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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951007026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895100702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895100702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-07
- Monat1895-10
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Juni 1894 werden aus Anlaß der Aufstellung des Einkommensteuerkatasters für das Jahr 1896 dir Hausbesitzer oder deren Stellvertreter hiermit aufgefordert: die ihnen dehSndt-ten HauSliftenformnlare noch Maß gabe dertzaraufabgcdrncktrn Bestimmungen ausznfnlle» und binnen 8 Tugen, von der Anstellung ab gcrcchne», bei vermetbnng einer Geldstrafe bis zu »« Mark entweder persönlich oder bnrch Personen, welche zur Beseitigung etwaiger Mängel sichere Auskunft zu ertheiten vermöge», an den auf den Hauslistensormularen angegebenen Steuerstellen abzugeben Die Ausfüllung her Hauüliften hat «»« t>» «»»»«» 8« »«ei» 1i» I.vIpLl« nach dem Personenstände 1K «vt«>»vr zu geschehen. ES können deshalb Hauslisten dem IS. Oe tober unter keinen Umstünden angenommen werden. Fristüberschreitungen sind nach 8. 71 des Ein kommensteuergesetzes mit Geldstrafe nnnachsicht- ltch zu ahnden. Im Uebrigen wird auf 8. 35 des angezogenen Gesetzes, wonach sowohl der Besitzer eines HauSgrundstückS sttr die Ltcuer- beträge» welche in Folge von ihm verschuldeter unrichtiger oder unvollständiger Angaben dem Staate entgehen, hastet, wie auch jedes Fainilienhnupt für die richtige Angabe aller zu seinem Hausstande gehörigen, ein eigenes Einkommen habenden Personen, einschließlich der Aftermtethcr und Schlasstellenmiether, verantwortlich ist, sowie darauf besonders bingewiesen, daß die auf der letzten Seite der Hauslistenformulare befindliche Bescheinigung von dem Hausbesitzer bez. dessen Stellvrr- treter unterschriftlich zu vollziehen ist. Wenn Hausbesitzer oder deren Stellvertreter Hauslistenformulare nicht oder nur in unzureichender Zahl erhalten haben, können sie dergleichen an den betreffenden Steuerstellen in Empfang nehmen. Leipzig, am 5. October 1895. D»r Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Koch. Bekanntmachung. / In Folge Ablauf ihrer Wahlperiode haben demnächst die Herren G. A. v- veinrict, Formenstecher E. H. H. Lönicker nnd Schrift, setzer R. tvols Hierselbst auS dem hiesigen Kirchenvorftande aus- zuscheiden. Außerdem ist eine durch den Tod erledigte Stelle zu besetzen. In Folge dessen ist zur Wahl von vier Mitgliedern ein« KirchenvorstandS-ErgänzungSwahl vorzunehmen. Der unter- zeichnete Wahlausschuß beraumt sie hiermit auf Sonntag» den S«. vet-ber 1895. vou Vormittag '/.II Uhr bis Mittag '^1 Uhr und bestimmt als Ort der Wahl die südliche Capelle der hiesigen Kirche. „Stimmberechtigt sind alle selbstständigen Hausväter, welche daS 25. Lebensjahr erfüllt haben, sie seien verheirathet oder nicht» mit Ausnahme solcher, die durch Verachtung des Wortes Gottes oder unehrbaren Lebenswandel öffentliches, durch nachhaltige Besserung nicht wieder gehobenes Aergerniß gegeben haben oder von der Stimmberechtigung bei Wahlen der politischen Gemeinde aus geschlossen sind." Die nach vorstehender gesetzlicher Bestimmung Stimmberechtigten, welche sich an der bevorstehenden Wahl betheiligen wollen, werden hierdurch aufgefordert, sich in eine der beiden Wählerlisten ein- zutraaen, welche in der Zeit vom 6. d. M. Vormittag 11 Uhr bis zum 13. d. M. Mittag 12 Uhr auf der Meldestelle der hiesigen Polizeiwache (Schulstraße 5) und im Geschäftszimmer der hiesigen Kirche (Königsstraße 11, I.) ausliegen werden. „Wählbar sind alle stimmberechtigten Gemeindemitglieder, die das 30. Lebensjahr vollendet haben. Die Wähler haben ihr Augenmerk auf Männer von gutem Ruse, bewährtem christlichen Sinn, kirchlicher Einsicht und Erfahrung zu richten." Dir ausscheidenden Mitglieder sind sofort wieder wählbar. Leipzig-Lonnewitz, am 5. Oktober 1895. Der Wahlausschuß. «. M. Hasse, k.. Bors. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. October. Wer die ultra montane Taktik kennt, kann sich nicht darüber wundern, Paß die ultraniontane Presse mit der Freisprechung der Alexianer-Brüdcr Heinrich und Irenaus von der wider sie erhobene Anklage wegen Meineides zu der Behauptung ansbeuten, die Ergebnisse des großen Alexianerprocesses im Juni d. I. und insbesondere die Enthüllungen über die unqualificirbare Jrrcnbehand- lnng in jener Anstalt seien nunmehr widerlegt- Eine solche Meinung aufkommen zu lassen, wäre aber um so bedenklicher, je mehr sich kerausstellt, daß jene Enthüllungen zu durch greifenden Maßregeln zur Verhütung ähnlicher Vorkommnisse noch nicht geführt und nickt einmal überall zur heilsame» Warnung gedient haben. Es ist daher verdienstlich von der „Nat.-Zt", daß sie den Hergang, der zu der Anklage und zu der Freisprechung geführt hat, folgendermaßen klarstellt: Zunächst der „Fall Bruder Heinrich . Der Bruder Heinrich hatte in Mariaberg den Gastwirlh Mellage empfangen, als diejer mit dem Hotelwirth Ohse und dem Polizeiconimisjar Lohe kam, um den schottiichen Geistlichen Forbes zu sehen; er hatte erklärt, daß Forbes aus diesem und jenem Grunde nicht zu sprechen sei. So bezeugten es eidlich in dem Hauptproceß die drei oben erwähnten Zeugen Mellage und seine Begleiter. Bruder Heinrich bestritt es eidlich; dabei sollte er, wie die gegen ihn erhobene Anklage wegen Meineids an- nahm, eidlich bekundet haben: „Ich habe nicht gejagt, Forbes sei krank und lasse sich nicht sprechen." Bruder Heinrich behauptete jetzt, in jenem Hauptproceß nur bekundet zu haben: „Ich kann nicht gejagt haben, Forbes sei krank u. s. w." Nur um dieses Entweder — Oder handelte es sich in dem fraglichen Meincidsproceß. Es wurde festgestellt, daß gerichtlich die bezügliche Aussage des Bruders Heinrich nicht protocollirt worden war; die Notizen und Stenogramme von Zuhörern erwiesen sich als theils lückenhaft, theils ungenau; die früheren Richter entsannen sich auch des Wortlauts nicht inehr und so wurde Bruder Heinrich sreigejprochen. Also die Geschworenen nahmen an, daß er damals wirklich gegen die Darstellung von Mellage und Genossen zeugeneidlich bekundet habe: „Ich kann dies nicht gesagt haben". Dos ist Alles. Sach lich ist also nichts geändert, den» dafür, daß man die Fremden den Forbes nicht sprechen lassen wollte, liegt aus dem ersten Proceß auch noch die Bekundung des Alexianer-Rectors Overbeck vor, er selbst habe gesagt: „Forbes ist vollständig irrsinnig, der tobt, schlägt um sich und kann von Niemanden gesprochen werden". Das Zweit«, weswegen die Anklage gegen Bruder Heinrich er hoben worden, war seine Zeugenaussage über den Vicar Rheindors und dessen Haushälterin. Diese hatten im ersten Proceß bekundet, Bruder Heinrich habe bezüglich des in Mariaberg internirten Rhein- dorf von „Zahmmachen" gesprochen: Bruder Heinrich habe gejagt, die Brüder sind klüger als die Döklersch u. s. w. Diese Aeutzerungen, so hatte Bruder Heinrich beschworen, habe er nicht gethan. In dem jetzt vorliegenden Meineidsproceß stellte es sich heraus, daß der Vicar Rheindorf und seine Haushälterin nicht als glaubwürdig an- gesehen werden könnten. Aber auch damit ist dem Alexianerkloster nicht geholfen» denn die Affaire Rheindors und die Erzählung seiner Haushälterin trugen nur in bescheidenem Maße dazu bei, um die Jrrenpflege im Kloster zu beleuchte»; sie waren lediglich eine be langlose Episode. Kürzer können wir uns bezüglich der Meineidsklage fassen, von der Bruder Jrenäns freigesprochen worden. Der oft erwähnte schottische Geistliche Forbes pflegte mit ihm auszugehen; bei solcher Gelegenheit habe in einer Wirthschast, so hatte Bruder Irenaus im Juni beschworen, Forbes der Tochter der Wirthin sich unziemlich genähert und sie umarmt. Forbes, die Wirthin und deren Tochter hatten dies eidlich bestritten. So kam Bruder Jrenäns auf die Anklagebank, und auch er wurde freigesprochen. Aber was hat dieser nebensächliche Vorfall, gleichviel, wie er sich ereignet hat, mit dem Urheil über die Jrrenbehandlung im Alexianerkloster zu thun? Es erhellt hieraus, daß diese Meineidsprocesse an den schwerwiegenden Enthüllungen, die der große Alcxianerproceß vom Junr über die brutale Behandlung der Kranken in dem Kloster zu Tage förderte, nicht das Mindeste ändern und eine sachliche Grundlage zu einer Beschönigung jener Vorgänge in keiner Weise bieten. Allenfalls ließe sich, wie das genannte Blatt hervorhebt, die Aeußerung des Staatsanwalts Wette verwerthen, der, vielleicht unter Bezugnahme auf die von den Alexianern gegen das Urtheil deS Hauptprocesses beim Reichs gericht eingelegte Revision, bemerkte: „Es ist noch nicht das letzte Wort gesprochen, ob die Feststellungen in dem Mellageproceß, daß manche Mißhandlungen, eine Anzahl Ungeheuerlichkeiten vorgekommen sind, auf Wahr heit beruhen." Diese Behauptung ist aber vorläufig eben nur eine Behauptung des Staatsanwaltes, die in den Ergebnissen des Meineidsprocesses eine Stütze nicht findet. Sie hat weit weniger Gewicht, als die auf Grund des Haupt- proccsses im Juni von dem damaligen Vertreter der Staats anwaltschaft aufgestellte und noch nicht widerlegte Aeußerung: „Es ist in der That festgestellt, daß in dein Kloster Maria berg Dinge vorgekommen sind, die die schwersten Strafen rechtfertigen." Somit wird wohl in dem Urtheil der öffent lichen Meinung über die Mariaberger „Jrrenpflege" — Alles beim Alten bleiben. Daß, wie oben gesagt, die erschütternden Enthüllungen des Alexianerprocesses noch nicht zu durchgreifenden Maß regeln zur Verhütung ähnlicher Vorkommnisse geführt und nicht einmal überall zur heilsamen Warnung gedient haben, gebt aus den Meldungen hervor, die über einen neuen Jrrcnhaus-Tkandal durch die Blätter gehen. Es betrifft diesmal nicht eine vrivate, sondern eine Provinz ial- Jrrenanstalt, die zu Andernach, in der ein junger Mann, der Sohn eines reichen Vaters, Namens Weber, 57 Monate als unheilbarer Irrer festgehalten worden ist, obschon er nach der eingehenden sachverständigen Prüfung des Geh. Med.-Raths Professor Finkelnburg zu Bonn, der bekannten auch im Mellage-Proceß vernommenen Autorität, weder geisteskrank ist, noch auch war. Die Einzelheiten dieses aufregenden Falles — auch hier spielt wieder die schmutzige Station und gewaltsame Jnternirung mit — sind so ungeheuerlicher Art, daß man, wenn nicht die Beweisstücke und das Zeugniß zahlreicher acht barer Personen dafür beigebracht würden, es nicht für möglich Hallen möchte, daß wenige Monate nach dem auf Mariaberg niedergefahrenen reinigenden Gewitter solche Dinge haben geschehen können. Nach dem von einem Vetter des Unglück lichen gesammelten und veröffentlichten Material liegt der Fall folgendermaßen: Josef Weber aus Euskirchen lebte seit Herbst 1888, bis wohin er das Gymnasium in Münstereifel besucht, bei seinem Vater, dem Fabrikanten PH. I. Weber, in Euskirchen. Seit dem Tode der Mutter war die Familienzujaminengehörigkeit gelockert. Josef Weber wollte Kaufmann werden. Das gewährte man ihm aber nicht, sondern ließ ihn unthätig herumlaufen, gab ihm auch nur selten etwas Geld. In der unglücklichen Stim mung hierüber besuchte er öfter die WirthShäuscr und juchte bisweilen im Rausch seine Lage zu vergessen. 1890 hatte sein Vater ihn dann in die genannte Anstalt gebracht, wo er mit Geisteskranken aller Art zusammen bis 26. Juni 1895 verblieb. Seine Bitten um Herausnahme aus der Anstalt waren erfolglos. Aus Verdruß darüber betrank er sich einige Male bei seinen Ausgängen mit Wärtern und wurde dann eine bis fünf Wochen eingesperrt. Am 27. Mai verließ Weber ohne Erlaubniß die Anstalt und gelangte nach Köln. Hier traf er seinen Schwager Trimborn und seinen ältesten Bruder Kaspar Weber aus Euskirchen, die ihn durch einen Schutzmann verhaften und, nachdem er über Nacht im Bürgerhospital in die Zelle für Tobsüchtige gesperrt, andern Tags in die Anstalt Andernach zurückbringen ließen. Hier wurde er dreizehn Tage (vom 30. Mai bis 12. Juni) in der „schmutzigen Station" internirt. Eine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft sei erfolglos gewesen, ebenso sei cs unmög- lich gewesen, bei den staatlichen Untersuchungen eine Beschwerde anzubringen. Der Vetter des Internirten, H. I. Weber, erfuhr im fünften Jahre der Jnternirung von der Sache und drang auf die Entlassung Josef Weber's, welche dann auch erfolgte. Der Direktor der Anstalt, Sanitätsrath vr. Nöthel, erklärte jedoch, daß er Joses Weber nicht für gesund Halle. Dieser ließ sich von Professor ör. Kinkel nbürg (Bonn) beobachten. In dem in Andernach von der Irrenanstalt geführten Journal wird Weber als „an chronischem Alkoholismus und secundairem Schwachsinn leidend" bezeichnet. Dagegen stellte das Gutachten des Professors Finkelnburg nach mehrwöchiger Beobachtung des Weber fest, daß dieser weder an Alkoholismus »och an Schwachsinn, noch an irgend welcher anderen Form von geistiger Störung leide. Er sei ein in geistiger und körperlicher Hinsicht gesunder Mensch. Er sei daher auch weder anstaltsbedürstig, noch befinde er sich in einem Zustande, welcher die Fortdauer der Entmündigung irgendwie rechtfertige» könnte. In dem Gutachten Professor Finkelnburg's heißt es ferner, daß Weber bei wiederholten eingehenden Unterredungen über seinen Lebenslauf die Vernachlässigung seiner Erziehung beklagte und die systematische Zurücksetzung von seinen Verwandten, welche ihn als lästiges und compromittirendes Familienmitglied fallen gelassen und anläßlich seiner im Trünke geschehene» gesetzwidrige» Handlung in die Irrenanstalt gebracht hätten, »m alles für die Familie unangenehme Aufsehen zu ver meide». Man habe ihm dann bei Besuchen stets einzuredcn sich bemüht, daß es für ihn gm beste» sei, in der Anstalt zu verbleiben. — Auch Vr. Oberdörfer (Godesberg), der Weber beobachtete, äußerte sich in einem Gutachten dahin, daß es ein Verbrechen wäre, eine Existenz durch Fortdauer der Entmündigung ihrem sittlichen und geistigen Ruin entgegenzuführc». „Deshalb erkläre ich mich als Arzt nnd als Mensch aus vollster Ueberzeugung für die baldige Aufhebung der Entmündigung des I. Weber." Eine gründliche Untersuchung dieses Falles ist Wohl bereits in die Wege geleitet. Was diese Untersuchung aber auch fest stellt, jedenfalls ergiebt sich daraus, daß sie überhaupt nöthig wurde, die Unzulänglichkeit der bisherigen Controlvorschriften ober ihrer Durchführung. Auch mit diesem Falle wird sich daher das preußische Abgeordnetenhaus zu beschäf tigen haben. Die in der letzten Zeit wiederholt gefährdete Lage des französischen Cabinets scheint sich, seitdem die Nachrichten aus Madagaskar günstiger lauten und die baldige Einnahme Tannanarivos nicht mehr zu den Unwahrsckeinlichkeite» gekört, etwas gebessert zu haben. Allerdings ergehen sich die Boulevardblätter und mit ihnen die vom Landaufenthalt heimkehrenden berufenen und unberufenen Politiker fort gesetzt in düsteren Prophezeiungen einer unmittelbar bevor stehenden Cabinetskrisis, aber man weiß ja, daß es eine geheiligte Tradition in den politischen Kreisen am Schluß der Kammerferien ist, das gerade am Ruder be findliche Cabinet als agonisirend zu betrachten und es ist noch nicht sicher, daß Nibot diesmal am Cap der Interpella tionen scheitern wird. Gewiß sind für die gegenwärtige Re gierung die angemeldeten Interpellationen über den Ausstand von Carmau^ die Madagaskar-Expedition, daS Kriegsbudgct und den die Mißwirthschafl im Kriegsministeriuin sestnageln- den Bericht des Bndgetcommissars Cavaignac Geschütze schwersten Kalibers, von all den anderen zahllosen Inter pellationen ganz zu schweigen, aber, was dem Cabinrt Ribot trotz aller Klippen, die es zu umschiffen hat, eine gewisse Sta bilität verleiht, das ist die baare Unmöglichkeit, etwas Besseres an seine Stelle zu setzen. In der That, welchen Händen und welcher Partei sollte man nach Nibot's Sturz die Zügel der Regierung anvertrauen? Wie nicht anders zu erwarten war, greift man in dieser Verlegenheit auf die abgenutzte Posse eines homogenen Ministeriums »rück, aber Jedermann weiß, daß die Kammermajorität elber nicht homogen ist, daß eS somit ganz unmöglich wäre, ihrem Schoße ein homogenes Ministerium ent steigen zu lassen. Am wenigsten schwierig wäre vielleicht die Bildung eines homozenen-radicalen Cabinets und darauf wollen die natürlich hinaus, die ein solches cmpfehle». Aber dieses würde von der Gnade der Socialisten abhängig sein und außerdem würde es der schärfsten Opposition der Regierungsrepublikaner und der Conservativen begegnen. Es ist also immerhin möglich, daß sich das Ministerium Nibol am Ruder erhält, weil keine bessere Combination vorhanden ist. In Abessinien stehen neue Kämpfe zwischen den Italienern und den einheimischen Landeöfürsten bevor. Der General Baratieri ist kaum nach Eritrea zurückgekehrt, Fririlleton. Schwere Kämpfe- Ro«a« «u» dem großen Kriege. 81j von Earl Tauera. . ^ , Hochdruck vertöten. (Fvrtsetzuua.) „Nein, das habe ich nicht gethan. Nachdem aber meine Frau mit dem von Ihnen erhaltenen Geld« zu ihren Ver wandten ging, nahm ich meine Flinte, begab mich in den Wald und lauert« auf einen Prussien, um ihn als Rache für den erhaltenen Kolbenstoß zu tddten. Leider ist mein An schlag mißglückt." „Jetzt werden Sie erschossen!^ „Ich weiß es. Ich bin ja Mördern in Hit Hände ge fallen." Der Oberlirgtenant ließ sich auf kein längere» Gespräch mit dem Bauern mehr ein; die Husaren führten ihn zur Seite; einig« Schüsse krachten; «in neue- arme» Opfer der unsinnigen Ausreitungen Gambetta'S hatte seine unberechtigt« Thrilnohme am Kampfe der Heere mit dem Leben bezahlt. 6'oot I» gusrrs l Am 7 November waren in Orleans selbst so beun ruhigende Nachrichten über da» Borgehen einer gewaltigen französischen Armee »ingelausen, daß eß um jeden Preis ge boten erschien, genaueste Nachrichten zu erlangen. Es drohte nämlich dem schwachen bayerischen Corps nickt nur ein An griff von Südwesten, von dem Wald von Marchenoir der, sondern auch von Südosten, von Gien. Ueberall waren die deutschen Reiter ans feindlich« Vorposten gestoßen. Wo ist nun die gegnerische Hauptarmee? Wo steht der mächtigste und darum zuerst zu bekämpfende Feind? Um die« zu erforschen, entsendet« General von der Tann an diesem Tage den General Grafen zu Stolberg mit seinen Regimentern, um von Norden her in und hinter den großen Wald zu blicken. Bom Süden h«p sollten Osstciere re- coanoSciren, weil man hoffte, daß eS kleineren Patrouillen gelingen könnte, hinter den französischen Schleier zu blicken, wenn die feindlichen Truppen durch den Borstoß der Stol- berg'schen Reiter in Alhem gehalten würden. Oberlieutenant Horn erhielt den Befehl, an diesem Morgen durch dir Stadt Braugrncy gegen JoSneS zu reiten, um, wenn möglich, einen Einblick in die Gegend von Lorges und Brion zu erlangen. Schon kurz nach Tagesanbruch trabte er mit zwei Chevaulegers los. Auf der geraden Straße Meung-Beaugency gab es noch wenig zu sehen. Er dachte an die Heimat, an Renate. Wenn ihm nur jetzt nichts zustieß! Hier von Bauern auS dem Hinterhalt erschossen zu werden, daö wäre doch fürchterlich! „Aber ich falle auch nicht. Ick habe meinen Talisman bei mir." Bei diesem Selbstgespräch fühlte er nach seiner Brieftasche, in der die Rose lag, die er beim Abschied in München erhalten. Sie befand sich sicher in der Tasche. Man trabte durch Beaugency. Die Straßen waren fast menschenleer. Vorüber Laveau und Trugny. „Herr Oberleitnant, rechts hinter der Höh' sqn Reiter!" Horn nahm sein Glas und sah sich um. „Donnerwetter, dort steht ein ganzes Cavallerie-Regiment!" „Herr Oberleitnant, links in die Büsch an dem Hof blitzt's aa." Der Feldstecher gab Aufklärung. „Wahrhaftig! Auch ein Regiment. Scheinen Gendarmen zu sein." „Herr Oberleitnant! Dort kemme s' scho'. Die woll'n uns u Weg abschneiden." Es war so. Etwa 30 französische Reiter galoppieren von der Seite heran. „Zurück! Ueber Beaugency! Wer durchkommt, meldet: eine feindliche Brigade Cavallerie steht südlich JosneS." DaS war schon während des AnsprengenS der Pferde befohlen. Jetzt sansten sie dahin. Hu, wie das flog. Aber die Franzosen batten Vorsprung. „Es geht auf dem Weg nicht mehr. Mir nach über die Hecke." Den drei guten deutschen Pferden gelang der Sprung „Achtung! GrabenI" Auch der Sprung gelang. Nun war man frei. Die schweren französischen Gendärmen- vferde versagten zur Hälfte schon an der Hecke. Fast alle übrigen sielen in den Graben. Nur 2 Officier« und 4 Gen darmen hatten ihn genommen und setzten die Verfolgung fort. Horn drehte sich im Sattel um und gab drei Revolver schüsse ab. Darauf verzichteten die Franzosen auf ein weiteres Nachsehen. „Nun reite» wir über Toupenay auf Beaugency. Stößt unS noch etwas zu, so sucht jeder von Euch sich durchzu schlagen, so gut er kann, und bringt schleunigst dir Meldung nach Huisseau sur Mauve." „Sehr wohl, Herr Oberlieutenant." Sie trabten an. E« ließ sich kein Feind mehr sehen. Als die drei Reiter aber nach Beaugency kamen, drängte sich in den Straßen eine in höchstem Grade -xregte Be völkerung herum. Horn zog seinen Säbel, was die Chevaulegers sofort nachahmten. Nun rief der Oberlieutenant: „Dicht Euch aufschließen. Jeder von Euch ein recht wildes drohendes Gesicht machen und nur keine Furcht zeigen. Durch müssen wir." Nun ritten sie in kurzem Trab in die Stadt. Bald schrie es: „Voilä los xrussions! ^ bas los xrusmousl" Keiner aber wagte den so unheimlich dreinschauenden Reitern zu nahe zu kommen. Alles wich aus. So ging es bis in die Mitte der Stadt. Man sah schon den anderen Ausgang. Da entdeckte Horn, daß von verschiedenen Seiten Männer mit Mistgabeln nnd Sensen Herbeiliesen, und gerade vor ihm stand ein Trupp von vielleicht 50 freilich meist unbewaffneten Bauern. Wenn er so ruhig weiter trabte, schnitten ihm die Sensenmänner den Weg ab. WaS dann geschah — wer konnte das sagen. Also: „Galopp marsch! Wer nicht aus weicht, wird umgeritten. Wer sich widersctzt, erschlagen!" Nun sausten sie dahin, daß die Funken vom Straßen pflaster aufstoben. Rechts und links fliegen umgerannte Ein wohner zur Seite. Ein Mann will eine alte Flinte anlegen. Ein Säbelhieb Horn's; er bricht blutend zusammen. Schüsse fallen, treffen aber Niemand. Einige Sensenmänner erheben ihre gefährlichen Waffen. Den Einen erschlägt Horn, den Zweiten ein Chevaulegers. Anderen aber gelingt es, dem Pferde de» zweiten Chevaulegers die Fesselgelenke abzuhauen. Es stürzt, der unglückliche Reiter fliegt darüber hinweg, und eh« er sich nur erbeben kann, ist er von einer Masse von Stichen durchbohrt. Die rohe Menge stürzt sich auf den Bedauernswerthen und zermalmt noch mit Fußtritten ihr Opfer. Gut, daß schon einer der ersten Stiche den armen Chevaulegers gelobtet hat und er nichts mehr von der Bestialität der Bewohner von Beaugency empfindet. Diese Scene hatte nur da» Gute, daß Niemand mehr auf Horn und seinen Begleiter achtete, so daß Beide unbeschädigt entkamen. Zwei Stunden später konnte der Ordonnanzosficier die Erfahrungen seine« RecognoScirungSritte« in Huisseau mit- theilen und nach weiteren zwei Stunden beim Stabe in La Capelle melden Bald darauf kamen auch die Berichte über das von den Stolberg'schen Reitern bei Chautüme gelieferte Gefecht, und aus diesen Allem ging hervor: den Truppen von der Tann'S stand eine schwere, schwere Zeit bevor. 14. „Ercellenz, es muß eine Armee von 60—80 000 Mann sein, die in und hinter dem Walde von Marchönoir steht. Wir haben dabei 10 Cavallerie-Negimenter gesehen. Nach den: Auftreten des Feindes scheint er eine baldige Offensive zu beabsichtigen " So etwa lautete der Inhalt des Berichtes des Grasen zu Stolberg an den General von der Tann. „Meldung von der 2. Schwadron des 3. Chevaulegers- Regiments. Die Wege in den Waldungen südlich von Orleans sind durch Verhaue und Abgrabungen ungangbar gemacht. Bei la Ferts-St. Aubin steht ein größeres Corps uniformirter FranctireurS unter Befehl eines Obersten Charette. Bannes und la Fertö-St. Aignan sind von Mobil- gardcn besetzt." „Meldung des pommerschenHusaren-Regiments(Blücher'sche Husaren) Nr. 5. In der Linie Giön-Argent sind große Biwaks zu erkennen, die auf die Anwesenheit von 25—30 000 Mann schließen lassen. Gien selbst ist sehr stark vom Feind besetzt. Französische Borposten sind bis Ouzouer sur Loire vorge schoben. Der Gegner tritt überall sehr kühn auf. Ein geborene sagen u»S, die Armee bei Giön würde von Generat Martin des Palliöres befehligt, und letzterer beabsichtige demnächst gegen Orleans vorzurücken." Diese Nachrichten trafen aus dem Süden und Südosten von Orleans gleichzeitig mit den Meldungen de« im Süd westen stehenden Grafen zu Stolberg ein. Also Feinde im Halbkreis rings um die Stellung der Bayern herum. Jetzt mußte man handeln; längeres Abwarten war nicht mehr möglich. General von der Tann besprach sich mit den Herren seines Stabes. „Ohne Kampf räume ich die Gegend ron Orleans nicht." Mit diesem Ausspruch deS kühnen Felbherrn war der wichtigste Punkt erledigt. Es kam nur noch darauf an, wo schlagen. „Excellenz, die theils schon ausgesübrten, tbeils noch leicht zu bewerkstelligenden sortificatorischen Arbeiten können Orleans in einen sehr widerstandsfähigen Platz verwandeln." „DaS glaube ich Ihnen Wohl. Aber ich will mir die Freiheit de» Handeln« bewahren Bei der kolossalen lleber- macht der Franzosen war« es nicht undenkbar, daß sic unS mit 70—80 000 Mann hier «inschließen und doch noch SO 000 zur Beunruhigung der Belagerungsarmee von Paris nord wärts entsenden. Dann wäre unser Zweck, di« Be«
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