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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.02.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950208019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895020801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895020801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-02
- Tag1895-02-08
- Monat1895-02
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h«-t»rp»ditt»a ob« de» im Kttid^ »«tzirk u»d deu Vororten errichtete» «o4- oaoestellr» ab geholt: vierteljährlich ^4.üL »ei zweimaliger täglicher Zustellung in« Ha« ^l LchL Durch di» Post bezog»» für Dentschlaud pad Oesterreich: viertel,»drltch Ti—. Direct» tägliche Krruzbandieudiuig in» «ustuud: monatlich 7.50. MeMorgeu-Nu-gab« erscheint täglich'/,? Uhr^ Hie Loend-Auogab« Wochentag» 5 Uhr. Le-iuttoa und Erve-Mo«: Lohannesgaffe S. Dl» Expedition ist Wochentag« ananterbroch», gedffuet »o» früh 8 bis Abend» 7 Uhr. /Male«: Otto Me«m- Partim. (Alfred Hab»)» Uuidersität-strabe t, Loni» Lösche. «atharinenftr. I». pari. und König-Platz 2^ Morgen-Ausgabe. UWM und Tageblatt Anzeiger. Drgan für Politik, Localgcschichte, Handels- und Gcschaftsmkehr. Tlnzeigerr.Prett die Sgespaltme Petttzeile 20 Pfg. Reklamen uatrr dem RedacttonSsrrich (4ge» spalten) 50 vor den JamilieunachrichteN (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Pr«»- »erznchuiß. Tabellarischer und Zissernsich nach höherem Tarif. Extra-veilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderuug ^l 60.—, m»t Postbeförderung ^l 70.-. Annahmeschluk für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Dt 0 rgen - Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Soun- und Festtags früh '/,S Uhr. V»i den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck «nd Verlag von E. P olz i« Leipzig ^°71. Freitag den 8. Februar 1895. 8S. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Städtische Ärbeitsnachweisungs-Anstatt. Wir erneuern hiermit an unsere Mitbürger die Bitte, unS durch recht ausgiebige Benutzung unserer Arbeiisnachweijungs-Anstalt die Erledigung der zahlreichen Nachfragen nach Arbeit zu ermöglichen und verweisen gleichzeitig aus die zur Bequemlichkeit des Publikums in den verschiedenen Sladtrhrilen bestehenden Annahmestellen, welche die dort aufgegebenen Aufträge an die Centralstelle, Stadthaus I, übermitteln. Diese Mühewaltung haben in dankenswcrther Weise die Herren Jahabrr der nachstehend genannten Firmen übernommen: kr. Lodert Llldwe, Rilterstraße 36, Larl llennlx, Ranstädier Stemweg L3, (Hedr. Xret/solnunr Xoedkvlxer, Südplatz 11, k. v. Lelodert, Neumarkt 1. 8. k. Llvinnz, Grimmaischer Steinwcg 11, Ö. k. Nuckolk, Gerberstraße 15, 0odr. 8piUaer, Winvmühlenstraße 37, 8. voruk Xuedko xer, Weststraße 33. Leipzig, am 30. Januar 1835. Das Armendirectvriuui. Hentschel. Zichau. Die städtische Sparkasse beleiht Werthpapiere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, deu 10. Januar 1894. Tie Sparcafsen-Teputation. Aus dem antisemitischen Lager. Unter den eben erst zur „Deutsch-Socialen Reformpartei" geeinigten Antisemiten ist der offene Kampf auSgebrochen, und zwar der Kampf bis aufs Messer. Solche Streitig keiten zwischen Angehörigen derselben politischen Richtung sind uns beute ja nichts Neues mehr, und die Bebel und Bollmar, die Rlidt und Drecsbach, die Nickert und Richter — um nur einige Namen zu nennen — haben unS längst gezeigt, auf welches Niveau die öffentliche politische Erörterung in derartigen Fällen herabgesunke» ist. Wir können unS daher nicht wundern, wenn auch der Bruderzwist im antisemitischen Lager ein gerütteltes Maß von Widerwärtigem zu Tage fördert, zumal da hier, wie so oft in den letzten Iabren, NeichStagS- ^lbacordneter Ahlwardt der Held des Tages ist, Ahlwardt, 'reffen Name, deu Gedanken an reine Wäsche überhaupt nicht anfkommen läßt. Ahlwardt ist bekanntlich von der NeichStagSfraction der Deutsch - Socialen Nesormpartei" ausgeschlossen worden, und dieses Vorgehen hat auch Herrn vr. Böckel bewogen, der,,srcibeitSfeindlichen" Fractivn den Rücken zu kehren — weil er im Bunde mit Ahlwardt und seinem Berliner Anhänge für daS von ihm geplante ZeitungSnnternebmen besser sorgen zu können glaubt. Ueber die Gründe, welche die anti semitische Reickstagsfraclion zum Ausschlüsse Ahlwardt'S bestimmten, liegt jetzt die aiigekündigte osficielle Erklärung vor. AuS ihr erhellt, daß Ahlwardt der Fraclion gegenüber ein trauriges Doppelspiel getrieben bat, welches begreiflich macht, daß die Fraclion „ein ersprießliches und die gemein same Sache förderndes Arbeiten mit ihm für völlig undurch führbar erachten mußte". Wir begnügen nnö damit, nach stehenden Passus der Erklärung wiederzugehen: „Inzwischen war Ahlwardt nach Bayern gegangen. Tle im An schlüsse an seine dortigen Borträge im Münchener „Deutschen Volks- blatte" erfolgten Berichte und Bettachtungen strotzten gradezu von Verdächtigungen und Schmähungen der Fraktion und wurden deshalb dem Abg. Ahlwardt in ver Fraktions-Sitzung vom 25. v. M zur Aeußerung vorgelegt. Ahlwardt stellte Alles in Ab- rede und bekannte sich bedingungslos zu den auf Grund seiner Ausführungen festgestellten, im Einzelnen ihm nochmals vorgelesenen Puncten und gab eine Berichtigung. (Der Wortlaut ist unwesent lich.) Aus freien Stücken erklärte der Abg. Ahlwardt weiter, daß ihm diese Richtigstellung noch nicht genüge, sondern daß er sie durch Zusätze erweitern wolle, welche die Fraktion „abwlut voll und ganz'' zusriedenstellen und die erfolgten Angriffe zurückweisen sollten. Am nächsten Tage erschien Herr Ahlwardt mit einer neuen nmfangreichen Erklärung, in. welcher er nicht nur im Wesentlichen alles Das zurücknahm, was er Tags vorher behauptet hatte, sondern auch das ihm zum Bonvurf gemachte Doppelspiel erneuerte. Alle Versuche, ihn von der Unver einbarkeit der beiden Erklärungen zu überzeugen, blieben wirkungslos. Nach nochmaliger Prüfung der «Sachlage hat die Fraclion am 31. v. M. den Abg. Ahlwardt aus seiner Stellung alS Hospitant eudgiltig ausgeschieden, La sie nach den bisherigen Erfahrungen rin ersprießliches und die gemeinsame Sache förderndes Arbeiten mit ihm für völlig undurchfuhrbar erachten mußte. An alle diejenigen Parteigenossin und Vereine, welche auf dem Boden der Eisenacher Einigung stehen, richten wir nunmehr zur Ver meidung neuer Jrrniffe und Wirrnisse daS dringende Ersuchen, von Vorträgen des Abg. Ahlwardt gänzlich abzuseheu." Die Antwort hierauf ertbeilte Ahlwardt, von vr. Böckel unterstützt, am DienStag Abend in einer von etwa 1000 Per sonen besuchten Versammlung, deren Verlauf die „Post" folgendermaßen schildert: AlS ich, so begann der Redner, nach jahrelangem stillen Kampfe in die Oessintlichkcit trat, wußte ich, daß mir die Gegner mit scharfen Waffen entgegentreten würden. DaS ist auch so gekommen, aber ich dachle an einen gemeinsamen Kampf — leider hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt, wir Deutschen bekämpfen uns unter »mander (Zurufe: Leider!) und unser Gegner gedeiht dabei weiter. (Lehr wahr!) Wer diesen Kampf t-erbeigesührt, hat eine schwere Verantwortung auf sich geladen, nicht bioS der Partei gegenüber, nein, gegenüber dem ganzen deutschen Vaterland. (Beifall.) Ter Redner warf einen Rückblick aus die Geschichte der anlisimitischen Bewegung und hob hervor, wie er stets bemüht gewesen sei, die Führer der verschiedenen Richtungen mit einander zu versöhnen, während Liese ihn stets bekämpft und hinter seinem Rücken intriguirt hätten. 1892 habe er überall in Paris, in Ldvssä »nd in Wien re. Verbindungen angeknüpst, »m eine große antisemitische Partei zu gründen, da hätten die Herren Liebermann v. Souncnberq und Ziinmermanu nach Wien telegraphirt, sie hätten keine Gemeinschaft mit ihm, wodurch seine Agitation lahm gelegt worden sei. 1893 »ach dem BerbrüderungSseste am HermannS-Tenkmal hätten ihm die Herren einen neuen Dolchstoß in den Rücken versitzt, indem sie seinen Ausschluß von der Einigung erklärten. (Psuitufe) Trotz dieser unerhörten That Hab« er Frieden gehalten. Herr v. Liebermann habe aber bald darauf au die anti semitischen Vertrauensmänner geschrieben, ,r dürfe wegen seiner radicalen Gesinnung höchstens als Hospitant in die Fraktion aus genommen werden. Auch dieser neue Angriff habe ihn, Redner, nicht abgehalten, sich der Fraktion zuzugesellen, da sei die Umsturzvorlage gekommen, v. Liebermann habe sich dafür erklärt und sei sogar noch für eine Verschärfung der Strafbestimmungen ringetreten. (Psuiruse.) Nun habe er nicht mehr an sich Hallen können und einen Brief an den Vorsitzenden der Fraktion, Herrn Zimmermann, gerichtet, worin er um eintAusspracheuoer die Meinungsdifferenzen gebeten habe. Leider seieS nicht dazu gekommen, weil andere Tinge besprochen wurden Er sei dann, einem den süddeutschen Parteifreunden im Grsängniß ge gebenen Versprechen gemäß, nach München gefahren und habe dort mit größtem Erfolge geiprochen. Die süddd rutschen Brüder habe er als die besten Deutschen erkannt, sie seien keine Parti kular! stcn und bereit, auf freiheitlichem Boden mit den nord deutschen Antisemiten zusammen zu kämpsin. (Beifall.) AlS ich zurückkam, fuhr der Redner fort, lasen mir die Herren Zimmermann und v. Liebermann auS der „Deutschen Volkszeitung" in München mehrere für die Fraktion beleidigende Neußerungen vor und fragten, ob ich sie grthan habe. Ich verneinte dies und fand auch nachher beim Lesen des Blattes, daß diese Aeußrrungen in dem Leitartikel standen, wofür ich doch nicht verantwortlich bin. (Sehr wadr.) Ich wollte, wie es verlangt wurde, eine schriftliche, zu veröffentlichende Erklärung gebe», daß ich die Fractivn nicht beleidigt habe, wollte aber noch einige Zusätze machen, daS wurde mir jedoch verwehrt, und Herr v. Liebermann erklärte, daß ein Zusammengehen mit mir nicht mehr möglich und es für den Antisemitismus besser sei, wenn ich ausgeschlossen würde. DieS ist dann heimlich in meiner Ab- wejenheit geschehen. (Pfui-Ruse.) Ter Redner wies noch auf die Gegnerschaft der „Staatsbürger-Zeitung" hin. die wissentlich gelogen habe, als sie ihn für einen Feind des Christrnthums erklärte, und prolestirle dagegen, daß die antisemitische Bewegung durch rin paar Führer zur Dienstmagd der Rcaction gemacht und mit der Um sturz »Vorlage das Volk geknebelt werden solle. Er schloß mit den Worten: „Im Verein mit vr. Böcket und Herrn von Mosch fürchten wir unS nicht vor dem Teufel, und trotz aller Angriffe werden wir doch siegen." Nachdem Herr Ahlwardt unter anhallendem Beifall geendet und die Versammlung ein Hoch auf ihn ausgebracht hatte, sprach Reichstagsabgeordueter vr Böckel über die Entwickelung der antisemitischen Bewegung und die Betheiligung des Herrn d. Liebermann, welcher ganz zufällig in die Bewegung gekommen und bereit» 1885 kampsesmüd» geworden sei, so datz er nach Paraguay gehen wollte. Ta sei die Bewegung in Hessin aufaeblüht, er «Redner) 1887 als Reichstags- adgeordneler gewählt worden, und 1890 schon sei »S gelungen, mehrere Abgeordnete durchzubringen. Herr v. Liebermann, mit dem Keiner was zu thun haben wollle, stand außerhalb der damaligen kleinen Fractivn, doch auch er sollte eine Rolle spielen. Bei einer Stichwahl im Kreise Hofgeismar sei Herr v. Liebermann ausgetreten und habe einen Schein vorgezeigt, worin ihm der Candidat der hessischen Reform- pariei sein Mandat für 300 M abgetreten hatte. Er erklärte, er würde den Mann moralisch vernichten, wenn man ihm jetzt nicht deu Wahlkreis l,b«rlos>. (Psiiiriffe.) Diese Handlungs weise sei schlimmer» als die eines Treuherz, es sei nicht ehrlich, nicqi adlig, nicht deutsch gewesen. (Lebhafter Beifall.) Mit dem Schein in der Hand habe er einem SHy lock geglichen, und dieser Mann, der sich einen Wahlkreis durch die Ausbeutung der Nothlage eines Menschen verschafft, der sei jetzt der Führer der Fractivn, der com- promitlire die Antisemiten vor der ganzen Welt. (Sehr wahr!) Unter solchen Umständen sei keine Einigkeit möglich, er habe nur auf die Gelegenheit gewartet, gleichfalls die Fraktion zu verlassen, die sicher noch einmal von Liebermann in dir Luft gesprengt werden würde. Der Redner schilderte dann, wie er durch den Kampf für den Antisemitismus ruinirt worden und wie ihn die angeblichen Freunde im Stich gelassen, ja sogar noch tiefer ins Elend gestürzt hätten, indem sie ihn belchuldigtrn, sich au Geldern deS hessischen Bauernvereins vergriffen zu haben. Im Interesse der Einigkett habe er bisher geschwiegen, als aber die Fractivn für die Umsturzvorlage rintrat, zu MinisterdinerS lief und schließlich Ahlwardt auSsticß, da sei er endlich ausgetreten. (Beifall.) Die Herren möchten ihn ungeschoren lassen, sonst würde er noch anders Vorgehen. „Wir schießen heute nur", so sagte er, „mit leichtem Pulver, das Dynamit be halten wir uns noch vor. (Donnernder Beifall.) Die Versammlung brachte auch diesem Redner ein Hoch auS, worauf Herr Redakteur von Mosch über das neue Vöckcl'jche Blatt „Deutsches Volksrecht" sprach, dessen Probe-Nummcr am 15. d. M. erscheinen soll. Die dann folgende DiScussion nahm einen sehr stürmischen Charakter an, alS Schriftsteller Johannes Wilberg cs unternahm, die Ausführungen der Vorredner zu bekämpfen. Er erinnerte daran, daß Herr Böckel einst die Berliner Antisemiten „Hammelheerde" und „Fotzkes" nannte, daß die jetzt so geschmähte ..Staatsbürger-Zeitung" immer treu gekämpft habe und, wenn sie Juden-Annoncen,annehme, dies nichts schade, da ja die Juden uns auch das Geld abnähinen. (Zuruf: Jude!) Es sei nicht recht, Herrn von Liebermann in seiner Abwesenheit anzugreisin und von Shylock zu sprechen. Wenn er an seiner Stelle wäre, würde er Herrn Böckel vor die Pistole fordern. (Lärm.) Redner fragt dann, was Herr Ahlwardt auf die Borwürfe deS Abgeordneten Bindewald in der Antisemiten-Liga zu antworten habe und ob die „Antisemiten mit Ahlwardt zusammen gehen wollten. (Stürmische Zurufe: „Jal") Ahlwardt antwortete darauf, daß die Angriffe dem persönlichen Arrger der Herren entsprängen, die vor ihm in München waren, ohne «inen Erfolg zu ernten. Man hätte ihn binausgeworfen, entweder auS Neid, oder, um sich nach oben beliebt zu machen. (Beifall) Zum Schluffe wies vr. Böckel die Angriffe Wilberg's zurück »nd suchte Propaganda für die neue Zeitung zu machen. Di» Versammlung nahm dann folgende Resolution an: „Tausend brl Martens versammelte Antisemiten vroteftiren gegen den Ausschluß Ahlwardt'S und geloben Treue der freiheitlichen Richtung des Antisemitismus, wie sie Ahlwardt und vr. Böckel vertreten." Darauf trennt« man sich gegen »in Uhr Morgens unter Hochrufen auf Böckel und Ahlwardt. Trotz diese» unbestreitbaren Erfolge- dürfte Ablwardt der Zukunft mit einigem Bangen entgegensetzen. Hat doch die antisemitische NeichStagSfraction (s. oben) an alle auf dem Boden der Eisenacher Einigung stehenden Vereine und Parteigenossen da- dringende Ersuchen gerichtet, von Vor trägen de- Abg. Ablwardt gänzlich abzusetzen. Da ist Ablwardt heftig in die Glieder gefabren, so beftig, daß er sich in der von der „Post" nur kurz skizzirten Debatte zu dem Bekenntnisse hinreißen ließ: Die von (Böckel geplante) Zeitung soll die materielle Grund lage, die LrwerbSstellr für unS sein, damit wir nicht mehr auf die Erträge aus den Vorträgen angewiesen sind. Die antisemitische Bewegung — so sagte jüngst der anti- semitische Nedacteur Wilberg in einer Versammlung der „Antisemttenliga" unter stürmischem Beifall — ist für Ahl wardt nicht die hohe, die himmlische Göttin, sondern „die milchende Kuh, die ihn mit Butter versorgt". von Sigmund Mayer. Leipzig, -^"^"blick auf die NeichS- die Besprechung besonder- auch y. ' eiMst von Jnlereffe WWWWZZ M,WZWW- ausfiel so ist eS mittlerweile klar geworden, d 8 n ib der Berichterstatter d,e optimiftische Färbung und gutachtlichen Aeußerungen über den Umfang E werbereckttcn" uns belehren können, wessen wir m Deutsch "nd de? der Annabme des Gesetzentwurfs uns ^ gewärtigen hätten Neuerdings leistet die kürzlich von Friedrich §rey und Rudolf Maresch herausgegebene systematische und lrbe^ sichtliche Sammlung der Entscheidungen die ülelchen Dlcnste nech besser Sind jene Werke Material,ammlunaen, so i,t Mayers Schrift eine monograpbische Bebandlung deS Themas, die m der- sitben Richtung aLsklärend wirkt, und eS ist zu bedauern, daß sie nicht schon zur Zeit der NeichSlagsdebatten vorlag. Frei lich wird uns keine lediglich sachlich und wissenschaftlich ruhig aebaltene Untersuchung über die Wirkungen des Besabigungs- nachweises geboten. Vielmehr ist das Buch m semem er,len Tbeile eine Sammlung von mitunter leidenschaftliche^ und über das Ziel binauSschießenden, bereits in der „Neuen freien Presse" zur Aufklärung eines größeren Publicum- veröffent lichten Artikeln, die wesentlich durch den Antrag deS Fürsten Lichtenstein, der eine weitere Ausdehnung des Befähigungsnach weises wollte, veranlaßt worden. Offenbart sich »n drefer Art der Composition eine nicht wegzuleugnende Schwache, so ist doch anzuerkennen, daß Sacbkennlniß, Klarheit und scharfe auf Seiten des Verfassers reichlich vorhanden sind. Er ist sich bewußt, in welcher Richtung das Heil des Klein gewerbes zu suchen ist, und zieht mit unerbittlicher Strenge die unliebsamen Conseg uenzen, die auS dem Befähigungs nachweis sich ergeben, mit Ironie und Witz die Zustande geißelnd, wie sie zum Theck schon Vorbauten sind, zum -4^e,l bervvrzumachsen drohen. Alle, die eS wirklich gut Mit dun Handwerk meinen und ihm durch deu Besäbigungsuachwe,- Rettung zu bringen hoffen, werden aus Mayrr'S Buch sich belehren, wie wenig derselbe zur Hebung deS Handwerks zu leisten vermag. 2m zweiten Tbeil bietet der Verfasser einen Ueberblick über die Entstehung der Großindustrie in Wien, der allerdings weniger befriedigt. DaS Material, das der Verfasser benutzt, ist nicht sehr ergiebig; auch dringt er wohl nicht genügend in den Stoff ein. 2m Anhang sind einige bemerkenSwerthe Gesetze und Entwürfe zum Abdruck gelangt." * Berlin, 7. Februar. Die „Berl. Pol. Nach." schreiben: „Die Zahl der Bundesstaaten, welche durck den Bedarf an durch Uebcrweisungen nicht gedeckten Matrikularumlagen zu einer Erhöhung ihrer Steuern genöthigl sind, wachst immer mehr. Dem Vorgänge Hamburgs, Badens, Sachsen- WeimarS rc. ist nunmehr auch bas Königreich Sachsen gefolgt. Hier ist ein Zuschlag von 10 Procenl zur Einkommensteuer vorgesehen, nachdem diese selbst bereits durch stärkere Heranziehung der größeren Einkommen ertragreicher gemacht war. Die Wirkung der Unzulänglich keit der eigenen Einnahmen deS Reichs zur Deckung seiner Ausgaben macht sich eben bei allen Bundesstaaten in der unerwünschteste» Weise, und zwar zumeist in noch stärkerem Maße als in Preußen geltend. Aber auch hier wird, wenn nicht durch Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs und durch sachgemäße Ordnung der finanziellen Ver hältnisse des Reichs zu den Bundesstaaten Wandel geschaffen wird, auf die Dauer eine Vermehrung der Staats einnahmen durch verstärkte Anspannung der Steuerlast nicht zu vermeiden sein. Wie bereits bei der Etatsberatbung von dem Finanzminister angedcutct ist, werden andernfalls auch in Preußen Zuschläge zu der Einkommen- und Vermögens steuer zur unabweisbaren Notbweadigkeit werden. Dies ist die Kehrseite der Medaille bei der bisher im Reichstage ver folgten Steuer- und Finanzpolitik." O. Berlin, 7. Februar. (Telegr.) Am gestrigen Nach mittage unternahm das Natserpaar eine gemeinsame Spazier- ,ahrr durch den Thiergarten. Nach der Abendtafel fand im Weißen <saale e,n kleiner Ball statt, zu welchem etwa 800 Einladungen ergangen waren. Heute früh fuhr das Kaiser- paar nach dem Thiergarten und machte daselbst einen Spaziergang, nach dessen Beendigung der Kaiser einen - r«n Bortraa des StaatSsecretaiS des Auswärtigen >n dessen Wohnung entgegennahm. Darauf kebrte er nach dem Schlöffe zurück und arbeitete längere Zeit mit dem Cbes deS Militair-CabinetS. Zur FrübttückStasel waren Prinz und Prinzessin Heinrich geladen. Am Nacki- niiltage gedachte das Kai,ervaar mit den ältesten «Söhnen ^ Vorstellung ,m CircuS Renz beizuwohncn. — Dir (von, c Nachricht, daß da« Kaiserpaar in diesem Frubiahre die Kunstausstellung in Venedig besuchen würde, ,,l erfunden. ^ 2.Februar. (Telegramm.) Die„Nat.-rjtg." meldet: Auf den. gestrigen Hosball ließ sich der Naisef den früheren Jesuiten Grasen Paul v. Hoenabrocch vorstellen und unterhielt sich längere Zeit mit ihm. A„,0 §^ruar. (Telegramm.) Der „Neichs- 2^°" au- verbreitete Meldung, der ^ "nrr Depesche an da» deutsche General- der " ^staunen ausgedrückt, daß nur eine Frau von mkbchnnd. B-g-imduni S'bru»r, D!« „Nordd, D t.r .Ich" L. Berlin, 7. Februar. (Privattelegramm.) Die .Nat.-Zkg" schreibt: Der „Vorwärts" sucht — unter den üblichen Schimpfereien — unsere (im „L. T." wiedergegebene) Zurückweisung seiner Verherrlichung der Pariser Commune von 1871 dadurch anzufechten, daß er Maxime du Camp als einen unzuverlässigen Gewährsmann darstellt. Bei den Lesern des „Vorwärts" mag das verfangen; besser unterrichtete Leute wissen, daß daS Buch du Camp s eine — sogar sebr langweilige — Sammlung amtlichen Materials ist. Üebrigens bedarf es einer solchen nicht zur Feststellung Ver Thatsachc, daß unter den Führern der Commune neben einigen ehrlichen Fanatikern die Mörder, Diebe und Brandstifter die große Mehrheit bildeten. — Die socialdcmotratische Frauen - Agitations- Commission hatte am Dienstag zwei Volksversammlungen einberufen, die sich mit der Frage beschäftigten: „Ist das Verlangen der Frauen, das politische Wahlrecht zu be sitzen, gerechtfertigt?" Die Referenten, die Abgz. Bebel und Liebknecht, traten sehr warm dafür ein, daß den Frauen das politische Wahlrecht gewährt werde. Folgende Resolution gelangte zur Annahme: „In Erwägung, daß es keinen ersichtlichen Grund giebt,'« der ein mündig gewordenes menschliches Wesen von Bürgerrechten und Freiheiten aus,chlicßt, wie Las dein weiblichen Geschlecht geschieht, in Erwägung, daß die Frauen nicht gewillt sind, diesem Zustande der Entrechtung, in welchen sie im Laufe der Zeit versetzt wurden, länger zu ertragen, in fernerer Erwägung, daß gerade die sich täglich schärfer zuspitzendeu Gegensätze innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft auch die ungeheuere Mehrheit der Frauen in immer schlimmere politische und wirthschastliche Verhältnisse versetzt und eine Hebung »nd Besserung dieser Verhältnisse ein Gebot dringendster Nothwcndigkeit, aber ohne den Besitz der politischen Rechte und Freiheiten unmöglich ist, fordern die Frauen irachdriicklichst die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte wie die Männer und besonders die Gewährung des allgemeinen, gleichen, directe» und geheimen Wahlrechts." Mehrere Redner beklagten es bitter, daß eine Anzahl „Genossen" ihren Frauen verboten hätte, Volksversammlungen zu besuchen. Ein Redner erzählte, daß er in einer Partei- kncipe, als er für das Wahlrecht der Frauen sich aus gesprochen, von Genossen durchgeprügelt sei. — Dem preußischen Abgeordnetenbause ist das Stempel steuergesetz zugegangen. — Die Iustizcommission des AbgeordnetenhauieS hat den tz. 33 deS GerichtSkosten- gesetzeS (Gebührcntarif) nach der Vorlage angenommen. — Es heißt, auch Prof. Förster wolle aus der deutsch socialen Reformpartci ausscheiden und sein Mandat für den Reichstag nieder legen. ^ Haimover 7. Februar. (Telegr'auim.) Der Minister für Landwirtbsckast Freiherr von Hammerstein-Loxten, ist hier eingetroffen, um an den Befall,ungen des Pro- vinzialländtags theilzunehmen. — Der Provinziallandtag beschäftigte sich gestern mit einem Anträge des Ausschusses, für die landwirthschaftlichen Betriebsunternebmer der Pro- vinz eine Haftpslichtversicherungsanstalt zu errichten, die sich eng an die landwirthschafiliche Berufsgenossenschaft anlebnen soll. Die Provinz wird Rechtsträger des Unter nehmens, finanziell soll die Anstalt völlig selbstständig, der Zutritt zu ihr freiwillig sein. Sie wird 90 v. H. der von Len Versicheruiigslieblncrn zu zahlenden Hastpflichtentschäti- gung gewähren, die Ersatzpslicht der Anstalt soll auf Ent schädigungsansprüche, die mit dem landwirthschaftlichen Be triebe der Verletzten ini Zusammenhang sieben, beschränkt werden. Gegen diese Beschränkung erklärten sich mehrere Redner mit der Versicherung, falle diese Beschränkung nicht, so würde die Anstalt nicht gedeihen, weil dann die meisten Landwirthe es Vorzieher, würden, bei den Privatgesellschaften zu bleiben, die solche Beschränkungen nickt baden. Für die Beschränkung wurde geltend gemacht, daß die Verwaltung geringe Kosten machen werde. Es wurde commissarische Prüfung beschlossen. * Dortmund, 6. Februar. Die hiesigen ultramontanen Stadtverordneten tzatzen den Credit für eine BiSmarckfeier mit folgender Erklärung abgelebnt: „Obwohl wir die histo rische Bedeutung deS Fürsten Bismarck für unser Vaterland und seine Verdienste um die Gründung res deutschen Reiches voll und ganz anerkennen, nicht minder auch seine socialpolitische Thätigkeit für die wirtbschastlichen Interessen unsererJndustrie- gegenb zu würdigen wissen, können wir uns doch an der vorge- scklagenenFestfeier, welche derPerson deSFUrsten BiSmarck gilt, nickt betbeiligen. Wir erblicken in der Person deS Fürsten BiSmarck den Träger jenes unseligen Culturkam pfeö, welcher über unser Vaterland und insbesondere über die katholische Kirche unsägliche Leiden gebracht hat — seine Person ist für uns von dieser seiner Thätigkeit unzertrenn bar. Fürst BiSmarck hat zweifellos das Verdienst, znr Beseitigung diese- Kampfes beigetragen zu haben, aber die Wunden, die unS dieser Kampf geschlagen bat, sind noch zu frisch, daS System der Imparität, welches er ge schaffen, ist noch zu wenig verwischt, die katholische Kirche leidet noch zu sehr unter dem Drucke von Ausnahme gesetzen und Beschränkungen, so daß die katholische Be völkerung sich nickt mit ungetbeilten herzlichen Empfindungen an der vorgeschlagenen Ehrung betheiligen kann. AuS diesen Gründen können wir dem vorliegenden Anträge LeS Magistrats nicht zustimmen." — Die Mehrheit der Stadtverordneten nadm, wie gemeldet, ohne weitere Erörterung den MagistratS- antrag an. ^ MörS, 6. Februar. Der vom nationalen Wablcomit6 für die ReiLStagsersatzwabl am 8. Februar aufgestellte Candidat, der freiconservative Landrath vr. Hauiel, ist auch als Candidat des conservativen KreiöveremS und des Bundes der Landwirthe angenommen worden. Der Vorstand deS Bunde» der Landwirthe erließ folgende Erklärung: „Nachdem der Landrath vr. Haniel seine Zustimmung zum Anträge Sanitz in der Fassung der ivirtdjchastlichen Vereinigung des Reichstags erklärt hat, falls nicht Staatsverträge entgegen- ständen, derielbe auch in der Haudiverkersrage und der Frage der Börscnresorin befriedigende Zusagen gemacht hat, ist derselbe für die Reichstagsersatzwahl ain 8. Februar d. I. zum EandiLaten des Bundes der Landwirthe erklärt worden." Am 15. Juni 1893 wurden 12 562 Stimmen für Landrath Gescher (cons.) und 12 203 Stimmen für den klerikalen Amt-gericht-rath Fritzen abge-ebeu.
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