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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.02.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189502240
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950224
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950224
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-02
- Tag1895-02-24
- Monat1895-02
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.02.1895
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Vezugs-PretS >»pt»M«1tos «Lee de» tm Gtadd» Bezirk u»d de» Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich4.50^ »et »wetmaliaer täglich« A »stell»»« IX HaX LLÜ. Durch dt« Post b«t»a«u für Deutjchlaud und Oesterreich: vterteyüdrlich «^i 8-—. Direct» tägliche Kreuzb«ds»lldu»g iX AXlmid: «onötllch ?chv. Mi» Vrorgen-IXgad« erscheint täglich dt« Abend-AXgab« Wochentag» ä Uhr. Nrd«tto« mtz Lrpe-Rs«: AehtmaXgaffe 8. Diel gxk Fttiale«: Dtt» «e»«'» Vor««. (UlsreD Ha-ak Universitit-ktraße ^ Löst» Lösche. Mathariaerste, ich -art. »ad Ränigävlah 7» WM.TagMM Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigeu-Preis die 6 gespaltene Petitzeil« 2V Pfg. Iterlamra unter dem Redactiensstttck, (4 z». spalten) 50-H, vor den Familieaütnh richte» (S gespalten) 40<ch. Oräßere Schriften laut unserem Peelp »erzeichniß. Tabellarischer und Ziffrklrsatz »ach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gesalzt). n»r mit b«, Morgen-Ausgabe. ohne Postbesörderuag «ck SV.—. «»t Postbesörderuag ^ 7V.—i. Änaalsmeschluß für Artzrigen: Abeud-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen» Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn» und Festtag» früh Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Staad« früher. Koreige» find stet» au die Ek-editioa zu richten. Druck and Verlag von L. Polz d> Leipzig Sonntag den 24. Februar 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. OeffeMche Sitzung der Stadtverordneten Mittwoch, den 27. Februar 18V5. Abcu-S «V, Uhr, tm Lttz«ng»saale am Najchmartte. Tagesordnung: I. Bericht de» Ban», Oekonomie- und Verfaff'ungSausschusse» über Parcellirungsplan und ortsstatutarische Bauvorschristen ftr den zwischen Wächter-, Grassi-, Carl Tauchoitz- und Wilhelm Seyssrrth-Stroße gelegenen Baublocks. II. Bericht de» Bau-, Oekonomie» und Finanzausschusses über: ». thrtlweise Einziehung eines Fußweges in Leipzig-Connewitz und Verschmelzung de» betr. Areale» mit der städtischen Parcelle Nr. 159, Festlegung der östlichen Fluchtlinie des Apitzschgäßchen» und ein Abkommen mit Herrn Meyer wegen eine» Arealau-tauschrs; d. Ankauf der Parcellen Skr. 400 e, 417, 421, 4L4 de» Flurbuchs für Leipzig-Eutritzsch rc. III. Bericht des Bauausschusses über: a. bauliche Unterhaltung und Ausbesserung de» Grundstücks Brühl Nr. 37; d. Repa» ratur der Blitzableitung auf dem Gebäude der I. Realschule; c. Ausführung von Bauarbeiten an dem vorm. Eutritzschcr Chausseehause; ck. Conto 31 „Gebäude" des Haushaltplanes auf da» Jahr 1895. IV. Bericht des Stistungs-, Finanz- und bez. VerfassungsauS» schusses über das Specialbudget „Armenwesen" mit AuS- uahme von Spreialconto Pos. 13. Specialconto 0, Pos. 7, 9, 31, 49, 68, Specialconto 1)1, Pos. 14, Specialconto 0II, Pos. 12, Specialconto L, Pos. 8, Specialconto Ill.Pos. 11, Specialconto 0, Pos. L, und Speciatconto 8, Pos. 6 des HaXhaltplan» aus da» Jahr 1895. Bekanntmachung. Nachdem die öffentlich ausgeschrieben gewesenen Wasserleitun gs- und Gasleitungsarbeiten, sowie Lieferung des Mobiliars für den Neubau der Xlll. Bürgerschule in Leipzig-Plagwitz vergeben worden sind, werden die nicht berücksichtigten Bewerber ihrer Angebote hier mit entlassen. Leipzig, am 15. Februar 1895. ?04 Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Georgt. Vr. Seetzen 1b. 327. Anmeldung zum Anschluß an die Stadt-Fernsprecheinrichtung. Neu» Anschlüsse an die Stadt-Fernsprecheinrichturig in Leipzig sind, wenn die Ausführung in dem im Monat April beginnenden ersten Bauabschnitt de» Rechnungsjahres 1885 96 gewünscht wird, spätestens bis zum 1. März bei dem Kaiserlichen Stadt-Fernsprech» amt hier, Grimmaijcher Steinweg Nr. 3. II., anzumelden. Später eingehende Anmeldungen können erst im nächstfolgenden, am 1. Septeniber beginnenden Bauabschnitt berücksichtigt werden. Einer Erneuerung der bereits vorgemerkten Anmeldungen bedarf es nicht. Leipzig, den 9. Februar 1895. Ter Kaiserliche Lber-Postdireetor, Geheime Ober-Postrath. Walter. Die städtische Sparkasse beleiht Werthpapiere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 1. Februar 1895. Die Lparcassen-Tcpiitattoii. Thomasschule. Tie Vorprüfung der für Sexta angemeldeten Schüler findet Sonnabend, den 2. März, Vormittag» 9 Uhr statt. Leipzig, am 20. Februar 1895.vr. ckunxmana. Städtische Gewerbeschule. Anmeldungen für die Tagesschule werden vom 25. Februar bi» 4. März an den Wochentagen 4—5 Uhr, Sonntags 11—12 Uhr im Schulgebäude, Wächterstraße 13, entgegengenommen; vorzulegen ist da» letzte Schulzeugniß, sowie der Geburt»- oder Taufschein. Abendschule. X. Abtheilung für Maschiuenbauer, Mechaniker, Elektro techniker. Nnterricht»curse in Mathematik, Mechanik, Projection-zeichnen, Maschinenzeichner«, Elektrotechnik, Buchführung. ö. Abtheilung siir Vau- nnb Kunftgewerbc. Freihandzeichnen, Modelliren, Projectionszeichnen, Perspective, Bauconstruction, Fachzeichnen für Tischler, Schlosser, Klempner, Tapezierer, Bildhauer, Graveure, Buchbinder rc. Anmeldungen vom 25. Februar bi» 31. März. Nähere Auskunft ertheilt der Unterzeichnete. Leipzig den 9. Februar 1895. Ter Direktor. . Architekt P. Schuster. I. Realschule, Rordstratze S7. Mittwoch, de» 27. Februar, früh 8 Uhr Aufnahmeprüfung. Papier und Feder sind mitzubringeu. vr. k. kkalr, Direktor. II. städtische Realschule Leipzig-Reudnitz , (Sohlgartenstratze S8). Tie Aufnahmeprüfung findet am Mittwoch, Den !7. Februar (Aschermittwoch), Vormittag» 8 Uhr statt. Bi» dahin nimmt noch Reuanmelbnngen entgegen L.-Reudntp, de« 31. Januar 1895. H. Ab. pan Brause, Direktor. Die Freiheit der Wissenschaft. * Wenn da» Centrum mit den „Verbesserung»"-Anträgen, die e» in der sogenannten Um stürz com Mission de» Reichs tag» zu tz. 111» de- hier zur Beratbung stehenden Entwurf» ringebracht und für andere Paragraphen in Au-stcht gestellt Kat, den Zweck verfolgt, den Entwurf auch Solchen zu ver ekeln, die früher schärfere gesetzliche Waffen gegen die Umsturz bewegung stürmisch gefordert haben, so bat e» diesen Zweck erreicht: sogar unter den CentrumSwählrrn giebt es viele, denen banae wird vor einem von der CentrumSfraction „ver besserten" Umsturzgesetze. Gerade deshalb aber ist zu er warten, daß die Mehrheit de» Reich» lag» und die verbün deten Regierungen gegen jene „Der >esserungen", die der Wissenschaft einen Kappzaum auferlege, möchten, sich energisch wehren und dem Gesetz« den Charaktrrtleine» Damme» gegen gewaltthätige Umsturzversuche wahrenH werden. Immerhin ist eS erfreulich und dankenswerth, wenn hervorragende Gelehrte den der Wissenschaft und dem eigentlichen Zwecke der Vorlage gleich gefährlichen Bestrebungen des Centrum» ebenso entgegentreten, wie den vom Centrum eingeschüchterten „Piepmeiern", die, um die Wissenschaft vor einem Kappzaume zu bewahren, auch den gewaltthätigrn Umsturzversuchen zügellose Freiheit gönnen möchten. Zu jenen Gelehrten gehört Professor vr. Josef Langen in Bonn, der sich in der „Deutschen Revue" (herausgegeden von Richard Fleischer) über das wünschenswerthe und voraussicht liche Schicksal der Vorlage wie über ihre Wirkung in einer Weise ausspricht, die eine eindringliche Mahnung an die gesetzgebenden Körperschaften und an jene wissenschaftlichen Kreise in sich schließt, welche auS Sorge um die Wissenschaft der Gesetzgebung in den drobend und abwehrend gegen die aewaltthätigen Umstürzler erhobenen Arm zu fallen suchen. Wir sind durch die deutsche Berlagsanstalt in Stuttgart in die Lage versetzt, die Ausführungen Langen's aus dem in Kürze erscheinenden Märzheft genannter Zeitschrift schon jetzt mitzutheilen. Er lautet: Lieber Freund l Sie wünschen meine Ansicht über die Umsturzvorlage zu vernehmen, welche gegenwärtig den Reichstag beschäftigt. AuS Ähren Aeußerungen lese ich eine gewisse Besorgniß heraus, eS könne, je nachdem die Fassung deS Gesetzes ausfällt, dasselbe zum Schaden der Wissenschaft verwandt werden. Ich hoffe, daß diese Befürchtung sich nicht erfüllen wird. In einer Zeit, in welcher alle Völker wetteifern, die Wissen schaften zu bereichern, durch ihre Pflege daS Leben zu ver schönern, Wohlfahrt und Gesittung zu fördern, die Geistes anlagen nach jeder Richtung zu entwickeln und durch die Ei twicklung zu erhöhen und zu vermehren, sollte die deutsche Nation zum Jubiläum einer in der Geschichte beispiellosen Erhebung sich selbst ein Joch schmieden, daS unter Umständen sie geistig zerdrücken könnte? Man müßte an keine göttliche Leitung der Geschicke der Menschen glauben, wenn man Der artiaeS für möglich hielte. Alle Wissenschaften hangen mit einander zusammen, lehrt schon im 13. Jahrhundert der Franziskanermöuch Roger Bacon, und keine kann vernachlässigt werden ohne Schädigung deS Ganzen. Da» sagte der seiner Zeit weit voraus eilende geniale Mann, al» man, ihn selbst und den großen Albertus von Köln ausgenommen, noch keine anderen Wissenschaften kannte als die Theologie und „deren Magd" die Philosophie. Die Freiheit der Wissenschaft war damals ein unbekanntes Wort. Die Folgen davon sind Jedermann bekannt. Aber der menschliche Geist brach sich Bahn. Was damals ein verein samtes Genie, wie der genannte Franziskanermönch, nur ahnte, mußte sich in glänzendster Weise erfüllen: die Erforschung der Natur durch Experimente, die Erkenntniß der Vergangen beit durch Hcrbeischaffung von Handschriften, durch Er lernung aller Cultursprachen und scharfe Kritik und Inter pretation der Texte, nun ist es Gemeingut aller ge bildeten Völker geworden! Was hat dagegen alle Ge walt geholfen, mit welcher die Mächtigen die Stimme der Wahrheit zu ersticken suchten? Sie hat zahllose Märtyrer geschaffen, aber aus ihren Gräbern sproßte die Wahrheit mit um so größerer Fülle und Schönheit hervor. Ist nicht die beredteste Zeugin dieser Thatsache gerade die christliche Religion, welche Kurzsichtige um heidnischen Wahnes willen zu unter drücken trachteten, und die man heutzutage also vergeblich durch Zwangsmaßregeln aufrecht zu halten unternehmen würde? WaS der Kirchenvater Terlullian von dem christ lichen Martyrium sagte, daß das Blut der Märtyrer der Same neuer Christen sei, gilt von jedem Martyrium, welches Menschen aus Liebe zur Wahrbeit zu erdulden haben. Glücklicherweise sind die Zeiten vorüber, in denen der Kampf gegen die Wahrheit mit den Schrecken der Folterkammern mit Feuer und Schwert geführt wurde. Die bessere Ge sittung, die edlere Humanität, mit ^welcher die Pflege der Wissenschaft die Menschheit beschenkte, haben die Greuel ver gangener Zeiten für alle Zukunft unmöglich gemacht Und nun fürchtet man, wir sollten in ein so finsteres barbarisches Zeitalter eintreten in dem jungen deutschen Reiche, daß „daS Volk der Denker" zum Gespötte des Auslandes das allein noch mögliche Mittel der Geistes knechlung freiwillig sich zurecht machte in gefährlichen Ge setzen? Ist denn der Kampf, den die Wahrheit zu führen bat, nickt schon bitter und Kart genug, auch ohne hemmende Gesetze? Die Vorsehung scheint e» so gewollt zu haben, daß bei der zur Selbstüberhebung neigenden Natur der Menschen jeder Fortschritt in der Erkenntniß mit Verdemütbigung und Selbstüberwindung verbunden ist. Die Götter, sagten die Alten, haben vor die Tugend den Schweiß gesetzt. Ihren Werth als Tugend würde die Erkenntniß der Wahrheit ver lieren, wenn sie ohne Mühe und Kampf zu erringen wäre Der Lorbeer de» Sieger» soll auch dem Erkennenden winken, aber der Sieger weiß immer davon zu erzählen, wa» e» ihn gekostet. „In allen Jahrhunderten" schreibt Schopenhauer, „hat die arme Wahrheit darüber erröthen müssen, daß sie para dox war, und e» ist doch nicht ihre Schuld. Sie kann nicht die Gestalt des thronenden allgemeinen Irrthum» annehmen. Da sieht sie seufzend auf zu ihrem Schutzzoll, der Zeit, welcher ihr Sieg und Ruhm zuwinkt, aber dessen Flügelschläge so groß und langsam sind, daß da» Individuum darüber bin- stirbt." Sie kennen ohne Zweifel auch die alte sinnreiche Allegorie, wie die Menschen die Wahrheit zu Ehren brachten. Ein nichtSwürdige» Geschleckt hatte sie begraben und ihr Grab mit Unrath und Schmutz bedeckt. Den besseren Nach kommen dünkte da» schändlich. Sie gruben die Wahrheit wieder au», aber nicht um sie in» Leben einzufükren, sondern um sie von Neuem zu beerdigen, jedoch ihr Grab — mit Blumen zu schmücken. Sollten wir nicht einem noch besseren Geschlechte angebören, welche» den Werth der kämpfenden und leidenden Wahrheit einigermaßen zu schätzen weiß? Der schlimmste aller Dämonen, sagt ein alter Kirchen schriftsteller, ist die Unwissenheit. Wa» dir Menschheit an Bildung, Wohlstand, gesellschaftlichen Einrichtungen, auch an Religion und Sittlichkeit besitzt, ist ohne Wissenschaft unmöglich. Glauben Sie wirklich, daß man Soldaten und Missionare nach Afrika schickt, die „Wilden" zu cultiviren da» heißt ihr geistige» Leben anzuregrn und die Errungen schäften jahrhundertelanger europäischer Forschungen ihnen mitzutheilen, und dann gleichzeitig Material herdeischaffen könnte, die Quelle aller dieser Güter im eigenen Reiche zu verstopfen? Den Wilden gegenüber mag e» sich verlohnen, ie darüber auszuklären, welche Wichtigkeit für alle Verhält nisse geistige Arbeit und Regsamkeit besitzen. Bei uns wissen es Dank unserer culturellen Ueberlieferung die Kinder in der Schule. Sie hören, daß der Koloß de» chinesischen Reiches in dem gegenwärtigen Kriege durch die europäische Eultur Japans niedergestreckl wird. Und bei uns selbst ist der Schul meister, der nach der schönen und wahren Paradoxie bei Sedan legte, doch auch noch nicht in Vergessenheit gerathen. Gerade die Höbe menschlicher Bildung bringt es mit sich, daß rohe Ge walt auf keinem Gebiete, selbst nicht auf dem der Krieg- ührung, auf dem sie noch das meiste zu gelten scheint, die Ausschlag gebende Bedeutung bat. Intelligenz und Wissen lnd die erobernden Mächte geworden, welche den Kampf im das Dasein beberrschen. Entwicklung aller Gaben, Fort- 'chritt in jeglichem Erkennen, das nicht bloß dem einen Fache, ondcrn dem untbeilbaren Geistesleben zu gute kommt, ist die unabweisbare Pflicht Aller, welche träge Stagnation, Rück- chritt und geistige Fäulniß zu verhindern trachten. DaS Krislesleben in irgend einer Weise hemmen, wäre dieselbe Intbat am Vaterlande, wie an dem einzelnen Menschen eine künstliche Lähmung der zum Athmen erforderlichen Organe. „In demselben Grade," jagt Liebig, „als der menschliche Geist an Einsicht znnimmt, die ihm von irgend einer Seile zufließt, stärken und erbeben sich seine Fähigkeiten nach allen anderen Richtungen hin; die Erwerbung einer neuen Wahr tei t ist ein dem Menschen zugewachsener neuer Sinn." Die der menschlichen Entwickelung Schranken ziehen möchten, thun dies, weil sie sich vor neuer Wahrheit fürchten. Das bekannte menschliche Beharrungsvermögen, unter dem ittlichen Gesichtspunkte Trägbeit genannt, findet es sicherer und bequemer, bei dem gewohnten Irrthum zu verbleiben, als der neuen, unbekannten Wahrheit zu vertrauen, deren Adelsbrief, durch keine lange Vergangenheit zu erweisen, nur wenigen Auserwählten auf der Stelle sichtbar wird. Und nun erst, wenn man fürchtet, der Ankömmling aus der Fremde störe Besitz und Rechte, die wie infolge von Verjährung ans ewig unverlierbar schienen! Aber große Geister kennen keine Furcht. Noch Niemand konnte im 16. Jahr hundert ahnen, welche großartige Umwälzung auf allen Ge bieten des Wissens und de» Könnens, in Literatur und Kunst, in Handel und Industrie, in Leben und Verkehr, in Religion und Sitte die damals avfblühende Natur wissenschaft hervorzurufen bestimmt war. Aber wie stemmten sich die kleinen Geister gegen das neue Leben, als seien sie nun selbst mit dem Tode bedroht. Nur hochbegabte Männer dachten ander», auch wenn gerade ihr eigenstes Gebiet am ersten zu Schaden zu kommen schien. Wie unbefangen, wenn auch mit der Naivetät seiner Zeit, äußerte sich unter Anderen Luther über die neu entdeckten Welten: „Wir sind jetzt in der Morgenröthe des künftigen Lebens, denn wir sahen wiederum an, zu erlangen die Erkenntniß der Creaturen, die wir verloren haben durch AdamS Fall; jetzt seben wir die Creatur gar recht an. EraSmus aber fraget nichts darnach, wie die Frucht im Mutterleibe formiret, zugerichtet und ge macht wird. Wir aber beginnen von Gottes Gnaden seine Wunder und Werke auch in den Blümlein zu erkennen, wenn wir bedenken, wie allmächtig und gütig Gott sei. In seinen Creaturen erkennen wir die Macht seines Wortes, wie ge waltig das sei." Man kann eS verstehen, daß von neuem Aufschluß über bis dahin unbekannte Dinge stets zunächst eine Schädigung des religiösen Glauben« befürchtet wird. Klagt dock, schon EraSmus, daß, während die Vertreter aller anderen Wissenschaften jede Verbesserung, jeden Fortschritt auf ihrem Gebiete mit Jubel begrüßten, nur die Theologen krampfkaft alle Neuerungen von sich abzuwehren strebten, als brächten sie ihnen den Tod. Aber in Wahrheit wurden durch neue Erkenntnisse nur alte Irrthümer getödtet und begraben. Die Sache der Religion, die nie beschädigt werden darf, tritt durch bessere und reinere Beleuchtung nur in um so helleres Licht. Und wenn auch vorübergehend Disharmonien sich ereignen sollten, so wird durck ehrliche Forschung die auf regende Spannung bald gelöst, wahrend durck gewaltthätiges Ein greifen, wenn auch nur mit der Folter unbequemer Gesetzes- paragrapben, das Gleichgewicht nicht herzustellen, die Ruhe der Gemütber nickt zu gewinnen ist. Hoffen wir also, lieber Freund, da» Beste. Von der Einsicht deS Reichstage» erwartet da» deutsche Volk Gesetze gegen gewaltthätigen Umsturzversuch. Die Freiheit der Wissenschaft denkt e» sich dabei unberührt. Die Wissen schaft besitzt keine andere Gewalt, als die der ruhigen Unter suchung, welche Geist und Gemüth läuternd erhebt; statt umzustürzen, will sie bauen und weitersühren, wenn sie auch mitunter unbrauchbar Gewordene» durch Dauerhafteres ersetzt. Diese Arbeit de« Frieden» wird hoffentlich in der FriedenSära unsere- jungen Reiche- nicht gestört. Sie wissen, daß ich sonst nicht in dem Ruf eine» Optimisten stehe. Aber mein Vertrauen auf die göttliche Leitung menschlicher Geschicke auch auf dem Gebiete geistiger Entwicklung denke ich niemals zu verlieren. In alter Freundschaft Ihr Bonn, 5. Januar 1895. I. L. Deutsches Reich. —r. Leipzig. 23. Februar. E» lohnt sich, auf den bereit- literarisch angezeigten „Bericht über die Gufta v-Ado lf- Iubelfeier in Stockholm am 9. Decembrr 1594 von Geb. Airchenratb Prof vr.Fricke" an dieser Stelle kurz zurückzukommen, da e» in den Reden, die von unfern deutschen Deputirten in der Stadt de» großen Schwedenkönig- gehalten wurden, an politischen Streiflichtern, wie sich jetzt herauSstellt, nicht ge fehlt hat. UnS in Sachsen «nteressirt in erster Linie eine Stelle in der Erwiderung vr. Fricke'S auf die Ansprache de» Vorsitzenden deck FestcomitßS in Stockholm, Forsell, in welcher er erzählt, daß dieser ibn kurz vor dem „evangelischen Welt feiertag" de» ». Decembrr» in Leirzig besucht und dabei babe durchblicken lassen, daß er nicht ohne ernste Sorge um unseren deutschen Protestantismus sei. Fncke gesteht in feiner Erwide rung, daß ihm diese Sorge de» verehrten Manne» sehr wohl be greiflich gewesen, denn,fährt er ungefähr fort, „eS war inSachsen in den letzten Zeiten manche» geschehen, wa» Aufsehen gemacht hatte, e» konnte für den Fernerstehendea Wohl den Schein erwecken, als wäre unser gutes Lutherthum in Sachsen gefährdet durch den Katholicismus. Ich konnte ihn beruhigen. Nirgends wurzelt der Pro testantismus tiefer und sicherer, als in dem wie Schweden fast ganz evangelischen Lande Sachsen, das Gott gewürdigt hat, die Wiege der Reformation zu sein. Aber wir sieben auf der Wacht gegen die Propagand«versuche, die auch bei uns, wie hier in Schweden, nicht fehlen. . . . Auch wir wollen aufrichtig den Frieden mit unseren katho lischen Brüdern, wenn ihr Glaube echt ist, und wenn sie unseren Glauben achten und ungefährdet lassen, wie wir den ibrigen. WaS die geistige Macht deS Protestantismus ist, die Treue gegen daö reine Evangelium und die GewissMssreiheit, daö tritt vielleicht nirgends greifbarer hervor als iu unserem Sachsenlande, wo wir in Frieden mit unseren katholischen Mitbürgern leben und unser katholisches Königshaus nicht nur verehren, sondern lieben. Unp diesen Friedensgeist nach innen und nach außen wollen und pflegen wir auch in unserem Gustav-Adolf-Derein. Er ist nickt aggressiv, sondern defensiv, wir wollen nur mit ver einten Kräften vertheidigen, was unser ist, wenn er an gegriffen wird und in Gefahr steht, ohne unsere Hilfe an die katholische Kirche verloren zu geben. Vielleicht habe ich auf unseren großen Versammlungen keinen Namen von unserm Verein öfter und lieber gebraucht, als den eines „Fried ens- bundes nach innen und außen". Ich weiß, daß auch im „Evangelischen Bunde" dies im Tiefsten die (Je sinnung ist. Aber der Kampf wird uns au fgevrunaen durch den so gut wie überall organifirten Angriff auf unfern von Gott uns anvertrauten Besitz der Reformation. DaS weiß Niemand besser als der Gustav-Avolf-Verein mit seinen Verbindungen über die ganze evangelische Welt hin und aus seinen tausendfältigen Acten über die Diaspora. Sie müssen kämpfen überall". — Diesen treffenden Worten wäre noch manch' eines aus der von dem Feuer jugendlicher Be geisterung durchglübten und von kerndeutschem Patriotismus getragenen Predigt des allverehrten Vorsitzenden des Gnstay- Adolf-VereinS hinrurufügen. doch wir verweisen am besten auf die Schrift selbst, die schon um deswillen in jedes evan gelische Hau» gekört, weil ihr Ertrag bekanntlich zum Besten der evangelischen Gemeinde in — Fulda bestimmt ist. * Berlin, 23. Februar. Unter der Ueberschrift „Haben die Katholiken im Jahre 1848 den preußischen Königsthron gerettet?" schreibt das in Bonn erscheinende „Altkatbol. Volksblatt": „Das Febttziarhcft der „Preußischen Jahrbücher" theilt mit, vr. Pieper aus München-Gladbach habe vor einer Versammlung des Bolksvereins für das katholische Deutschland in Halbersradt am 15. Juli v. I. Folgendes behauptet: „König Friedrich Wilhelm IV. sagte 1848: „Die Katholiken haben meinen Tbron gerettet." Denn an den Katholiken sind alle Verführungskünste abgesprungen, und unsere kutbolischen Orden haben damals auf der Bresche ge standen. den Sturm von unseren Mauern abzuwehren." Ten sorgfältigsten Nachforschungen ist es nicht gelungen, die Authen- ticität deS Ausspruches zu beweisen. Der König hat ihn wohl nie gethan. Vielleicht liegt der Entstehung desselben aber auch die dunkle Erinnerung an einen Vorgang zu Grunde, der im Jahre 1848 in Breslau sich adspielte. Am 8. November 1848 war in Berlin das Ministerium des Grasen Brandenburg zu Stande gekommen, von welchem die constituirendc Versammlung Tags darauf bis zum 27. d. M. vertagt und in die Stadt Brandenburg verlegt wurde. Die Versammlung verweigerte den Gehorsam, blieb be schlußfähig und proclamirte Steuerverweigerung. Der Breslauer Magistrat trat in seiner Mehrheit ans die Seite der Abgeordneten. Zu der Zeit war Melchior von Diepenbrock Fürstbischof von Breslau. Am 18. November erließ er einen Hirtenbrief, in welchem er „vor Gottes Angesicht und vor aller Welt erklärte, daß, da Se. Majestät der König nicht aufgehört bat, unser rechtmäßiger König, d. h. unsere von Gott gesetzte Obrigkeit zu sein, die Pflicht deS Gehorsams gegen ihn und insbesondere die Pflicht der Fort- entrichtung der gesetzlichen Steuern an die dazu bestellten könig lichen Behörden für jeden katholischen Christen eine unzweifelhafte heilige Gewissenspflicht ist." Die Wirkung war ungeheuer. „Man sagt", schrieb der dankbare König am 28. November an den Fürst bischof, „es habe auf Katholiken und Evangelische wunderbar ge wirkt, und ich verstehe daS." Doch tief schmerzte es den Fürst bischof, daß von den übrigen katholischen Bischöfen Preußens auch nicht Einer mit ihm auf den Kampfplatz trat. „Leider", schrieb Diepenbrock am 27. Decembrr 1848 an Charlotte von Neumayer, „hat keiner der anderen Bischöfe ein Gleiches gethan; am Rhein wäre es fast wohl ebenso nothwendig gewesen wie hier und, wie ich höre, haben die Wohlgesinnten den Erzbischof Geissel (von Köln), selbst in Zeitungen, zu einer ähnlichen Erklärung aufgefordert, aber ohne Erfolg. Die Herren mögen mir nun nicht besonders hold sein; allein ich habe meine Pflicht gethan, und das Domcapitel, das ich zu Rache zog, war vollkommen ein verstanden und dankte mir sehr für den Schritt." Wer har also, um auf den angeblichen Ausspruch Friedrich Wilhelms IV. zurückzukommen, im Jahre 1848 aus der Bresche gestanden und ist dem Köiiigtbum in dieser unheilschwangeren Zeit wenn nicht zur Rettung, so doch zu einer mächtigen Stütze geworden? Es waren nicht die Katholiken im All gemeinen, nicht die Orden, nicht der Episkopat Preußens, sondern nur Einer aus diesem. Und Diepenbrock war ein Freund und Schüler des frommen Bischofs von Regensburg, Johann Michael Sailer» und durch diesen desjenigen KatholiciSmus, den die römische Kurie zu Gunsten ihre» herrschfüchtigen Ultramontani«- mu» stets bekämpft und endlich im Jahre 1870 durch die Juli- decrete rndgiltig erwürgt hat. Kommen, was Gott verhüten wolle, wieder einmal ähnliche Gefahre» über Preußen und daS deutsche Volk, wie im Jahre 1848, so wird di« königliche und kaiserliche Regierung sicherlich auch dann auf die Katholiken von dein Geiste Diepenbrock'S, nicht aber auf di» dem UltramontanismuS ergebenen S.yreier, mögen sie nun in Parlamenten oder Klöstern oder auf Bischofrstühlen sitzen, sich verlassen können." V. Berlin. 23. Februar. (Telegramm.) Der M«iser erledigte im Laufe des gestrigen Nachmittag» Regierungs geschäfte und begab sich nach der Abendtasel nach dem könig lichen Schauspielbause, wo er der Vorstellung bis zum Schluffe beiwohnte. Heute Vormittag arbeitete der Kaiser längere Zeit mit dem General v. Hahnke, empfing Mittags den Grafen zu SolmS-Laubach anläßlich dessen Beförderung zum Obersten ü la suils und nahm sodann dieMeldung de» Gesandten v. Bergen entgegen. Abend» 7 Uhr gedenkt der Kaiser dem Diner beizuwohnen, welche» der Staat-minister Ober Präsident vr. v. Achenbach den Mitgliedern de» Provinzial- Landtaae» der Provinz Brandenburg im Englischen Hause giebt. 8. Berlin. 23. Februar. (Privattelegramm.) Finanz minister Vr. Mtqncl ist der „Berl. Börsrn-Ztg." zufolge an der Influenza erkrankt.
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