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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.12.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951211017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895121101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895121101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-11
- Monat1895-12
- Jahr1895
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BezugS-PreiS ß» der Hauptexpeditton oder den im Stadt, »«»tri »ad de» Bororten errichteten Lu», gabestrllen obgeholt: vierteljährlichst50, bet zwestnaltaer täglicher Zustellung ins Hau« » KLO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Lireet» tägliche Krea-baudlenvung iu« Ausland: monatlich >ä 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. hie Abend-AuSgabe Wochentags um b Uhr. Le-action und ErpeLMoa: Äahanne«»asse 8. Di« Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: vtt» Memm's Torttm. (Alfred Hahn), Universitötsstraße 1, LouiS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Movgen-Ausgabe. UchMcr.TWMM Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen»PreiS die 6 gespaltene Petttzeile »0 Pfg. tzieclamen unter demRedactionöstrich (4ge spalten) LO^L, vor de» Aamilieunachrichten (Sgespalteu) 40 4. Größer« Schriften laut unsere« Preis- verzeichuiß. Tabellarischer and Ziffernsatz uach höherem Tarif. Extra-veilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördrrung >t 60.—, mit Postbesörderung 70.--. Avuahmrschluß für Anzeige«: Abend-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Worgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Für die Montag-Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bet deu Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 802. Mittwoch den 11. December 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. In Gemäßheit der Bestimmungen des 8- 105 b, Abs. 2 der Gewerbeordnung und des §. 3, Abs. 8 de« Gesetze«, die Sonn-, Fest- und vusztagSfeier betreffend, vom 10. September 1870, genehmigt der Unterzeichnete Rath als Polizei- bezw. Ortsbrhörde unter Anshrbung der bezüglichen Bekanntmachung vom 6. December 1898 für di« auf de» 15. «nd 22. December d. A. fallenden Sonntage 1) die Ausdehnung der für die Beschäftigung von Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern im HandrlSgewrrbe und den Gewerbebetrieb in offenen Verkaufsstellen freigegebenen Zeit auf Sie Stunden von 11 Uhr vormittags bis - Uhr AbeudS; 2) in der unter 1) genannten Zeit den öffentlichen Handel mit allen Maaren. Wegen LeS Verkaufes von Brod und weißer Backwaare, von Conditoreiwaarrn, von Fleisch und Fleischwaaren, sowie von Fischen bleibt e< bei den Bestimmungen, welche bezüglich des Beginnes der Verkaufszeit dieser Maaren für den gewöhnlichen Sonntagsverkrhr getroffen sind. Der Handel mit Mich ist nur in den Stunden von 9 bis 11 Nhr Vormittags Untersaat. Leipzig, am 2. December 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. X 6562. Or. G e o rgi. Res. Ilr. Kleinert. Bekanntmachung. Ä« vermiethen ist eine graste Wohnung im Erdgeschoß links des städtischen Hausgrundstücks Siu«so»stratze Rr. 10, be stehend an- 4 Stuben, 2 Kammern, Küche und Zubehör, für 850 ./L jährlich vom 1. April 1806 ab. Mirthgejnchk werden auf dem Rathhause, 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 9 enigegengenommen. Leipzig, den 2b. Oktober 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. —E— Dr. Grorgt. Morche. Bekanntmachung. vermißt Wird fett dem 11. November 1895, Vormittags '/»9 Uhr, der am 18. April 1855 zu Lübeck geborene, in Leipzig, Thalstraße 12a, I., links, wotmhaste Mitinhaber der in hiesiger Salomonstraße 18 be triebenen lithographischen Anstalt von Kräuter L Mützenich, der Kaufmann Johann Friedrich Ferdinand Kräuter. Nach den hier angestellten Erörterungen ist die Vermuthung ent standen, daß der Vermißte Leipzig heimlich verlassen hat, um sich irgendwo eine neue Existenz zu gründen. Es liegt jedoch auch dre Möglichkeit vor, daß er sich entleibt habe, oder daß ihm ein Unglück zugestoßrn sei. Der Vermißte ist 40 Jahre alt, klein, hat hohe verwachsene Schultern, kleinen Kopf, dunkelblondes, kurzes Haupthaar und dunkelblonden kleinen Spitzbart, blaue Augen. Bekleidet war er mit dunkelblauem Uebcrzieher, hellbräunlichem Sommeranzug, trug golden« Uhr, startgliederigr goldene Kette, braunen steifen Fitz- Hut, schwarzen glänzenden Spazirrstock mit metallenem Quergriff, Stiefeletten. E« ergeht hiermit das Ersuchen an Behörden und Privatpersonen, Alles, was über den Verblieb des Vermißten Ausschluß zu geben geeignet ist, schleunigst zur kenntniß unserer Eriminaladtheilung zu bringen. Leipzig, den 9. December 18S5. Das Polizetaml der Stadt Leipzig. IXo. 3500. Bretschneider. Kr. Bekanntmachung. Am 6. December or., Vormittag- 10 Uhr, ist auf dem Pro menadenhügel an der 1. Bürgerschule in einem Sandhaufen ober flächlich verscharrt der nackte Leichnam eine» neugeborene» Kindes weiblichen Ge>chlecht» aufgefundrn worden. Dir gerichtliche Seclion hat ergeben, daß da» Kind völlig ausgewogen gewesen isl und gelebt hat, sowie daß die Geburt bez. der Tod (Er>tickung) desselben etwa 4—8 Tage vor Ausfindung der Leich« erfolgt ist. Wir bitten, alle Wahrnehmungen, die zur Ermittelung der Mutter des Kindes oder derjenigen Person, die die Leiche beseitigt hat, führen können, ungesäumt zur Kenntniß unserer Lriminai- abtheiiuag — Wächlerstraße 5, Zimmer 68 — zu bringen. Leipzig, am 9. December 1895. Da» Voltzetamt der Stadt Leipzig VII 4389. Bretschneider. vr. Fiucke. Ilutz^ und Brennhol; Hction. Dienstag, de« 17. December d. I., sollen im Vurgauer Sorftredtere auf dem Schlag in der sogenannten Ltnvenauer Gottge» dicht am Fahrwege in Ablh. 28n I. von vormittags » Uhr an: 4 Rmtr. Etchrn-Rutzschett« I. El., 10 - - - 11. - 234 - - vrennschrite und 7 - Buchen- - . ferner H. von vormittags 10 Uhr an: 121 Haufen Abraum und 1» - Schlngrrt«, «ntrr den km Termine auehängendrn Bedingungen und der üblichen Anzahlung an Ort und Stelle meistbietend verkauft werden. Zusammenkunft: aus dem obengenannten Schlag«. Leipzig, am 8. December 1895. De» Rath» Forftdepntatio». Die „Norddeutsche Ältgem. Zeitung" üder Leipzig. die bekanntlich dem Zta.". dl r Amtsführung „weißes * Ob die „Norddeutsche Allgem , Fürsten Bismarck während seiner Papier" zur Verfügung stellte, noch heute zu Kundgebungen de- Reichskanzlers und hrrußischen Ministerpräsidenten be nutzt wird, wissen wir nicht. Daß aber da« Blatt in dem Nimdu« eiarS officiösrn Organ« sich gefällt, gebt täglich au- Notizen desselben hervor, die in demselben Tone vorgetragen werden, der den „Jnspirirten" eigen ist. Um so sorgfältiger sollte ein solche» Blatt sich hüten, mit leichtsinnigen Urtheilen um sich zu werfen, di« in den Betroffenen die Bermuthungrn erwecken könnten, aiH solch« AuSjäll« seien auf Inspiration zurück zuführrn. Wie leichtfertig aber die „Nordd. Allgem. Ztg.' bei ihren absprechenden Urtbeilen verfährt, ergiebt sich wieder einmal auS dem Leitartikel ibrer letzten Nummer, der sich unter der Ueberschrift „SocialiSmus und sociale Revolution" mit den „Grenzboten" beschäftigt und dabei auch ein Urtheil über Leipzig, sein Professorentbum und seinen Buchhandel sich gestattet. Der Artikel lautet wörtlich: „In letzter Zeit mehrt sich die Zahl im öffentlichen Leben sehender Männer und publicistischer Organe, welche in der Lage zu sein glauben, sich gegen den Borwurf wehren zu müssen, daß ie mit der Socialdemokratie gemeinsame Sache machen. Bei Be- urtheilung dieser Rechtfertigungsversuche sind zunächst die auf richtigen von denen, die es nicht sind, zu unterscheiden. Wer wirklich mit Bewußtsein das Dcmagogenhandwerk getrieben hat und zwar mit hinlänglichem Erfolg, daß die Oeffentlichkeit ich überhaupt mit seiner Person beschäftigt, der hat auch jene dem Demagogen unentbehrlichste Anlage besessen, jenen Jnstinct, sich stets in einer Sphäre von Halbwahrheiten zu bewegen, die, je nach dem Vedürfniß des Augenblicks, dialektisch so oder so gewendet werden können. Ein Talent dieser Art ist gefeit gegen ^eden Versuch einer Kritik, die in seinem öffentlichen Verhalten logische Widersprüche und thatsächliche Treulosigkeiten nach- weisen wollte. Denjenigen, der vor Allem darauf bedacht ist, in Worten und Handlungen nur Deutungsfähiges kundzugeben, aus einzelne Aenßerungrn festzunagelu, dürste sich noch schwieriger er weisen, als den Aal beim Schwanz zu fassen. Ganz vergeblich müßte vollends das Bemühen bleiben, mit den Anhängern eines Politikers dieses Schlages über die „moralische Frage" sich kritisch auseinanderzusetzen. Denn die Anhänger sind ja eben die Leute» denen er mit seinen deutungsfähigen Halbwahrheiten imponirt hat, die an seiner auS Fanfare und Chamade sonderbar gemischten Tonart Gefallen finden und die sich eben von seinem Talent, die grellsten Widersprüche wenigstens für blödere Augen harmonisch abgetönt er« Icheinen zu lasten, für sich und ihre Partei Nutzen versprechen. Ganz anders liegt der Fall, wenn der Versuch, die Gemeinschaft mit der Socialdemokratie zu verneinen, aus ehrlichem Herzen kommt. Wir haben keinen Berus, die Leipziger „Grenzboten" zu verlheidigen — das können sie selbst thun, und sie thun es —, noch weniger, diese Zeitschrift in ihrer politischen Gesammthaltung anzugreisen. Wir knüpfen an einen Artikel derselben, der die Ueberschrift trägt: „Sind wir Socialdemokratea?" nur um deswillen an, weil wirrin geeignetere» Beispiel, um inS Licht zu setzen, worauf es bei Beant- worlung dieser Frage ankommt und worauf es nicht ankommt, nimmermehr finden könnten. Die bürgerthümlich - conser- vative Grundgesiuuung des Blattes steht ganz außer Frage und sie hat ihr« tapfere Bethätigung gefunden in Zeiten, wo eine solche Haltung wahrlich keine äußeren Bortheile bringe» konnte. Heul« sind die „Grenzboten" fast das einzige Blatt in Deutschland, weiches sich kräftig jener factiösen Ausbeutung des Wortes „Mittelstand" entgegeostemmt, welche den gebildeten Theil deS städtischen Mittelstandes einfach zur Thür hinausweist, weil drinnen nur für Zünftler und in Bimrtallismus - Fragen be- wanderte Landleute Raum sei. Soweit bewußte Absicht und wirk- liche Grundüberzruguag in Frage kommen, steht die Leitung der „Grenzboten" einem demokratisch - socialistischen Demagogenthum so fern wir nur irgend möglich. Aber Leipzig hat sich seit LeibuizruS Zeit iu anderer Beziehung für Politiker al» ein gefährliche» Klima erwiesen. Wer nicht schon als Doctrtnatr dorthinkam, ist e» bei längerem Aufenthalt immer geworden. Profrfsorenthum «nd Buchhandel pflegen gleichermaßen den doctrinatrea Bacillus aus zuschwitzen. Unter den pathologischen Symptomen de» Doktrinaris mus erscheint aber al« besonder« demerkenSwerch eine gewisse Ueber- sichtigkeit, «ine krankhafte Neigung de- Auge-, über die thatsächlichen Verhältnisse der Wirklichkeit hinwegznblicken und rund umher nur Doctrinen za sehen. So meinen denn auch die „Grenz- boten", die Frage, ob Einer gemeinsame Sache mit der Soctal- drmokratie mache, beantworte sich durch den Nachweis der Ueberein- stimmung oder Nichtübereinstimmung mit den Sätzen des Bebel- Liebknecht'ichen Programm«. Ai« ob die Führer der commu- nistischen Partei nicht jeden Augenblick bereit wären, jeden dieser Puncte zu opfern oder ins Gegen theil umzuLndern, wenn da« taktisch« oder propagandistische Interesse der socialen Revo lution so etwa« zu verlangen schiene. Zweck, ernsthafter Zweck ist für die sorialdrmokratische Partei nur der Umsturz der bestehende« GrsellschastSordnung, alle« Uebrigr gilt al« Mittel, da« jeden Augenblick nach Bedarf anders gewählt werden kann. Ein offenbarer Helfershelfer und Förderer der Socialdemokratie ist daher Jeder, der entweder die bestehenden staatliche, und socialen Zustände al« so verrottet, per dorben und entsittlicht darstrllt, daß nur noch von einer grund- siürzenden Umwälzung Besserung erwartet werden könnte, oder wer ans di« gähreud« Unzufriedenheit der unteren Bewöikernngsschicht in einer solchen Weise einwirst, daß die Begehrlichkeit derselben noch mehr gestachelt, ihr Wahn, sich mit ihren Nanbgelüfte» im Recht zu befinden, gestärkt wird. Seite 418 gewähren die „Grenzbote," folgender Auslassung Aufnahme: „Außerhalb England« tritt mit psychologischer Nothweadigkeit die Wirkung »in, baß der Arbetlerstand revoluttonair gesinnt ist. Dn moderne Militair- «nd Poliztt- staat ist stark genug, jede revolutionatr« Bewegung im Krim zu er- sticken, und er thut es. Demnach muß mit der Zeit eine zweite Wirkung rintreten: Di« Hoffnung ans Besserung schwindet, die Kraft zum Widerstand« erlahmt, di« Arbeiterorganisationen lösen sich aus, dir energischeren Angehörige» de« Arbriterstaode« flüchten durch Selbstmard an« de« hoffnungslosen La- sein, dl« Uebrigbleibenden versinken in jenen Zustand thiertschen Stumpfsinne«, der sich willenlos in jede Lag« fügt." Wenn da» Bild, da« hier von der Lag« de« deutschen Arbeiter stände« entworfen wird, vicht etwa al- Au-geburt eine« kranken Gehirn« genommen werden soll, so kan» »« nicht« Andere« sein, al« »ine Aufforderung, eh« man „durch Selbstmord endigt", oder in „thierijchen Stumpfsinn" versinkt, noch einen ver zweifelten Versuch zu machen, ob dem die Revolution unter- drückenden „Militair- oder Polizeistaat" nicht doch beizukommen sei. Wer solche aufrührerische, zum Widerstand gegen angebliche brutale Ungerechtigkeit aufrusende, die sociale und staatliche Ordnung leichtfertig verleumdende Redensarten ins Publicum wirft, der ist enosse und Mitschuldiger der Partei des socialen Um sturzes, möge er sich zu den von Karl Marx oder dem Bebel- Liebknecht'schen Programm vertretenen Theorien im Uebrigen ver halten, wie er will." Wir bedauern aufrichtig, die „Grenzboten", gegen die „Nordd. Allgem. Ztg." nickt in Schutz nehmen zu können. Sie verdienen nach unserer Ueberzeuaung da» Urtheil, welches daS Berliner Blatt über sie fällt. Mit um so größerer Ent schiedenheit müssen wiraber dem Versuche entgegentrelen, milden „Grenzbolen" ganz Leipzig, besonders sein Plo,essorenthum und seinen Buchhandel, zu idenlificiren und daS Leipziger „Klima" für die Verirrungen der „Grenzboten" verantwortlich zu machen. Dieser Versuch verrälh nicht nur eine grobe Unkenntniß der Leipziger Verhältnisse und der Kreise, denen die Mitarbeiter der „Grenzbolen" angehören, sondern auch jene „gewisse UebersichtUchkeil", jene „krankhafte Neigung des Auges, über die thalsächiichen Verhältnisse der Wirklichkeit hinwegzublicken und rund umher nur Doctrinen zu sehen", die daS Blatt den „den doctrinairen Bacillus auSschwitzenben" Insassen des großen Krankenhauses Leipzig andichlet. Gerade in diesem angeblichen Krankenhause haben die politischen Parteien, die in der unmittelbarsten Umgebung der „Nordd. Allg. Ztg." die deutlichsten patbologischen Symptome eines verbissenen Doktrinarismus zeigen, den Beweis geliefert, daß sie die thatsächlichen Verhältnisse der Wirklichkeit klar erkennen und mit durchführbaren Mitteln zu bessern gewillt sind; gerade m Leipzig gehören die „den doctrinairen Bacillus auS- schwitzenven" Professoren zu den Seltenheiten; gerade aus ibren Kreisen sind für das praktische Leben die fruchtbarsten Anregungen ausgegangen. Und wer den Leipziger Buch handel der doctrinairen Verknöcherung zeiht, der weiß von iym nicht mehr, als der Bandwurm von der Farbenlehre. Gerade dadurch, daß die „Grenzboten" mit galligem Doktri narismus m eine Richtung sich hineingearbeitet haben, die die Ägilation der ulopistischen Socialdemokratie fördert, haben sie besonders in Leipzig den Einstuß und daS Ansehen ein gebüßt, deren sie früher sich erfreuten. AlS Gegenbilder der erbärmlich - komischen Gestalten, welche die „Nordd. Allgem. Ztg." auS ihnen macht, werden die Leipziger „Bacillusschwitzer" sich wenig grämen über ein Urtheil von augenscheinlich so verständnißioser Seite. Aber sie haben das Recht, zu verlangen, daß die Kreise, als deren Sprachrohr daS Blatt erscheinen möchte, in unzweideutiger Weise diesem Scheine ein Ende bereuen und bei passenoer Gelegenheit erklären, daß auch sie die Anwürfe der „Nordd. AUg. Ztg." gegen Leipzig, sein Professorenthum und seinen Buchhandel als eine ebenso tbörichte wie taktlose Prwat- leiftung beklagen und verurtheilen. Deutsches Reich. H Berlin, 10. December. Die Geschichte der Polen zer fällt seit 1795 in zwei Abschnitte, die durch das Jahr 1863 geschieden werden: BiS 1863 versuchte man, daS lediglich durch eigene Schuld vernichtete Poleureich mittel- wiederholter Putsche und Aufstände auf gewaltsamem Wege wieder her zustellen. Seitdem haben die Polen ihre Taktik verändert; sie kämpfen im Stillen, im Geheimen. Ihr unablässiges Bemühen ist dahin gerichtet, sich durch-innere Arbeit auf allen Gebieten und mit allen Mitteln auf die sehnsüchtig erwartete günstige Gelegenheit zur LoSreißung der deutschen Ottmarken vom Reiche vorzubereilen. Wie nahe fie den Zeitpunct der Verwirklichung ihrer Hoffnung wahnen, bezeugt nicht nur die Aeußerung, daß im nächsten Jahrhundert alles Land östlich von Danzig und Görlitz polnisch sein werde, bezeugen nicht nur das Verbalten der Polen bei der Sedaufeier und ihre aufreizenden Kundgebungen zur Erinnerung an die vor 100 Jahren erfolgte letzteTdeilung Polen«, sondern auch die Er örterung der polnischen Presse über die Aufgaben de- zukünftigen polnischen Cultusministers bei Stiftungen in der Provinz Posen unv die Aufforderung au alle Polen und Polinnen, sich bei der Volkszählung nicht mit dem staatlichen Ausdruck „Preußen" einzulragen, vielmehr mit den Worten »Polt, vreußischer Unterthan". Wie sicher sie ihrer Sache sind, beweist die stetige Steigerung des in seinen Anfängen bis 1863 zurück reichenden, durch den Martin kowSki-Verein mit vielem Geschick vorbereiteten uno seit rund 10 Jahren in offenkundiger Form betriebenen Boykotts der Deutschen in den Ostmarken. Anerkannt wird diese Thatsacke durch folgende Stelle in einem 1895 erschienenen Werke de» polnischen Schriftstellers StaniSlauS TarnowSki „Unsere Geschichte der letzten hundert Jabre": „Alle Polen in Großpolrn (d. i. Posen und West- Preußen), Arm und Reich, hielten darauf, daß sie ihren Bedarf nur bei polnischen Kaufleuten «nd Handwerkern entnahmen." Eine weitere Beleuchtung de» Vorgehen» der Polen finden unsere Leser i» dem soeben erschienenen Hefte „Fälle polnischen Boykott»", in dem der „Verein zur Förderung de» Deutschlhum« in den Ostmarken" die wichtigsten Beispiele polnischen UebermulhS bis aus die letzte Zeit übersichtlich -usammenstellt. Freunde der nationalen Bestrebungen de» Verein» können da» Heft nuentgeltlich erhalten von der Geschäftsstelle (vr. Heinrich Thießen) Berlin IV 62, Wichmannstr. 2». L Berit«, 10. December. Wie einige Blätter melden, hat die Regierung iu Erwägung gezogen, ob der Betrieb vou kaufmännischen AuSkunstsburrauS nicht von einer behördlichen Erlaubniß, welche den für diesen Beruf nicht zuverlässig erscheinenden Personen zu untersagen wäre, ab- hängig zu machen sei. ES ist jedenfalls zutreffend, wenn in der osficiösen Meldung gesagt wird, der Einfluß diese« Gewerbebetriebe« aus da» Geschäft-leben und dir Privat- verhältuisse überhaupt sei im Zunehmea begriffe«. Insoweit dies« Entwickelung der Ausdehnung de« kauf männischen Ereditwrsen- entspricht, ist fi« gesund »nv soll und kann fie nicht gehemmt werden durch di« Einführung der EoacesstonSpsticht. Von den namdastr« kaufmännischen AnSknnftS- dureauS ist auch aozunehmru, daß sie, ihrer Bezeichnung ent sprechend, auf die Unterstützung des gewerblichen Verkehrs sich beschränken und über Privatangelegenheiten im engeren Sinne, insbesondere über Familienangelegenheiten, keine oder nur dann Mittheilungen machen, wenn diese zur Beurtheilunz der gewerblichen Verhältnisse unentbehrlich sind. Neben diesen nützlichen und nothwendigen Geschäften hat sich jedoch eine Industrie entwickelt, die mit der Beantwortung von Erkundigungen der Geschäftswelt wenig oder gar nichts zu thun hat und ihre Aufgabe darin erblickt, Privatverhält nisse auszukundschaften und darüber Auskunft zu er- theilen. Es ist dies das Gewerbe der Privatdetectiv- institute und Privatdetective, das zur Zeit weder juristisch noch praktisch von dem der kaufmännischen Auskunftsbureaus zu unterscheiden isl, wenn auch die soliden unter den letzt genannten Anstalten mit gutem Rechte jeden Vergleich mir den ersteren ablehnen werben. Auch Prrvatdetectlvinstitute können legitime Zwecke auf legitime Weise verfolgen, ohne Zweifel wird diese» Geschäft aber vielfach von ungeeigneten Personen in den Dienst unlauterer Absichten deS Scanvals und einer unanständigen Neugier gestellt. Man kann un bedenklich behaupten, daß Gewerbebetriebe dieser Art über wiegend nicht einem vorhandenen Bedürfnis nach Informationen ihr Dasein verdanken, sondern umgekehrt ihre Existenz erst ein Bedürfniß erzeugt, daß also ein verwerfliches Angebot eine verwersliche Nachfrage hervorgerufen hat. Kann ein kaufmännisches Auskunflsbureau, wenn es nicht allen An forderungen der Eigenart dieses ErwerbSzweigeS ent spricht, und kann selbst das best organisirle und ge leitete Institut dieser Art unter Umständen Schaden stiften, so liegt es aus der Hand> daß diese nicht von einer soliden Geschäftswelt controllirten, hauptsächlich nicht geschäftlichen Verhältnissen nackspürenden Detektiv institute gemeingefährlich werden können, wenn sie nicht gewissenhaft verwaltet und bedient werden. Daß Personen, die vom Standpunct des öffentlichen Interesses ganz un tauglich genannt werden müssen, an solchen Geschäften be- theiligt sind, ist notorisch, und wird neuerdings in Berlin bestätigt durch sckimutzstarrenbe Pamphlete, mit deren Zu sendung Redactionen und Privatpersonen belästigt werden, welch' letzteren Umstand wir der Polizeibehörde beiläufig denuncirt haben wollen. Diese Abart des Auökunftswesens läßt eine behördliche Einflußnahme ganz besonders wünschens- werlh erscheinen. V. Berlin, 10. December. (Telegramm.) Zur gestrigen Frühstückstafel im Neuen Palais waren keine Ein ladungen ergangen. Um 4 Uhr 58 Min. fuhr der Kaiser nach Berlin unv empfing um 6 Uhr daS Präsidium des Reichstages. Um 6»/r Uhr begab er sich nach dem Zeug Hause und besichtigte daselbst die neuen Ankäufe von alten Waffen und Rüstungen, sowie neu hergeslellle Statuetten, welche die Infanterie des Garde-Corps in der Uniform während des Feldzuges 1870/71 darftellen. Vom Zeughause fuhr er zum General z. D. v. Arnim, um daselbst das Diner einzunehnien. Mit dem fahrplanmäßigen Zuge um 9 Uhr 54 fuhr er nach der Wildparkstation zurück. — Heute Vormittag arbeitete er von 9 Uhr ab mit dem Chef des Militair-Cabinets und hörte darauf den Vortrag deS Ministers Thielen. Später nahm er eine Reihe milirairischer Meldungen entgegen. D Berlin, 10. December. (Telegramm.) Wie der „Neichsanzeiger" meldet, trat beute die Commission sör Arbelterstattsttk unter dem Vorsitze des UntcrstaatSsecretairs Lohmann zusammen. Der Sitzung wohnten verschiedene Regierungscommissare bei. Auf der Tagesordnung stand vre Untersuchung der Arbeitszeit, der Kündigungsfristen -»nd der LehrlingSverhältuiffe im HandrlSgewerbe unv der Arbeitszeit in den Getreidemühlen. ---- Berlin, 10. December. (Telegramm.) Kür Berlin ist eine Verordnung beabsichtigt, durch welche deu Laden befitzern gestattet wird, an den beiden letzt en Sonn tagen vor Weihnachten ihre Geschäftslocale dis 10 Ubr AbendS offen zu halten, sofern sie auf die sonst gestatteten Geschäfts stunden vor Beginn des HauptgotteSdiensteS verzichten. Der ,,N- A. Z." ist nicht bekannt, daß eine gleiche Verordnung für andere Städte beabsichtigt ist. (Die hierauf bezügliche Meldung der ,Mla. Ztg." war also unrichtig: siehe unten. Red. d. ,/S. T.") L. Berlin, 10. December. (Privattelegramm.) Der neue Minister des Innern Freiherr »an der Necke, welcher im Kaiserhof Wohnung genommen hatte, begab sich zunächst heute nach Düsseldorf zurück. L. Berlin. 1V. December. (Privattelegramm.) Der Wechsel t« Mtnlstertnm des Innern ist noch immer Gegen stand mannigfacher Erörterungen „vikanter" Art in einem Theil« der Presse; ja, eS wird sogar behauptet, Herr v. Köller selbst werde eine Darstellung des Hergange» bei diesem Wechsel veröffentlichen. Man braucht, wie di« Nat.-Ztg." bemerkt, in die Absichten deS bisherigen Minister» nickt ein- geweiht zu sein, um da» für eitel Wind zu halten. „Zu den „pikanten Zuthatea" — schreibt da» genannte Blatt weiter —, „mit denen derartige Gänge auf gewissen journalistischen Tafeln augerichtrt werden, gehören unvermeidlicher Weise auch Angaben, die dem Finanzminister Miquel eine besondere Stellung während der jetzt abgeschlossenen Krisi« zuweisen; ohne ein Geschichtchen über diesen für manche Reporter be sonder» verwerthbaren Minister tbua sie e» nicht, und so sollte er diesmal sich für das Verbleiben de» Herrn v. Koller mehr interessirt haben, al» andere Mitglieder des Staats- minifirrium«. In Wahrheit ist dasselbe in der Angelegenheit durchaus einig gewesen." — Der Kaiser bat dem General-Lieutenant z D. Frhrn. von Salmuth hiersrlbst folgende» Telegramm zu gehen lassen: „Neues Palais, 4. December 1895. Bei Ormes in der Schlacht bei Orleans sühnen Tie vor Lb Jahren die Blücher-Hnsaren in schneidigem Rttterkampf zum Tieg«. Ich erinnere mich heute dessen gern und dankbar und sren« mich, Ihnen hierdurch den Ekarakter al« General der Lavallert« z» verleihen, (gez.) Wllyeti» K" — Der ,^B. B.-C." schreibt: „Freiherr v. d. Recke besitzt den Ruf eines wohlersahrenen Beamten, rineS für geistige und künstlerische Interessen sehr empfänglichen Mannes, der sich auch in dieser Beziehung in Düsseldorf vermöge seiner Stellung al« Curator der Kunstakademie bewährt hat. In den Foyer» de» Reichstage» wnrd« darauf hiugewiesen, daß
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