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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.07.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930717014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893071701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893071701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-17
- Monat1893-07
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Bezugs-PreiS <>» d« Haupteppeditio» «»der den tm Stadt bezirk and den Vororte» errichteten No«, -alestellen,b««holt: vierreljähttich^i 4.50z »ei zweimaliger täglicher Zusrelluug in« Hau« 5L0. Durch dt« Post bezogen für Deutfchland und Oesterreich: oierreiMrlich . Direct» tägliche Kreuzbaubienduag in« AuSland: monatlich ^l 7^0. Dievkorgen.U»«g,b««rfchrinttäglich '/,7UH^ di« Abend-Ausgabe Wochentag« L Uhr. Ne-actio« vnd ErpeLMo«: AotzaunrSgasfe 8. Di«Expedition ist Woch»»tag« unontrrbroch«, geöffott von früh S dt« Ab«»d« 7 Uhr. Vits ««««'» L«rti«. (Nlfrr» H«ß»)g Uaiversitättsnaß« 1, LanlS LSsche, Aatharinrnstr. 1«, patt, und KSniglplad 7. Morgen-Ausgabe. Wigcr.TaMM AnzeigenPreiS die Lgeipaitene Petitjeile SO Pfg. Nrclainen unter dem Redattiontstttch (4g». fpolten) 50 ^4, vor den Famistranachttchieo (Sgeipnlten) 40 >4- Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Zisserujatz »ach höherem Tarif. Anzeiger. Organ für Politik, Localgcschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Vptr«-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgade. odn« Postbesörderung ^4 SO.—, mit Postbesörderung ^4 70.—. Iinnatfmrschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Marge u-AuSgabr: Nachmittag» «Uhr. Soun- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und vlanakmestest«» j« eia« halb« Stund« früher. >«»«»««« find stet« an dk Erpedittou za nchte». Druck und Verlag von E. Pol» t» Leipzig Montag den 17. Juli 1893. 87. Jahrgang. Bestellungen auf Reijellbonntments nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus <Ue Lxpeältlon äes Oelprlxer laßtzdlnttes, Johannisgasse 8. Amtliche Bekanntmachungen. Lekannlmachunß. Unter Bezugnahme aus unsere Bekanntmachung vom 17. Juli 1889 bringen wir zur allgemein«» Krnntniß, daß In diesem Jahr« di« Grundstücksbesitzer in der Grenzftratze und auf dem Täubchen» »ege, von der Feldstrabe bis WoUwitzstraße in Lri-zig-Rrutziiitz, in drr Hauptstraße in LetOttg-Anger-Crottentzorf und in der Bergstraße in 8rtp,i,»-lrubaitz und Leipz>>-Votkmarsdorf die Fußwege vor ihren in diesen Straßen gelegenen Grundstücken, soweit dies noch nicht geschehen ist, noch den in jedem einzelnen Falle hierüber von uns rinzuholenden Vorschriften mit Granit- platten und nach Befind«» mit Schwellen und Mosaikpflafter zu befestigen haben. Denjenigen Grundstücksbesitzern in den vorstehend ausgerusenen Straßen, die bi- Ende diele- Jahres die Fußweg« vor ihren bez. Grundstücken vorschrift-gemäß Herstellen, werden wir, soweit nicht neue Anbaue im Sinne von Abschnitt 1 des Regulativs, di» nrnen städtischen Anbaue re. betreffend, vom 1k. November 1867 bez. im Sinne de» 2. Nachtrages hierzu vom b. März 187? oder Neubauten in Fragt komme«, oder »ich« gegentheilige Verträge mit der Gtadtgemetnd« vorlteaen, zu den »osten der Fußwegherstellung einen Beitrag von b für jeden Quadratmeter Branitplotten und Granitschwellen gewähren unter der Bedingung, das, dagegen die Fußwegantageu an die Ltadta«meind« ausdrücklich abgetreten, letzterer auch dir etwa aus den Fußwegen bereits liegenden Pflastersteine oder Platten rigenthümlich überlaste» werden. De« Ansprüche» aus diesen Beitrag gehen diejenige» Grundstück«« brsitzer verlustig, die bi« zum Scklusi« diese« Jahre« di« Fußwege nicht in der vorgeschriebe»«« Weise gut hergestellt haben. Außerdem behalten wir un« ausdrücklich vor, nach Ablans dieses Jahr«« mir Zwang-maßregeln gegen dir Säumig« vorz»g«h«n. Leipzig, den 12. Mai 1898. Der Rath der Stadt Leipzig. Ia. 232«. vr. Georgt. Eichoriu«. Jur Frage der zeitlichen Verlegung -er Messen. Um für die Frage einer zeitlichea Verlegung der Leipziger Messen zuverlSssige Grundlagen zu gewinnen, Hoden wir an rund 2300 als Meßbesucher bekannte Firmen einen Fragebogen ver- sandt, in dem die Wünsch« derselbe» nach dieser Richtung nieder- gelegt werden sollen. Auch den hiesigen hieran interrssirten Firmen stellen wir hiev mit solche Fragebogen zur Verfügung. Sie können in den Stunden vormittags 8 di« 12 Uhr und Nachmittags 2 di- 7 Uhr aus unserer Canzlii. Neue Börse, Tr. X, I., abgeholt werden. Mr bitten, sie dann «-glichst dald auSgefält an dieselbe Stelle znrückgelangen -u lasten. Leipzig, den 12. Juli 1893 Die Handelskammer. A. Thteme, Vors, vr. Gensei, S Obstoerpachtung. Die diesjährig« Obslnutzung an den fiskalischen Straßen de» Ban» verwalterri-Bezirkr« Rochlitz soll auf Abth. 3 oud 4 der Waldbeim-Altenburger, » » 1 » Rochlitz-Waldenburgrr Straß« mit drr Berg strotze und » der Rochlitz-Chemnitzer Straße Montag, de» 44. dss. Mo»., vorm. '/.IS Uhr t« Gagh»s „zur Stab» Leipzig" in «schlitz, aus Abth. 1 und 2 der Waldheim-Ältenbnrger Straß« an drmselde» Tage Rachm. 8 Uhr tm Gafttzase zu AltgertngSwalPe, Hl. auf Abth. 5 der Waldheim-Altenburger und » - 2 - Rochlitz-Waidendurger Straße Dienstag, den 2 ». dss. «au.. Barm. ' ,71 Uhr t« »asttzas ,^»m LSwen" t» Getthatn, IV. a»f Abth. 3—k der Rochlitz-Waldenburgrr uub » » 1—4 » Reitzrnhainer Straß« an demseldeo Tage Rachm. '/,S Uhr t« „Neitzl,'« «rstanrant" tn Pent», aus Abth. 3 »ad 4 der Limbach-Miitweidaer, -» - 4 » b - Leisntg-Chemnitzer und - - 2 « Mittweida-Halnichener Straße Mittwach, de» 2«. ds«. Man., Rach«. 4 Uhr t« Gasthas zn Rrudßrschen dri Mtttwritza meistbietend gegen sasartige vaarzahlung und unter den in den Terminen bekannt zu machenden Bedingungen verpachtet werden. Näher« Auskunft über di« einzelnen Pachtstrecken vermögen dt« Herren Amtsstroßenmetster und sämmtliche Strafiemuärter zu erlheilen Grimma und Aachlttz, den 12. Jnii 1893. A-ntgi. Straßen- und Wasterdaniuspcction. A-nt,l. Bauverwalteret. KSHler. Voigt. Politische Tagesschim. * Leipzig. 16. Juli. Drr zu nur kurzer, aber um so bedeutsamerer Sommer taguna versammelt gewesene Reichstag hat sich durch vir Annahme der Militairvorlagr um da» Vaterland ein bleibendes Verdienst erworben, da» den Tbeilnehmero an dem Mehrheit-votum von Allen, denen die Sicherheit de« Reiche« und dessen ungestörte inner« Entwickelung Höher steht, al« d«r Sirg riaer Parteimrinung, hoch angerechnet werden wird. Kann doch jetzt untere Heeresverwaltung sofort daran gehen, die nothwendigrn Reformen und Verstärkungen für die drutschr Armee rinzusühren, und sind wir doch vor einer neuen RrichßlagSauflösung, vor einem gewaltigen Evnstict mit allen seinen Wirren und Erschütterungen bewahrt worden. Die neue ReichSverkretung, soweit sie bei diesem Erfolg mit gewirkt, mag also mit dem Bewußtsein wackerer Pflicht erfüllung und eine« gute» Anfang- ihrer Thäligteit in die Heimalh zurückkrhren. Wenn man jetzt den Blick um einige Wochen zurücklenkt, so taucht von selbst die Zrage auf, warum da» nämliche Ergebniß nicht bereits an >enem verbangnißvollen 6. Mai zu erreichen gewesen ist. Einen Tbeil der Schuld trägt zweifellos, wie wir schon mekr- ach Hervorgehobe» haben, die Taktik einer Regierung, die (war erklärt, sie nehme da- Gute, wo sie eS finde, die aber gerade bei der Militairvorlagr sich darauf versteifte, Trauben zu suchen, wo nur Dornen wachsen, und auS diesem Grunde es unterließ, die vorhandenen Ansätze zu einer fruchtbaren MedrheitSgruppirung zu pflegen. Aber auch auf anderer Seite ist gefehlt worden. Hätten die Männer von der Nich- tung der „Freisinnigen Bereinigung", deren damals eine erheblich größere Zahl im NeichSlag war, sich schon damals alle entschließen können, baS zu tbun, waS sie jetzt getlian haben, so wäre schon damals das Gesetz zu Staude gekommen und eine schwere Krisis vermieden worden. Wir wollen indcß darüber jetzt nicht mehr rechten. Jene Männer waren schließlich patriotisch und mulhig genug, durch die That ihren Jrrthum einzugestehe», und auch sie haben sich dadurch Anspruch ans den Dank der BaterlandS- rrunde erworben. Möchten sie diesen Dank auch ferner da durch verdienen, daß sie den Blick von dem, WaS sie von ihrem Partesttandpunct auS für wünschenSwerth erachten, aus da- für daS Reich Nothwendige lenken. Lernt dann auch Caprivi daS Gute wirklich nehmen, wo es zu finde» ist, so werben auch die künftigen Sessionen des neuen Reichstags trotz seiner ungünstigen Zusammensetzung nicht ganz fruchtlos verlaufen. DaS französische Nationalfest de» 14. Juli ist, wie bereit- telegraphisch gemeldet, mit dem üblichen Aufgebot des osficiellen Apparats begangen worden. Präsident Earnot und seine Getreuen gaben den Ton an, und bei der außerordentlichen Begabtheit de» Franzosenvolkes für Alles,was unter den Begriff „miss vn scßne" fällt, war der Effect, in Paris wenigstens, ein durwauS gelungener, wenn auch bi« studentische Muse vr« Quartirr latin in demonstrativer Trauer ibr Haupt ver hüllte und die gewöhnlichen Balllocale von der schmollenden akademischen Jugend nach allen Regeln der Kunst boycotlirt wurden. Die Lebenslust der Pariser ging an dirsen Kund gebungen ebenso achtlos vorüber, als an den pekroleum- dustcndcn Resolutionen des EongresseS der französischen Arbcilsbörsen. Um so massenhafter war der BolkSaudrang zur Truppenschau. Die Armee ist in Frankreich daS zeitige Gebiet drr Tagesinteressrn, wo ausnahmslos Sieactionaire und Radikale, Gläubige und Atheisten, Patrioten und Anarchisten sich einträchtig zusammenfinten, und für die dem Lande kein Opfer zu schwer w>rd. Wenn gleichmobl der sonst bei solchen Anlässen übliche Elan diesmal iilchk reckt zur Entfaltung gelangen wollte, so liegt daS daran, daß die Nachrichten au» Berlin über den Sieg der Regicrungspolftck in Sachen der Militairvorlagr der gehobenen Nationalsest- stimmung einen starken Dämpfer aufsetzten und sogar eine gcwstse Resignation erzeugten, die inzwischen zum vollen Durckbruck gelangt sein dürfte, nun an dem endgültigen parlamentarischen Erfolge der deutschen Militairvorlagr auck nicht der geringste Zweifel mehr gestattet ist. Die Lebensgeister der französischen Nation sind zu einem großen Tbeile abbängig von der Zu sammensetzung der internationalen politischen Atmosphäre Sie athmen um so freier und leickter, je größer Zwielrackt und Hader bei denjenigen Nachbarvölkern sind, die als ernstliche Mitbewerber Frankreich- um die Fübrcrrolle in Europa gelten, und fühlen sich um so g»preßler, je solider und ge ordneter die Verhältnisse außerhalb Frankreichs, in erster Linie jene Deutschland-, sich entwickeln. Daher die fieber hafte Spannung, mit welcher man jenseits der Vogesen allen Enlwickelungsstadicn de- parlamentarischen Kampfes um die Militairvorlagr bei un« folgte, und die tiefe Enttäuschung, welche der Ausgang dieser Angelegenheit den französischen Gönnern de» Herrn Liebknecht bereitet bat. Dem National festrausch de- 14. Juli ist der moralische Katzenjammer des 15. Juli auf dem Fuße gefolgt. Mit den auswärtigen Anarchisten beginnt man endlich auch in der freien Schweiz wenig Federlesens zu macken. Daß der in der Schweiz naturalisirte Russe Wassiliew sofort nach den Berner Krawallen, an denen er erbeblicken Anlbeil gehabt, in Hast genommen worden ist, wird unfern Lesern noch erinnerlich sein. Es wird dem Manne der Proceß gemacht und der NackweiS geführt werten, daß man auch m der Schweiz nicht ungestraft revoltiren kann. Wie man soeben aus Bern telegrapbisch meldet, bat die Berner Anklagekammer, da sie Fluchtverdacht batte, auch das Gesuch Wassiliew'- um provisorische Haftentlassung, entgegen dem Antrag de» GeneralproenratorS auf Gewährung, einstimmig abgcwiesen. Des Weiteren sollen aber auf Antrag der Berner Regierung vom BundeSrath drei deutsche Anarchisten auSgewiesen werd»n, zwei Schneider Namens Erb und Brnker (nach anderer Nachricht beißt er Peuckert), gewöhnliche Anarchisten, und Vr. pliil. HanS Müller, ein geborener Mecklenburger aus guter Familie Von Deutschland au« steckbrieflich verfolgt wegen GotleS- läst >un.z, dir er al« Nedacleur der „VolkSirimme- in Magde bürg begangen haben soll, hat Müller in Zürich die Gruppe der sogenannten „Unabhängigen" gegründet, deren Statuten die Propaganda durch die Tbat empfehlen. Müller kam von Magdeburg nach Bern, studirte daselbst an der Uni versität, wo er da« Doctorat der Pbitosopbie erlangte Bftr Wassiliew wollte auch er Schweizer Bürger werten Er ließ sich in den Verband der Schweizer Buchbandler und Verleger rinschreiben; er ist Verleger der Rund schau „Schweizerische Blätter für Dirtbschaft- »nd Tocial- politik". Er wußte da- Vertrauen gewisser Persönlichkeiten zu gewinnen, deren Namen al« Mitarbeiter angegeben sind: Altbunde»ralh Droz. VundcSratb Frey, Nationalratb Decur- t>n«, di« Professoren Oncken, Platter, Kozak, Vogt (Bern), Rrgierunasrath Stoessel Zürich). Müller« Papiere sind nicht in Ordnung; seine Ausweisung ist — wie e« scheint auch die seiner beiden deutschen Genossen — bi- jetzt noch nicht vollzogen. Der BundeSrath wird sich erst in dieser Woche mit der Angelegenheit beschäftigen, da der bundeS- raibliche Stellvertreter de» Justiz-Departement- sich nicht in Bern befindet. In Ungarn» politischen Kreisen spielt gegenwärtig wieder, wie seit lange schon, dir Erörterung der Frage einer Reform de» Oberhauses eine große Nolle. In den ver schiedenen ungarischen Eomitaten ist angrsicktS des Wirer- lande», den die geistlichen Mitglieder der Magnatentascl und die ibr durch Geburt angehörende» Aristokraten und andere der Kirchenpolitik des CabinetS Wecker!« entgegensetzen, dir Bewegung zu Gunsten der bezeichneien Reform wieder stärker hervorgelrelen. Biedrere Eomitate baden bereits bestimmte Forderungen in diesem Sinne erhoben. Ein Theil der Oppo sition ist nun der Ansicht, daß diese Erscheinung aus eine seiten« der Regierung befolgte Taktik zurückzusühren sei. DaS ist jedoch eine völlig irrige Annahme. Wenn man auch in den leitenden politischen Kreisen dieEntwickelung der Resormgedanken auf allen Gebieten nur willkommen beißen kann, unv wenn auch die Haltung mancher Oberhauöniitglievcr den Gegenstand an- gemesscnsr Kritik bildet, so ist darau» noch keineswegs zu schließen, daß man die Frage der ObrrhauS-Resorm zu einer aclueUen zu gestalten beabsichtigt. E» ist vorauSzuseben, daß auch daS gegenwärtige Oberbau« den sich gebieterisch auf- drängenden Reformen sich nicht versä ließen wird, wenn die selben von der überwiegenden Mehrheit der Nation mit Nach druck verlangt werden. Die Regierung zählt denn auch so wohl auf dem Gebiete der Berwaltungsresorm wie auf demjenigen der kirchenpolitischen Reformen auf die Unterstützung de» Oberhauses. Die Negierung wird diese Reform keineswegs mit der OberbauS-Reform ver knüpfen, wodurch die Entwickelung drr erstercn nur erschwert und verzögert werden könnte. An die Oberhaus-Reform kann erst zu einem späteren Zeitpunkte die Reihe kommen. Die Negierung hat nicht den geringsten Antheil an den gegenwärtigen Bestrebungen zur Beschleunigung Vieser Reform, und die Vorwürfe, welche die Opposition aus diese Voraus setzung gründet, eulbebren jeder Berechtigung. Die Regierung übersiebt in ihrem Calcul selbstverständlich nicht da« Ober haus, sie hofft aber dasselbe für ihr Programm gewinne» zu können, ohne daß letztere- eine Abänderung erfährt. Und drr letztere Fall wird dann voraussichtlich auch in der That sobald nicht rintreten. DaS norwcgische Storthing hat als Drohung gegen Schweden den Anfang mit einer Volksbewaffnung ge macht. Der am 13. Juli angenommene Antrag FooSnaS, jährlich 100 000 Kranen zur Unterstützung der freiwilligen Schützcnvereine und zu ihrer Ausrüstung mit Schußwaffen zu bewilligen, kann keinen anderen Zweck haben. Drr Be schluß stützt sich auf die Gerüchte von Staatsstreich,,cigungen bei dem letzte» Ministerwechsel, auf die angeblich angeord- ncte Jnrienstslelluiig von Kriegsschiffen in Hotten unk aus die l884 vorgcnommcncii Gewcbrabschraubunge». Beide Maß regeln baden sich bei der Vernehmung der Marinesunctionairc vor dein Stortbing als belanglos herausgcstellt, aber die mißtrauischen Radicalen wollen gegen Schweden rüsten, wenn sie das Geld auch durchaus nicht überflüssig baden. Die norwegische Storkbinasmebrbeit ahmt immer mehr das Beispiel der dänischen Opposition bei Beginn de- Ver sassungSconfliclcS im Jahre 1885 nach. Damals wurde ver sucht, durch Schaffung der „Risfelvereine" einen thatsäch- lichen Widerstand gegen die Regierung zu organisircn. DaS Ministerium Estrup verbot einfach die Vereine, und die Leiter fügten sich. I» Norwegen wird daS Ministerium Slang etwas AcbnliLeS nicht lhun; vorläufig ist ncch kein Zu sammenstoß mit den Schweden zu befürchten, und wenn ein solcher kommen sollte, worden die Schützenvcrcine das Kraut auch nicht fett machen. In Serbien ist seit dem Sturze deS nunmehr in An klageznstand versetzten liberalen Ministeriums Avakumovilsch wieder einmal die radikale Partei am Ruder, und nian sollte meinen, daß sie, die sich im besten Einvernehmen mit dem jugendlichen König Alexander weiß, sich der errungenen Erfolge von ganzem Herzen freut und Alles tbut, waS etwa geeignet wäre, den verhaßten Liberalen wieder zur Erlangung von Ministersitzcn zu verhelfen. DaS ist indeß bei Leibe nicht der Fall. Vielmehr wird in politischen Kreisen Belgrad» mit Bestimmibeil versichert, daß ungeachtet aller AbleugnungS und Beschwichtigungsversuche, die zu untcrnebmen die serbische radikale Regicrungspresie sich angelegen sein läßt, die siegreiche radikale Partei wider Willen ihren Gegnern selber in die Hände arbeitet, indem sie, wie daS ia auch sonst nicht selten verkommt, cS an der nötbigen Eintracht fehlen läßt Die vorhandenen Meinungsverschiedenheiten, an sich vielleicht ganz geringfügiger Natur und äußerlich kaum bemerkbar, lassen doch den mit den serbischen Verhältnissen nur einigermaßen Vertrauten die Rivalität erkennen, die -wischen zwei Gruppen im Regierung-lager immer meyr und schärfer hervortritt. Die Anbängrr Pasitsch'S wollen sich nämlich nicht mit der Nebenrolle begnügen, welche ihnen beule Angesicht« der Zusammensetzung deS Eabi net« mittelbar zugewiesen ist. Die Gruppe, die sich um Do kitsch schaarte, empfindet aber wieder durchaus nicht die Neigung, Herrn Pasitsch zu Erfolgen zu verhelfen und so den Sturz einer Regierung vorzubereiten deren Tanlbarkcit für die „Intimen" noch von großem Wcrtbe sein kann. So ergeben sich immer wieder Consticte, welche den Kampf um die Herrschaft nur oberflächlich verhüllen Der König hält treu zu Dokitfch und alle einsichtigen Poli tiker, die sich der Tbatcu deS Herrn Pasitsch erinnern, wissen dem jungen Monarchen für seine Haltung Dank. Die Re nierung ttlbst ist indeß durch die Berdältniffe im radicalen Lager in ihrer Freiheit zu handeln beengt und muß zwischen den Klippe» laviren, WaS sich eben jetzt reckt ausfällig in ihre», Verhalten gegenüber der Minister-Anklage zeigte. Jede» fall- aber sind diese Meinungsverschiedenheiten im Schooße der derzeitigen serbische» Regierungspartei ganz geeignet. daS Vertrauen auf die Festigkeit und innere Kraft der letzteren erheblich zu erschüttern. Deutsches Reich. ^ Berlin, 16. Juli. Eine interessante Nachwahl zum Reichstag steht in Ncustettin bevor, wo Ahlwardt gewählt war, da» Mandat aber abgelehnt hat, um dasjenige von ArnSwalde anzunchmen. Eö sieben sich jetzt dort der konservative, von den Ekristlich-Socialcn und dem Bund der Landwirthe unterstützte Hvspredigcr a. D. Stöcker und der Antisemit Böckel'scher Richtung Prof. Förster gegenüber» also eigentlich zwei Antisemiten. Der Wahlkreis war dis dahin eine un bestrittene Doin aine tcrEonsel vativen reactionairsterNicktung, die jetzt gar zu gerne ihren in Siegen durchgefallenen Herrn Stöcker wieder in den Reichstag bringen möchten. Zugleich dämmert den Conservativen allmälig eine Ahnung auf, wo hin sie mit der immer gefäbrlichercn Concurren; der Anti» cmiten gelangen, die ihnen einen Wahlkreis »ach dem anderen auSlpannen. Die „Kreuzztg." jammert: „Würden die Conser- vaiivcn jetzt die Zurückeroberung des Wahlkreise- unter lassen , so würde» sic damit vor den Antisemiten die Waffen strecken und diesen zugleich ihre übrigen Wahl kreise für die Zukunft zur Verfügung stellen." So könnte r» allerdings kommen; aber wer hat Liesen gefährlichen Neben buhler großgezogen? — Im Wahlkreis Ninteln-Hof- geiSmar hat vorgestern eine Nachwahl für den doppelt gewählten Antisemiten Werner siattgefunden. DaS Er- gebniß liegt augenblicklich noch nicht ganz vor. Bisher hat der Antisemit vr. König einen starken Vorsprung und c» scheint zur Stichwahl zwischen ihm und dem conservativen Candidaten v. Buttlar zu kommen. * Beritt», 18. Juli. Die „Nationalliberale Correspondenz" widmet dem verstorbenen Juslizratb Karl Braun solgenden Nachruf: „In Freibnrg i. B. ist Karl Braun (Wiesbaden) im 72. Lebensjahr gestorben, einst einer der glänzendsten Publicisten und hervorragendsten Politiker, der freilich seit Jahren schon rin stiller Mann geworden. Unter den Vor kämpfern der nationalen Sache in Rebe und Schrift, zu Zeiten, da um dieselbe schwer gerungen werden mußte, unter den Streitern gegen ParticulariSmuS von reactionärer und demokra tischer Farbe, unter den Wortführern für politische und wirth- schaftliche Befreiung Deutschlands wird sein Name stets mit Aus zeichnung genannt werden. Aeltcre Parlamentarier werden sich seiner scharfen witzigen Reden wohl noch erinnern; weiteren Kreisen noch ist er durch seine publiciftisch-litcrarische Thätig- keit (Bilder aus der Kleinstaaterei u. v. a.) bekannt geworden. Seine volLSwirtbschastlichen Ansichten hat er in zahlreichen Schriften niedergelegt und als langjähriger Präsident des „VolkSwirtlischastlichen CongresseS" betbätigt. Er gehörte lange der nationalliberalen Fraclion deS Reichstages an, bi» ihn s»ine stark ausgeprägten frcibändleriscken Grundsätze der Secession" und dann der freisinnigen Partei zufübrten. Unter de» Parlamentariern war er stets eine der anziehendsten und originellsten Erscheinungen. * Berlin, 16. Juli, lieber „die Socialdemokratie, ihre Irrlehre» »nd Wahrheiten" sprach vorgestern Abend in den Concordia- iäien der Abg. Boecket in einer antljemitiichen Verjammlung. Bemerkensivetth war, daß er in seinen nietirstiindigen Auesührungen den Anliieinilismus keum berührte, dagegen wandte er sich lehr scharf gegen das Capital im Allgemeinen, so daß ihm mehrfach auch von den anwesendtn Cvcialdcmokrateii lebhafter Beifall ge wendet wurde. Bei den Wahlen habe die Socialdemokratie einen erheblichen Stimmenzuwachs erhalten, derselbe war« ohne die anti semitische Bewegung noch größer grweftn. Beide seien dir ein zige» wlrthschastlichen Parteien, denen deshalb auch allein eine Zukunft bcvorslande. Die eine sei die Partei der Revolution, di« andere die der Reform. Dir Socioldemokralie ist die Zuchlruthe unserer Zeit, auch ohne ihre Presse und Agitation wäre sie vorhanden. Die conservative Partei habeinitrlnem anuieuiitischenMäntelchen die Mumien ihrer alte» Eadaver zu verdecken geiucht (stürmischer Beifall), auch der Bund der Landwirthe habe vergebens verjucht, bei den wirldichaftlichen Parteien eine Anleihe ouszunehmen. Die Proletarisirung des Mittelstandes mehre sich immer mehr, daran seien unsere Rechtsverhältnisse Sckutd, di« allein für den Gläubiger sorgen, den Schuldner ober ohne Sckutz ließen. Solange jedoch ia den Ministerien Männer des Liberalismus sitzen, die für Gewcrbe- freiheit und Freizügigkeit schwärmen, werde der Mittelstand vor irinem völligen Niedergang nicht bewahrt werden. (Großer Beifall.) Die Macht des Capital- werde sofort todt sein, wenn die Arbeit zu ihrem Recht gelange (stürmischer Beifall), aber nichr allem da- jüdische Capital sei gefährlich, sondern rbenso auch das christliche zu bekämvftn. (Beifall und Unruhe.) Im Neichstag müsse endlich mit den fortwährenden Rüstungen ein Ende ge- macht werden. (Großer Beifall.) Mit dem fremden römisch- jüdischen Geist in unserer Gesetzgebung müsse gründlich auf geräumt werden. (Stürmischer Bestall.) Selbst aus die G-iahr bin, ein Socialdcmokrat genannt z» werden, werde er cine durchgreifende Socialresorm erstreben. lBeifall.) Dein großen Capital muß man zu Leibe gehen, was liege an den paar Millionaire» in Deutsch- iand, die mögen zum Teufel gehen. (Stürmischer Bestall.) Wer heule eine Mark nimmt, ist ein Dieb, wer aber Millionen stiehlt, steht i» hohen Ehren. (Bestallsjubel.) Der Mann im Arbeilsrock wird heule verachtet, der Börsenmann im Cylinder, der vielleicht schon im Zuchthaus gesessen, wird geachtet. Zum Schluß legte der Redner die Ziele der neuen Resormpartri dar, wodurch olle» durch den südlichen Geist in unftrem Wirthschaftsleben ber- voracrusenen Uebelständen ei» Ende gemocht werden könne. (Der Bestall nahm jetzt ganz ungewöhnliche Dimensionen an.) Hogart (Chriiitich-iocial): Es ist eine Schmach, in welcher Weste Herr Bvckil gegen Stöcker gearbeitet hat. (Bestall und Lärm.) Stöcker ist der Baler de« Antstemiti-m»-. (Widerspruch, Zwischenrufe, Lärm.) Ter edelste und beste Antisemit ist jetzt nicht mehr im Reichstag. (Ruse: Ruoterl Rau«! Schluß!) ES ist eine Schande, daß Antisemiten für einen verjudrten National-Liberalen stimmen gegen einen christlich-socialen Mann (allgemeiner Tumult, drr Redner kann nicht mehr zum Wort kommen). Krüneberg: Den ersten Theil drr Ausiührungen des Herrn Boeckrl könnte jeder Sociaidemokrat »nlerichreiden (Beifall und Widerspruch). Der jüdische Eapitalstt ist nicht ausbrnterstcher als da- — (Stürmische Unterbrechung: Juden raus! Runter! Haut ihn! Schluß!) Dem Redner, dessen Anssühruugen von den fortwährenden Zurufen: Inden raus, baut ihn! begleitet werden, wird schlirßiich da- Wort entzogen. Loeialdemokra» Engl er theilt dasselbe Schicksal. Herr Bodeck zieht gegen die ühristlich-Socialen los. Herr Stöcker, der Christlich-Socialen Führer, ist für die alte abgklhane Pottei der Conservativen durch dick und dünn ge gangen. (Stürmischer Beifall.) Stöcker ist rin Demagoge, der sich aus Ehrgeiz, um in den Reichstag z» kommen, gegen den wahren Ai.tstemitismu» Hot ousstellen lassen. (Großer Beifall und Unruhe.) Kaufmann Kretzer: Mit den Ehristlich^Tocialen muß das Tischtuch -erichniiten werden. Ahlwardt muß mit Förster in di« neu» Fraetion ausgenommen werden (Bestall und Murren.) Herr Grüneberg will nochmal« sprechen Allgemeiner Lärm. Derselbe muß den Saal verlassen und muß dabei vom
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