» Francois Telouclc geht er auS, und schon in diesen Tagen will derselbe eine tahingehende Proposition in der Kammer zur Sprache brin gen, laut welcher Frankreich, seinen Ucberlieferniigcn folgend, aller elf Jahre — 1855, 1867, 1878, 1889 — die Völker der Erde zu einem friedlichen Wettkampfe cingeladcn hat; der Antragsteller bittet die Kammer, „möglichst einstimmig, in Hinsicht ans den friedlichen Patriotismus und den nationalen Ruhm, den Beschluß zu fassen, die Regierung aufznsordcrn, die Vorkehrungen zu einer 1900 in Paris abzuhaltenben Welt ausstellung zu treffen." Wie wir gleich erwähnen wollen, stehen die einzelnen Parteien der Kammer und auch die Regierungskreise dem Plane sehr sympathisch gegenüber, des gleichen die breite» Volksschichten und nicht zuletzt die Zei tungen, die theilweise schon jetzt als „Nufer im Streite" auf- tretcn. Denn ein Streit wird sich entspinnen oder hat sich bereits entspanne», mit Feder und Tinte geführt, da die sür das Berliner Project eingetretenen deutschen Zeitungen sich nicht gutwillig die „Butter vom Brode" nehmen lasten und die französischen Blätter wiederum nicht die Antworten schuldig bleiben werden. Dabei ist Eins zu beachten, daß die Aus führungen der hiesigen Journale an den leitenden Stellen eine ganz andere Beachtung finden, als in Deutschland, uud daß ihr Echo im Publicum ein viel stärkeres ist. ganz be sonders aber in dieser Frage, wo Tausende «nd Abertausende noch den Goldklang der Ausstellung von 1889 im Ohre haben. Die Pariser Weltausstellung von 1900 wäre schon jetzt, ohne Interpellation in der Kammer und ohne Anfrage bei der Regierung, eine beschlossene Sache, wenn nicht — Deutsch land ini Wege stände. Viele kehren sich allerdings auch daran sehr wenig: „Es ist ja nicht daö Geringste bisher fest beschlossen worden", sagte zu dem Schreiber dieses ein be kannter Dcputirtcr; „kein Jahr ist festgesetzt, keine Regierung benachrichtigt worden, Herr von Caprivi hat sich lau, ja direct abteknend gegen die Berliner Pläne verhalten, viele Ihrer Großindustriellen sind gleichfalls dagegen — wir haben keinerlei ernstliche» Grund, auf Berlin Rücklicht zu nehmen!" Neben diese» Gründen steifen sich die diesigen Verfechter der neuen Ausstellung noch ans die „Tradito» der elf Jahre", allerdings ein recht hinfälliger Vorwand, der selbst von den französischen Negierungskreisen als wenig stichhaltig vor der Meinung der fremden Staaten an gesehen werden dürste; der eigentliche Hindernißgrund könnte nur darin bestehen, daß der deutsche Botschafter in Paris hier eine officielle Erklärung abgegeben, der Art, daß im Jahre 1900 eine Weltausstellung in Berlin stattsindcn würde. Klarheit darüber dürsten die Verhandlungen in der Kammer bringen, deren cndiltige Beschlüsse abzuwarten sind, ehe die Frage der beiden Anöstellungcn zu einer „brennenden" wird. Das ist aber jetzt schon sicher: beschließt Frankreich tbatsäch- lich jene Weltausstellung von 1900, so darf Deutschland getrost von einem ähnlichen Project im genannten oder auch in einem der vorhergehenden Jahre absehen, denn die An ziehungskraft von Paris und die Nachwirkungen dcö großen, unbestrittenen Erfolges der letzten diesigen Ausstellung sind zu starke, als daß man dagegen ankämpscn könnte. Muß cs aber gerade eine Weltausstellung in Berlin sein, deren Ausfall vielleicht dock ein zweifelhafter wäre und die so wie so Gegner im eigenen AuSstcUuiizslagcr hat? Könnte man sich nickt begnügen mit einer Ausstellung der Mächte dcS Dreibundes, denen sich vielleicht andere befreundete Staaten, wie England, Holland, Schweden n. s. w., ansckließcn würden, und wäre nicht das Jahr 1897 mit dem ErössnmigStcrmin dcS 22. März, des hundertsten Geburtstages Kaiser Wilhelm s, ein sebr ge eigneter? Mit derartigen Veranstaltungen wäre beiden Staaten geholfen, und nicht nur ihnen allein, auch den übrigen Ländern wäre eine solche „Theilung" gewiß erwünscht. (Ten vorstehenden Ausführungen unseres Pariser Herrn Berichterstatters fügen wir die Miltheilung an, daß nach einer Meldung der „Köln. Zeitung" angesicktS der plötzlichen Sinnesänderung der französischen Regierung in der Welt- anSstellnngSsrage der Reichskanzler Graf Caprivi sich ent schlossen bat, die verbündeten Negierungen um amt liche Stellnngnahnie zu dieser Frage zu bitte». D. Red.) politische Togesschliu. * Leipzig, 4. Juli. Ten „Münchener Neuest. Nachr." wird aus Kissingeu gemeldet: Fürst Bismarck wird demnächst in den „Hamburger Nach richten" auf die Ausführungen der „Norddeutschen Allge meinen Zeitung" antworten. Der Fürst ist insbesondere über den Vorwurf des Mangels an Vaterlandsliebe ent rüstet; war letztere doch allein der Grund seiner'Acnsierungen. Men» man ihm deshalb den Proceß machen wolle, so sehe er Allein ruhig entgegen." Wenn der Fürst wirklich eine solche Absicht hat, so hat er die „Hamb. Nachr." noch nicht von derselben unterrichtet, denn dieses Blatt erklärt heute: „In der Presse wird vielsack Befremden darüber geäußert, daß wlr die Angriffe ignorirt habet!» die die „Nordd. AUgcm. Zeit »na" gegen den Füritcn Bismarck gerichtet hat. Wir müssen die Zuuiuihnng ablehnen, Artikel, die der angeslcllle Redacteür des Freiherrn von Ohlendorfs zu publiciren sür gut besiudet, durch unser Blatt weiter zu verbreiten. Tie „Frankfurter Zeitung" behauptet, Gras von Caprivi habe den einen davon selbst geschrieben. Activen Ministern die Verantwortlichkeit sür diese Publikationen des Herrn Pindtcr auszubürde», erscheint wenig schmeichelhaft für dieselben; ihre Kenntniß der wirklichen Ver hältnisse ivird sie vor der Urheberschaft solcher Veröffentlichungen bewahrt habe». Von Herrn Pindtcr aber finde» wir es lächerlich, wenn er seine» früheren Herr» belehre» ivill »nd ihm droht, er werde alles Mögliche erlebe», wen» er sich nicht bessere." Wir hoffe» indeß, daß das Münchener Blatt im Jrrlbttine sich besiudet, daß die Erklärung der „Hamb. Nachr." ans eine Mittheilnng des Fürsten sich gründet und daß dieser die Zuilluthling ablclmt, gegen die „Nordd. Allgcni. Zeitung" zu polemisircii. Fürst BiSmarck weiß recht wohl, daß er seinen Nach folger auf das Tiefste beleidige» würde, wenn er ihn für die bczüg iichcn Artikel der „Nordd. Allg. Ztg" verantwortlich machen wollte; er weiß, daß dann Graf Caprivi zu scharfe» Ent gegnungen gezwungen werden würde, die wahrscheinlich im Inlaute einen neuen Sturm entfesseln und jedcnsallS im AnSlandc de» übelste» Eindruck machen würde». Und eine solcke Wirkung kann Fürst Bismarck nicht beabsichtigen, nachte», er soeben erst die übelsten Erfahrungen gemacht hat. Wir sind jedenfalls die Letzten, die dem Mit begründer dcS denlsche» Reiches daö Recht der freien Mei»uli>zSäußcru»g schmälern möchten, daö jedem social- demokratischen Schreier eiiigcräuiiit ist; aber wir würden es für tief unter der Würde des Altreichskanzlers und sür eine schwere Beeinträchtigung seines Weltruhmes halten, wenn er mit seinem früheren Lcibblatte sich berumschlagen und denselben Fehler begehen wollte, den seine Gegner begehen, indem sie ilm verantwortlich machen sür jedes Wort, daS seine angeb liche» Freunde zu Ncclamczweckcn oder auS »och unlanlerercn Gründe» ihm unterlegen. Die Polemik der vati ca irischen Presse gegen das deutsche Cenlrnm wird immer erbitterter, wie folgende, dem „Bcrl. Tagebl." aus Rom vom 9. d. zugegangene Depesche beweist: „Ter „Moniteur de Rome" nennt heule die „Kölnische Volks- zeitung" eine freche Verleumderin, welche die Politik des PapsteS in falsches Licht rücken und den deuticken Michel betrügen wolle. Tic Hintermänner der „Kölnischen Vvlkszeitiiiig" bezwecke» einzig und allein, die Politik des Papstes zu tödien. Ties aber sei gerade die beste Cmvsehlung für diese Politik. I» vatikanische» Kreisen glaubt man, Herr v. Schlüzer, der deutsche Gesandte bei der Curie, welcher seines hohen Atlers wegen seine Entlassung eingcrcicht, werde nicht so bald ersetzt werden. Das Verhältnis! des Vatikans zu Deutschland scheint wieder gespannt." ES würde i»,S bei dieser Lage der Dinge nicht wunder», wenn die „Kreiizzeiluiig" und ihre Gesinnungsgenossen dein Centn»» Loblieder sängen, cS als feste Stütze der DrcibuntS- politik priesen mid dem Grase» Caprivi und der preußischen Regierung ein möglichst weites Ciitgegenkommc» gegen die Ceutrumswünsche empfähle», um diese Stütze nicht zu vcr lieren. Achnliche Experimente sind ja auch bereits gemacht worden. Der Erfolg hat indeß gelehrt, daß cö ein ebenso thörichtcS Beginnen ist, daS Centrum gegen den Papst auS- zuspielen, wie »mgckchrt. Es würde also eine der iliibegreif- lichstcn Unbegreiflichkeiten sein, womit der neue CurS mit Hilfe des CeiilrinnS die vatikanische, gegen den Dreibund gerichtete Politik zu bekämpfen suchen wollte. I» Wien beherrscht die parlamentarische Krisis vollständig die Lage. Die Audienz des Grasen Taasse am Sonnabend beim Kaiser und der darauf abgchaltene Minister- rath babcn die Entscheidniig noch nicht gebracht. Am Sonn tag sollte abermals ei» Minifterrath staltfindcn. Es heißt, Graf Taasse sei zu einer „friedlichen Verständigung" mit der Linken bereit und aus diesem Grunde hie Beilegung der Krisis wahrscheinlich. Die sachlichen Zugeständnisse Taasfc'S an die Linke dürste» allerdings „nicht sofort", sondern erst nach Schluß des ReichSrathcS verwirklicht werden, lieber den Stand der Angelegenheit liegt folgendes Telegramm von heute a»S Wien vor: „Tie Führer der deuisch-liheralen Partei, Plener, Chliimetzki, vr. Heilsberg, sowie der Minister Khüenb urg, welche gestern mit dem Grasen Taasse über das Verhältnis! der Partei zum Ministerin»» eine längere Conserenz hatte», erhielten von dem Letzteren die bündige Erklärung, dag er cs lebhaft bedauere, Laß einzelne Gcschchnisje in der letzte» Zeit die Partei verstimmt habe»; er werde sich aber bemühen, soweit als möglich, Miß verständnisse auszukiäre» und begründete» Bejchwerdc» thnnlichst Ab- lulse zu verschösse». Tie Zusicherung machte aus die deuljch-libcraleu Führer eine» ruckhaltigcu Eindruck: sie erklärte», ihre Partei sei von dem gleichen Verlange» crsüllt uud setze i» die gute» Absichten des Grase» Taasse volles Vertraue» (?). Pente und mvrgcn werden die Eonscreuzen über die einzelne» Beickwerdevunclc fortgesetzt uud wird die Diskussion wohl sicher eine völlige Klärung und auch die Wiederherstellung eines völligen Einvcriichmens zwischen Gcsamml- miuisteriui» und der Linken bringen." Während in ganz Italien die hohe Befriedigung über die dem italienischen Königspaare in Deutschland bereitete Aufnahme fortgesetzt neuen Ausdruck erhält und im An schluß daran die öffentliche Meinung ihr treues Festhalten an dem Dreibünde knndgiebt, bereitet die sogenannte „fr a n c o - i t a l i e ii i s ch e Liga" sür den nächsten Monat große feindselige Knndgcblitigei, gegen die Triple- Allianz vor, an welchen auch mehrere radikale und irredentistische italienische Depntirte Theil nehmen werden. ES sind zmiächst in Toulon, dann in Marseille, Aix-le-BainS und Brignolles große Verbrüderungö-MeelinaS geplant, welche von den französischen Dcputirten Miller and, Clovis HuqueS, Hubbard und Anderen geleitet werden sollen und bei denen auch der ehemalige Minister Goblct zu erscheinen beabsichtigt. Einer an sie ergangenen Eutladniig Folge gebend, werden ita lienische Depntirte der radikalen Partei, Cavalotti an der Spitze, diesen Versammlungen beiwohne», und eS heißt, daß Cavalotti bei dieser Gelegenheit eine große Rede halten soll, in welcher er den Standpunct seiner Partei gegenüber dem Dreibünde darlegcn wird. Daß Herr Jmbriani bei dem Spektakel nicht fehlen wird, läßt sich denken; die Welt kann sick daher ans eine neue Rhapsodie merkwürdigster Art gefaßt machen. In reu politischen Kreisen Rom« belächelt inan diesen neue» nngefährlichcn Kreuzung der Radi kalen. ES ist ein überaus eigcnthümlicheS Beainnen, gerade jetzt französisch - italienische VcrbrüderuiigSfcste zu veranstalten, wo die täglichen haßerfüllten Kund gebungen der sranzösischei, Presse gegen Italien gewiß nicht dazu angetha» sind, die ohnedies sehr mäßigen Synipalbien der Italiener für Frankreich besonders zu er höbe». Es hieße den erwähnte» Condentikelii zu viel Ehre erweisen, wenn man nnlcr den gegenwärtigen Umständen erst betonen wollte, daß dieselben an der im gesammlen italienischen Volke betreffs dcS Dreibundes herrschenden Ucberzcugung nicht das Geringste ändern werden. Man muß nur darüber staunen, daß die wenigen vom ParteifanatismuS nicht ganz verblendeten Politiker unter den italienischen Nadi- calcii die Werthlosigkcit und Erfolglosigkeit der besprochenen Veranstaltungen nicht erkennen. In Großbritannien haben die allgemeinen Wahlen zu», Unterhaus«: heute begönne». In den Städten und Flecke» siiitcii die Wahlen vom 4. bis zum 8. Juli, in den Grasschafte» vom 5. bis zum 18. Juli als äußerstem Termin statt. Wie telegraphisch gemeldet, ist allerdings schon vor dem l. Juli eine Aiizahl von Parlamenlöwahlcii vollzogen worden und zwar ist das geschehen in solchen Wahlkreisen, wo »nr ei» Candidat ausgestellt war und mündlich abgestimiut werden konnte. Wo Gegencanditalen aus gestellt sind, und daS ist die weit überwiegende Mehrheit der Kreise, da ist schriftliche Abstimmung (dailot) erforderlich »nd daS geschieht von heute ab in de» oben angegebenen Zcilfristeu. Beiiicrkcnswerth bei den englischen ParlamcntS- wablcn ist die Tbatsacke, daß im Gegensatz zu unserem dcntscken RcichStagSwablgcsctz die relative Mehrheit ent scheidet und der Wähler also nicht zum zweiten Male zur Stichwahl bemüht zu werden braucht. — Wir halten schon mitgetheilt, daß der bekannte Afrika- rciscnde Stanley auf den wunderlichen Einfall ge kommen ist, sich als Parlaments Candidat anfstellen zu lassen, daß ibiti aber von den Wählern, die nichts von ihm wissen wollen, sehr übel milgespielt wird. Eine Mittheilnng aus seinem eigenen Munde, die er in einer der letzten Versamm lungen des betreffenden Londoner Wahlbezirkes gab und womit er Eindruck hervorzubriiigcn hoffte, welche Absicht jedoch gründ lich fchlschlug, ist sür uns Deutsche von solchem Interesse, daß wir sic weiter verbreiten zu müsse» glauben. Stanley berief sick auf seine Reisen und Forschungen in Ccntalasrika und plauderte dabei in der Erregung Folgendes aus: „Wissen Sic, warum ich mit Mißachtung aller Opfer und meines eigenen Lebens so rasch vorgedrungen bin?" Man würde glaube», um Emin zu retten, da doch die Expedition seiner Rettung galt! Aber nein! Es war nur das Aushängeschild! „Ich drängte vorwärts und vorwärts, durch alle Gefahren", sagt Stanley, „um die Absichten der Deutschen auf Ceiitral-Afrika und das kostbare Seengebiet zu durchkreuzen, um für England zu rette», was zu retten war! Zch wußte, daß sich dort Fenilletsi,. Der Fehle seines Stammes. 3s Licht- und Schattenbilder von Wo ldcinar Urban. Nachdruck verbot«, (Fortsetzung.) Er sah noch immer zum Fenster hinunter. Ter Justizrath sah ihn scharf an und beobachtete ihn so auf merksam, daß er sogar vergaß, zu antworten. Plötzlich drehte sich Graf Coda rasch — wie angewidcrt — um und sagte noch einmal: Die Posten müssen bezahlt werden! Hören Sie? Sie sind bezahlt, Herr Graf! Ah — Gott sei Dank! Sie sind eine Perle von einem Jnstizrath, reichen Sie mir die Hand! Ich danke Ihnen, Sie nehmen mir eine Ccntncrlast vom Herzen. Lassen Sie die Centnerlast liegen, Herr Graf, wo sie lag. Wirsind noch nicht fertig. Mein Gott, was ist denn noch? Sie werden eS gleich hören! Zunächst bitte ich Sie, dieses Dokument hier zu unterschreiben. Ich habe die siebenunddiitißigtauscnd Mark aus eigenen Mitteln bezahlt und sic auf Maricndorf einschreibcn lassen. Auf Maricndorf? Ja! das heißt, ich habe eine Hypothek übernommen, die Ihre besten Freunde und Ihre StandeSgenoffen sich weigerten, zu übernehmen. Aber warum denn gerade auf Mariendorf? Konnten Sie sie nicht auf die Landsberger Forste eintragen lassen? Sic haben wohl vergessen, Herr Graf, daß Hirsch Söhne Ihnen untersagt haben, auch »nr einen Stamm in den Landsberger Forsten zu schlagen — wegen Gefährdung ihrer Hypothek. Oder auf die Schornthalrr Ziegelei? Di« steht, 'S ist Streik. Oder r. kaffen Sie eS gut feen, Herr Graf. Es gab kein Oder! W,rkl,ch nicht, Hzrr Jnstizrath? Durch««- nicht! Aber warum wollen Sie denn gerade Marieudorf entlasten? Weil ich mich dorthin zurückziehcn wollte. Lieber Gott, was wollen Sie denn in Mariendors machen? ES bewirthsckastcn! Auch der Justizrath lachte über diesen Einfall »nd Gras Coda fing an zu glauben, daß daS wirklich eine abenteuer liche Idee sei. Er wußte, daß der Justizrath ein sehr er fahrener Mann sei, der den gräflich Coda scheu Ideen schon manchmal den rechten CurS gegeben batte. Wenn auch er lachte, dann mußte die Sache wobt lächerlich sein. Sic sind ja kein Landwirth! Sie glauben wobl, ein Gut bewirthschaftct sich heutzutage von selbst? Wenn Sie Marien dorf gern baben, Herr Gras — dann gehen Sie nicht hi», um es zu bewirlhschaften, denn Sie würden cS vermnthlich verwirthschaften. Graf Coda seufzte. Tann unterschrieb er und reichte dem Justizrath de» Bogen zurück. Sie hatten mir noch mehr zu sagen, Herr Justizrath? Eigentlich wohl, Herr Graf, aber ich sehe eben zu meinem Schrecken, daß unsere Zeit eine sehr gemessene ist. Wir müssen nnS beeilen, Herr Graf. Beeile»? Wozu denn? Und Sie sind »och nicht in Toilette. Rufe» Sie doch ja gleick Ihren Kanimerdicner. Aber ich verstehe Sie gar nicht Haben Sie denn die Einladung vom Geheimrath MarinS nicht erhalten? Marius? alias Marcus! antwortete Graf Coda und machte wieder die bistoriscke Coda-visago. Tie Botschaft erhielt ich wohl, aber, Herr Justizrath, das werden Sie mir dock nicht zumntben? Ich iiiutbe Ihnen zu, Herr Graf, daß Sie mir meine Sachwasterschaft nicht sckwerer macken, als gerade »öthig. Herr Gcbeimralh Marius ist nickt nur Ihr größter Gläubiger, sondern auck Ihr geduldigster. Woher diese Geduld bei dem sonst gar nickt sehr geduldigen Manne kommt, will ich nicht erörtern, aber ick glaubte, daß Sic Ursacke hätte», mit der Frau Gebeimrätbin, die Ihnen von jeher sehr aufmerksam, sebr freundlich cntgegcngekonimcn ist, ei» wenig liebenswürdig zu sein. Ach du mein Gott! seufzte Graf Coda übcllaimisch. Ich würde nicht wünschen, daß Gehei,nrath MarinS ein mal in Bezug auf Sie sich so äußerte, als Sie das eben in Bezug ans ihn tbiin! Man muß gerecht sein in der Welt, Herr Gras. Kleiden Sie sich an! Es ist Hobe Zeit. Fräu lein Mimic MarinS, die ich vor »och nicht einer Stunde sprach, erwartet Sie. Ums Himmels willen, Herr Justizrath, Sie tragen sich doch nicht etwa mit Projectcn, die Ah — Sie habe» dock nicht etwa vergesse», was ich Ihnen vorhin sagte? Sie sind ei» vorzüglicher Justizrath, weiter aber Nickis! Ver standen? Herr Justizrath Markwaldt zuckte die Achseln. Die gräflich Ccda'sche Ehre scheint mir sehr viel zu schaffen zu machen! sagte er nach einer Pause. Kaum bat sie mir und auch Ihne» die Hoffnung auf einen gewissen CorpSgeist unter Ihren StandeSgenoffen zertrümmert, intci» sie angeblich Ihnen gebot. auS dem Heere zu sckcidc», will sie mir nun auch die Hoffnung vernichten, dort wieder zu finden, was wir wo anders verloren habe», nämlich den Credit. Ich würde an Ihrer Stelle, Herr Graf, eine so bös artige Ehre als meinen persönlichen Feind bctracktcn. Herr Justizrath Ob, haben Sie die Güte, mich anznhören, Herr Graf. Sie werden cS mir, einem gewöhnlichen Sterbliche», nickt als ei» Verbrechen anreckneii, wenn ich nicht begreife, wie so Ihre Ebre bei einem frcliiidsckastlicke» »nd liebens würdigen Besuch einer hockgebildeten und sebr reiche» Familie in Frage kommt. Ich würde diesen Besuch nach meinen praktischen Lebenserfabrungen in Jbrcr Lage sogar als willkommen und erwünscht bezeichnen. Denn wenn ich Sie auck soeben durch meine persönlichen Mittel aus einer Verlegenheit gerissen habe, so kann ich sür spätere etwaige Verlegenheiten fremder Hilfe nicht entbehren Ick weiß nickt, Herr Graf, wie Sic über eine gewisse Selbsthilfe im Leben denken, aber ich würde sie in Ihrer Lage sür höchst praktisch, vielleicht sogar für nothwendig halten. Was »icinen Sie? Ich meine, daß ja immerhin einmal der Fall eintreten könnte, daß Sie sich ohne mich behelfen müßten. Herr Justizratb Wo mein Rath Nickis Hilst, ist ineine Tätigkeit überflüssig. Aber begreifen Sie denn nicht, Herr Justizratb, ein getaufter Inte, der früher Marcus hieß und jetzt Geheimrath MariuS heißt! Ich begreife Alles, Herr Graf. Herr MarcuS hat mit seinem Glauben seinen Namen gewechselt, daS ist richtig. Sie werden nnscre Zeit gut genug versieben, Herr Graf, wen» ich sage, daß ihm eben diese Zeit den Wechsel sehr nahe gelegt bat. Und in der That war Herr MarcuS vor bei läufig zwanzig Jahre» ci» armer, hilfloser Jude, während Herr Gebeimrath MarinS jetzt ein gefeierter, mächtiger Finanzinanil ist. Mein Geschmack ist vielleicht nicht der beste, Herr Graf, aber ich zicbe doch eine solcke Carriöre, die auf wärts gebt, einer »mgekcbrte» vor. Aber selbst abgesehen von dieser Gcsckmackösache, sehe ich keinen Grund, der die Bcziclmnge» zwisckcn einem Grasen Coda und dem Geheim- rath Marius verhindert, wenn cs nicht etwa ein Gespenst, ein blutloses »nd schattenhaftes Phantom, oder eine platte Unvernunft ist. Graf Coda warf seine Cigarette in einen Winkel und starrte eine Weile nachdenklich vor sich hin, sagte aber Nichts. Ich weiß nicht, wie sich Ihre Zukunft gestalten wird, fuhr der Justizrath fort, aber ick weiß, daß Sie sich so wenig landläufige und so wenig verständliche Reserve» nicht leisten dürfen, daß Sic l»it dem Verstand von aller Welt rechnen »liisfen, Herr Graf, wenn Sic der entstehenden Schwierig keiten Herr werden wollen. Sie haben bisher vom Leben nur freundlicke Gesichter gesebe», vor dem Reichthum und der Jugend stiebt so matickc Sorge Geben Sie wobl Acht, Herr Graf, daß daS Leben Jbnen nicht auch andere Gesichter zeigt. Ich versickere Sie, cS sind reckt häßliche darunter. Mein Gott, wenn ich Ihnen einen Gefallen damit thun kann. Mir? Mir einen Gefallen? Sic vergessen wobl, Herr Graf, daß ich in Ihrem Interesse spreche, in Ihrem Interesse wünsche. Ja dock, mein Gott, sind Sie ein sckwerfälliger Pedant!. Kommen Sie! Sie haben doch hoffentlich Fräulein Minie meine Einpfcblnng gemacht? Wenige Minuten später rollte der Wagen des Grafen Adelmar Coda mit den beiden Herren ans dem Hosthor hinaus. (Forts/tzung folgt.)
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