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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.04.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930412022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893041202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893041202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-04
- Tag1893-04-12
- Monat1893-04
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Le-action,«L Lrpe-itiou: J»tz«»oe»,affr 8. DieLrveditio» ist Wochentag« nnunterbrochra getffuet voa früh 8 bi« Lbend« 7 Uhr. Filiale«: Ott« kle»«'» L«rlt». («lsre» H«ho). Uaiversitütsstraße 1, Lm»i» Lösche. »^harioeustt. 1«. pari, und Söuig«plah 7. Abend-Ausgabe. UchMcr.TMblall Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. AnzeigenPreis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Meclamen unter dem Redaction-strich (4 ge» ivallea) 50-4. vor den Familteanachrichte» (6 gespalten) 40-4. Größere Schriften laut unserem Prei-. Verzeichnis). Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Srtra-Beilagen (gefalzt», nur mit der Morgen-AuSaabe, ohne Postbesördenrng Fl 60.—, mtt Postbesörderung Fl 7V.—. Annahmeschluk für Aazeigen: Abend-Au«gabe: Bormittag« 10 Uhr. Marge «»Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und -lniiahmestrstea je eiue halbe Stunde früher. Anzetgru sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. ^185. Mittwoch den 12. April 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschan. - Leipzig, 12. April. Man schreibt der „Nationallib. Corr": „Die „Nordd. AUg. Ztg." unternimmt einen nochmaligen Bersuch, nachzuweisen, daß die volle Durchführung der Militair- Vorlage mit 248 000 bi« 249 000 Recruten zu ernwglichen wäre. Der Bersuch kann al« ein gelungener nicht angesehen werden. Au« dem verwirrenden Vielerlei von Zahlen, mit denen da opcrirt wird, läßt sich jetzt wenigsten« eine Grundzahl seslhalten, die in der mehrfach erwähnten Broschüre: „Die Militairvorlage und der Antrag Bennigsen" ermittelt ist und von ossiciöser Seite anerkannt wird: die gegenwärtige Friedensstärke bcrubt aus einem Recrutencontingent einschließlich Nachcrsay von 188 000 Kopsen. Ferner sledl fest svergl. Antwödt der Militairverwaltung „Zu Nr. 14" der Truck- jachen der ReichstagScommijsion), daß für die geplante Er- Höhung der FriedenSpräsen-, bezw. sür die volle Durchführung der Militairvortoge benöldigl wären: 60 000 weitere Necrutcn ohne Nachersatz. Wie hoch dieser letztere Nochersatz anzuschlagen ist, steht tahin. Tie „Freij. Ztg." schätzt ihn aus 6" ». also aus 3600 Mann. Da« ist deshalb jedenfalls zu niedrig gegriffen, weil zu dem neue» Bedarf an Recruten mebr als die Hälfte au« den „bedingt Tauglichen" lerangezogen werden müßte. Daß bei diesem Recrutenmalerial »in viel höhe rer Nachersatz erforderlich wird, al« bei dem Material der völlig Tauglichen, liegt auf der Hand. Bi« mehrjährige Erfahrungen da« Gegentheii beweisen, sollte auch die Mililoirverwaltmig vor sichtig genug sein, zu den 60 OM neuen Recruten einen Nachersatz. Bedarf von etwa 5000 anzunehmen. Toch weiter. Tie Militair- Verwaltung rechnet in dem oben angeführten Schriftstück „Zu Nr 14", daß eine Vermehrung der FriedenSpräsenz um 7 IM Mann sich au« Tapitulante» ergeben werde. Also e« wird erwartet, daß uater den 60 OM neue» Recruten sich etliche Tausende finden ließen, die über die pflichtigen zwei Jahre hinan« dienen würden. Eine näher« Rechnung hierzu fehlt. Beriuuthlich ist am genommen, daß etwa 24M von den neuen Recruten capituliren und durchschnittlich noch drei Jahre weitcrdie»en. Doch ist dem gegen über abermals aus die Qualität des Material« hinzuweisen, au« dem die 60 OM neuen Recruten gewonnen werden solle». Ta will et schon optimistisch erscheinen, wenn man aus 1000 Capitulonten rechnet, die also durch 3 Jahre weiteren Dienen« die Frieden« vräsenz um 30M verstärken. Für die übrigen 41M mag man besser die Ziffer de« ordentlichen Recrutenbedarss erhöhen, also bei zweijähriaem Dienst um rund 2000. Tann ergicbt sich folgende, einer Anfechtung nicht mehr au«gesrtzte Rechnung: Bisheriges Recrutencontingent . . 188 OM Mehrvedars söhne Nacherjatz) . . . 60000 Rachersatz hierzu . 5 OM Manco ia den Lapitulantenstellen . 2 OM Zusammen 255 OM. Hierbei ist uoch nicht eingerechnet der Nachersatz, der sich aus dem Uebergang von der Marimal- zur Durchschnittsstärke ergeben kann. Darüber hat die Regstrung noch keinerlei Berechnung vor- »legt. Vorsichtiger Weise mag auch hier noch ein und das andere Tausend zugerechnet werden. Run hatte die mehrfach erwähnte Broschüre eiae» Bedarf von 264 OM ausgerechnet, wobei der Irr ihum nntrrlausea war, daß die Capitulonten dem Recrutenbedars hinzugezählt waren, während sie auS letzterem hervorgehen. (Die jvebeu erschienene zweite Auslage berichtigt diesen Jrrthum und setzt de» Bedarf auf rund 256 OM lest.) Andererseits irren die osficiösen Federn durchaus, wenn sie sogen, die Broschüre habe das Vorhanden sein von 249 OM Ersatzmannschosten zugegeben. Sie hat vielmehr berechnet und dies ist ebenfalls als zutreffend anerkannt, daß sür den Herbst d. I. vorhanden sind 210 OM völlig Diensttaugliche und etwa 40 OM bedingt Taugliche. Sie hat aber auch nachgewiesen, daß die Regierung selbst erklärt hat: aus die «ine Kategorie dieser bedingt Tauglichen müsse verzichtet werden, nämlich aufdie Leute „mit bleibenden körperlichen Gebrechen, welche zwar auch die Gesundheil nicht beeinträch imen, aber die Leistungsfähigkeit in erheblichem Grad« beschränken." Wie viel« von den 40 OM zu dieser Kategorie gehören, ist nicht be- lavnt; also man ist immer wieder aus Schätzungen angewiesen. Nimmt man an, daß diese Kategorie auf etwa 9000 Mann sich be- ziffert, so bleiben zur Verfügung für den Herbst d. I. 210 OM völlig brauchbare und 31 OM bedingt Taugliche, zusammen 241 OM. Nun steht also die Sache immer wieder so, daß di« Regierung 15 OM Recruten mehr auSheben will, al- verfügbar sind, und daß der Antrag von Bennigsen im Interesse der praktischen Durchführbarkeit die 15 OM nicht verfügbaren Recruten außer Ansatz lassen will. Wobei übrigen« noch gar nicht davon die Rede war. daß doch die 12 OM neuen Unterosficiere ebenfalls au« den verfügbaren wehr- fähigen jungen Leuten hcrvorgehen müssen." Die vorstehenden Entgegnungen auf die osficiöse Kri'ik der Schrift „Die Militairvorlage und der Antrag Bennigsen", auS der wir i» der nächsten Morgennummcr den Schluß- artikcl bringen, waren nolhwendig, um Verdunkelungen des Sachvcrbail« vvrzudcugen. Irgend einen Einfluß aus den Gang der Dinge werten sie jedoch nicht auSüben; denn daS scheint zur Stunde außer Zweifel zu stehen, nicht in dem Inhalt der nationaUiberalcn Anträge, sondern in dem Umstand, daß es nativ nalliderale sind, lag und liegt der Beweggrund der Regierung, sie zu bekämpfen. Die von u»S im heutige» Morgcnblatte mitgctbcilte Darstellung der Münchener „Allg. Ztg." kann im Wesentlichen das Richtige treffen: DaS Ccnlrum commandirt die nöldige An zahl von Abgeordneten sür eine Berständiguug ad, die der Regierung kaum mebr bieten wird, al« Herr v. Bennigsen. Gras Eaprivi wird selbstverständlich finden, daS ultramonkane Anerbielcn sei etwa« ganz anderes und viel brauchbarere-, als daS nationallibcrale. Die osficiöse Ziffcrnvcrwirrung der letzten Tage hatte wobt nur den Zweck, ibm da« einigermaßen zu erleichtern. Daß ein aus den Rainen Bennigsen getaufte- Eompromiß nicht aus die Zustimmung LcS CenlrumS rechnen konnte, war vorauSzusehen. Wenn der national- liberale Führer trotzdem und ungeachtet der numerischen Schwäche seiner Partei auf den Plan trat, so geschah die- einmal, um kein Bacuum zwischen den zu hohen RcgierungS- sorderungen und den zu geringen Angeboten dcS EentrumS und der Deutschfreisinnigen entstehen zu lassen, sodann, weil die Möglichkeit nickt völlig ausgeschlossen schien, mit der letzteren Partei zu macken, was jetzt unter zweifellos sehr großen Opfern mit dem Centruin gemacht zu werde» scheint — wenn nicht, wa- kaum anzuncbmen ist, in letzter Stunde noch ein Machtwort gegen daS beabsichtigte Geschäft gesprochen wird. Daß Frbr. v. Huene nickt „geschlendert" bat. dessen kann man sicher sein, und die bis in die letzten Tage fort gesetzten Bemühungen deS Herrn Lieber, den Preis kochzu- haltcn, sind dem Unterhändler jedenfalls sehr zu Statten gekommen. Katholisch, richtiger ultramontan, könnte jetzt wirklich Trumpf werden. Die gegen Miquel gerichteten Borwürfe wegen lauer Ablehnung ultramonlaner An träge zum preußischen Wahlgesetz sind wobl falsch adressirt gewesen, es dürste sich bereits um eine Abschlags zahlung gehandelt haben. Auck die Berufung des Frei herr» v. Schorlemer-Alst zum LandwirlhschaftS- ministcr, der wohlunterrichtete Persönlichkeiten schon seit einiger Zeit entgcgenschcn, wird zu den Gegenleistungen zählen. DaS Eine wie daS Andere ist aber natürlich rine Bagatelle im Vergleich zu den großen Posten, mit denen sich Preußen uud daS Reich >n das Guthabcn-Conto deS CenlrumS eingeschrieben haben müssen, um diese Partei zu gewinnen. Ob die Den tschsreisinn igen von dem klerikal-conservativen Regiment, daS wahrscheinlich bevorsteht, und dem sie in ibrer unheilbaren Engherzigkeit upd Kurzsichtigkeit Len Weg geebnet, sehr erbaut sein werden, steht dahin. Die ihnen so wcrthe Kanzlerschaft dcS Grasen Caprivi dürste sich trotz seines Erfolges inj^Sachen der Militairvorlage kaum so lang lebig erweisen, wie die Reaclion, die er einzuhandeln «in Begriffe steht. ES könnte bald der Zcilpunct kommen, wo die weisen Herren sich werden sagen müssen, daß sie nichts gewonnen, aber sehr viel verloren und abermals die Ge schäfte derer besorgt haben, die sie mit Worten auf daS Grimmigste befehden. Der Telegraph übermittelt auS Wien eine Nachricht, die in Rußland und wohl auch in dem ihm so nahe stehenden Frankreich wie eine Bombe einschlagen wird. Kaiser Franz Josef empfing gestern Mittag den bulgarischen Ministerpräsidenten Stambulow in »/«stündiger Privataudienz. Die Audienz erfolgte auf deS Letzteren Bitte durch Vermittelung des Grafen Kalnoky. Die politische Bedeutung dieses Empfanges ist, obgleich man schon beute von Wien aus dieselbe zu läugncn oder abzusckwäcken sucht, nicht z» unterschätzen. Daß Fürst Ferdinand in der kaiser lichen Hofburg begrüßt wurde, kann mit verwandtschaftlichen Rücksichten begrüntet werten, und die russischen Kreise haben sich, nachdem die unangcnebme Enivsintung dcS ersten Empfanges verwunden war. mit der Tbatsackc abgcsunten. Etwa- Andere- ist eS mit Stambulow. Dieser Mann gilt als Vernichter deS russischen Einflusses in Bulgarien, als der Schöpfer der gegenwärtigen Unabhängigkeit vom Zarenreich, er wird nur als der „Blulbund", als der „Usurpator" neben dem Fürsten Ferdinand in den russische» Organen bezeichne», gegen ibn richtet sich all der Haß der Petersburger ossiciellen wie der panslawi- stisckcn Kreise, gegen ihn sind die Mordanschlägc gerichtet, die bisher nur durch die sorgsamste Wachsamkeit vereitelt wurden. Und dieser Minister einer ossiciell nickt anerkannten Regierung wird vom österreichischen Kaiser empfangen. Als im Herbst vorigen JabreS Stambulow dem Sultan in Ailti,-KioSk seine Aufwartung macken durste, durchtoble cm Sturm der Entrüstung die russische Presse; Note über Note wurde von Petersburg nach Konstantinopel gerichtet; die ältesten Entschädigungssorderungcn wurden geltend ge macht, um die Türkei dafür zu strafen, daß der Großherr den Ministerpräsidenten Bulgariens empfing, der die Ver messenheit hatte, dem Sultan die Originale der geheimen Documente auS den russischen Archiven in Bukarest und Rustschuk zu unterbreiten, welche die russischen Umtriebe aus der Balkankalbinscl klarlegten. Aber die Bedeutung dieser Tbatsache reichte nickt an die deS heutigen Empfangs hinan. Terösterreichisch-Herrsch er tritt gänzlich auS seiner Zurückhaltung, die er sich noch zum Tbcil den bulgarischen Ereignissen gegenüber auserlegt hatte, er erkennt die dortigen Verhältnisse als zu Recht bestehend an und er zeigt klar und offen die Richtung, in der sich die Politik nicht nur Oesterreich- UngarnS, sondern auch deS Dreibunde» bewegt. Oesterreich hält seine Hand über Bulgarien — daS sagt der Empfang Stambulow'S. Jetzt erst wird eS klar, warum der bulgarische Ministerpräsident mit dem Fürsten daS Land verlieb, em Beginnen, daS als gewagt bezeichnet wurde. Nicht der Hochzeit Ferdinand» in Italien dcizuwobnen, war der eigentliche Zweck; die offene Aussprache in Wien an maßgebendster Stelle war die Triebfeder der Reise StambulowS. Dem Kaiser sowobl wie dem Grase» Kalnoky wird er klaren Wein über Bulgariens Politik eingesckenkt, er wird die Gründe sür die geplante Verfassungsänderung dargelcgt, vielleicht wird er auch in Wien jene Original- documente vorgelcgt baden, die sich auf die russischen Um triebe in BoSnic» und der Herzegowina beziehen. Der Empfang Stambulow» durch Kaiser Franz Josef ist trotz aller diplomatischen Ableugnungen ein hochwichtiges politische- Ercigniß und al» solches wird eS auch von den Feinten Bulgariens im Osten und im Westen gewürdigt werden. Ein düsteres Dcrbänzniß scheint über Ungarn zu walten und daS Land nicht zum Vollgenuß seiner politischen Selbst ständigkeit, constitutioncllcn Freibcit und wirtkschaftlicken Blüthe gelangen zu lassen. DaS bat zu der allgemeinen Ver wirrung und fieberhaften Aufregung noch gefehlt, daß nun auch ein NicktSwürdigcr oder Wahnsinniger daS Leben deS Cardinal-PrimaS bedrohte! Der Mordversuch deS Böttchers Michael CsolicS ist allerdings glücklich vereitelt, auch besteht kein Zweifel darüber, daß daS Motiv deS Ver brechen- weitab von den kirchenpolitischcn Kämpfen lieg» welche daS Land auswüklcn, sondern einfach in der Nach« sucht eine- wegen Untreue entlassenen Dieners bestebt. und aller Wahrscheinlichkeit nach bat man eS mit der Tbat eine- bis zur Vcrthierung rohen, unzurechnungsfähigen Menschen zu thun. Aber ist das, fragt die „N. Fr. Pr." mit Recht, eine Bürgschaft, daß der Parteigeist und die politische Leidenschaft nicht auch diesen einfachen Thatbestand entstellen und versuchen werden, ihn sür ihre Zwecke au« zunutze»? Ein Attentat aus den Primas, der eben jetzt durch daS Memorandum über daS kirchcnpolitische mi nisterielle Programm, daS er an der Spitze deS gksammtcn Episkopats unterzeichnet hat, zum Mittel- puiicte der allgemeinen Aufmerksamkeit geworden ist! In einer politisch so aufgeregten Zeit, wie die jetzige ist, gebört wenig Witz dazu, zwischen den beiden Thatsachcn einen Zusammenhang berauSzuklügeln. Wie blind in solchen Zeiten die Leitcnschast machen kann und wie ver geblich man an die Vernunft von Leuten appellirt, die ent schlossen sind, keine Vernunsl anzunedmen, dafür erlebe» wir alle Tage die traurigsten Beispiele. So muß man darauf gefaßt sein, daß ungeachtet der Klarheit deS SachverballeS auch daS Attentat ans den Cardinal VaSzary um Agilaiions-Mittcl gemacht und der Böttcher CsolicS, einer politischen Partei an dieRockschöße geheftet wird. Und wenn daS Attentat zu nichts weiter dient, als um der frommen Einsalt in dem Bilde deS bedrohten CardinalS die bedrohte Kirche zu zeigen und in dem Feuer der gerechten Entrüstung und dcS Mitgefühls da» politische Eisen zu schmieden, so reicht da» bin, um die liberale Partei und da» liberale Mini sterium in Ungarn die Spitze de» Messer» fühlen zu lasten, welche» der entlassene Kellermeister von Gran gegen den PrimaS erhoben halte. Ein neuer Scandal droht allem Anschein nach in Frankreich auSzubrcche», in den wieder der frühere Minister präsident Frcycinct verwickelt ist. Vor längerer Zeit wurde bekanntlich wegen VcrratheS deS Melinit - Geheim nisses besten Erfinder Turpin zu mehrjähriger Gefängniß ' strafe vernrtheilt. Ein bereit« mitgelheiltcS Telegramm auS Paris meldet nun mit dürren Worten: „Carnot Unterzeichnete ein Teeret, betreffend die Begnadigung Turpin'S." Ein merk würdiges Zusammentreffen ist eS, daß an demselben Tage der Pariser „Figaro" unter der Ueberschrist „lorxia ot blr. <i« h're)'einet" eine Reibe von Artikeln eröffnet. sür welche die sonderbarsten Enthüllungen in Aussicht gestellt werden. Ter Verfasser dieser Artikel, I. Ca rdano, war, wie er versichert, beauftragt, im Namen Frcycinet'S mit Turpin, besten Buch: „Wie man daS Melinit verkauft Kat" seiner Zeit daS größte Ausseben erregte, wegen seiner Freilassung zu unterhandeln. Der Erfinder des Melinits sollte eine weitere beträchtliche Abfindungssumme erkalten, sich aber seinerseits zum Stillschweigen binsichtlich dieser Verhand- lungc» verpflichten. „Dieses Stillschweigen", heißt cS in dem Artikel, „das Frcycinet vor Allem am Herzen lag, und daS er tcm in Freiheit bcsindlichcn Turpin auserlegte, indem er den Er finder in einen Kerker warf,weshalb sollte er eS nicht von dem ge fangenen Turpin erlangen, indem er ibm seine Begnadigung unter Bedingungen anbot? Es war die- eins der geschickten Manöver, die Herrn de Freycinct so alltäglich waren, und welches ibm zum Ueberslusse noch die schöne Rolle gegenüber der öffentlichen Meinung zu spielen gestattete." Der Urbeber der Enthüllungen nennt alle die ossiciellen Persönlichkeiten, die bei den Vcrbandlungen Mitwirken mußten, um ihn in den Stand zu setzen, mit dcni im Gefängnisse von Etampcs befindlichen Turpin in unmittelbaren Verkehr zu treten. ES waren dies der damalige Krieg-minister Frcycinct selbst, testen CabinclSches Lagrange tc Langrc, der CabinetSchcf des tamaligen Ministers de» Innern, Lagardc, Direktor teS StrafanstaltcnticnsteS, der Präfcct des Departement» Srinc-et Oise, Bargeton, der Untcrpräfect von Etampe«, Martin-Feuillöe. Ein Telegramm teS Präfekten an den Letzteren lautete: „Ermächtigen Sic Cardano, frei mit Turpin zu verkehren, hüten Sie sich aber wohl, der Unter haltung beizuwohnen." Als Cardano seinen ersten Artikel schrieb, war die Begnadigung TurpinS noch nicht erfolgt. Dieser Artikel schließt daher: „Ich habe also Turpin ohne Zeugen gesehen, dem unglücklichen Gelehrten, dessen Freund ich bin, dem Ehrenmann, den man ent- Feuilleton. krimula vsri8. Erzählung von A. Brüning. »iatidnia »erröte». «Fortsetzung.) „Meine theuere Gabriele — welche Freude, Sie einmal hier zu haben! Wie entzückend Sie ausseben! Lassen Sie sich umarmen, so, und tausendmal willkommen!" Sie war aller liebst in ihrer unverhohlenen Freude. Gert betrachtete sie amüsirt und wartete geduldig, bis ihr Eifer sie auch ihn be merken lasten würde. ^Da ist noch Jemand. Fräulein Gerda", glaubte Manfred endlich erinnern zu müssen, „der Anspruch machen darf, in Ihr Willkommen eingeschloffen zu werden. Nun, wie ist'»?" lächelte er. al- sie stutzte und die elegante Gestalt deS sich vor ihr verneigenden OfsicirrS unsicheren Blicke» musterte. „Muß ich vorstellen, oder enthebt Ihr Gedächtniß mich dessen?" Aber schon hatte ein Blitz de« Erkennen» die sprechenden Züge der jungen Dame überflogen. „Ich hab'S!" rief sie triumphircnd. „Herr von Waldau, nicht wahr? Mein getreuer Spielkamerad von einst!" Sie streckte ihm in unbefangener Herzlichkeit die Hand entgegen, die er galant an seine Lippen zog. „Da- muß ich aber sagen, Sie haben sich gewaltig verändert, seit wir unS damals am Strand brrumgetummelt", plauderte sie, „fast hätte ich Sie nicht wieder e.kannt!" „Nun daß kann ich zurückgeben", meinte er lächelnd. „Wa- ich doch hoffentlich al- Compliment nebmrn darf?" Er verbeugte sich, indem seine Augen beredte Bewunderung auSdrückten. „Ich dächte, darüber könnte kein Zwrisel ob walten." Droben in der Haußtbür erschien jetzt die joviale Gestalt de« Herrn v. Santow, dem seine Tochter sich sofort lebhaft winkend zuwanvte. „Papa, Papa, komm geschwind, sieh' nur, die Herrschaften au« Mallebnen!" rief sie, strahlend vor Erregung. Der Angerufenr eilte seinen Gästen voll offener Herzlichkeit entgegen. „Ich hörte den Lärm, den mein ungestüme« Töchterchrn hier drunten vollsührte, da mußte ick doch einmal «achsrhen, wa« es gäbe", lachte er. „Eine so angenehme Ueberraschung hatte ich freilich nicht vermutbet." „Sie beabsichtigen also endlich, Ihre Einsiedelei aufzugeben und Ihre Frau Gemahlin unsere ländlichen Zerstreuungen kenne.! lernen zu lassen, lieber Blanden?"' bemerkte er, als sie bald darauf alle zusammen an dem unter den Kastanien vor dem Hause gedeckten Kaffectisch saßen, an dem Fräulein Gerda alS anmuthige, wenn auch etwa- geräuschvolle Hausfrau waltete. „DaS lob' ich mir und werde Sic nach Kräften in in diesem vernünftigen Vorsatz unterstützen. Lassen Sie un gleich einmal ein Programm zusammenstellcn: wie wär'S mit einer Landpartie nebst Piknik im Walde? Oder würden Sie eine Wasscrfahrt vorziehen, mit Feuerwerk und bengalischer Beleuchtung, was?" „Ich danke Ihnen herzlich für Ihre liebenswürdigen Dor- -läge, auf die ich mir Vorbehalte, später zurückzukommcn. Zunächst beabsichtigte ich jedoch, selbst ein Fest zu geben, um den Krei», dem ich meine Frau — ich sehe eS ein — wohl allzu lange entzogen, erst einmal in Mallebnen zu versammeln. Ich hoffe, daß e» bei dieser Gelegenheit der jungen Hausfrau leicht gelingen wird, unseren Gästen gegenüber meine Unter lassungssünden wieder gut zu machen. Nickt wahr. Kind, ich darf doch auf Deine Zustimmung rechnen?" Gabriele, die im ersten Augenblick bei der unerwarteten Eröffnung ein wenig erschrocken auSgesrben, konnte dock nickt ander», al» seinem warmen Blick mit freundlichem Lächeln zu begegnen. „Du weißt ja. daß ich Alle« gut heiße, was Du anordnest, Man fred." DaS unbegrenzte dcmüthiae Vertrauen, da» au» ihren Worten sprach, hatte etwa« Rührende«. Gert, der, obschon scheinbar ganz in rine Unterhaltung mit seiner Nachbarin Gerda vertieft, doch kein Wort von dem Gespräch verloren hatte, fühlte r« wie einen scharfen Stachel im Herzen. „Sie liebt ihn — e« kann nicht ander« sein!" sagte er sich im Stillen „Nur wo e« liebt, vermag ein Weib sich so bedingungslos unterzuordnea " Seine Nachbarin lieh ihm jedoch keine Zeit, sich dem erhaltenen Eindruck hinzugeben. „Ein Fest?" ries sie mit strahlenden Blicken, „Sie wollen ein Fest geben? Liebster Herr Blanden, da« finde ich einzig nett von Ihnen Ein Ball champStre, welch' entzückende Idee! Da giebt e« aber eine Menge zu brrathen und zu arrangirrn sür u»S, Gabriele, nicht wahr, ,ch darf Ihnen doch helfen?" „Gewiß, ich rechne stark auf Sie, liebe Gerda!" lächelte die junge Frau. „Ihre lebbafte Phantasie wird mir bei den Fcstvorbereitungen von großem Wertbe sein." „Tausend, tausend Dank, liebste, einzige Gabriele", rief die kleine Entbusiastin, indem sic auf die junge Frau zulies und sie küßte. „So ein Fest arrangirrn zu dürfen, ist mein Element. Mir schweben schon allerhand Ideen vcr: lebende Bilder, dazwischen Musik, und zuletzt Tanz auf dem Rasen bei Lampionbelcuchtung .... Geben Sie Acht, wir werden etwas ganz Wundervolle- zu stände bringen. Äon jetzt an komme ick jeden Tag zu Ihnen herüber zur Bcratkuiig, und dann werken wer Proben kalten . . . ach, eS wird zu reizend — ich könnte die ganze Welt umarmen!" Sie war wie berauscht von der Perspective, die sich ibr eröffnet hatte, .^kommen Sie, Liebste, wir müssen gleich daS Nähere besprechen", bat sie, und ohne Weiteres den Arm der jungen Frau nehmend, entführte sie sie in den hinter dem Borplay beginnenden Garten. „Donnerwetter, meine Kleine ist ja vollständig auS dem Häus chen", lachte Herr v. Santow, gut gelaunt. „WaS doch nickt die Aussicht auf Tanz bei der Jugend zu Wege bringt. Nun, da die Grazien un» verlassen baden, müssen wir sür ander weitigen Ersatz sorgen." Er klingelte den Diener herbei, mit dem er rine kurze Bcratbung pflog, und alsbald verbreiteten auf dem Tisch unter den Kastanien Waldmeister und Orange» ihre aromatischen Düste, auS welchen Ingredienzen der Haus herr mit sachverständiger Hand sein LicblingSgelrank, eine Mai bowle, zusammenbraute. Nach einiger Zeit erhob sich Gert, um nach den Damen zu sehen. Er fand sie in einer Flieder laube in eifrigem Gespräch, da» indeß eigentlich nur von Gerda - Seite geführt wurde. „Darf ich an Ihrem Concil theilnebmen, Fräulein Gerda?" wandte er sich an die letztere. „Natürlich, Sie kommen un- sogar wie gerufen — wir sind nämlich eben dabei. Ihnen in den lebenden Bildern eine Rolle auSzusucken, nicht wahr, Gabriele?" Die Anzeredetc erblaßte leicht. „Nickt dock, so weit waren wir ja noch nicht", stotterte sie, „erst muß ich Manfred fragen, ob er wünscht, kaß lebende Bilder über Haupt gestellt werden, und dann fragt e» sich noch, ob Herr von Waldau zur Mitwirkung geneigt ist —" „Aber mich dünkt, da» Eine wäre so selbstverständlich, wie da« Ankere meinte Gerda mit einem Zustimmung keuchenden Blick auf Gert, der sich beeilte, zu versichern, daß er sich den Damen ganz zur Verfügung stelle. „DaS wußte ich ja", triumpbirte die Kleine, und Herrn Blanden, wenn er wirklich so thöricht sein sollte, etwa» dagegen zu baden, werke ick so lange bitten, bis er un- völlig freie Hand läßt. Meinen Sie nicht auch, Herr v. Waldau, daß wir unS seinetwegen keine Sorge zu machen brauchen?" Die schwarze» Augen strabltcn sehr siegeSgewiß. Gert lächelte. „Onkel Manfred müßte geradezu ein Granilblock sein, wenn er solcher Attaque widerstehen könnte", erwiderte er. „Nun, dann geschwind zur Sache! Höre» Sic also: Ich batte als erste- Bild Dornröschens Erweckung aus dem Zanbcrschlaf durch den fremden Ritter verstellen wolle». ES wäre daS so hübsch und sinnreich, da ja auch in Wirklichkeit Mallcbncn lange Zeit hindurch säst einem verzauberte» Dorn- röSchcnschlosse glich, auS dem Ihre Ankunst eS gleichsam er weckt hat, aber denken Sie nur — Gabriele will nickt« davon wissen — wir sprachen eben davon, als Sic kamen. Ich hoffe, Sie sür meine Idee zu gewinnen." Die Sprecherin abnlc in ihrer Harmlosigkeit nicht im Entferntesten, in welch' peinliche Lage sie den jungen Osficier durch diesen Appell krackte; sic bemerkte auch nicht die tödtlichc Verlegenheit, mit welcher die von ibr vergötterte junge Frau rang. Gert da gegen sab sie und sübltc um so mehr die Notbwendigkeit, sich zu beherrschen: „Ich zweifle sebr", warf er in möglichst leichtem Tone bin, „daß Ihnen meine Unterstützung von Nutzen sein würde, da die gnädige Frau doch ohne Zweifel ausreichende Gründe sür ihre Opposition hat, und ich, ohne unbescheiden zu sei», mir wobl nicht den Einfluß Zutrauen darf, diese bekämpfen zu können." „Gründe? wabrbaftig. ick glaube, die haben Sie mir noch gar nicht angegeben, beste Gabriele", ries Gerda kampflustig. „Nun geschwind berau« damit, wenn sie wirklich welche haben — sic werben ja hoffentlich nicht unwiderleglich sein." Die also in die Enge Getriebene mußtc jetzt wobl oder übel Rede sieben. Sic ließ den Fliederzwcig. den ihre Finger in nervösem Spiel zerpflückt, sallen und sagte mit erzwungener Gelaffenbcit: „Sie Kaden mich mißverstanden, liebe Gerda Es ist nickt da- Bild an und sür sich, da» ich bekämpfe. Sic liefen mick vorher nicht auSrcbcn: ich wollte nur sagen, daß >-ie von meiner Mit wirkung bei ibm absebcn möchten, da meine Pflichten al« Wirthin zu sehr darunter leiten würden." „Aber liebst
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