Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189405132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18940513
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18940513
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-13
- Monat1894-05
- Jahr1894
-
-
-
3554
-
3555
-
3556
-
3557
-
3558
-
3559
-
3560
-
3561
-
3562
-
3563
-
3564
-
3565
-
3566
-
3567
-
3568
-
3569
-
3570
-
3571
-
3572
-
3573
-
3574
-
3575
-
3576
-
3577
-
3578
-
3579
-
3580
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1894
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-PreiS U Her Han-terveditto» od«r de» im Stadt» tnirt »ad de» Vororten errichteten Ao«. »adestrllen abgeholt: vierteljährlich^l«.öv, bei »weimaliger täglicher Zustellung int Hau« » bLO. Durch die Post bezogen für leutichlaud uud Oesterreich: vierteljährlich 6Dire.te tägliche Dreuzbaudleadaug in« Ausland: monaüich 7.SV Die Morgen-Ausgabe erscheint täglich'/,? Nht^ die Abeud-Ausgab« Wochentag« S Uhr. Redactio« und Lrue-itio»: Jotz<m»«i»«affe 8. Filialm: Ott« Me«« » Larti«. (Alfred Hah»1b Universitätsstrah« 1, Svqis Läfche, Ratharinenstr. 14, part. uud Ksuigsvlatz 7. DnzeigeiSPreiS die S gespaltene PetitzrU« SO Pfg. Aeclameu unter dem Redactionsstrtch (äß« spalten SOvor den Jeumltetmachrlchi», (K gespalteu) 40 <4- GrStzerr Schriften laut »ufere« Pvets» verzeichaih. Tabellarischer uud tztffirasas uach höherem Tarif. Urtra veilagen (gesalzt). «A der Morgen »Ausgabe, ohne Pnstbesärderuug 60 —, mit PoftdrsSrderuug -sl 70.—. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Zvnahmeschluß fir Iiyrigea: Abeud-Ausgab«: Bormtttags 10 llhe. Margea«Au»gabe: Nachmittags s Uhr. Sonu» und Festtag« früh '/It Uhr. Vei den Filialen und Aniiahmestellra je «i»o halbe Stund« früher. A»zei,c» sinh stets au di, Erpesttto» zu richte». Druck und Verlag von I. Voll ft» Leipzig. ^-241 Äonntak den 13. Mai 1894. 88. Jahrgang Zur gefiilligm Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Montag, den 14. Mar, Bormittags nur bis Uhr geöffnet. Expedition deg L.e1p2l-?er laxedlLttes. AmMche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Mt Zustimmung der Herren Stadtverordneten haben wir be schlossen, in diesem Jahre nachstehende Straßen neu zu pflastern, bezw, zu asphaltiren: . ü. in Hllt-Leipzjg: die Georgen-Ttraße, zwischen der Winlergartea- und der Schützen- Straße, das VahnhofS-Gäßchen, -ebensall» zwischen der Wintergarten- und der Schützen-Straße, die Tuf«ur-«traße, die Thal-Straße, von dtp Hospital- bis zur Bruder-Straße, die Vrau-Straße, von der Dusour-Ttraße bi- an die Pleiße, ein schließlich der Regelung der Fußzvege, die Lirbig-Straße, einschließlich der Regelung der Fußwege, von der Frauenklinik, bi« zur Johannis-Mee, die Nshien-Straße, die Brüser-Straße, westlich von der Turnhalle — ca. 60 lausende Meter — einschließlich der Umlegung und Ergänzung der Fußwege; b. in Leipzig-Mohlis: die Wilhelm-Straße, zwischen der Leipziger und der Albert-Straßr, einschließlich der Regelung der Fußwege; ' ei in LeivKg-Lindena«: die Nirch-Straße, vom Markt bis zur Roß-Straße, die Rotz-Straße, von d«r Nirch-Straße dt« zur Augosten-Straßr, die AuguftkN-Sttaße; ck. i» Leipzig-Plaswitz: d,e Moltkk-Straße, die Ersmann-Stroße, von der Kreuzung mit der Moltke-Straß« bis zur Nonnen^traße, Zschocherschc Straße, von der Earl Hein« - Straße bi- zur Lindenauer Grenze, sowie vom Lanale bis mit der Kreuzung der Straße IV in Leipzig-Kleinzschocher, Weikenfeisrr Straße, ausschließlich der bereits hergeftellten Strecke, soll cemeniirt werben. Außerdem soll noch in AII-Leipzig die Regelung der Fußwege in der Lanqcn Straße, in der Elfter-Straße, zwischen der Central, und Promenaden- Stralje, und in der Bahnhofs-Straße, vom Blücher-Platze bi- zum Magde burger Bahnhofe, ^ vorgenommen werden.' In Folge Lessen sind dl« Besitzes her an hie vorbezeichneten Straßen oder Straßenstrecken angrenzenden Grundstücke nach unseren Bekanntmachungen vom 10. Marz 1881, 2. Januar 1890 und 2. Januar 1891 verpflichtet, die Traus-, Fallrohr- und Wirlh> schastswässer durch unterirdisch» Beischleußen für ihre Rechnung un mittelbar in die Hauptschleußen abzuleiten, unb zwar sind diese Anlagen innerhalb des Slraßenkörper» aus Kosten der Belheiligten durch unsere Tiefbau - Verwaltung, nach Einzahlung der hierfür zu berechnenden Bauschkostensummc, auszusühren. Wir fordern daher die Besitzer oder Verwalter der an den oben bezeichnten Straßen und Strogenstrecken qngrenzenden Grundstücke auf, die zu untrrführenden Fallrohre und umzubauenden Beischleußen bei uns anzumeiden, damit bie Ausführung dieser Arbeiten von un» rechtzeitig vor der Straßen- oder Fußwezherstellung veranlaßt werden kann. Im Falle unterlassener Anzeige haben die Säumigen außer Verwirkung einer Geldstrafe bis zu 60 » zu gewärtigen, daß die vorstehend bezeichnet«,, Arbeiten von Rathswegen aus ihre Kosten ausaetührt werden. Etwa beabsichtigt», die bezeichnet«!, Straßen berührende Arbeiten an den Prtsat-Gos- und Wasserleitungen sind vor Beginn der oben aufgeführten Straßenherstellungen auszusühren, da Arbeiten der vorgedachten Art in den fraglichen Straßen mit Rücksicht au die Erhaltung eines guten Straßenpflaslers während eines Zeit raumes von ü Jahren nach beendeter Straßenherstellung in der Regel nicht zugelassen werden können. Leipzig, am 10. Mai 189-t. Der Rath »er Stadt Leipzi,. Ör. Georgi. Reinhardt die die Bekanntmachung. Nachdem die öffentlich ausgeschriebenen Pflasterungsarbeiten in der Johannis-Allee hier vergeben worden sind, werden die unbr- rücksichtigt gebliebenen Bewerber hierdurch au« ihren dez. An- geboten entlassen. Leivzig, am 11. Mai 1894. l«. 2084. Der «ath »er Stadt Leipzig. vr. Georgi. Lolditz Die städtische Sparcasse »»leiht Werthtzapirre unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 10. Januar 1894. Die Edareafien-Deputation. Bekanntmachung. Wegen vorzunehmender Pflasterung wird die Johanni» - Allee In ihrer Ausdehnung vom Ostplatze bis zur Liebigstraße vom I». dieses Monat« ab für den durchgehenden Fährverkehr gesperrt Tie Straßenstrecke vor dem Landwirthichastlichen Institut und der Letertnoir-Klinik bleibt von der Liebigstraße aus befahrbar. Leipzig, am II. Mat 1894. Der Math »er Stadt Leipzig. IX. S001. De. Georgi. Stahl Bekanntmachung. Verschiedene, aus den vormaligen Landfleischerhallen herrührenbe kupferne Waagschalen mit einem eisernen Waagehalkrn und Genttchtrn lallen an den Meistbietenden verkauft werden. Di« betreffenden Gegenstände liegen in der hiesigen Rathswoch« --Durchgang) zur Ansicht au«, auch sind daselbst etwaig« abzugeben, den IO. Mai ISO«. Der «at^dn Stadt Leipzig. («othhaus-7 Angebote ak Le««««. I». Iß«. Geor-Ü Wag,«. Die Sparkasse Möckern »rpedirt Dien-Iag und Freitag Nachmittag 3—6 Uhr und verzinst Einlagen mit 8', Procent. Steckbrief. Gegen die Ehefrau Angustc Lange geh. Lcharpfe, zuletzt wohnhaft, geboren am 21. Srptcmbrr 18>'»7 in virterseld t» Sömmerda, rdangrlischrr hält, ist die Untersuchung-Hast verhängt. Es wird ersucht, dieselbe z» Gerichtsgcsängniß adzulieier». «itterfeld, den 27. April 1894. Religio», welche sich verborgen wegen gewerbsmäßiger Unzuch: vrrhasien und in da» nächste Königliches Amtsgericht. Bau-^real, in nächster Nähe des Bahnhoses und der Harthwaldung schön ge- legen, hat billig zu verkaufen der Stadtrath zu Zwcnka». Der deutsche Zeitgeist im neunzehnten Jahrhundert. 8. O. Die Gegenwart ist von Zweifeln und llmsturzidcen auf staatlichem, gesellschaftlichem und philosophischem Gebiete dergestalt erfüllt, daß in ihr förmliche nihilistische und anarchistische Schulen entstanden sink, welche sowohl die Be rccktigung de« Staates als auch den ganzen Zweck teS mensch lichen Daseins leugnen und die Zerstörung des Bestehenden nicht nur theoretisch zu rechtfertige», sondern auch praktisch durch den Massenmord ihrer Mitmenschen mitten im Frieden auszufübren suchen. Schon ei» Edgar Bauer erklärte sich für einen Feind jeder Slaatsforni: „der Mensch solle sreicr Gesellschattsmensch sein, bloße- Individuum ohne König, ohne Ehe, obnePrivatbesiy, ohneNationatität nndVolksthümlichkcit". Er erklärte es daher für ein Unrecht, wenn er, de: den Begriff der Majestät nicht anerkenne, als Majestäl-beleidiger. wen» er, für den da- preußische Lantreckt keine Äutorilät sei, nach ihm verurtbeilt »erde. Feuerbach hielt im Winter l8i8 Borträge über da- Wesen der Religion, worin er sich die Aufgabe stellt«, „die Studenten au- Gollerfreunden zu Menschenfreunden, aus Gläubigen zu Denkern, aus Betern zu Arbeitern, aus Candidaten de- Ienseiis zu Studenten des Diesseits zu machen". — „Concentrcuion aus da- Dies seits", das war da» von Feuerback (Wesen des ChristentbumS) ausgesprochene Stickwort des neuen Zeit geistes, dem man als einem neuen Evangelium noch beule an vielen Orten zujubelt. In der Thal ist man auf säst allen Gebieten zur Anbetung LeS Diesseitigen, zuin Gtiiuß des Materiellen, Fleischlichen gelangt und sucht sich daS Jenseitige möglichst fern zu halten. Man verzeiht es dem romantischen Genie, wenn eS keine sittliche» und auch keine bürgerlichen und gesellschaftlichen Pflichten anerkennt. DaS Genie gehört zu den „llebermenschen", ui» kiesen Ausdruck des heute vielgenannten Ich Philosophen Nietzsche zu «brauchen. Neben der verneinenden Philosophie sind die iaturwissensckasten immer stärker in den Bordcrgrund getreten und haben ihre praktische Anwendung in der Teckinik gefunden. Tie Technik ist eine wachsende Macht geworben und hat durch ihre völlig veränderte ProductionSweise einen Kampf der Arbeit mit dem Capital und damit jene sociale Bewegung beraufbeschworen, mit der sich die heutige Gesell schaft auseinander zu sehen hat. Gegenüber diesem Um schwung« der Ideen unc den praktische» Beränderungen er gänzen Erwerbslebens haben alle Wissenschaften, insbesondere die Philosophie und Theologie, wie auch die RecktSwst'se»sckast, Nationalökonomie und die Natnrwisicuschastcn, sowie Literatur und Kunst die hohe Ausgabe, dem Volke die Ideale zu er halten, sie ihm verständlich zu macken und überhaupt eine höhere Weltanschauung zu verbreiten. Zu einer solchen höheren Weltanschauung aus der Grundlage reiche» philo sophischen und historischen Wissen« sucht uns ein Buch zu erheben, welches der Philosoph an der Dre-de»er Technischen Hochschule, Professor vr. Fritz Sch ul he, kürzlich unter dem Titel: „Der Zeitgeist in Deutschland, seine Wand- lungen im neunzehnten und seine mutbmaßliche Gestaltung im zwanzigsten Jahrhundert" (Leipzig, Ernst Günther s Ver lag, 1894) veröffentlicht hat. Nach dem philosoxhischen Standpuncte des BerfasserS muß der berechtigte Realismus der neue» »aturwissenschasllich- lechnischen Zeit sich mit dem berechtigten Idealismus der älteren philosophisch-ästhetischen Zeit zur Einheit verbinden und zu einem echten Realideal,Sinus verschmelzen Dcr Verfasser erwartet die Rettung der Gesellschaft allein von einer neuen Reformatio», die darin besteht, „daß die in den Begriffe» Natur, Vernunft, Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenliebe enthaltenen und aus ihnen folgenten Strebeziele voll und ganz verwirklicht werden". Er bezeichnet als Hauptgrundsätze de- echten RealidcaliSmuS den Glauben an die Selbstständigkeit deS Geistigen, an eine geistige Weltordnung, deren Inbegriff und Urgrund die Gottheit ist, an geistig-sittliche Zwecke der Entwickelung dcr Welt wie deS einzelnen Geiste- und an die Enlwickelungs- möglichkeil und -Fähigkeit LeS individuellen Geiste- aus Grund seiner Wesensewigkeit. „Diese Grundsätze bilden auch den Kern de- Ebristcnlhuins. Die christliche Religio» ist nach dcr Ueber- zeugung des Verfassers noch immer das beste Heilmittel der Schäden der Zeit und wird e« wieder werden, „wenn sie sich von all den in ihr enthaltenen, der Natur und Vernunft widersprechenden Bestandtbeilen, d. b. von der mythischen Dogmatik befreit haben wirk ..." „Da- neue Ebristenthum macht die praktische Nachfolge deS Lebens Jesu, die sittliche Gesinnung und den sittlichen Wandel zur Hauptsache se,nes Dienstr» Gotte- im Geiste und in der Wahrheit und betont die Cultusgedräuche nur insofern, als sie ans die sittliche Er ziehung der Menschen fördernd einwirke» könne»." Proseffor Fritz Schultze geht in seinen philosophischen Anschauungen aus Kant und Fichte und in seinen ästhetischen auf Schiller und Goethe zurück, er würdigt jedoch gleichzeitig alle neueren tbeologischen Forschungen der Tübinger Schule und die naturwissenschastlicken Ergebnisse deS Darwinismus, ter sich nach seinen Ausführungen mit dem eckt christlichen Standpuncte durchaus verträgt. Er sucht fick auch mit dem Pessimismus eines Schopenhauer auSeinandersetzen. „Der Pessimismus Übersicht, Paß, wie dem Bösen so auch dem Gute» beule mehr uud kräftigere Mittet zur Erreichung seiner Zwecke zu Gebote sieben. Der Pessimismus ist keine allgemein giltige Tbcorie, sondern der Ausfluß subjecliver Stiinmungen und persönlicher LehenSersabruiigen, mithin ei» GosühlSurtbeil." Tie Wandlungen des Zeitgeistes i» Deutschland im l!>. Jahr hundert trete» in Schultze- Buch in plastischer Weise hervor. Hervorragend ist seine warme Schilderung der klassisch philo sophisch ästhetischen Zeit Kant'S, Scckiller'ö und Goclbe'S und deS patriotischen Aufschwunges de- deutschen Geistes und Charakters durch Fickte. Von dem Zeitgeist« in> 20. Jahrhundert spricht Prof. Schultze die Vermulhung aus, daß er drei große aufeinander folgende EntivickclungS- pbasen durchlaufen werde: „Sie heißen: Reactiv», Re volution, Reformation. Die Reaktion wird von dem jesuitischen UltraiiiontanismilS dcr römischen Kirche, die Re volution von der Soeialdemolralie, die Reformation von dem Geiste teS echte», sich neu verjüngenden Protestantismus auS- gcbcn." Wir können diese Befürchtungen nicht thcilcn und fassen Schultze'- ausgesprochene Mulhmaßung mit Carristre nur als eine Madiiuiig an die Gegenwart aus: „auf dem Wege der sittlichen Selbstbestimmung und teS freien Denlenö die Reformatio» mit Verhütung der Revolution zu beschließen und dnrchznsühren." Wir tbeile» mit Prof. Schnitze die Ueberzengung, daß die Gegenwart eine- starken Glauben- an den endlichen »och- weiitigen Sieg aller der Ni ächte bedarf, welche in die geistige und sittliche 'Natur de- Mensche» binabreiche», aber wir möchten betonen, daß Jedermann diesen starten Glauben nicht allein durch den Verstand mit Hilfe philosophischer, histo rischer »»d nationalökonoiuischer Belehrung gewinne», sondern auch ans seinem Gemüt be und aus inneren religiösen Er fahrungen mit oder ohne Dogmen schöpfe» lan», sobald er sich nur ein reines Herz, Vertrauen aus Gott, Liebe ^u den Mitmenschen, Tuldsamtcit gegen Andersgläubige »nd Freude a» kcp Arbeit und an einem thätigen nützlichen Leben bewahrt. Deutsches Reich. x?. Berlin, 12. Mai. Außergewöhnlich früh fallen in diesem Iabrc die Pfingsten, aber die gütige Natur hat durch herrliche Eulfallung in Wald und Flur kcn Menschen taS liebe Fest in gewohnler Pracht gerüstet. I» scmiiier- licher Wonne winlt den arbeit-müde» Glieder» süße Ruhe, den Gemütber» Befreiung vo» des Alltag- Sorge, will kommener Wassenstillsland in dem tausendfache» Kamps, den zu kämpjen der Menschheit wie dem Einzelne» als uiienlriiiiibareö Loos bcschiede» ist. Doppelt willkommen einem Geschlecht«, von dem die Geschichte verzeichnen wird, daß ibm gewaltige Um Wälzungen als die Folge» vieler höchster Bethätigungeu des Geiste- ein härteres Ringe» ausgezwnngcn als den vorauS- gegangcnen Generationen. Trotz ihrer Irrungen bat unsere Zeit ein besonderes Recht, da- Feit zu feiern, kaS die Kirche zu Ehren der Ergießung des Geistes eingesetzt, de» Geiste», der ewig und in alle» seinen Offenbarungen göttlich ist. Die Gegenwart ist die Märtyrerin der ungeheuren Fcrschrillc des Jahrhunderts, sic dulkel die bitteren Schmerze» dcr Kämpfe, die das Alle und das Neue mit einander austämpse» müssen, um in einer glücklicheren Zulnnst zur Versöhnung z» gelangen. Sie steht ruhelos unter Waffcn und kann darum ihren Genuß nur in flüchtig er haschter Lust finden, ihr weltgeschichtlicher Berus verbietet das ekle Genieße», welchem nur ein gesammelte« Gcmülb zu gänglich ist. Dies ist auch, nicht innere Leere, die Ursache, daß tie Kunst ärmer geworden. Manch' häßliche Wundniäler hat der iiiimerwäbrende Streit dcr Zeit ausgetrückt, ater sic können und werden ehrenvolle Narben werden, wen» nur die Selbstsucht de- Einzelnen und der Elasten sich die Schranken zieht, die da- Gemeinwohl verlangt, wenn da- Gesühl dcr Verantwortung bei denen erstarkt, die das Ohr deS Volkes suchen. Tie Erinnerung an die ersten Psingsten, da die feurigen Zungen predigten, möge zur WabrbeitSliebe mahnen. Denn unsere schwerste Noll, ist der Mißbrauch deS gesprochene» und geschriebenen Wortes. Er vergrößert dir vorhandenen Uebel und versperrt die Wege, die zur Genesung führen. Möchten nur ihre Prediger wieder LeS redlichen Geistes voll werden; die ehrlichen Irrtbümcr wird die deutsche Nation überwinden. 6. li. Berlin, 12. Mai. Mit den Svcialdcmokraten sind zur Zeit die Buchdrucker in Differenzen gerathen, unb alle Versuche, welche gemacht werden, um den beiß entbrannte» Streit bei,ulegen, sind bis jctzl kläglich gescheitert. Die ganze Sacke ist bochamüsant. Es ist noch nicht lange her, daß Herr Liebknecht in den Buchdrucker»Versammlungen die Jünger Gntenberg'S als tie Elitctruppe der Socialveino- kratic bezeichne««; in der Thal besitzen die Herren tie beste Organisation und haben für die Socialdemolratie die größten Opfer gekrackt. Dafür verlangen aber die Buch drucker einige Freibeit der Bewegung; a» die Boykottbtscklüssc der übrigen Genossen babe» sie sich mit Recht wenig gekebrt; wollten sie Feste feiern, so fragten sic nickt, ob da« Local geboykoltct sei, sondern ob es ?ür den beabsichtigten Zweck sich eigne. In der letzte» Zeit haben die Buchdrucker die unsinnigen Boykottbeschlüsse völlig außer Acht gelassen und dadurch die Wuth der ganzen socialdeinokralische» Presse au sich gelenkt; ein socialdemokratischcö Blatt hat die Buchdrucker sogar den Streikbrechern gleichgestellt. Natürlich haben die Buchdrucker diese Angriffe nicht gleichgiltia hinge»o»imen, sondern in ihren Versammlungen de» Soeialdemokralen derb dir Wahrheit gesagt Z» dieser Differenz ist nun am l. Mai eine neue gekommen, welche den Groll der Buch drucker auf daS Höchst« gesteigert hat. Am I. Mai hat nämlich die socialdemokratische Presse gefeiert, den Buch druckern ist aber dieser Tag hier und da abgezogen worden. Die Herren sind mit Recht der Meinung, daß da, wo da- Geschäft ren Feiertag erklärt, da- Geschäft dem Personale den Feiertag auch bezahlen muß Di« Besitzer der recht gut situirtc» Ossicin der „Frankfurter BolkSstimme" haben sich aber um bie Bezahlung teS Feiertag» mit der Prokla mation beruiiigcdriicki, „feiern könne Jeder, aber bezahlt werde Nickis dafür". Auck in dcr socialdemokratische» Genossen- ckaslsdruckerei zu Halle wurde den in gewissem Gelde stehenden Nute» dir Dienstag einfach abgezogen. Daß die Buckdrucker über diese „noble" socialtcinokraliscke Handlungsweise sehr erbittert sind, ist um so begreiflicker» als private Ossicinen in Wien, welche den Tag sreigabe», bezahlt haben. s> Bcrli», I I. Mai. Tie vierte Tagung de« Ausschusses zur Untersuchung der Verhältnisse der am meisten von Hoch wassergefahren bedrohten Ströme wird in der letzten Maiwocke siattfinden. Auck »i dieser Tagung wird der Ansickuß mit einem von dein SlaalSininisterium geforderten Gutachten über Organisalionssrageu ans dem Gebiete der Wasserlvirthschasl besaßt werde». Nachdem vom Aus schuß in der dritte» Tagung im Herbst vorigen Jahre- die Bereisung dcr Oder mit dcr Besichtigung ter untere» Warlbc vo» Küstri» ab zuin Abschluß gebracht wurde, soll in die bevorstehende vierte Tagung die Bereisung der Elbe cinbezoze» werde», »nd zwar liegt es in der Ab sicht, in drei Tage» die Strecke von der sächsischen Grenze bis Magdeburg nebst dem untere» Tbeile dcr Saale »nd dem Umiliitharm bei Petzin sowie dem dortigen Wcbr zu befahre». Auck bei dieser Bereisung werden neben de» Localbchörtcn sachkundige und erfahrene Anwohner res Stromes und Kenner der Tcickvcrbältnisse bcrangezogen werde». — A»sa>ig Juli werde» die von« Biintesrath erlassenenBeslin»»ui>geii über die Einbeziehung von .Haiiögewcvbtrcibeiidcu der Tcrtiliiikustrie i» die Inval iditäts unk Altersversicherung in Kraft treten. Wie wir hören, sind die Versicheru»gsaustalteii, >n deren Bezirken dcr haii-gcwerblicke Betrieb der Terttlindustrie besonders slart cimvickell ist, gegenwärtig damit hesckästigt» umfassende Vorbereitungen zu treffe», damit die Neuerung ohne Schwierigkeiten zur Einführung gelange» kann. V. Berlin, 12. Mai. tTclegra»ii»I Der Kaiser arbeitete beute vo» 7' >. Ubr ab »lit dem Clies de» Militair- CabinelS v. Hahntc und begab sich dann um 8> n Ubr zu Pferde »ach dem Bornsledtcr Felde, um da» Garde-Iäger- BalaiUon, das Lehr I»saiikerie-Balaillon und die Uiilerossicier- schule zu Potsdam zu besichtigen. Nach der Besichtigung nahm ter -Kaiser da» Frühstück im Kreise de» OssiciercorPS des Lebr Infanterie-Bataillons ein und kehrte sodann nach dein Neuen Palais zurück. U. Berlin, 12. Mai. (Privattelcgrainm., Wie dcr Voss. Zlg." berichtet wird, bat der Erzbi'ckos vo»2tnblr>vski mit seinen Sussragan Bischöfen auf die Encytlila ein Däni sch reiben an den Papst gerichtet, worin c» heißt: Wenn eS zu jeder -seit die Pslill t der Priester ter Kirche ist, dem gläubigen Volte in- Gedächtnis! zu rufe», daß eS Gott gebe, was Gotte» ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist, io werden wir in dieser gottlosen »nt zur Auflehnung und Anstiftung von Unruhen geneigten Zeit um so mehr veranlaßt, diese Pflicht zu crsüllc», da D». heiliger Vater, »i Testier EiicvUika uns io tcredl cinlädst und ermahnst, ans daß wir die Treue gegen die Fürste» predigen, znmat da ein so hoch herziger Fürst uns vorgeseyt ist, dessen wohlwollende Ge sinnung gegen uns wir »lehr den» einmal kenne» gelernt haben. ^ Bcrli». l2, Mai. (Telegramm.) Der „Post" zu Folge bat sich das Befinden des W»kl. Geh. Raths v. Lchlozcr auch in den letzten Tagen nicht geändert, doch ist bei der andauernden Appcliitosigtcit eine leise Abnahme der Kräfte unvermeidlich; auck unter Albcmnoth hat der Kranke zu leiden. ^ Berlin, 12. Mai. Ter „Reichsanzeiger" veröffent licht das Gesetz, belr. die Abänderung des 8- -tl der VoiicurSorSittiiig -4- Berlin, 12. Mai. (Telegramm.) 'Am Mittwoch sintcl eine Protrstvcrsaminluiig der Berliner Lchriststelier- <Kr>lon'ci>ich»iit statt, worin tie in dcr Gerichtsverhandlung witer 9 Berliner Rckacleurc erhobenen Vorwürfe eingehend besprochen werden sollen. Dcr Vorstand der Genossenschaft beabsichtigt, dcr Versain»il»ng eine» dem Iiistizniiiiisttr zu übermittelnden Prclestbesckluß vorzuschlage». lWiederholt.) ck Bcrli», 12. Mai. (Telegramm.) Zu dem am 2. Feierlage beginnenden intrrnalioualrn Bcrgardcitcr- Eongrcs; ist der Vorsitzende des ständigen internationalen Bcrgarbeilcr-Coniil's Pickard mit I«> englischen Dele- girle» bereits eiiigetroffen, tarunter tie 7 UnterhauSmit- glieber, welche die Bergarbeiter im Parlament vertreten. * Kirl. 12. Mai. (Telegramm.) Eine gestern ab- gebaltene Versamniluiig von 'Arbeitern der kaiserlichen Werft beschloß, eine Deputation a» daS RcichSinarineamt zn senken und um E>»sübrnng der acbtslüntigen 'Arbeits zeit zu Petition«»», wodurch weiteren Arbeilrr-Eiillassuiigcn vorgcbeugl werten soll. * Lchlachau, l2.Mai (Telegramm.) Nack amtlicher Fest stelluiigsindbei der am 8. Mai im Wakltreisc Schlockau-Flatow (VII. Marienwerber) slattgehabten Relchstagsersatzwabi insgcsammt l 1'»28 giltige Tliinme» abgegeben worden. Davon entfalle» aus de» Rittergutsbesitzer Hilgendorss (ccnserraiiv) .'»679, ten Rittergutsbesitzer v. Prondzinski- Loßburg «Pole) 35«»',, kcn Retactcur v. Mosch Steglitz (Antisemit» 3212 »nd den Deka» Reumann (Cenlruin) >893 Stimme». Es findet somit Stichwahl zwischen Hilgendorss und v. ProndzinSki statt. Nach der „Scklochauer Zeitung" ist die Stichwahl aus den 23. Mai festgesetzt. «Wiederholt.) * Vtarieuwerdrr, 12. Mai. (Telegramm.) Wie ver lautet, wird der Kaiser bei seiner bevorstehenden Reist nach Proeckelwitz mittelst SonderzugeS aus dcr neuen Eisenbabn von Marienbnrg direct bis Procckelwitz fahre». Die Dauer teS Iagdaufcntbaltes de- Kaisers dürfte etwa sechs Tage betragen. * Hannover, ll.Mai. Es ist bereits mitgetbeilt worden, daß die StaalSanwaltschast hinter de», flüchtigen Antisemiten- sübrer Tbevdvr Sch nutz einen Steckbrief wegen Unter schlagung amtlicher Gelder und Beiseiteschaffung amtlicher Papiere erlassen hat. Zur Charakteristik dieses Herrn sei noch erwähnt, daß er sich nicht entblödcke, wegen dcr von ihm begangenen Vergehen «inen Anderen, nämlich den BuchhalUr
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht