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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951125026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895112502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895112502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-25
- Monat1895-11
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Nur schade, daß fast gleichzeitig mit der Breslauer Versammlung ein Ereigniß sich abgespielt hat, da- man nicht wie diese bi- in die Einzel heiten vorher hakte arrangiren können und das deshalb einen recht ungünstigen Verlaus"für die Eonservaliven genommen hat. ES ist die» die Rrich-tagSnachwahl im Kreise Hale-Herfard, dessen Sitz durch die Affaire Hammerstein «rlrdistt worden war. Der Wahlkreis gehört seit 1884 den Conservativea und ist ihnen damals und in den darauf folgenden drei Wahlkämpfen im ersten Wahlgang zu- aefallrn. ES war der Wahlkreis deS Herrn von Kleist- Retzow, deS hoch und allgemein geachteten Patriarchen der Partei, und eS ist, beiläufig bemerkt, ein Zeichen für die große Bedeutung gewesen, die der Person Hammerstein's bei den Conservatwen zukam, daß man ihn dem allver- ehrten Führer als Nachfolger gab. Der als Ersatz de- Freiherr» v. Hammerstein ausersebene Amtsgerickttsrath Weihe ist eine im Wahlkreise von allen Parteien geschätzte, überdies durch Familien- und Frrundschaftsbeziehnngen mit den Notabilitäten deS Kreises, den industriellen ebenso wohl wie den landwirthschaftlichen, eng verknüpfte Persön lichkeit. Trotzdem muß er in der Stichwahl ein zweites Mal um sein Mandat kämpfen. Er hat zunächst rund 6550 Stimmen erhalten, während Freiherr v. Hammerstein im Jahre 1893 mit 8600 Stimmen gewählt worden war. Dieser Rückgang um nahezu 25 Procent muß in einem sonst bisher „guten" und namentlich auch überwiegend kirchlich-orthodoxen Wahl kreise sehr bedeutend genannt werden. Um so bedeutender, al» die auS den Eonservaliven hervorgegangenen Christlich- Socialen dem Eonservaliven fast gar keinen Abbruch aettzan haben; Pfarrer Schall erhielt von rund 13300 Stimmen nur 213. Di« Wablbetheiliaung blieb um 1200 Stimmen hinter ver von 1893 zurück Man wird nicht fehl- gehrn, wenn man die Differenz zum überwiegenden Tbeil auf da- Conto deS Herrn v. Hammerstein schreibt und den Nest den Freisinnigen zuweist, die „gemeinsam" mit den Nation« liberalen einen Candidaten ausgestellt hatten, ihm aber se wenia Stimmen zuführten. Vor zwei Jahren brachte der Freisinn noch 1350 Wähler an die Urne, der rund 3900 Stimmen zählende nationalliberale Quentin hat aber nur 570 Stimmen mehr zu verzeichnen, als sein Parteigenosse im Jahre 1893. Da die Socialdemokratie mit 2380 Stimmen einen Stimmenzuwachs von 790 verzeichnet (d. i. ein Mehr von etwa 50 Proc.), so muß angenommen werden, daß rin großer Theil der Freisinnigen auch in Halle-Herford sich nach link» gewandt hat. Wie der Rückgang der Wahlbetheiligung, so muß auch daS — wie wir gesehen, praktisch so gut wie ganz ergebnißloS gebliebene — etwas anachronistische „Wahl- bündniß" zwischen Nationalliberalen und Freisinnigen auf die Stimmung zurückgeführt werden, die die Umstande, durch welche dw Nachwahl nothwendig geworden war, im Kreise erzeugt hatten. DaS schärfste Auge wird nicht ent deckt habe, daß die beiden Parteien sich neuerding- in irgend einer Sache oder an irgend einem Orte politisch einander genähert hätten; auch die bevorstehende parlamentarische Campagne bietet keinen einzigen Punct, wo der Traum von der „großen liberalen Partei" auch nur auf einen Augenblick Wirklichkeit zu werden Aussicht hätte. Wenn trotzdem die frei sinnigen Führer in Halle-Herford an die Nationalliberalen mit dem Anträge herangelreten sind, einen gemeinsamen Candidaten zu bezeichnen, so bleckt dafür kein anderer Beweggrund ersichtlich, als der Alles überwindende, übrigens vom freisinnigen An hang nicht überwiegend getheilte Wunsch, den Wahlkreis nicht durch ein Mitglied der Fraction, der Herr v. Hammer stein angehört batte, vertreten zu sehen. Ohne Zweiset bat auch die Socialdemokratie ihren enormen Zuwachs zum großen Theil dem Abscheu vor der elenden Heuchelei, zu deren Tummel platz der Entflohene das erste Organ der eonservaliven Partei gemacht hatte, zu verdanken. Daß der „Scheiterhaufenbrief" gleichfalls Eindruck im Wahlkreise gemacht batte, war Herrn Stöcker von Anfang an nicht bekannt. Der früher dort wohl- angesehene Agitator gab aber den Gedanken, den Play seine» Freunde» im Reichstage einzunehmen, rasch wieder auf. So total unpolitisch, w,e die „Cons. Corr." und die „Kreuzztg." glauben machen wollen, ist also oer Fall Hammerstein und was neben ihm einherging, nach dem Allen doch nicht. Vielleicht aber hat er den Verlust von mehr als 2000 Stimmen doch nicht allein verschuldet und ist der Beginn der Erkenntniß von Einfluß gewesen, daß auch Conservative des Westens ibr Schicksal einer lediglich vom InleressengesichtSpunct der ost- elbischen adeligen Großgrundbesitzer geleiteten Partei nicht fernerhin anvertrauen können. Zu den beliebtesten Klagen der ultr«montanen Agitatoren gehört die, daß bei ReichStagSwahten und in solchen Staaten, wo auch bei den Lauvtagswahlen geheime Stinimabgade verfassungsmäßiges Recht ist, von den „durch die Bank liberalen Schlot- uno Flaschenbaronen" bas Wahlgeheimnttz nicht respectirt und mit Hilfe der Lüftung dieses Geheimnisses ein „unerhörter Terrori-muS" auf die abhängigen Wähler ausgeübt werde. Wo aber auch brr Versuch unternommen wird, daS Wahlgeheimnis durch gesetzliche Bestimmungen zu sickern, sind eS gerade die ultra montanen Wortführer, die sich diesen Versuchen wider setzen. So ist eS auch jetzt in Baden, wo den Kammern ein Gesetzentwurf zur Sicherung deS Wahlgeheimnisse« von der Regierung vorgelegt worden ist. Forscht man nach der Ursache dieser Abneigung der Ultramonranen gegen die Vorlage, so ist sie nicht schwer zu finven. Der tz 59 der badischen Wahlordnung schreibt zur Zeit vor, daß der Wahlcommifsar die Stimmzettel unter die Wadlmänner zu vertheilen habe. Diese Stimmzettel waren numerirt, jeder Wahlmann batte nur den einen, ihm übergebenen Stimm zettel zur Verfügung und diesen mußte er wieder ab geben. Nun haben die CentrumSteule diese Vorschrift benutzt, um den größten WahlterroriSmu« zu treiben. In vielen Wahlbezirken ließen sich katholische Pfarrer zu Wahlmännern wählen; sie schaarten die Wadlmänner au» ihren Gemeinden um sich, ließen sich die Stimmzettel der selben aushändigen, überschrieben sie und waren nun sicher, daß der gepreßte Wahlmann den io mit ausoctroyirtem Namen be schriebenen Zettel adgedrn mußte. Nach dem neuen Gesetz entwurf fällt diese Beschränkung der Wahlfreiheit weg. Der Waklmann begiebt sich in einen abgesonderten Raum nnv schiebt dort einen handschriftlich oder im Wege ver Vervielfältigung mit dem Namen de« Candidaten versehenen Wahlzrttet in einen amtlichen Umschlag, mit welchem er dann dem Wablcommifsar den Stimmzettel übergiedt. Er hat also die Freiheit der Wahl und kann, wenn ihm der geistliche Herr seiner Gemeinde auch einen Wahlzettrl aufgrnöldigt hat, in dem abgesonderten Wahlraum einen andern Zettel nach seiner Wahl in den Wahlumschlaz schieben. Dadurch ist der seit her mit den HA 59 und 60 der Wahlordnung getriebene Mißbrauch der gröbsten Wabldeeinflussung unmöglich gemacht, und daher wird eS wohl kommen, daß da« Crntrum von der beabsichtigten Sicherung de« Wahlgeheimnisses nicht entzückt ist. In dem Verbältniß zwischen Frankreich und -tntzlan» beginnt fick insofern eine neue Wandlung zu vollziehen, al» jetzt ernsthafte französische Blätter den erniedrigenden Rück- sictttSlosigkeilen der russischen Presse gegenüber daran erinnern, daß Frankreich in dem „Bündniß" mit dem Zarenreich doch eigentlich eine recht kläglicbe Rolle spiele und daß die» nicht so fortgeben könne. So beklagt sich ein halbamtliche- Pariser Aachblatt „La Marine Franyaise" darüber, daß der fran zösische Militair-AttachS in Petersburg n«a>l nur nicht rücksichtsvoll, sondern selbst unhöflich behandelt worden sei, wenn er sich bemüht habe, fick über russische Marmeverkält- nisse zu informiren, wie eS doch sein Amt von ihm verlange. In dem ziemlich scharf gehaltenen Artikel hieß eS: „Unser Marine-AtlachS ist alsbald, nachdem er glaubte, die Zeit für theatralische Maniseslationen sei vorüber und er seine Stellung ernsthaft ausnutzen wollte, auf Sa- äußerste Urbrlwollen und einen gänzlichen Mangel von Höflichkeit gestoßen. Unserem AttachS war daran gelegen, sich über den Stand der Arbeiten an dem neuen Hasen von Libau an der Ostsee zu informiren. Di» hierzu uöthige Erlaubniß ist ihm trotz der lebhaftesten und höflich sten Geiuche verweigert worden." In Kopenhagen — der Marine-Ailachb in Petersburg ist gleichzeitig bei den Regierungen von Dänemark und Schweden-Norwegen beglaubigt — vräfenlirt sich ver französische AttachS an Borv des „Nordstern", der großen kaiserlichen Dicht, die die dänischen Verften ver lassen hat. Nachdem er sich ausgewirsrn, bittet er darum, sie beiuchen zu dürien. Der russische Osficier, der Herrn Hauteseuillr empfängt, verweigert sie ihm zuerst unter dem Borwand«, daß der Eommandaut leivend sei. Unser AttachL besteht aus seiner Bitte, indem er gleichzeitig versichert, daß es ihm unendlich leid sein wurde, den fraglichen Slabsofficier auch nur im mindesten zu stören. Man unterhandelt. Endlich dort er näher treten. Man fuhrt ihn in die Kammern, Sie Salon«, die Rauchzimmer, die Sprisesälr u. s. w. Da» wird langweilig. Er äußert den Wunsch, das zu sehen, was ihn vom militairiichen Standpunctr aus tnkeressirt, zum Beispiel Maschinen und Kessel. Man macht ihm dir Thür vor der Nase zu .. Uebertegen wirl Wenn wir die ruisische Allianz mit Begeisterung acceplirt haben, so geschah dies, weil wir dadurch rioen Krastüberschuß zu finden glaubten, eine Unierstützimg, die uns dir Wiederherstellung unsere» veritüinmrtten Vaterlandes erleichtern sollte Als Entgelt und Gegengabe waren wir bereit, Rußland unsere vollste Unterstützung zu Theil werden zu lassen. Das haben wir ihm bereits bewiesen: wir haben in unseren Werkstätten da- klrincalibrigr Erwehr herge- stellt, mit dem man zur Zeit die russische Infanterie bewaffnet. Mr haben an Rußland da« Gehrimoiß unsrrr« rauchlosen Pulver« ausgelieirrt; wir haben ihm sogar unsere Ingenieure und unsrrr erfahrensten Werkmeister hergeliehea, welche Fabriken aus russischem Gebiet errichteten, in denen russische Jug nieure und Arbeiter, durch uiiS angelernt, jetzt vaS besagte rauchlose Pulver Herstellen. . . . Schließlich hat die französische Sparsamkeit der ruifischra Regierung und ihren Unternehmungen eine Summe hergeliehen, die an fürs Milliarden reichen muß. AuS diesen Gründen sind wir überzeugt, daß da« unhöfliche und mißtrauische Verhalten, worüber unter Marior-Anachs sich zu beklagen da« Recht unv dir Pflicht hat, aus gröbliche Ungeschicklichkeit untergeordneter Personen zurückzuführea ist." Dazu'bemerkt die Deutsche „St. Ptter»b. Ztg.", die sich gewiß nicht eine solche Sprache erlaubt haben würde, wenn sie nicht wüßte, daß man ihr heute in maßgebenden Kreisen zustimmt, Folgende-: „Stehen dir Dinge in Wirklichkeit so? Ist Rußland so billig zu haben? Hat Rußland sich selbst, seine beste» Kräfte für süas Mil liarden zu Frankreichs Disposition gestellt? O nein! Ersten« war nicht Rußland, sondern Frankreich der werbende, und mit welch' heißer Liebe werdende Theil. Auch handelt r« sich zweiten« unsere« Wlfien« um keine Allianz zu gemeiaiamem Angriffskriege, sondern um ein Freundschastsverhättniß zur Wahrung de« Weltfrieden« und zur Aufrechtdaltung de» ruropäifchen Gleichgewichte«. Dritten« Hot Frankreich die fünf Milliarden au« seinen Ersparnissen ja nicht Rußland geschenkt, sondern hat sie gegen gute Procente und alle Sicherheiten geliehen. E« handrlt sich um ein Geschäft, nicht um eiu Almosen, nicht um »ine Gab« der Droßmuth, auch nicht um einen Kaufpreis. Die Gefälligkeiten in Betreff der kleinkalibrigen Gewehr« und de« Pulver» sind ja gewiß sehr anzuertraaea. wir wollen sie gern als recht» Freundschaftsdienste aosehen, aber nimmer« mehr hat sich Rußland dadurch in das Schlepptau einer von Jahr zu Jahr mehr auf der schiefen Ebro» de« SocialiSmus hinab- gleitenden demokratischen Republik begeben, um sich je nach Laune und Willkür de« Pariser Straß,npöbrl« tu »inen sinn- losen, ja verbrecherischen Rachrtrteg zur Wieder gewinnung deS Elsaß und Lothringen« hrrrinreißr» zu lassen. So finde» wir die Aa-lafsunuen der „Marine Fraiw-nse' recht taktlos und thöricht und wollen sie keineswegs der neuen Pariser R gierung aufs Eonto schreiben, die, mag sie noch so weit links stehen, doch hoffentlich vernünftigere Ansichten über die Rolle und weltgeschichtliche Bedeutung de« russischen Kaiserreiche« besitzt." Tat erscheint unS sehr fraglich. Wieder ist die englische Armrereform einen Schritt vorgerückt und hat nunmehr ein« festere Form und Gestaltung angenommen. In dem letzter Tage veröffent lichten CibinetSbefehl wird der vom Jabre 1888, der die Gesammwerwaltung der Armee in die Hand de« Höchst- commanriveneen (de- Herzogs von Cambridge) legte und ihm nur den Finanzsecvetair zur Seite stellte, widerrufen. An Stelle dessen tritt nun die neue Einlheitung, welche die Last der Verwaltung aus der einen Hand nimmt und fie sechs verschiedenen Aemtern zuweist. An der Spitze der ersten dieser Abtbellungen steht der Höchsr- commandirende (Lord WoUeley), der den Oberbefehl über die Land armer im Bereinigten Königreich und in den Tolonten führt, Armee befehle erläßt, als erster Berather de« Ariegsmintster« bezeichnet ist, die Brrthrilung und Mobilisirunq der Armee bestimmt und überwacht. Krieg-plane eniwirst, Kundschaft sammelt und dir Beförderung und «u-zeichnung von Llficierrn in Vorschlag bringt. Er ist der Regierung und dem Parlamente gegenüber für dir gejammtr Armrevrnoaltung unmittelbar verantwortlich An der Spitze der anderen süns Ab- theitungrn der Verwaltung steht je ein Leiter, der wieder dem Höchstcommandireoden gegenüber verantwortlich ist. Wir finden da den General-Adjutanten (Sir Rrdver« Buller), dem die Aufsicht über die militairiichr Disciplin, Erziehung und Ausbildung anverlraut ist und dem auch die Statistik über den Bestand der Armer, di« Aufzeichnungen über die Anwerbung, Entlastung rc. ob liegen. Der Gcnrral-Qnarliermeifter (Str Evelyn Wood) hat für dir Berproviantirung, die Einquartierung, das Transportwesen und dir Remoiite zu sorge». Der Berufekrris de« General-Jnspectors der Besestigungrn ergirbt sich von selbst. Der General-Jnspector der Artillerie hat die Aufsicht über dir Waffen- und Munirions- vorräthe und die Instandhaltung der Geschütze. Di« Pflichten des Finaiizsecrrtair« beschränken sich sonderbarer Weise nicht aus die Lontrole des Geld« und Rechnungswesens, sondern bürden ihm auch Vir Aufficht über di» staatliche» Geschützgtcßereirn und Wasfen- fabriten, lowir die Montirung auf. Der „Daily Graphic" bemerkt zu dem Schriftstück: „Was soll nun der Oberbefehlshaber eigentlich sein, ein wirk licher Obrrbrfeblsdaber oder da« größt« Licht unter den süns militairischen Sternen? Es scheint, mebr da« Elftere. Der Oberbefebtsbabrr soll ja der „Hauptraihgrber" sein. Ferner sollen „alle wichtigen Fragen" erst an den Oberbefehls haber geben, ehe sie rem Minister vorgelegt werden. Wenn der Passus überhaupt etwa« bedeutet, so bedeutet er, daß Lord Wolseley wirklich an der Spitze der Armee stehen soll. Und dagegen hat die Nation gewiß nickt«." — An freimüthigen Kritiken dieser Armeeverwatlungsresorm durch sachverständige Officiere wird e« gewiß in der nächsten Zeit nicht fehlen. Englische Officiere jeden Ranges benutzen bekanntlich die Presse sehr au«giebig. Man weiß, daß Marschall MartinezCampo« dir Lösung der ihm in Euba gestellten schwierigen Aufgabe mindestens ebenso srbr im Wege deS »uaviter ln mocko als des kot-titer ln r« erstrebt, d. h., daß er lieber durch Ucderredung und Verständigung mit den Insurgenten at« durch das immerhin problematische Mittel der Waffengewalt zu dem ersehnten Ziel gelangen möchte. In den Madrider Regierunzskreisen find diese versöhnlichen Neigungen FerNH-tsir. »! Der Kampf ums Dasein. Roman von A. von GrrSdorsf Nachdruck »ertöten. (Fortsetzung.) Helmuth sagte, ihm wäre ganz elend gewesen von so viel Worten und Redensarten, Höflichkeiten, Händedrücken und doch dabei hoffnungsloser, gähnender Gleichgiltigkeit im Wesen de» Mannes. Er wäre frob gewesen, wieder auf der Straße zu sein und schon seit Stunden vergeblich bemüht, den demüthigenden Gedanken, diesem eisigen Geschäftsmann sein volle» Vertrauen geschenkt zu haben, lo» zu werden. Jakoba seufzte. Sie hätte so gern auf irgend eine Helle Seite hingewiesen, irgend ein Gute» in der Sache entdeckt Vergeblich. Zunächst war überhaupt nicht- zu tbun, al» wieder in die Locale und CafS» zu gehen, die Inserate zu stuvirrn, dir Leute aazusprechen, Bekanntschaften zu suchen, selbst zu in- seriren und den Vater zu fragen, ob er Helmuth vielleicht dazu verbrlfen könne, jene unerläßlichen Studien zu macden. Er ließ Jakoba sehr gedrückt zurück. Er wollte sie nicht mitgrhen lassen zu den Seinen. Da- konnte nicht- helfen und nur trübe Stunden für Jakoba bringen. Maria-Marga- rrthr würde sicher ihrer Theilnahme in sehr verzagten Worten Luft machen, und das könne und wolle er Jakoba ersparen. Er fand zu seiner Erleichterung den Vater allein »u Hause. Maria-Margarethe sei auSgegangen, habe aber nicht gesagt, wohin; nur sehr aebeimnißvoll habe sie gethan. Helmuth theiltr dem Obersten in kurzen Worten mit, daß feine Hoffnungen auf die Anstellung bei Meyer und Berger erloschen seien und wie sie zu Grunde gegangen. Daran knüpfte er di« zaghafte Frage, ob der Vater ihm vielleicht irgendwie zu den erwähnten Studien die Mittel geben oder verschaffen könne. Jakoba habe ebenfall» Unglück gebabk. Der Oberst, der sich noch immer sehr erkaltet süblte, saß ganz gegen seine Gewohnheit im Schlafrock am Ofen und hörte mit seiner alten Gelassenheit Helmuth'» traurigen Bericht. „Um da» Geld zu Deinen Studien Hab' Du nur keine Sorg«, mein Junge; da laß nur Deinen Alten Rath schaffen. Wozu hast Du ihn! Freut mich, freut mick, daß Du zuerst tu mir kommst. Sollst nicht vergeblich gegangen sein. Gleich arm ich Dir da» Geld zwar nicht geben, ein paar Tage mußt Du schon warten." Er hüstelte und legte den Kopf müde an die Lehne seine» Sessel«, leicht die Augen schließend. Helmuth wurde plötzlich so angst, wie er ihn so ver ändert fand, so blaß unv mager nnv zusammengefallen. Er mußte plötzlich daran denken, baß ein Unglück selten allein kommt. Wenn der Baker stürbe! Er liebte ihn grenzenlos — er hätte schwer, schwer unter diesem Verlust gelitten, und gerade jetzt, wo daS eigene Leben so dunkel unv voll Sorgen war! Er meinte auf einmal ganz sicher zu sein, ganz sicher, daß der alte Mann, der Vater, obwohl alt und schwach und hinfällig geworden, doch der Mittelpunct ihre- kleinen Kreises, der Halt, der Trost in schweren Tagen — ihnen bald ge nommen werden würde Ach! Nur jetzt nicht! „Lieber, guter Vater!" Und er bückte sich und küßte mit beißen Lippen die welke, matt berabhängende Hand. Der alte Mann schien ihn zu verstehen. ES strich leicht mit den Fingern über Hellmuth'- Wange. „Ju Gotte» Hand, Sohn! In Gotte» Baterbaudl" sagte er mild. Helmuth stand auf und trat zum Fenster. Ihm war schwer und beklommen zu Mutbe. Dem Alten war» ebenso. Er backte über seine Worte nach, die schnelle Zusicherung seiner Hilfe. Er fragte sich, ob die Leidenschaft, zu Hellen, ^u rathen, zu stützen, al- solch« nicht etwa auch eine Schwäche genannt werden könne. War r» nothwendig gewesen, daß er vor einigen Tagen einer alten, verkommenen Person, die zeitlebens nur Unheil angerichtet hatte, die er herzlich verachten mußte, die ihrer eigenen Familie nicht mebr zu nahen wagte —. daß er, der ibr über alle seine Kräfte beigrstandrn, ihr eine Stelle in einem freundlichen Krankenhaus« verschafft und sich verpflichtet batte, auf Monate hinau- für sie zu zahlen?! Wenn seine Briese an ihre Familie ohne Erfolg bleiben sollten?! Nun stand schon wieder eine Noth vor ihm, eine, dir gerechte und dringende Ansprüche an ihn stellt«! Sein Sobn bat ihn: Vater, hilf mir eine Existenz gründen! Und wieder konnte er nicht sagen: Ich kann nicht, suche wo ander- Hilfe! Bedingungslos hatte er sie zuzesichert! Und wie, womit wollte er helfen? Nun, daS mußte überlegt werden. Geschehen mußte eS. Da drehte sich draußen der Schnepper in der Flurthür. Maria-Margarethe kam. Helmuth bedauerte, uicht schon fort zu sein. Aber er war überrascht, wie vergnügt, zufrieden und wohl sie aussah. „Nun", fragte der Vater lächelnd, „wo warst Du denn? Darf man eS jetzt erfahren?" „Bei Herrn Doctor Bergmann!" sagte sie stolz. Helmuth starrte seine Schwester fragend an. „Ja, was wolltest Du denn bei Bergmann?" „Jakoba hat doch so oft von ibm erzählt, daß er rin so kluger und so guter Mensch wäre und daß er nicht so spöttisch und grimmig wäre, wie die anderen Leute von ihm behaupteten, sondern gern jungen Talenten Bahn bräche, unv da bin ich eben mit meiner Arbeit — sie ist nämlich fertig — ganz muthia und sehr gefaßt auf Alle» zu Jakoba'S Freund hingegangen." „O Du heilige Jakoba!" dachte Helmuth. „Unv habe ihn gebeten, mir offen und ehrlich seine Meinung zu sagen und mir zu helfen. Ich sagte natürlich, daß Jakoba meine Schwägerin wäre." „Nun, mein Kind", sagte der Oberst freundlich, „ick glaube, daß die» «in ganz guter Gedanke von Dir war. Wie nun auch daS Urtheil auSsallen wird — dieser Autorität kannst und wirft Du jedenfalls glauben." Auch Helmuth mußte den Worten seine» Vater» bei pflichten. Maria-Margaretha war ganz aufgeregt. Sie erzählte lebhaft und ohne sentimentalen Tonfall von der Liebens würdigkeit de- gefürchteten Spötter»; wie ihr Herz zuerst gepocht hätte und sie noch vor der Thür am liebsten um gekehrt wäre. Ganz ander« aber sei ihr nachher gewesen, wie er so freundlich und bereitwillig — ja wirklich, wirklich so, al» ob st« ihm eine besondere Ehre erwiese — ihr Manuscrivt entgegengenommen batte. Und schön und prachtvoll sei er eingerichtet. Go viel dunkler Sammet und Eichenbvlzschnitzerei — Figuren und Köpfe vou Marmor, alte Bilder, die er ibr soaar gezeigt und erklärt batte, und ein ganzer Schrank mit Werken de- rühmtrr Dichter, dir alle von ihm kritisirt werden wollten. Und da» Schönste wären vier Oelbildrr m einer Reihe über seinem Schreibtisch, seine vier Kinder, wahre Engel-köpfchen, unv so lebendig, so schön gemalt, daß man sie hätte gleich küssen mögen. Und ohne Mutter, die armen, süßen Dinger! Maria-Margaretbe, die sebr kinderlieb war, sah jetzt plötzlich so bübsch, so jung und so liebenswürdig an-, daß Helmuth sie, die er immer nur in der trüben, verzagten Der ditterung ihrer altjüngferlichen Einsamkeit kannte, tief be mitleidenSwertb fand und sie innig in die Arme swloß. Er sanb sie in so guter Stimmung, daß eS ibm nicht allzu peinlich war, ibr seine große Enttäuschung mitzntbeilen. Aufrichtig war ihre Theilnabme ja immer, nur äußerte sich diese gern in etwa» vorwurfsvoller Erregtheit. Heute aber zeigte sie sich von ihrer besseren Seite, einfach herzlich und praktisch. Ste rieth Helmuth, e» doch auch einmal heimlich mit Jakoba'S Freunden zu versuchen, nicht durch die Vermittelung seiner Braut, bewahre, ganz direct. „Geh' doch bin zu Herrn Doctor Bergmann — der ist kein kalter Geschäftsmann, kann ich Dir sagen und ich glaube sicher, der kann noch mehr al- nur Romane kritifiren! Ich habe so da» Gefühl, der weiß in allen Dingen zu rathen." „Du schwärmst ja ordentlich!" sagte Helmuth lächelnd „Nun, da» ist wenigsten» ein sehr würdiger Gegenstand dafür. Immerzu. Meinen Segen hast Du!" Das nabm sie nun wieder Übel. „So mußt Du die Sache nickt wieder drehen, Helmuth! Hier ist gar kein Grund zum Necken und Spotten. Doctor Bergmann ist für mich gar kein Mann — nur eia kluger und guter Mensch!" Helmuth lacht«. „Nun, da« ist auch ein Unterschied!" spottete er gut mütbig. Als Helmuth aus die Straße trat, empfing ihn ein schreck liche» Wetter. ES regnete, schneite, hagelte, und ein un angenehmer Wind trieb Alles wirbelnd durcheinander. Aus den Trottoir» bildeten di» wandelnden Regenschirme ein einzige», schwarze» Dach, nur an den Straßenecken fanden die ergötzlichsten Kämpfe statt mit fortrilenden Hüten, fliegenden Gewändern, umzedrehten Schirmen, dir mit Ge walk zum Himmel wollten. Ueberau fanden Nein« Reibungen zwischen Vorüber gehenden statt, da die meisten Leute der Ansicht schienen, daß sie unter ihren, Regenschirm zu Hause wären und sich durchaus nicht um die Leute, dir vorubrrgingrn, zu kümmern brauchten. Helmutb, in seiner stattlichen Höhe, kam ziemlich glatt mit dem Regendach durch die hastende, drängende Menge Es war übervoll in den Straßen, da eS Sonnabend und zu rer Stunde war, wo die meisten Geschäft« schließen. „Hcllab, ich bitte um Entschuldigung." Ein ziemlich
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