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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.04.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950409015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895040901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895040901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-09
- Monat1895-04
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BezugsPreis ^ Hmchtexpeditton oder den im Stadt« t«Kk »nd dm Vororten errichteten Au», oabestrllr» abgeholt: vierteljährlich ^14.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung in» HanS^l 5^0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Österreich: vierteljährlich >4 6.—. Dirrcte tägliche ktrruzbaudirooung tut Ausland: monatlich ^lli 7.50. Di«Morgen-Autgab« erscheint täglich mit Aus nahme «ach Tonn« und Festtagen >/,? Uhr, die Abeud-Ausgabe Wochentag« 5 Uhr. Nrdartion «nd Erpe-ilio«: Iohannesgasse 8. Die Expedition ist Wochentag« un unterbrach»» geöffnet von früh 8 bt« Abends 7 Uhr. Filialen: Vit« «am»'s Sorll«. (Alfred Hat«), UniversitätSftraße 1, Laut» Lösche, -atharineosrr. 14, pari, und SSnigsplatz 7. Morgen-Ausgabe. tlmlgcr und Tageblatt Arizeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeite SO Pfg. Reclamen unter demRedactton?strich (4gv> Walten- 50^-. vor den Familiennachrichlei, «igeivaltrn) 40^. «größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Ztssernsay nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nnr mit der Morgen«Ausgabe, ohne Postdefördrrung YO —, mit Postbesbrdernng -4l 70.—. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. 18«. Dienstag dm 9. April 1895. AMiche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Bei unserm Stadtorchester, daS den Dienst in Kirche, Gewaud- hausconcert und dem Stadttheater zu versehen hat, wird am 1. Mat ds«. IS. die zweite Stelle für lste Flöte frei, welche baldigst durch Gewinnung einer vorzüglichen Kraft wieder besetzt werde» soll. Für eine solche kann ein Iahresgehalt von 2100 >l (1854 vom Theater, 450 vom Gewandhausconcert und 296 >4 von der Kirche) gewährt werden; auch ist die Stelle nach einem Probe- ,adr mit Anspruch aus Pensionsberechtigung für den Inhaber sowohl als auch für dessen Wiltwe versehen. Bewerbungsgesuche mit Zeugnisabschriften und kurzem Lebens lauf nur solcher Gesuchsteller, welche nicht Böhmflöte blasen, sind spätestens bis . M-ntag, den 22. dsS. MtS, bei uns einzureichen. Auswahl unter den Bewerbern, welche sich einem Probespiel zu unterziehen haben, bleibt Vorbehalten. Leipzig, den 6. April 1895. Der Math der Stadt Leipzig. l)r. Georgi, Oberbürgermeister. Mlisch, Ast. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Räume bleibt die Geschäftsstelle unserer WasserwerkSverwaitnng in Leipzig.Plagwiy Dienstag den 16. April d. A., für den Verkehr mit dem Publicum geschlossen. Leipzig, den 2. April 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. Io. 1200. vr. Georgi. Cichorius. Bekanntmachung. ^ Wir bringen hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß vom heutigen Tage ab der Leipzig-Anger-Croltendorf-Stünzer Lommunicationsweg bis auf Weiteres für allen durchgehenden Fährverkehr gesperrt wird. Leipzig, am 6. April 1895. Der Math der Stadt Leipzig. H 2083. Vr. Georgi. Gr. Bekanntmachung. Mt Zustimmung der Herren Stadtverordneten haben wir beschlossen, die auf dem Plane rvth eingezeichneten, die Parcelleu Nr. 2463, 2464, 2467, 2468a. 2468 und 2479 deS Flurbuchs für Leipzig in ihrem westlichen Thelle berührenden Straßenzüge des südöstlichen Bebauungsplanes in Gemäßheit der Einzeichnung fest zuleaen. Der Plan liegt bei unserer Tiefbau-Verwaltung (Nachhalls, II. Stockwerk, Zimmer sflr. 23) vier Wochen, vom Abläufe des Tage? nach der Ausgabe der diese Bekanntmachung enthaltenden Amtsblätter an gerechnet, zu Jederinanns Einsicht aus. Widersprüche sind innerhalb dieser Frist schriftlich bei uns an zubringen. Nach Ablauf der Frist eingebrachte Widerlprüche werden als versäumt betrachtet und haben keinen Anspruch auf Berück sichtigung. Leipzig, den 5. April 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. 517. vr. Georgi. Bis. Gesucht wird der am 9. Januar 1848 in Großmonra geborene Schlosser Karl Friedrich Liedau, welcher zur Fürsorge für seine Famiiw an- zuhalten ist. Leipzig, am 2. April 1895. Der Rath der Stadt Leipzig, Armen-Amt, Abrh. II. R. VI. Abth. II, 57lo. Hentjchrl. Meyer. Gesucht wird der am 29. Juli 1852 in Friedeburgerhütte geborene Geschirr- iührer Janny Max Emil Dittrich, welcher zur Fürsorge für seine Kinder anzohalten ist. Leipzig, den 30. März 1895. Der Rath der Stadt Leipzig, Armenamt, Abth. It. k. II. Nr. 395. Hentschel. Rüber. Diebstahls-Bekanntmachung. Gestohlen wurden laut hier erstatteter Anzeige: 1) eine goldene Schlipsnadcl, halbmondförmig, mit einem rothen und zwei blauen Steinen, am 24. v. Mts.; 2) eine runde (korallenbrosche in Goldfassung und eine zweireihige (sorakenkette mit goldenem Schloß, am 4. d. Mts.: 3) ein Tvazterstock von Ebenholz, mit Elsenbeingriff, darauf eine Widmung mit den Namen „Schretter, Witzleben" rr., am 1. d. Mt».: 4) 16 Stück weihleinene Betttücher, 2 weitzleinene Bett überzüge, ein roth- und weißgestreifter Bettüberzug, sämmtlich „dl. dl." gezeichnet, 6 weitzteinenc Frauenhemben, „k. 8." gezeichnet, und eine weißlrinene Wasfelbeltdecke, vom 30. bis 31. v. Mt».; 5) ein neuer Sommerüberzteher, hellgrau, mit einer verdeckten Reihe gelber Hornknöpfe, grauem, halbseidenem Futter, geibgestreistcm Aermrlfuttrr und Stoffhenkel, am 5. d. MtS.; 6) ein Jacket von schwarzem Cheviot, mit schwarzem Futter und eine rbenfolche böse» vom 28. Januar bi» 2. d. Mts.; 7) ein Wtnterüberzieher von dunkelbraunem rauhen Stoff mit schwarzem Sammetkragen, einer verdeckten Reihe Steinnuß- knöpfe, hellgrauem Futter und Kettchcnhenkel, am 25. v. Mts.; 8) rin Jacketanzng von braunem Eheviot, am 23. Februar diese« Jahres; 9) e«n kptl-Aahrrad mit Pneumatic-Reifen, schwarz kackirt, ohne Schutzbleche mit Renn-Pedalen ohne Gummi und mit der Fabriknummrr 19060, am 1. d. Mts. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Gegenstände oder über den Thäter sind ungesäumt bei unserer Crimtnai-Abtheiluug zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 8. April 1895 Das Polizeiamt der Stadt Leipzig. Bretschneider. Ml. Evangetisch-reformirte Gemeinde. Die Eltern, deren Kinder zu Ostern 18S6 in der rrsormirten Kirche confirmirt werdrn sollen, wrrden hierdurch aufgrfordert. sie Dienstag, den 16, »der Mittwoch, den 17. April 18S5. zwischen 2 und 4 Uhr in der Sakristei (Thamaskirchhos 25» I.) anzumelden und zwar die Knaben bei Herrn Pastor 0. Mehl hora. die Mädchen bei Herrn Pastor Bonhoss. Dt« Kinder können sich nicht selbst onmrldrn, aber ihr Mitkommen ist erwünscht. Leipzig, den S. April 18S5. Evangeltsch-resormirtes Pfarramt. Die städtische Sparcasse beleiht Werthpaptere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 1. Februar 1895. Die Sparcasfen-Deputation. Professor vr. Linding und die Ltrafproceß- novelle. k. Die Ansichten Prof. vr. Binding's über den Entwurf einer Novelle zum GerichtSversassungsgesetz und zur Straf- proceßordnung sind seiner Zeit in die Debatten deS Reichs tage« hineingezogen worden und haben dadurch auch für weitere Kreise ein hohe« Interesse erlangt. E« ist selbst verständlich, daß man daS Urtheii eine« Manne«, der nicht allein zu den bedeutendsten Katbeder-Criminalisten der Gegen wart gehört, sondern auch 15 Jahre lang als Richter in Strafkammern mitgewirkt hat, bei der VentiUrung einer so hochwichtigen Frage, wie sie in der Novelle aufgeworfen wird, nicht unbeachtet lassen darf. Darum ist es auch mit Freude zu begrüßen, daß die Aufsätze, welche ursprünglich in der „Nationalzeitung" erschienen, von dem Verfasser zu einer Broschüre erweitert worden sind*). Binding aiebt zunächst eine allgemeine Charakteristik de« Entwurfes. Er ist ihm nicht günstig gesinnt. Das geht gleich aus den Eingangsworten der Schrift hervor. „Nach einer Periode großartigen Auf schwunges auf allen Gebieten des Staatslebens", heißt es da, „daS Abschlaffen der Bewegung beobachten zu muffen, macht wenig Freude und stimmt zur Resignation. Ader dieser Fortgang, richtiger nicht Fortgang kann nicht gerade Besorgnisse erwecken, da er natürlich ist. Wenn aber versucht wird, jene Bewegung nach vorwärts einfach in eine retrograde zu verändern, ibre Erfolge auf bestimmten Ge bieten, statt sie zu befestigen und auszubauen, mit harter Hand zu zerstören, dann muß Jeden schwere Sorge packen, der es mit unserer Zukunft gut meint, denn sie wird auf unbestimmbare Zeit in Frage gestellt." Binding bezeichnet den Entwurf speciell als einen preußischen Entwurf, einen Entwurf Schilling, der mit den Flicken der von Schilling »erfaßten preußischen Strasproceßordnung den Mantel der ReichSstrasproceßordnung verbrämen wolle. Nur den Bestimmungen über die Entschädigung unschuldig Berurtheilter ist der Verfasser günstig gesinnt. „DaS Streben des Staates, einen Theil des schweren Unrechts gut zu machen, das er dem Unschuldigen durch seine Bestrafung angethan", sagt er, „kann im ganzen deutschen Volke und im Reichstag insbesondere der sympathischsten Ausnahme gewiß sein. Aber tief müßt« beklagt werden, wenn die dahin gehenden Vor schläge auch Stimmung machen sollten für den anderen Tbeil des Entwurfes, mit dessen Grundtendenz sie in schneidendem Widerspruche stehen." Diesem anderen, größeren Tbeile des Entwurfes steht der Verfasser feindlich gegenüber, weil ihn das Gegentheil von dem, waS er will,nämlich Härte gegen den Angeklagten, charakterisire und er sich feindselig zur geltenden Strasproceß- ordnung stelle. Er bekämpfe ihn, denn die unausbleibliche Folge davon müsse fein, daß er sie verderbe. Der Geist, der ibn durchwehe, fei der Geist der Strafrechtspflege zur Zeit des sinkenden JnguisitionSprocessrS, dessen zwei Grund richtungen zu bezeichnen sind als die proceffuale Rücksichts losigkeit gegen den Verdächtigen, der vor dem Urtheile schon zum Schuldigen gestempelt werde, und als die Gleich giltigkeit gegen die Gerechtigkeit des Strasurtheils: die Ver- urtbeilung ru erzielen, ist an sich ein Triumph! „Nur in Einem weicht die Tendenz deS Entwurfs", heißt «S in der Schrift weiter, „von der veS alten Jnquisitionsprocesses ab: im Tempo! Während die Jnquisitionsprocesse sich endlos hinschleppten, huldigt der Entwurf einer überstürzten Ab macherei und Abschlachterei der Strafsachen, wie sie ver wüstender kaum gedacht werden kann". „Theurer und schlechter", das wird die Devise der neuen Justiz nach Binding's Ansicht. Das Richtige wäre im Reichs tage demnach die Ablehnung des ganzen Entwurfes, mit Aus nahme der Entschädigung unschuldig Berurtheilter. Darin gipfeln seine Ausführungen. Er bekämpft, daß an Stelle deS unabhängigen Präsidiums die LandeSjusiizverwaltung die Vor sitzenden der Kammern und Senate ernennen soll, er findet in den Vorschlägen, welche eine Reihe von Delikten der Zu ständigkeit der Strafkammern entziehen »nd den Schöffen gerichten überweisen, sowie in der Verminderung der Richter deS StrafkammercollegiumS von fünf auf drei eine Degra dation der Strafkammern, die sie nicht verdient hatten. Er findet aber auch in diesen Vorschlägen eine tief eingreifende Verschlechterung in der Stellung des Angeklagten. „Statt mit einer Majorität von vier Fünftel, soll seine Be» urtbeilung jetzt mit einfacher Majorität beschlossen werden können. Zwei Stimmen und 15 Jahre Zuchthaus!" Mit gleicher Schärfe wendet sich der Verfasser gegen die Aus dehnung des ContumacialverfahrenS, gegen das beschleunigte, abgekürzte Verfahren bei Ergreifung deS Schuldigen auf handhabter Thal und gegen die amtsrichterlichen Straf befehle. In letzterer Beziehung wird man ihm im Volke kaum bei stimmen. Der amtSrichterliche Strafbefehl wird in vielen Fällen als eine sehr segensreiche Einrichtung empfunden. Der Schuldige, der sich schuldig fühlt, ist frob, daß er durch den Strafbefehl der öffentlichen Hauptverhandlung entgeht und überdies Zeit und Kosten spart, und der Beschuldigte, der sich unschuldig fühlt, kann gemäß 8 "9 der Strafproceß- ordnung Einspruch erheben uud dadurch die Sache vor dem Areopag noch zum AuStrag bringen lassen. Den Ausführungen über die Berufung wird man eben falls nicht allenthalben beipflichten können. Wenigstens möchten wir die Bemerkung der Motive des Entwurfs, daß ein Strafverfahren ohne Berufung im Volksbewußtsein nicht da» erhoffte Vertrauen gewonnen habe, nicht ohne Weitere als leere, unwahre Phrase abthnn. Wer mitten im Volks leben steht und es nicht wie von oben hcrab betrachtet, wird finden, daß die Motive nicht so ganz Unrecht mit dieser *) Der Entwurf eine« Gesetze», betreffend Änderungen und Ergänzungen Le» GerichtSversassungSgrsetzeS und der Straiproceh. ordnung. Besprochen von vr. Karl Binding, Berlin. Carl Heymann « Verlag. „Der Angeklagte," sag Bmdmg, „der nicht r» ^ hat, einen Vertbe.d.ger zu besitzen. ^ nicht, was er nach Anmeldung Unzufriedenheit weiter zu tbun b°bn foll. ^»me ^ mit dem ergangenen .bUthk' md st' -^nf^ also gleichzeitig gekommen, und wieder erla ü . „ i, die anfechtbares, weil mit grobe» F-bl-rn^ " Kommt eS aber Wirklich zur veroancniiig, na» Ä»sl«, I-br schlechterungen der ersten Instanz, deducnt » , Verringerung der Richterzahl, kehren in der zweiten genau s wed r Ein mündliches Verfahren braucht unbedmg GerichtSsprengel mäßigen Umfanges. DaS Bewe.smatena muß leicht und ohne zu. große Kosten an d»s Ge richt geschafft werden tonnen. DaS beu"che Reich mit seinen annähernd 10 000 Ouadratnieilen »^lt l - -- und 28 Oberlandesgerichte. Der Sprengel der erste«» um saßt also durchschnittlich 58. der der letzteren über ch. OuadratmeUen. Gerade d,e Oberla.,deSger,chte aber nnt diesen kolossalen Sprengel» sollen Berufungsgerichte werde^ DaS allein bedeutet einen Bruch mit der Münd ck ke weit über daS jetzige Maß hmanS- Die Schriftlichkeit rer Berufungsinstanz aber stellt sich wieder als eme Schriftlichkeit schlechtester Gattung dar, und felbsi die nicht sehr scrupulösen JnguisitionSrichter würden davor zuruck- schrecken. Ein gewissenbaftes, schriftliches Verfahren ze.chaet sich durch die Sorgfältigkeit, Vollständigkeit und Glaubwürdig keit seiner Protokolle auS. Dieselben werden von juristisch gebildeten, gut geschulten Gerichtsschreibern langsam, peinlich genau uud vollständig — sogar mit Einflechtung eines Geberden-ProtokolleS — aufgenommen, den Vernommenen vorgelesen, von ihnen controlirt, berichtigt, genehmigt. Alles, was irgend zur Sicherung ihrer Glaubwürdigkeit geschehen kann, einerlei, wie viel Zeit'es kostet, geschieht. Die Folge davon ist die berüchtigte Langsamkeit schriftlichen Verfahrens: schrift lich schnell processiren, beißt lüderlich processtren! Von allen jenen Maßregeln, den Protokollen das größte Maß der Glaub würdigkeit zu sichern, adoftirt der Entwurf keine einzige, ,ie alle unterbleiben. Bon «ungen Referendaren oder gar von Expedienten aus Grund dürftiger Notizen im Drang der Geschäfte möglichst rasch gefertigt, wegen faktischer Unmöglich keit der Sichtung und Bewältigung deS Materials nie ab geschlossen während der Hauptverhandlung, vielmehr stets, nachdem dieselbe längst ibr Ende erreicht hat, jeder Controle durch die aussagenden Personen entzogen, von ihnen werer genehmigt noch berichtigt, häufig einfach abgeschrieben aus den Entsckeidungsgrünten, besitzen sie nicht entfernt das Maß der Zuverläffigkeit, dessen jede UrtheilSgrundlage auch im schriftlichen Processe bedarf. Ich habe sie öfter so leer und schaal und ungenau gefunden, daß mir ihr Werth gleich Null erschien! So ist das Benlfungsverfahren des Entwurfs in der Tbat nur eine häßliche Caricatur und des deutschen Volkes so unwürdig, daß auch die Anbänger der Berufung sie verwerfen müßten. Das Recept, ein Verfahren, über dessen Mängel geklagt wird, dadurch zu verbessern, daß man eS verdirbt und zum Ersatz eine noch unvollkommenere zweite Instanz darüber aufbaut, schmeckt doch zu arg nach Bankerott der Gesetzgebung. Diesen bitteren Geschmack hätte man unS am Ende dieses Jabr- bundertS, das unsere Gesetzgebung mit Feuerbach's eminentem Werke ganz großartig inaugurirt hat, billig erspart! So weit Binding. Den Schluß seiner Schrift bilden die Ausführungen über die Gestaltung der Entschädigung un schuldig Bestrafter. Er will sie nur denjenigen zu Gute kommen lassen, die unter Anerkennung der Unschuld frei- gesprochen worden sind. Diesen aber soll sie möglichst weit gehend gewährt werden und zwar in Gestalt deS Ersatzes des erlittenen VerinögenSschadenS, der Rufwiderherstelluug durch Veröffentlichung des freifprechenden Erkenntnisses uno der Gewährung einer Genugthnung durch eine nach Einheits sätzen, entsprechend der Höhe der erlittenen Strafe, zuerkannte Gelbentschädigunz. Deutsches Reich. * Leipzig, 8. April. Bon Herrn Professor vr. Bertbold Dol, in BreSlau werdrn wir um Abdruck folgender 4u- schrift ersucht: In Nr. 142 macht das „Leipziger Tageblatt" sich »inen Wrhrrus deS „Deutschen Merkur" darüber zu eigen, daß in der neuen Auflage de» Handbuches der Geographie von Daniel gkstyt sei: „Die römische Kirche ist nicht eine die Kirche." Seit einem Mrnschenatter hat jeder Leier diese Worte, die schon in der 1859 erschienenen ersten Auslaae des Daniel scheu Handbuches (Bd. I. S.176) stehen, nach dem Zusammenhänge der Stelle richtig als eine Selb,tcharakteristik der katholischen Kirche verstanden und dnnnach keinen Anstoß darin gesunden. Gewiß wstd der scharis.chtige Recensent nun auch einen Weheruf darüber aus- stoßen, daß wir überhaupt von einer „katholischen" Kirche sprechen Denn katholnch bedeutet ja dasselbe, wie jene Worte Daniel s um derentwillen er - ein „Muster kritischer Lbjectivitüt" - nick »u einem römischen Katholiken machen möchte. ' * -7. ^ ^'"stnder jener in Nr. 142 deS Leivriaer Tageblattes abgedruckten Auslastung bemerkt zu der^vvr- stehenden Ausführung deS Herrn Lw. Bolz- ' * .'Deutschen Merkur" besteht trotzdem »u »'A Kirche ist nicht eine Kirche, sondern di» * ^lbstcharakteristik gemeint, so Ist er auch nach ""vaflend; denn manche andere Kirchen , B orthodoxe Kirche, halten sich auch „für die Kirche" Die Sciilttk die"o^"a schon deswegen nicht zutressend weil A dEn, 8. April. In einem Stücke scheint die Heit de- Grasen Caprivi wieder aufleben zu wollen: die „Nordp. Aunahmschlub für Anmgen: (nur Wochentag-) Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen j« rin« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dir Expedition zu richte». Truck und Verlag von E. Polz ln Leipzig. 89. Jahrgang. Allg. Ztg" gkberdet sich vfsiciös und treibt das Handwerk genau fo, wie im vorigen Sommer. Sie tritt jetzt für die som Ccntrum umgcmodelte Umsturzvorlage ein, während sie damals jede gesetzliche Bekämpfung der revolutionären Be strebungen zurückwies; die Melbode ist jedoch dieselbe geblieben. Herr v. Bennigsen bat (ich am 10. Januar gegen die übertreibende Kritik der Regierungsvorlage gewendet und die „Nordd. Allg. Ztg." ruft jetzt der „ationalliberalen Presje zu: Seht Ihr, Euer Führer hat den Commiss»onSentwurf vertheidigt. DaS Taschrnspielerstück ist plump und braucht deshalb nicht beachtet zu werden. Ernst ist nur die Thatsache zu nehmen, daß die neue Negierung schweigend dir ossiciöse MaSke des Taschenspielers duldet und also durch die Inanspruchnahme einer derartigen Unterstützung sich zu nützen glaubt. Die „Nordd. Allgcm. Ztg" läßt übrigen- nicht nur daS über die Regierungsvorlage Gesagte über die Commissionösaffung gesagt sein, sondern sie fälscht auch die Rede des Herrn von Bennigsen selbst durch Weglassung von Bedenken, die er sogar der Regierungsvorlage gegenüber zum Ausdruck gebracht bat. Diese Rede ist nicht nur nicht über den Cvmmissions- entwurs gehalten, sie paßt auch aus ihn nicht in allen den Punkten, um die jetzt der Streit sich haupt sächlich dreht. Herr von Bennigsen hat die verschiedenen bürgerlichen Parteien aufgrfordert, ibre besonderen Interessen zurücktreten zu lasten in dem Kamps gegen die revolutionären Agitationen. Das Cenlrum hat aus der Regierungsvorlage ein Werk gemacht, das fast ausschließlich seinen besonderen Interessen zu dienen bestimmt ist und der Berämpfuug der soeialrevolutionären Agitation eine unter geordnete 9toUe zuweist. Die „Nordd. Allg. Ztg." niaibr geltend, die Socialdemokratie sei „nichts weniger als ein scharf umgrenzter Begriff". DaS ist doch der thorichtste Ein wand gegen die Zurückweisung einer GesekeSänverung, welche, wie die Beseitigung deS Kanzelparagrapben, nicht etwa die Gefahr einer über den ursprünglichen Zweck des Gesetzes binausgehenden Anwendung birgt, sondern eine bisher strafbare Agitation freiläßt. Und wenn jener Begriff nicht scharf umschrieben werden kann, so ist dock zweifellos, daß Derjenige nickt socialdemokratische Be strebungen fördert, der den Abguß einer wicht unzüchtigen nackten menschlicken Figur, defjen Original vielleicht aus Bestellung eines Papste« entstanden ist, öffentlich sehen läßt. Der ComiffionSentwurf bedroht aber solche Schaustellung, mit einer die Strafbarkeit von dem Empfinden und dem Kunft- verständniß des Richters abhängig machenden Ein schränkung. Wenn der „Nordd. Allgem. Ztg." auß den „ationalliberalen Zeitungen der Unterschied zwischen der Regierungsvorlage und den Commissionszusätzen nicht klar geworden ist, so mag sie sich dock einuial die Reihe der Gelehrten und Künstler anseticn, die zu der ursprünglichen Fassung geschwiegen haben und jetzt protestiren. Uebrigens spricht jetzt die „Kreuzzeitung" das erste Wort zu Gunsten der Comniissionöfassung und zwar nicht ohne Vorbehalt. * Berlin, 8. April. Professor B eh sch lag-Halle, der Führer der kirchlichen Mittelpartci, spricht sich in den „Deutsck-cvangeliscken Blättern" über die Umsturzvorlage aus. Bevscklag hält den Grundgedanken, von dem die Re gierung bei dem Entwürfe ursprünglich ausgiug, für durchaus richtig. Um so bedeutsamer ist es, daß er über daS Mackwerk, wie eS nunmebr vorlirgt, zu folgendem Urtheil gelangt: „Nicht ohne Grund fitrchlet man von gewissen Be stimmungen der Vorlage, welche die Erörterung der zartesten Probleme menschlichen Denken« und Dichtens einer einseitig juristischen Aburtbeilunz preiSzugeben drohen, eine heillose Schädigung des freien GeistesprocesseS, welcher seine Jrr- und Fehlgänge Kat, aber auch allein im Stanve ist, dieselbe durch die freie Mackt des Wahren und Guten zu überwinden. Ich mag nicht Proteste unterschreiben, unter denen ich neben ven Namen ernster und trefflicher Männer auch solche als Advocaten unserer GcisteSfreibeit erblicke, welche dieselben durch Verbreitung atheistischer Ideen oder frivoler Dichtungen entschieden mißbrauchen, aber auch ich muß davor warnen, von einer äußerlichen Repression solcher unsaubern Geister etwas andere- zu erwarten, als deren Wiederkehr mit sieben Gesellen, die schlimmer sind als sie selbst. Vollends unan nehmbar sind die Verschlimmbesserungen, welche die CentrumS- männer an der Vorlage vorgenommen haben. Sie natürlich heimelt die strafrechtliche Verfolgung von Jrrgeistern an: das ist ja daS einzige Mittel, welches die römische Kirche von jeher gegen wirkliche oder vermeintliche Jrrgeister gehabt hat» — der JnquisitionSproceß, und welch eia Triumph, wenn man den geängsteten Staat wieder wie im Mittelalter dahin bringen konnte, der Kirche die Kastanien aus dem Feuer zu bolen! Aber wenn erst daS Dasein GotteS und die Un sterblichkeit der Seele nach Herrn Rinte len in Deutsch land mit 600 Geldstrafe geschützt werden müßten, dann wäre eS mit dem deutschen Christenthum und mit dem christ lichen Deutschland zu Ende! AuS welcher Staatsgesinnung solche Weiterbildungen der Umsturzvorlage entspringen, das hat am besten die Thatsache ins Licht gestellt, daß dieselben CommissiouSniitglieter den sogen. Kanzelparagraphen beseitigt haben, das Verbot, die Kanzel zur Erörterung politischer Angelegenheiten und so zur BolkSaufhetzung zu mißbrauchen. Der Staat soll verfolgen, WaS die Kirche für unzulässig erklärt, aber ibr sollen die Hände zum Angriff aus ihn selber freigelassen werden! Möge man die un verfänglichen Thcile der Umsturzvorlage annebmen, aber von den Danaern keine Geschenke nehmen und von der ganzen Unternebmung nickt allzuviel erwarten. Die Staatsgewalt kann mit ihren Mitteln nicht alle-; aber eine deutsche Regierung darf auf die freie Macht deS besseren Geistes in der Nation vertrauen. Sie darf es wenigsten- dann, wenn sie, selbst von ernstlich-sittlichen Grundsätzen getragen, klar und folgerichtig in deren Hochhaltunz, allen opvortunistischcn Compromisscn mit verwerflichen Parteien abfagt uud die gesunden Elemente, welche in Deutschland überall nicht un- thatig sind, u,n sich zu sammeln versteht." ^'. Berlin, 8. April. (Telegramm.) Zur gestrigen Frühstücks- und Abendtasel im iLchlosse waren keine Ein ladungen ergangen. Am Nachmittage unternahm da« -tzttser- paar eine Spazierfahrt, nach deren Beendigung der Kaiser im Arbeitszimmer verblieb und allein arbeitete. Heute Vor mittag mackke da- .Kaiserpaar von 9 Ubr ab einen gemein«
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