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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950718022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895071802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895071802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-07
- Tag1895-07-18
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Redaktion ynd Lrpeditio«: L«b«»ne»,afie k. Di» Expedition ist Wochentag- ununterbroche» geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Filialen: eit, RltWm'S eortiiit. (Alsretz H-tzni, UnspersitätSstratze l. Lnnig Lösche. Eatharin-nfir. 14, pari, »nd Köniqtvlatz ?. Abend-Ausgabe. eiMM.TagMM Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Slr,zeigeir.PreiV die 6 gespaltene Petitzeile 80 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4go- spsiten) 50^. vor den gamilieunachrichteu (6 gespalten) 40 «L- Grödrre Schriften laut unserem Preis- derzrichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz noch höherem Tarif. Extra-Veila-rn lgesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördernng ^l 60. —, mit Postbesördrruug 2t 70.-». Anuahmeschluß für Äuzeige»: (nur Wochentag«) Abrud-Ausgab«: BorinittagS 10 Uhr. Marge n-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition »u richtrn. Druck und Verlag von E. Pol» kn Leipzig. M. Donnerstag den 18. Juli 1895. 89. Jahrgang. Stambulow f. * Sofia,18.Juli. (Telegramm.) Stam^ulow ist heute Morgen rt Uhr it« Miggten gestorben. -p. Schon die in der Nacht aus Sofia einaetroffenen Nachrichten ließen kaum noch einer schwache» Hoffnung auf Erhaltung des Lebens Stefan Stambnlow'S Raum. Gestern Vormittag öffneten die Aerzte den Kvpfverbqnd und fanden den Stand der Wunden befriedigend, Nachmittags ver fiel Stambulow in Apathie; um 8 Uhr Nachmittags war die Temperatur 39«; sie fiel zwar später, aber daS Befinden deS Kranken verschlimmerte sich dann plötzlich in bedenken- erregender Weise, da eine der Wunden Brandsyniptome zeigte. Die Körpertemperatur stffg wieder auf 39° und darüber, AbendS 9 Uhr wußte man, daß Stambulow den nächsten Tag nicht mehr überleben werde, noch bei Morgengrauen schloß er die Augen für immer. Für einen Augenblick werden die Machthaber in Sofia anfathmen, denn der gefährlichste Zeuge, den sie fürchten mußten, ist verstummt; aber Stambnlow'S Schatten wird ihnen keine Ruhe lasten. Sie selbst und mit ihnen Bulgarien gehen einer ungewissen Zukunft ent gegen. Bulgarien steht am Rande des Bürgerkriegs, und wenn derselbe schwere europäische Complicationen heranf- beschwört, so tragen sie die Verantwortung. Sie haben, in elender Selbsterniedrigung dem Zaren sich vor die Füße werfend, russischem Einfluß wieder Thür und Thor geöffnet, »nd daS bedeutet den Wiederanfang der Acra des im Dunklen schleichenden VerschwörerthumS. Jetzt, nachdem der treue Wächter über die Selbstständigkeit seines Landes nicht mehr unter de» Lebenden ist. Niemand den selbst nach seinem Sturze noch Gefürchteten, mehr zu fürchten braucht, kann die Zeit der Attentate, der Putsche und Eomplote, in deren Jnsceniruna die russischen Agenten ja Meister sind, wieder beginnen. Daß die russische Politik Willens ist, den Faden da wieder auszuuebmen, wo Alexander Hl. ihn weggeworfen, d.h. neuen Einfluß aus die Ge schicke Bulgariens zu gewinnen, zeigt unzweideutig der Empfang der bulgarischen Deputation in Petersburg, die gestern sogar vom Zaren empfangen wurde. So lange Bulgarien von Rußland ignorirt und sich selber überlassen war. schritt eS tapfer und ungestört, geführt von der sicheren Hand Stambuiow'S, in seiner Entwickelung vorwärts, Unter Stambulow- tbat- krästigem Regiment war Ruhe in Bulgarien, ja auf der ganzen Balkanhalbinsel. Fast ein Jahrzehnt hatte man sich daran gewöhnt, und der Kräftigung des europäischen Friedensgefühls kam eS in bobem Grade zu Statten, daß man der Sorge um den „Wetterwinkcl Europas" enthoben war. DaS ist das große, weltgeschichtliche Verdienst, welches der bulgarische BiSmarck sich erworben hat, und das ihm die Geschichte nicht schmälern wird, wenn sie auch manche unsym pathische Seite seines Wesens nicht verschweigen kann. Jetzt ist die Gefahr imminent, daß die Zeiten vor Stambulow wiederkehren. Kommt es zur Anarchie in Bulgarien, wird die Intervention irgend einer Macht von einer der Parteien beansprucht, um Ordnung im Lande zu schaffen, dann wäre Europa unmittelbar in das Geschick Bulgariens hineingezogen. Stambulow ist in der Fülle männlicher Kraft, als rin noch junger Mann jählings dahingerafft worden. Erst zwanzigjährig, nahm der 1853 in Tirnowo geborene Gast- wirthssohn an dem Zuge Bojtew's in den Balkan 1875 Theil, er war bei jener kühnen, wenn auch unklugen Schaar, die dgmalS die Befreiung von der türkischen Herrschaft anS eigener Kraft herbeisühren zu können hoffte. Bei Gabrowo wurde da- Häuflein der Aufständischen vernichtet. Stambulow entkam nach Rumänien und dichtete FreibritSlieder, i» denen er sein Volk zum Kampfe gegen Pen Halbmond anstachelte. Er hatte keine westeuropäische Bildung genossen, die Privatschule seiner Heimatl» gab ihm die Unterlage, rin Jahr im russischen Seminar in Odessa verdarb nichts, und mit eiserner Beharrlichkeit arbeitete Stambulow an seiner Selbst erziehung weiter. 1877—78 nahm er als Freiwilliger an dem ruffisch-tvrkischeu Kriege Tbeil, ward dann Advecat, trat in den Verwaltungsdienst, und schon bei den Wahlen znr ersten Nationalversammlung in Tirnowo wurde er als Volksvertreter gewählt. Mit dem letzter Tage gestorbenen Petko Slawejkow führte er die Mehrheit der Sobranje, noch mehr trat er aber in der zweiten Tagung hervor, wo er in seinem Radikalismus die Beamtcnstellen durch Wahl besetzen und für das Heer eine Nationalgarde anS gewählten Officieren schaffen wollte. In der großen Nationalversamm lung von 1881, welche die Verfassung einengte, saß Stam- bulow nicht. Aber zwei Jahre später war er mitten im parlamentarischen Getriebe. Die Zeit seiner Wirksamkeit im Großen begann aber erst niit seiner Wahl zum Präsidenten der Sobranje, als 1884 das Ministerium Karawelow anS Ruder kam. Ein Jahr später brach in Ostruinelien der Aufstand los, und Stambulow. der schon 1880 an einem heimlichen Unionistencongreß in Sliven theilaenommen hatte, eilte mit Karawelow im Gefolge deS Fürsten Alexander nach Philippopel. Die Kriegserklärung Serbiens rief ihn nach Sofia zurück, wo er die Tage von Slivnitza mit durchmachte, bis der Ansturm der Serben dem Gegenstoß der Bulgaren erlag und die Verfolgung in Feindesland begann, der in Pirot das Eingreifen Oesterreichs ein Ziel setzte. Und als am 20. August 1880 Fürst Al^ander durch russische Ränke, durch die Verschwörung des Majors Gruew und deS Ritt meisters Benderew gefangen genommen und nack Reni in Bessarabien gesckleppt wurde, da war eS Stambulow, der die Gegenrevolution einleitete und innerhalb 24 Stunden im Vereine mit seinem Schwager Mutknrow, dem Befehlshaber der ostrumelischen Division, daS ganze Land auf die Beine brachte. „Für Alexander und Bulgariens Freiheit" lautete die Losung, und in Giurgewo ans rumänischem Boden be grüßte Kammerpräsident Stambulow den zurückgekehrten Fürsten, um ihn im Triumphe ins Land zu führe». Alexander legte zwar die Krone nieder, aber Stambulow, Mutknrow und Karawelow übernahmen die Regentschaft nnd leiteten die Geschicke Bulgariens trotz der immer schroffer hervor tretenden Feindschaft Rußlands, trotz der steten Ver schwörungen. In Rustschuk und Silistria, wo der offene Militairaufstand auSbrach, wurden die betbeiligten Ofsiciere standrechtlich erschossen. Rußland wurde keinerlei Zngeständniß gemacht. Am 7. Juli 1887 wurde der in der Loge Nr. 26 deö Wiener Ronacher-Theaters zum Fürsten von Bulgarien erkorene Ferdinand von Cobnrg auf den Thron der Schischmanidrn erhoben, und durch sieben Jahre leitete Stambulow als Ministerpräsident die Geschicke des Fürsten- thumS mit Verstand »nd Energie. Der russische Rubel rollte, schon 1888 wurde in Ostrumelien ein Putschversuch unterdrückt, Hauptmann Nabokow, der in BurgaS den Auf stand organisirt hatte, getödtet, die Bande zersprengt. 1891 rettete nur ein Zufall Stambulow das Leben; Finanzminister Beitschew wurde neben ihm tödtlich getroffen, und wiedev wiesen, wie schon vorher bei der Verschwörung des MajorS Panitza, die Spuren nach Petersburg und Bukarest, wo Hitrowo alt Gesandtrr Rußlands saß. Dann wurde der bulgarische Agent Wulkowitsch in Konstantinopel erdolcht, und auch hinter seinem Mörder standen die Helfer in mindest»»« halbamtlichen russischen Kreisen. Um die Urheber dieser Untdaten zu kennzeichnen, ließ er die au« den Archiven von Bukarest und Rust« schuk entwendeten geheimen russischen Aktenstücke veröffent lichen, und seit dieser Zeit konnte er nur noch unter Bedeckung auSgehen. Mit eiserner Strenge schritt Stambulow nicht nur gegen dir deS Mordes Angeklagte», sondern auch gegen ihre russisch gesinnten Parteifreunde ein. Aus seinen Ratb suchte Fürst Ferdinand sein« Stellung den Bulgaren, wie den Großmächten gegenüber dadurch zu festigen, daß er sich mit einer Dame fürstlichen Geblütes vermählte, und so kam es im Februar 1893 zur Verniäblung de- Fürsten mit der Prinzessin Marie Luise von Parma. Da indessen die Beniübungen des Fürsten, Bulgarien von den Vertragsinächten anerkannt zu sehen, immer noch zu keinem Erfolg geführt hatten, da ferner Ferdinand die Wahr nehmung gemacht, daß er nur den Titel des Herrschers führe, während die Herrschaft der ungleich begabtere und energischere Stambulow ausübe, so entstand zwischen den beiden Männern eine Entfremdung, die von dem Augen blick immer schärfere Formen annahm, da der Minister präsident in Erfahrung brachte, daß der Fürst binter seinem Rücken durch seine französischen und coburgischen Verwandten alle Minen springen ließ, um eine Aussöhnung mit dem Zaren herbeirusühren. Am 29. Mai 1894 gab datier Stambulow seine Entlassung, die, wie es scheint, wider sein Erwarten vom Fürsten mit Genugtbuung angenommen wurde, obwohl Fürst Ferdinand nach Hofgebrauch keinen Anstand nahm, äußerlich sein tiefes Bedauern über die Trennung von seinem ersten Berather öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Der Fürst berief ein Ministerium aus den Reihen der Gegner Stambuiow'S anS Ruder, dessen Präsident, Stoilow, mit geschickter Hand, aber freilich skrupellos in den Mitteln. eine Art Volksbewegung gegen den gestürzten allmächtigen Minister zu insceniren verstand. Von nun an war der gefallene Mann der Gegenstand schärfster Angriffe nickt nur von Seiten der officiösen Presse, sondern auch von Seiten der Gerichte, die ihn mit kleinlichen Ver folgungen quälten, ihn zeitweilig in seinem eigenen Hause internirten und ihn auf Sckritt und Tritt bewachten. Die blutige Frucht dieses zu seinem „Schutz" inscenirten „Be wachungssystems" war die Ermordung Stambuiow'S am Abend des 1b. Juli! Darüber, wie wir über die unerhörte Blutthat denken, haben wir unS unverhohlen ausgesprochen. Auch in Berliner politischen Kreisen ist man der gleichen Ansicht, wie aus folgender, Berlin, >7. Juli datirten Correspondenz der „Köln Zlg." hervorgeht. ES heißt da: Das von der bulgarischen Regierung ausgrhende Tele« gramm der „Agence balcaniqur", in dem die dreiste Behauptung ausgestellt wird, daß man den Mordanfall ans Stambulow in Sofia allgemein für einen Act einer einfachen Privatrachr halte, macht hier «inen außerordentlich schlechten Eindruck. Dir bulgarischen Wen Harme» seien durchau« intelligente und zu gleicher Zeit muthigr Leute die sich jedem Verbrecher in den Weg werfen würden, wenn sie nicht Anlaß Hütten, ihn rnlweichen zu lassen. Run haben die Gendarmen aber di» Mörder nicht nur entweichen lassen, sondern sie haben auch noch ihre Verhaftung verhindert, indem sie sich auf den verfolgenden Diener Stambnlow'S warfen und diesen sogar verwun deten. Es klingt wie blutiger Hohn, wenn dann gemeldet wird, die Polizei habe den Diener Stambnlow'S verhaftet. Wa« will man gegenüber solchen Thatsachen, die den Argwohn geradezu Heransfordern, mit den 10 000 Francs beweisen, die man aus >ie Entdeckung der Mörder gesetzt habe? Die Mörder wären längst in der Gewalt der Regierung, wenn nicht die Polizei aus un- aufgeklärte» Gründe» ihre Verhaftung durch Säbelhiebe gegen ihre Verfolger verhindert hätte. Dem Ganzen aber wurde da durch die Krone aufgesetzt, daß, wie jetzt aus Sofia gemeldet wird, Stambulow ouSgesagt habe, er habe unter den Angreifern den Tufektschiew erkannt, der seiner Zeit gar keinen Hehl daraus gemacht habe, daß er Stambulow ermorden wolle. Die bulgarische Regierung werde also nicht umhin können, sich darüber eingehend auszusprechen, aus welchen Gründen sie diesen Tusek- tschiew zu ihrem Schützling gemacht und ihm dadurch die Ge legenheit zu einem Mordansall gegeben habe. Die formelle Verant wortung für dgS Verhalte» der Polizei trägt der MinisterdesJnnern Stoilow. Wir halten denselben nicht für fähig, die Gendarmen an gewiesen zu haben, sich so zu verhalten, wie sie cs gethan haben; aber irgend Jemand scheint ihnen eine solche Anweisung ertheilt zu haben, und dieser Jemand miißte also im Polizei- Ressort mächtiger sein als der Minister des Innern Auch hierüber Klarheit zu schaffen, habe Niemand mehr Ver anlassung als Stoilow. Es wird also darauf ankommen, einen bösen Verdacht, den die Umstände aufdräiigen, durch eine über zeugende Aufklärung zu beseitigen. Im Uebrigen liegen zu der Blutthat noch folgende Meldungen vor: * Sofia, 17. Juli. (Telegramm.) In Regierungskreisen wird versichert, ein ernstlicher Verdacht lenke sich auf Ha ln, den Stambulow selbst als eine» der Mörder bezeichnet habe. Hain ist bis vor Kurzem hier wohnhaft gewesen, gegenwärtig aber unauf findbar. Der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter verweigern jede Auskunft über diese Angelegenheit. * Sofia» 18. Juli. (Telegramm.) Stambulow lag seit gestern Abend 10 Uhr in Agonie, ohne ein Wort zu sprechen. Einige Vertreter ausländischer Mächte waren bei seinem Tode anwesend. * Sofia, 18. Juli. (Telegramm.) Wie die „Agence balcaniqur" meldet, constatirt rin authentischer (?) Bericht über die Ver haftung drsBedienten Stambnlow'S, daß der vor dem Union- club postirte Gendarm wie gewöhnlich dem Wagen Stambnlow'S von Weitem folgte.(?) Ais er den Schuß hörte, lies er hinzu und sah de» Wagen im Galopp davonjageu, wäh rend ein von einem anderen Manne, welcher einen Revolver in der Hand schwang, Verfolgter in eine Seitengasse einbog. Der Gendarm gab das Alarmzeichen auf der Signal pfeife und folgte den Flüchtigen in die Straße, in welche sie eingebogen waren, die von der „6. Septemberstraße" gekreuzt wird; an der Kreuzung befindet sich das Palais des Minister- rathes. Da der Hosmarschall Farras sich gerade beim Minister präsidenten Stoilow brsand, wartete am Thore des Ministerial gebäudes ein Gendarmerie-Unterosficier, der, durch das Alarm signal ausmerkiam gemacht, aus die beiden Flüchtigen zulies, während ei» anderer Gendarm in demselben Augenblicke aus der „6. Scptemberstraße" Herbeikain. Alle drei Gendarme nahmen »un- mehr den Bedienten Slambulow's fest in dein Glauben (?), daß er der Angreifer sei. Selbst der vom Unionclub gekommene Gendarm sagt aus, er habe nichts von dem Attentat gesehe»(?), er habe geglaubt, es bandle sich um eine Rauferei (?) zwischen den beiden fliehenden Personen. Capitain Marsow und zwei andere Personen, deren eine der Generalsecretair Benew war, sahen den Vorfall vom Fenster eines Hauses aus mit an. Marsow begab sich auf die Straße, ohne eine Ahnung von dem Attentat zu haben. Al- er den Bedienten Stambulom's. den die Gendarmen z» entwaffnen sich be mühten, erkannt und ohne Erfolg einige Fragen an den- Fri»rHrtsir. 3) Das verlorene Paradies. Roman von Anton Freiherr von Perfall. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Du bist ja heute eine so gelehrige Schülerin, Kitty, wie soll daS erst morgen werden?" sagte er, während seine Stirn sich röthetr. „Aber daS schadet nicht»", setzte er mit einem scharfen Blick aus se.inen Bruder hinzu. „Der erste Ritt auf der „Wildrose" wird diese kleinen Grillen aus Deinem Köpfchen treiben. Bei solchem Beruf zum Lebens genuß hat das leine Gefahr." „Wer weiß", meinte Kitty, „man könnte ja auch diese Welt, in der wir leben, einmal satt bekommen. „Das will ich ja nicht leugnen! Ost schon dagewesen! Aber na, dann trollt man sich eben gleich für immer, aber man tauscht doch nicht eine schlechtere dafür ein." „Wenn sie einem etwa« böte, was diese Nebersättiaung aufhöbe, daS Leben wieder lebenSwerth machte, warum nicht?" bemerkte die Gräfin. Franz setzte das Weinglas an die Lipve und trank es leer. Kitty batte jetzt einen ganz fremden, strengen Ausdruck. „Zum Beispiel?" fragte Georg, seinen stattlichen Schnurr bart hinausstreichend, mit zusammengekniffenen Augen. „DaS weiß ich nicht", entgegnete Kitty, sichtlich verwirrt. „Zum Beispiel, daS Bewußtsein, etwa« wirklich Er sprießliches zu leisten für die Menschheit", bemerkte Franz zu Kitty. „Daran dachte ick wirklich nicht", entgegnete Kitty. „Ich weiß überhaupt gar nicht- von solche» Dingen, ich denke blos, daß daS Glück nicht an unsere Welt allein gebunden ist, daß es etwas giebt"—sie wurde verwirrt,verlegen. „Ack, ich kann mich nicht so auSdrücken. Georg hat wirklich recht", fügte sie plötzlich in leichtfertigem Tone hinzu, „wer wird denn von so ernsten Dingen reden!" Der Duft einer Ananasbowle drang wie ein Gruß aus dem Süden plötzlich au» dem Nebenzimmer. Sie beeilt« sich, die sorgsame Wirtbin zu mache», sichtlich srvh, au- der Stimmung gerissen z» werden, und bald blinkte der köstliche Trank in den zarten Gläsern. Man trank sich lachend „Glück aus!" zu und der düstere Eindruck war bald vergesse». Franz selbst betbeiligte sich mit einer an ihm sonst un gewohnten Lebhaftigkeit an der Unterhaltung, die mit jedem Glase des feurigen TrnnkeS mehr von der früheren Fach- mäßigkcit einbüßte nnd nur in liebenswürdiger Willkür dahinfloß. Kitty kam eS sichtlich schwer an, sich auf einen nicht mißznverstehenden Augenwink der Engländerin, welche auch die Champagnerbowle nicht au« ihrer Zurückhaltung heraus- lockte, sich von der lustigen Gesellschaft zu trennen. Doch der alte Graf hielt einmal streng darauf. Trotz aller Galanterie wollie man noch einige Stunden den verschmitzten Geistern, welche der Bowle entstiegen, freie Bahn lassen. ES wurde ohnehin schon da und dort leise ge- zischelt und unterdrückt gelacht, ein sichere- Zeichen, daß cs für die Damen Zeit war, sich zu entfernen. Kitty glühte, als sie auf ihr Zimmer kam, sie öffnete das Fenster und ließ den kühlen Nachtwind um ihre beiße Stirne streichen. Ueber dem schwarzen Buchenwald zuckte eine purpurne Lohe auf und ab, und mitten aus ihr erhob sich pinienartig eine Rauchsäule gegen den Nachthimmrl — das war der Athen, der Grube „Schwarzacker". Sie sah die bleichen rußigen Männer aus- und nieder steigen in den dunkeln Höhlen, um die Schätze der Tiefe zu gewinnen, von denen der Rrichthum ihre- Hause« stammte, die mit Pferden gefüllten Ställe, die kostbaren Räum« deS Schlosse-, jede Freude, jede Lust, die sie genoß. Nie dachte sie daran bis jetzt! Franz war daran schuld mit seinen großen Schilderungen. Wozu das? Wozu sie stören in ihrem harmlosen Glück? Nnd doch horchte sie ihm andächtig zu und freute sich darauf, morgen all da- Elend selber zu schauen. Wa» sie doch alle- für lhörichteS Zeug schwatzte — man könnte ja einmal diese Welt, in dex sie lebte, satt bekommen I — Wo Alle« Freude und Licht war? — Wie denn? Warum? Und die andere dort, welche diese bäßliche Rauchwolke au-, stößt, könnte DaS bieten, was diese Uebersättigung anfhöbe? — Wa- dachte sie denn nur dabei? Lang« starrte sie ohne klare Gedanken in die Nacht hinaus — da formte sich ihr rin sonderbare- BildI — Eine klein« ärmliche Stube, «in junge- Weib sitzt vor einer Lampe, arbeitend, in der Wiege neben schlummert ein Kind. Sie hört« deutlich da- Ticken der Uhr an der Wand. — Ver geben» strengt« sie sich an. wo sie dir Stube und da- Weib -estbrn. — Da tritt ,i» großer Mann ein im GrubenN-id, in seiner Hand die brennende Lampe. — Das junge Weib springt auf und sinkt ihm an die Brust. Er nmsaßt sie, küßt sie — jetzt bebt er das Haupt, Franz von Prechting! — und daS Weib mit den glückstrahlenden Augen an seiner Brust — sie selbst, — Kitty! DaS Herz pochte ungestüm. — Da erschallte da- lärmende Gelächter der zechenden Gäste herauf — da« Bild verschwand — und Kitty lacht hell auf mit, während sich hastig da- Fenster schloß. Sie lachte noch still vor sich hin, als sie schon binter den kostbaren Spitzen ihres Betthimmels lag mit offenen Augen. Das wäre eine lustige Maskerade! — Die Augen schloffen sich, aber daS Lächeln blieb über die lustige Maskerade. ^ * E- war eben Schicklzeit! DaS Glöckchen im Schacht- bausr ließ seinen geschwätzigen Ton weithin vrrnekmen. Auf dem schwarzen Wege, welcher zwischen wuchernden Schutt- balden vom Werk herabsührtr in das Arbriterhrim, drängte sich dir abgrlöst« und di« a'vlvsende Mannschaft. Kein Wort, kaum ein flüchtiger Gruß wurde gewechselt. Wie die schwarz in der Lust sich abbrbenden gewaltigen Treibriemen, vom Maschinenbaus« lautlos sich kreuzend, herüberlirfen in den Schachtthurm, so bewegte sich die dunkle Schaar aneinander vorüber, aus und ab in mechanischer Rücksichtslosigkeit. Die vor dem grellen Tageslicht erbleichenden schmutzig gelben Flämmchen der bei jedem Schritte sich schwingenden Gruben lampen erhöhten da» Düstere de» Auftritte«. Plötzlich stockten di« Züge, die Abgetösten stießen sichtlich gerade da, wo der Weg am engsten war, auf ein Hinderniß. Die Heraujkommendtn wandten sich; der Ruf „Obacht" ging nach rückwärts. Man drängte sich, reckte sich und schob sich. Da tauchten Pserdekvpfe auf. eine ganze Cavalcadr. „Der Graf! Di i Gräfin!" ging «S Lurch bi» Reihen. Da- war noch nicht dagrwesen, geradezu eine Verletzung der Alltäglichkeit, welche diese Leute wohllhätig rinschläferte, ihre Begierden ttzdtetr. Die Wenigsten hatten den Herrn der Werke und seine Tochter in der Nähe gesehen, man sprach nur immer von seinem unermeßlichen Reichtbum, von der „Märchenpracht" de- Schlosses. Man hatte nicht« für ihn und nichts gegen ibn, er stand völlig außer Aller Gesichtskreis. Selbst die Unzufriedenen dachten nicht daran, ihn für irgend einen Mißstand verantwortlich zu machen, sür schlechte Löhn-, Ge dinge. Daran waren lediglich seine Beamten schuld, die ibn wohl selbst übervorlbeilten. Auch der allgemein sich regende Haß gegen den Tyrannen „Capital" fand an ihm kein ge eignetes Object. Der Arbeiter rechnete ihn nicht zu dieser Classe, er war und blieb der „Graf". Der Vorzug der Geburt erschien den Leuten in viel milderem Licht als der deS plumpen Geldes. Ein unbewußter Idealismus sprach hier mit. Die Leute drängten sich auf die Seiten, einen schmalen Gang frei lassend für die Reiter. Man übersah die Uebrigen über den Grasen und Kitty. Ein stattlicher Herr! Sein joviales Gesicht, in dem keine Spur von Härte oder Stolz zu lesen war, sein freundlicher und doch vornehmer Gruß gewann ihm alle Herzen, und erst die junge Gräfin! Sie nickte Jedem zu und schwenkte von weitem schon die Hand. Und wie schön sie war, und wie sie auf dem Pferde saß! Man lachte ihr von allen Seiten rn das Gesicht. Der Anblick war zu lustig, und da« nagel neue Zaumzeug und die Pferde! Man dachte in diesem Augenblick nicht an Neid, an ge wisse Vergleiche, unwillkürlich freute man sich an diesem frohen, schönen Bild aus einer andern Welt, vor dem sich an einer Biegung rasch wieder die qualmenden, eintönigen Kohlenhalden schlossen. „Na, daS haben wir ja gut getroffen!" bemerkte Georg von Prechting, als sie die Arbeiter glücklich passirt hatten und sich dem Schachthause näherten. „Und hast Du nur einen gehässigen Blick bemerkt?" fragte Franz. „Da- haben wir Wohl Deiner Begleitung zu danken", meinte Georg. Kitty kühlt» mit dem Taschentuch die glühenden Wangen, noch ging ihre Brust hoch. „Offen gesagt, ein bischen hange war mir auch. ES war mir, als müßte ich vom Pferde yeruntersteigen. Aber die Leute sind ja reizend! Ich glaube immer, man muß sie sich nur naher anschauen, wir kennen sie zu wenig und sie uns." „Damit hast Du Alles gesagt, Kitty. Wir kennen sie zu wenig und sie uns. Wir durchforschen da» Innere von Afrika und kennen eine Welt nicht, in deren Mitte wir leben", bemerkte Franz, während er absaß und Kitty auS dem Sattel hob. Da- ganze Werk gerieth in Aufregung. Ein solcher Besuch war unerhört m den Annalen von „Schwarzacker". Der Direktor kam eilig -u- dem Bureau, den Herrn
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