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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189507215
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950721
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950721
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-07
- Tag1895-07-21
- Monat1895-07
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1895
- Autor
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Bezugs-Preis K der Hauptexpedition oder den iin Stadt« bezirk »nd den Bororten errichteten An«, aabestelleu abgeholt: viertrljähtlich ^14.50. bei zwetmaliaer täglicher Zustellung tu« Haus >4 5.50. Durch dle Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^4 S.—. Dirrcte tägliche Kreuzbandsendung t»A Au-laud: monatlich ^l 7.V0. Dir Morgen-Ausgabr erscheint täglich mit Au«, nähme nach Sonn, und Festtagen '/»7 Uhr, di« Abend-AuSgabr Wochentag« 5 Uhr. NeLartioa »uv Lrpeditioa: J,hanne«gaffe 8. Li« Expedition ist Wochentag« anunterdrvchi» geöffnet von früh 8 bis «bend« 7 Uhr. Filiale«: Vit» Me«»'« G«rtim. (Alfred Hatz«)» UntvrrsitStsstraße 1, Lont» Lösche, Katharinenstr. 1«, Part, and Königßplatz 7. nMerTliMalt Auzeiger. DrgM fSr Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Sonntag den 21. Juli 1895. Anzetgerr-Pre»s die 6 gespaltene Petitzeile 80 Pfg. Reklamen untrr dem RedactionSstrich (4ge- spalten) 50^, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40^. Größere Schritten laut unserem Preis, derzeichniß. Labellarifcher und Ziffern!«- nach höherem Daris. Extr«»vrtlagen (gefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesördernng 60.—, mit Poslbesörderung 70c- >. Annahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) «bead.-utgabe: Bormittags 10 Uhr. M o r g « n»A usgabr: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeige» find stet» an dt« Expedition zu richten. Druck and Verlag von L. Polz in Leipzig. 8S. Jahrgang. Die nächste Nummer erscheint am Montag Abend Anzeigen für diese Nummer, welche in erweitertem Umfange auSgegeben wird, werden bi» Montag früh 10 Uhr angenoi^m^^ Amtliche Bekanntmachungen. Ausruf. Rachdrm die Vorbereitungen für die im Jahr 1897 hier abzuhaltende SWsch-WrmgW Industrie- md Gemrde-AMMn- so wett vorgerückt sind, daß das Zustandekommen de« geplanten Werk« in einer der Stadt Leipzig würdigen und das Erwerbsleben des Ausstellungsgebiet» fördernden Weise durchaus gesichert erscheint, erachtet es die Unterzeichnete Handelskammer für ihre Pflicht, dieAngchörigen des Kammer- beztrk» auch ihrerseits auf die ihnen gebotene Gelegenheit zur Vorführung ihrer Erzeugnisse htnzuwetsen nnd zur Be nutzung derselben aufzufordern. Mit Rücksicht auf die im Jahre 1896 in Berlin stattstndende Industrie- und Ge- wcrbe-Au«stcllungtst cS für die in Sachsen, Thüringen und den angrenzenden Gebieten vertretenen Industrie- nnd GewerbS- Zweige dringendes Bedürfnth, im Rahmen einer Ausstellung ebenfalls einen Ueberbltck über ihre Entwicklung und Leistungs fähigkeit gewähren zu können. Wie nach den bereits etngegangenen Anmeldungen angenommen werde,» darf, datz die Industriellen und Gcwerbtreibenden des weiteren AnSstcllungSgcbietS von der ihnen hierzu durch die Leipziger Ausstellung 1897 gegebenen Gelegenheit in grotzcr Zahl Gebrauch machen werden, so hoffen wir bestimmt, datz insbesondere auch die Industriellen unseres Bezirks in ihrem eigensten Interesse sich an der Ausstellung bethetltgen sowie auch sonst das für Handel und Industrie des NammerbeztrkS bedeutsame Werk tu jeder Weife fördern werden. I« Hinblick ans die endliche Besserung der aNgemetnen geschäftlichen Lage, deren Anfänge in letzter Zeit in ver schiedenen Anzeichen zu Tage getreten sind, nnd von der nur zu wünschen wäre, datz sie von Dauer sein möge, darf die Erfüllung dieser Hoffnnng wohl mit Bestimmtheit er wartet werden. Denn auf das Gelingen der Ausstellung und ihren Nutzen für die Aussteller kann es nur von günstigstem Hinflntz sein, wenn sie in eine Periode des wirthschaftlichen Aufschwungs fällt. Leipzig, den 29. Juli 1895. Die Handelskammer. A Thteme, Vorsitzender, vr. Pohle, S. Bekanntmachung. Der Kirchenvorstand der Parochie Leipzig-Thonberg-Neureudnitz hat beschlossen, der Parochialkirche in Leipzig-Thonberg den Namen Erlöserktrche brizulegen. Nachdem daS evangelisch-lutherische LandeSconsistorium den De« schluß genehmigt hat, wird er hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Leipzig, am 17. Juli 1895- Die Kirchen»»speetion für Leipzig Der Superintendent. Der Rath der Stadt Leipzig. Ia. 3452. v. Pank. vr. Tröndlin. vr. Just. Bekanntmachung. Wegen Pflasterung wird die Hospital-Stratze in ihrer Ausdehnung vom Gerichtsweg bis zur Johannis-Allee, vom 22. dieses Monats ab auf ungefähr 3 Wochen und dann, dem Fortschreiten der Arbeiten entsprechend, in ihrer Ausdehnung von der Johannis-Nllee bis zur westlichen Grenze des Grundstücks Reitzenhainerstraße Nr. 2 in Leipzig-Thonberg. auf die Dauer der Arbeiten, für allen Fähr verkehr, außer dem der Pferdebahn, der auf einem Gleise aufrecht erhalten bleibt, gesperrt. Leipzig, am 19. Juli 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. IX. 3734. vr. Tröndlin. Maneck. Gesucht wird der am 14. Juli 1862 in Stadtsulza geborene Handarbeiter Gotthard Earl Gröschner, welcher zur Fürsorge für seine Familie anzuhalten ist. Leipzig, den 15. Juli 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. Armcnamt, Abth. II. L. VIII. Nr. 653d. Hentschel. Hädrich. Fel-verpachtung. Die folgenden, dem Johannishospitale gehörigen Grundstücke als ». 5 Acker 82 ^,-R. ----- 2 da 91,85 » Flächengehalt, Theil der Parzelle Nr. 154 de- Flurbuchs für Leipzig-Thonberg, an der Reitzenhainer Straße gelegen, i>. 232 HR. -- 42,8 u Flächengehalt, Parzelle Nr. 138 des Flurbuchs für Letpzig-Anger, am Trottendorf-Stötteritzer Wege gelegen, solle» Sonnabend, dtn 3. August dieses Jahre«, Vormittags 11 Uhr auf dem Ratbhause. 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 8, an den Meist bietenden auf 6 Jahre vom 1. Oktober dsS. bez. 1. Januar k. I. ab verpachtet werden. Die Brrsteigerungs» und BerpachtungSbedingungen sowie zwei Situationspläne liegen auf dem Rathhaussaale zur Einsichtnahme aus. Leipzig, den 18. Juli 1895. Id 1236. 1238. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Wagner. Die städtische Sparcasse beleiht Werthpaptere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 1. Februar 1895. Die Spareassen-Deputation. Anmeldung zum Anschluß an die Stadt- Fernsprecheinrichtung. Neue Anschlüsse an die Stadt-Fernsprecheinrichtung in Leipzig sind, wenn dir Ausführung in dem im Monat August beginnenden zweiten Bauabschnitt deS Rechnungsjahres 1895/96 gewünscht wird, spätestens bis zum 1. August bei dem Kaiserlichen Stadt-Fern sprechamt hier, Grimmaischrr Strinwra Nr. 3, II., anzumelden. Später eingehende Anmeldungen können nicht vor dem nächst jährigen ersten Bauabschnitt, der am 1. April 1896 beginnt, berück- sichttgt werden. Einer Erneuerung der bereit« vorgemerkten Anmeldungen bedarf eS nicht. Leipzig, 8. Juli 18W. Der Kaiserliche Ober-Po stdirector, Geheime Obcr-Postrath. Walter. Die größeren baulichen Herstellungen in den EasernementS zn Möckern» 196, und Gohtts» 134, sollen nach Loosen getrennt öffentlich, wie folgt, verdungen werden: Loos v Schlacken» und Sandlieferong, - II. Erd-, Maurer-, Steinmetz- und Zimmerarbeiten, « HI. Schieferdeckerarbeiten und - IV. Steinseherarbeitrn. Der Termin wird Dienstag, Veit 39. dS. MtS., 9, 9'/«. 9'/. und 19 Uhr vormittag« im Amtszimmer des Unterzeichneten, Alexanderstraßr 10, I., abgehalten, woselbst dt« bezüglichen Unter lagen zur Einsicht ausliegen. Die Verdingungsunterlagen können außerdem von da gegen Erstattung der Selbstkosten bezogen werden. Angebote mit entsprechender Aufschrift sind versiegelt und postftei bis zu obigem Zeitpunkt eimusenden. Der Königliche Garntson-Vaubeamte. Freiwillige Versteigerung. Das in Leipzig an der Magazinaasse Nr. 11 gelegene, den Vvtli-AMer'schen Erben gehörige Restaurationsgrundstück, Fol. 34 des Grund» und HypothekenbuchS für die Stadt Leipzig soll erb» theilungshalbrr durch das unterzeichnet« Bericht öffentlich au den Meistbietenden versteigert werden und ist deshalb »er rr. Jnlt 1«95, Norm. 10 Uhr als Versteiaernngstermin anberaumt worden. Die Versteigerung findet an Unterzeichneter GerichtSstellr, Zimmer 87, statt, woselbst auch die BerstrigerungSbedingungen «in- gesehen werden können. Leipzig, den 8. Juli 1895. Königliche« «mt«gericht. «bthlg. V. 3. ——Spittrll Häußler. ZParcassengel-er. 5VWÜ—6Ü00Ü MM im Ganzen oder getheilt sind gegen gute hypothekarische Sicherheit zu 4°/<> jährlicher Verzinsung sofort auSzulrihen. Die Beleihung erfolgt tn der Regel bis zur Hälfte der Brandcasse bewohnter Gebäude und bi- zu zwei Drittel de« diesseits angenommenen Werthes culturfähiger Grundstücke. Gesuche erbitten wir uns unter Beischluß des Brandcassen- cheines, BesitzstandSverzrichntsses und einer Folienabschrift. Sparcasfen-Bcrwaltuug zu Trebsen. Die beiden besten Freunde der Franzosen. Gedeakblätter auS dem Lerdienst» und Lohnbuch« der Herren Liebknecht und Bebel. ES wäre ungerecht, wenn man in diesen Iubeltagen der Rückerinnerung an dieGroßthaten unseres Volkes vor 25 Jahren nur alles Dessen gedenken wollte, was unsre Herzen damals emporhob und erfreute. Auch die kläglichen Gesellen der schwäbischen Demokratie, die in jenen großen Julitagcn ihre verlumpte Gesinnung in die Worte faßten: „Lieber fran zösisch als preußisch!", und die klugen rabenschwarzen „Patrioten" des bayerischen Landtags, die den cusua toeäeris mit Preußen noch nicht gekommen sahen, als Rothhosen und Turcos sich anschickten, die bayerische Pfalz zu verwüsten — auch diese schlechten Musikanten, die damals Mißtöne in die gewaltige Harmonie der deutschen Fürsten und Stämme brachten, besitzen das Recht auf die Unsterblichkeit ihrer Blamage und auf die Unverjährbarkeit ihres Frevels. Und ihnen hängen sich zwei Männer an die Rockschöße, deren Thun wir unS etwas näher anschauen wollen, um unS daran zu erinnern, waS wir ihnen noch heute schuldig geblieben sind: die Herren Liebknecht und Bebel. Nur überstrahlt ihr Thun noch bei weitem das der rothen und schwarzen süddeutschen Gesellschaft, wie das auch bei der Art dieser beiden Persönlichkeiten und ihrer Vater landsliebe selbstverständlich ist. Der einzige Franzose, der damals in Vorahnung eines ungeheuren, ihm und seinem Volke drohenden tragischen Schicksals in daS Feld zog, war der Kaiser Napoleon. Seine Staatsmänner hatten ihm vor gespiegelt, Oesterreich und Italien würden zugleich mit Frank- reich gegen „Preußen" mobil machen — aber diese Staaten standen gelassen Gewehr bei Fuß. Sein Kricgsminister Leboeuf hatte ihm versichert, die französische Armee sei nrckivröts — aber überall gewahrte der Kaiser beim Auf marsch seiner Heere die heilloseste Verwirrung, den bittersten Mangel an Allem. Da fiel in die Nacht seiner Seele ein leuchtender Strahl, der auch einen Kaiser, einen Napoleon, trösten konnte: Die Herren Liebknecht und Bebel batten sich für Frankreich erklärt, indem sie dem deutschen Volke die Mittel versagten, sich gegen einen beispiellos ruchlosen kriegerischen fran zösischen Ueberfall zu wehren. E« war am 21. Jul» l870. Der Norddeutsche Reichstag berieth in dritter Lesung di« Bewilligung der außerordent lichen Geldmittel zum Kriege. Soeben war ein ergreifendes Telegramm der Deutschen in St. Louis an den Reichstag zur Verlesung gekommen, welches anzeigte, daß die Deutschen in den Vereinigten Staaten eine Million Dollars zur Unter stützung invalider Soldaten und der Waisen der Gefallenenen aufbringen würden, da erhob sich Herr Bebel zu folgender Erklärung (Stenogr. Bericht S. 14): - „Meine Herren! Da ich vernommen Hobe, daß der "llgeme n, Wunsch des Haus^ ist, daß über den obliegenden Punkt k«ne allgemeine Debatte eröffnet wird, so erkläre ich im N°me" °^ Abg. Liebknecht und meiner Prrjon, daß wir "uch un er'rseits, obgleich wir über diese Vorlage keinrswrg« gleicher Meinung sind (wie Sie), „eine Debatte nicht provocirrn wollen »und erkläre ferner, daß wir uns in der vorliegenden Frage der Abstimmung ent- halten und dir Motive, die uns hierzu bestimmen, tn den «c»n des Hause» niederlegrn werden." , .. , Als unmittelbar nachher das ganze HauS — ohne durch eine Abfertigung der beiden Franzosenfreunde seine weihevolle Stimmung zu stören oder herabzumindern — sich erhob, um die KrieqSmittel für da- bedrohte Vaterland zu bewilltßrn, da nagelte Präsident Simson die beiden Menschen de, ihrem herostratischen Thun fest mit den Worten: „Da« ,st von dem ganzen Hause mit Ausnahme der beiden Herren geschehen, die sich soeben besonder- bemrrklich gemacht haben." DaS Verhalten beider Männer erscheint um so schmach voller, wenn man es mit dem Verhalten Liebknecht'« vom 17. Oktober 1867 vergleicht. Damals schäumte er über vor angeblich deutschester Empfindung, weil Preußen sein streit,ge« Besatzungsreckt'in Luxemburg aufgrgeben hatte, ohne sofort an Frankreich den Krieg zu erklären; damals drzeichnete er e« als „Schmack", daß Deutschland nicht loSschlug, — und jetzt, wo Frankreich unter dem nichtigsten Vorwände an Deutschland den Krieg erklärt hatte und Deutschland kerne andere Wahl hatte, als sich zu wehren oder unterzuaehen, jetzt versagten die Herren Liebknecht und Bebel dem Vaterlande die Mittel zur Kriegführung. Warum? Herr Liebknecht hat dafür am 26. November 1870 im Reichstage ^ten. Ber. S. S, Sp. 2) folgenden Grund angegeben: „Dir haben damals (im Juli 1870) die Ansicht au-gesprochen, daß wir den Krieg trotz alledem für einen dynastischen betrachten. Wie aber die Herren Liebknecht und Bebel in Wahrheit den Krieg betrachtet haben, da« geht auS ihrem am gleichen Tage «ingebrachten Anträge auf Ablehnung der Kriegsanleihe hervor, der folgendermaßen motivirt wurde (Stev. Ber. S. 22, Sp. 1): „In Erwägung, daß der Krieg seitdem 4. September 1870 nicht rin Brrtherdiguugskrteg, krtea ist." . Hiermit gestanden beide Herren zu, daß sie den Krieg biS zum 4. September — dem Tage der Errichtung der fran zösischen Republik — wie alle anderen Deutschen als einen VertbeidigungSkrieg ansahen. Es war also eitel Flunkerei, als Herr Liebknecht behauptete, er und Bebel hätten am 1b. Juli die Bewilligung außerordentlicher Geldmittel abgelehnt, weil sie den Krieg für einen dynastischen hielten. S,e haben diesen Krieg für einen VertheidigungSkrieg gehalten und trotzdem dem bedrohten Vatrrlande die Mittel zur Kriegführung verweigert. Mit Recht bezeichnet HanS Blum in seinem Buche „Die Lügen der Socialdemokratie" dieses Verhalten als parla mentarischen LandeSverrath, und fügt hinzu: „Ob di« Herren sich darauf festnageln ließen dadurch, daß sie sitzen blieben, also „sich der Abstimmung enthielten", wie Herr Bebel vorsichtig beschönigend sagte, oder ob sie diese Mittel durch ein Nein verweigerten, daS ist in der Wirkung und für die sittliche Beurtheilung ihres ThunS ganz dasselbe. Denn sie, sie allein, bewilligten eben dem im tiefsten Frieden von Frankreich ruchloS überfallenen deutschen Baterlande die Mittel nicht, welch« nothwendig waren, um Deutschland vor feindlichem Einbruch, vor Verwüstung, Plünderung, Zer stückelung und Fremdherrschaft zu sichern. Sie wollten Deutschland webr- und waffenlos, mit gebundenen Händen, den Franzosen überliefern. DaS ist der Sinn deS Verhaltens der Herren Bebel und Liebknecht am 21. Juli 1870." Aber die beiden Herren und ihr Anhang begnügten sich mit diesem einen Verrathe nicht. Ihr Verhalten ,m Juli erregte selbst bei Parteigenoffen Entrüstung. Wilhelm Bracke in Braunschweig, welcher an der Spitze deS „Ver- waltung-"-AuSschuffeS der Partei stand, erließ in seinem und der übrigen AuSschußmitglirder Namen am 24. Juli ein Manifest an die gesammte Partei, welche- zwar verworren, aber doch erkennbar patriotische Empfindung und Hingebung ver- rieth. Herr Liebknecht gerieth darüber in grimmigen Zorn. Er forderte bei Geib in Hamburg, dem Vorsitzenden der sogenannten Controlcommission der Gesammtpartei, sofortiges Einschreiten gegen den „patriotischen Phrasendusel" des Braunschweiger Ausschusses und wußte eS dahin zu bringen, daß Bracke sich einem Schiedssprüche von Karl Marx unterwarf. Selbst- verständlich nahm der rothe Dalai Lama der „Internationale" Partei für seinen gelehrigen Schüler Liebknecht und bezeichnte alle Deutschen, welche in dieser schwersten Krisis unserer neuen Geschichte treu zu ihrem Vaterlande hielten, als „Schurken und Narren". Er forderte sofortigen Frieden mit Frank reich ohne jede Annexion französischen Gebiete- und groß- artige Arbetterversammlungen ,n diesem Sinne, damit die „Schurken und Narren ihr tolle- Spiel nicht ungehindert weiter treiben" könnten. Da gleichzeitig mit diesem Schreiben deS obersten Willen lenkerS der Partei die Nachricht vom Siege von Sedan und von der Verkündigung der franröstscben Republik in Braun- schweig eintraf, so hatte Herr Bracke «inen schönen Vorwand für seine Umdenkung gefunden. An, 5. September erließ der Braunschwewer Ausschuß ein neue« langatbmigeS Manifest, in welchem Massenkundgebungen des Volkes „für einen ehren vollen Frieden mit der französischen Republik und gegen die Annexion von Elsaß-Lothringen" gefordert wurden. Der größte Theil deS Briefes von Karl Marx war dem Aufruf rinverleibt. Versöhnt schrieb Herr Liebknecht auS Leipzig- „In der Hauptsache habt Ihr den Nagel auf der, Kopf getroffenI Hurrah!" * Wenige Tage spater, am d. September in der Frühe wurden die Mitglieder des Braunschweiger Ausschusses aus Befehl deS General« Vogel v. Falckenstein verhaftet und in Ketten nach der Festung Lohen abgeführt. Die Herren Bebel und Liebknecht ereilte am 17. December das Schick- al, in Leipzig unter der Anklage deS HochverratheS ver haftet zu werden. Sie fanden inzwischen leider noch Zeit, im Norddeutschen Reichstage die häßlichsten Scenen auf- zuführen, welche jemals in dieser Körperschaft erlebt worden sind. , Gegen Ende November 1870 trat der Norddeutsche Reichs tag zu seinen letzten Sitzungen zusammen, um eine Anleihe von hundert Millionen Thalern zur Fortführung des Krieges zu bewilligen, die Versailler Verträge mit den süddeutschen Staaten zu genehmigen und damit die Grundlagen der heutigen deutschen Reich-Verfassung zu schaffen. Bekanntlich erfuhren die Vorlagen der Regierung im Laufe der Verhand lungen, au« dem rinmüthigen Drange der deutschen Volks seele berauS, nur die eine — durch die Zuschrift des Bundes kanzlers an den Reichstag am 9. December 1870 von der Negierung selbst vorgeschlagene — Acnderung: an die Stelle von „BundeSoberhaupt und Bund" die Worte „Kaiser und Reich" zu setzen. In dieser kurzen, von derselben nationalen Begeisterung wie im Juli erfüllten Tagung ergriff Herr Bebel schon in der ersten Sitzung vom 26. November, als die neue Kriegs anleihe zur erste» Beralhung stand, das Wort zu einer Rede (Stenogr. Ber. S. 9—13), in welcher er „den ganzen Patriotismus im Jahre 1870 viel Geschrei und wenig Wolle" nannte und dann erklärte: „Herr Lieb knecht und ich verlangen eben nicht mehr und nicht weniger, als die Ablehnung der Mittel zur Fort führung deS Kriege-" . . . und daß der Bundeskanzler aufgefordert werde, „dabin zu wirken, daß ein Friede mit der französischen Nation, unter Verzichtleistung auf jede Annexion, schleunigst abgeschlossen werde." Nachdem diesem Redner vom Präsidenten und von den Ab geordneten LaSker und Braun die verdiente Züchtigung wider fahren war, erhob sich Herr Liebknecht in maßlosen, Zorn zu folgenden Worten (Stenogr. Ber. S. 18—19): „Nach Sedan hätten Sie die Kaiserposse mit Glanz aufführen können, während jetzt dieser Spaß verdorben ist. Sie würden die „deutsche Einheit" nicht in der bettelhaften Weise haben, wie sie sich jetzt gestaltet. Ihr Führer (Kaiser Napoleon) sitzt auf Wilhelm-Höhe und ist der Bruder deS König- von Preußen. ES ist wahrlich ehren- werther, der Bruder deS französischen Volkes zu sein, als der „liebe Bruder" des Schurken von WilhelmSböhe." Dieser Schamlosigkeit entsprach der schon erwähnte förmliche Antrag der beiden Herrn auf Ablehnung der Kriegsanleihe. Für diesen Antrag erhoben sich aber nur vier Stimmen. Ungleich mehr Anerkennung fanden die Herren für ihren Antrag und ihr ganzes Verhalten auf französischer Seite, und sie scheuten sich nicht, nachdem sie sich schamhaft eine Weile geziert, diese An erkennung anzunehmen. Nachdem am 6. December 1870 Herr Bebel im Reichstage (Sten. Ber. S. 91) ausgerufen hatte: „daß, mit einem Worte, das Endziel der deutschen Volkseinigung einzig und allein die Beseitigung der Monarchie und die Begründung der Republik sein kann und muß", erklärte nämlich der Abg. Wagenrr-Neustettin (Sten. Ber. S. 9t, Sp. 2) Folgende«: „Ich werde den Herren (Bebel und Liebknecht) nicht antworten. Denn wie ich aus der mir soeben zugrstellten „Börsenzeitung" er- sehe, haben die Herren bereits ihre Antwort erhalten, und zwar durch eine Adresse des französischen EonsulS in Wien, des Herrn Lefrbvr« (hörtl hört!), der diesen Herren den Dank der französischen Republik für ihr edles Auftreten in dieser Versammlung ausgesprochen hat. (Lebhafter Ruf: Hört, hört! Pfui!)" Darauf erwiderte Herr Bebel (Sten. Ber. S. 107, Sp. 2): „Nach meiner Ueberzeugung ist dieser Brief weiter nichts als «ine elende Mystifikation, welche vom preußischen Preßburcau ausgeht, und weitrr keinen Zweck hat, als gegen den Abgeordneten Liebknecht und mich die öffentliche Meinung in Deutschland auf zuhetzen." Auch am folgenden Tage, am 7. December, blieb Herr Bebel noch auf diesem Standpunkt stehen. An diesem Tage erklärte nämlich der Abgeordnete Wagen er (Sten. Bericht S. 109, Sp. 1 und 2): „Dir Redaction der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" bat mir geschrieben, daß die Adresse (des französischen Eonsuls in Wien an die Herren Bebel und Liebknecht) zuerst abgedruckt ist in der „Wiener Tagespreise" vom 4. December Vieles Jahres. Die „Wiener Tagespresse" gilt hier als ein welfisches Organ und ge hört notorisch zu denen, die unter den Wiener Blättern am meisten auf Preußen schimpfen, und, meine Herren, das will viel sagen." ^ Darauf erwiderte Herr Bebel in der nämlichen Sitzung (Sten. Ber. S. 136, Sp. 1), er bleibe dabei, daß der Brief im preußischen Preßbureau fabricirt sei, und fuhr fort: „Ich habe hinlänglich Gelegenheit gehabt, kennen zu lernen, welche Art und Weise beliebt wird, wenn cs gilt, die öffentliche Meinung für irgend eine Sache zu gewinnen, d. h. sie zu fabriciren und irre zu führen. Ich zweifle daher nicht daran, daß Diejenigen, die ein Interesse daran hatten, einen solchen Brief gegen mich und den Abgeordneten Liebknecht zu veröffentlichen, dessen Urheber sind." Am 10. December erklärte dagegen plötzlich Herr Bebel (Sten. Ber. S. 181, Sp. 1 und 2): „Gestern Morgen wird mir aus meiner Heimath Leipzig an- gezeigt, daß dort unter meiner Adresse rin solcher Brief (von dein sranwsiscben Eonsul Lrfebvre in Wien) ongekommen sei. (Ruf: Aha!) Ich muß nun allerdings hier constatiren, daß der Wort- laut des Briefes genau mit dem übereinstimmt, der in den Zeitungen veröffentlicht worden ist. (Ruf: Abal Sensation.) Ich werde mich selbstverständlich an dcn Herrn in Wien 'elbst wenden und mir Auskunft erbitten, ob er eine» Brief dieses Jnhalls an mich geschickt hat. Sollte dies der Fall sein, so stehe ich allerdings nicht an, in meinem Namen sowohl als in dem de« Abaeordnetrn Liebknecht zu erklären, daß wir den Brief aceeptirrn." (Sensation und laute« Murrru.) Sie hatten ihn im vollsten Maße verdient, diesen Dank der französischen Republik, wie sie auch von Napoleon für ihr Verhalten am 2l. Jul» die wärmste und dankbarste An-
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