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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.09.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930928027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893092802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893092802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-09
- Tag1893-09-28
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W »» »8« de» t» «M. » » , It^tttttsill-rtich «^>0. ^ uoetmalig« tigttcher Zustellung in« L»ll« » b^Q. Durch dl« Post bezogen für Deutfchlaud «ad Oesterreich: vieneljäbrlich M «—. Direct» tiglich« Dreuzbandieudua- tn« üluslaad: «ouaüich 7L0. Dl« Morgen-«»»gab« erscheiak tLglich >/,? Uh^ di» >d«d-Au^«d« «ocfMtag« L Uhr. »nd Lrre-Moa: A»dau»r«,afs« 8. Llelrpeditio» ist Wochentag« auunterbroche, geüLuet »o, früh 8 di« «beud« 7 Uhr. Filiale«: vtt« Me«« « Tartt«. (Alfred Hahud Universitüttstrahe l, Lent« LSfche. Kechariueastr. 1«. pari, «ad RS»l««vlatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. A«zeige«oPrei- die «gespaltene Petitzeile SO Pfg. Neclamea outer demRedactioa«strich (««« spalten) bO^j. vor den Familieanachricha» (6gejpalteu> 40^. Slröher» Schriften laut unserem Prri«- Verzeichnis. Tabellarischer und Zlssernsatz nach höherem Tarif. Extra»veilagrn (gefalzt), nur mit de« Morgen»Ausgabe, ohne PostbesSrderuug X SO.-, mit Poslbesorderuug ^ 70.—>. Iinnalimkschluß für Äazrißea: Nbrad.Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Sonn- and Festtag« früh '/,9 Uhr. Eei den Filialen und Annahmestelle» je et« halb« Stund« früher. Auzctgrn sind stet« an dt« Erdedttta» zu richte». Druck vnd Verlag vo» L. Pol« t» Leipzig Donnerstag den 28. September 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. September. Wir haben jüngst dargelegt, wie man nach einer längeren Periode der Uebcrschüsse der Auszahlungen vom Reick über die Matricularbciträge der Einzclstaaten jetzt durch die in Folge der neuen Handelsverträge verringerten Solleinnahmen vnd durch die Erhöhung der Militairkosten wieder an dem Gegensatz, einem erheblichen Mehr der Beiträge der Einzel staaten zu Reich-Zwecken über die RcichsauSzablungen, an- gelanat ist. Diesem Zustand, bei dem weder die Finanzen deS Reichs, noch der Einzclstaaten ans gesunde Grund lagen gestellt werden können, soll nun durch eine Ver- «ehrung der ReichSeinnahmen in einem solchen Um fang abgeholfen werden, daß nicht nur die Matricular- deiträge durch die RcichSauszahlungen ausgewogen, sondern den Einzelstaate» noch darüber hinaus Zuschüsse aus der Reichscasse gewährt werden können. DaS ist daS Ziel de» ReformplanS der Regierung; ob sie damit durchdringen wird, ist freilich bei der Unmöglichkeit, die Entschließungen des gegeowärtigen Reichstages irgendwie vorauSzuschen, und v« der noch obwaltenden Unsicherheit über wesentliche Bestandtheile -der in Vorbereitung begriffenen Steuer vorlagen sehr zweifelhaft. Es mag Wohl sein, daß das Ziel nicht im ersten Anlauf vollständig zu er reichen ist. Zum Mindesten aber müssen soweit neue ReichS- einnahmen geschaffen werden, daß raS Reich für seine Be dürfnisse nicht wieder ein Kostgänger der Bundesstaaten wird, daß Einnahmen und Ausgaben sick das Gleichgewicht hatten. Dabei mitzuwirken, sind nicht nur Alle ver pflichtet, die der Militairrcform zugeslimmt baden, son- dcrn überhaupt Alle, die, nachdem diese Reform ein mal Gesetz geworden, ihrer politischen Verantwortlichkeit sich nicht dermaßen cntäußcrn wollen, daß sie eine ganz unhalt bare, leichtsinnige und verderbliche Finanzwlrthschaft in, Reich und in den Bundesstaaten einreißen lassen wollen. DaS ist eine einfache Erwägung nicht nur de- Patriotismus, sondern auch der Vernunft, die mit dem Partciwesen nichts zu tbun bat. Ob man die vielbesprochene Franckenstein'sche Clausel. obwohl sie mit der klaren Verfassung-bestimmung, daß der Ertrag der Zölle in die ReickScaffe fließt, in Wider spruch steht, fortdauern oder ihrer ZwillingSschwcster, der lar Hucne, Nachfolgen lassen will, ist schließlich eine mehr formale Frage. Wichtiger ist das sachliche Ziel, daß daS Reich in Wahrheit zum Mindesten seine eigenen Bedürfnisse durch seine eigenen Einnahmen bestreitet. Als im Jahre 1879 durch die Zollerhöhungen zum ersten Mal ein energischer und wirk samer Versuch gemacht wurde, daS Reich finanziell aus eigene Füße zu stelle», führte der Reichskanzler Fürst Bismarck auS: „Da» erste Motiv, welches mich nöthigt, für die Reform einzutreten, ist daS Bedürfniß der finanziellen Selbstständig keit deS Reichs. Es ist für das Reich unerwünscht, ein lästiger Kostgänger bei den Einzelstaaten zu sein, ein mahnen der Gläubiger, während es der freigebige Versorger der Einzelstaaten sein könnte. Die Consolidation deS Reichs, der wir ja Alle zustrcben, wird gefördert, wenn die Matricular- bciträac durch Reichssteuern orsotzt werden." Und Herr von Bennigsen legte damals in einer warnenden Rede dar, daß die Kraft und Sicherheit von BundeSstaalcu stclS darauf beruht habe, daß sie hinsichtlich der HecrcSvcrfassung und der Finanzen für die Bundesgcwall eine genügende Aus stattung empfangen hatten. Wo daS nicht ge,cl,eben sei, habe sich eine Zerbröckelung deS ganzen Verhältnisses nvthwcndig entwickelt. Unsere deutsche Geschichte biete ein sehr belehrendes Beispiel, wohin eS führe, wenn die Rcicksgewalt hinsichtlich der Finanzen die genügenden Befugnisse nicht bcsii.>e. In der Thal ist daS alte deutsche Reich und Kaiserthum wesentlich durch die Finanznoth der Eentralgcwalt zu Grunde gegangen. Wer unser neues Reich vor ähnliche» sunkamcn- lale» Mißständen bewahren will, der muß Mitwirken, daß gesunde materielle Grundlagen für sein Bestehe» »nv Gedeihen geschaffen werden. Was wäre denn die unausbleibliche Folge, wenn man dem Reich die nölbige finanzielle Aus stattung vorenthalten wollte? Die Last würde eben aus die Elnzelstaatcn abgewälzt. DaS Reich könnte ja an und für sich, wenn man eS alö einen ganz fremden Begriff gegenüber den Bundesstaaten auffasse» wollte, gelassen mit ansebc», wie die letzteren sich ab- quälcn. Dari» liegt aber eine große Gefahr für die Lcbenö- sähigkeit der deutschen Bundesstaaten, n»d cs wäre ein Wider sinn, wenn Parteien sich aus eine solche Politik versteifen wollten, welche sonst den Schutz dcö ParticulariSmuS »nv deS föderativen Princips zn ihren leitenden Grundsätzen zählen. AndcrerscilS ist eS aber auch von höchster nationaler Bedeu tung. daß daö Reich in den Einzelstaalcn nicht als eine er drückende Last empfunden und dadurch mißliebig gemacht wird. Zudem sind auch im Reich, trotz aller auch hier bestehenden Schwierigkeiten, ansehnliche neue Einnahmen noch immcr leichter ausrubringe», als in den Einzclstaalen, die doch in der Hauptsache aus die nachgerade genug angespannten direkten Steuern vom Einkommen angewiesen sind. Alle diese GcsicbtSpuiicle sprechen eindringlich für die Nolhwcndig- kcit und llnaufschiebdarkeit einer möglichst durchgreifenden, zum Mindeste» aber zur Bestreitung der eigenen Bedürfnisse deS Reichs genügenden ReichSsteuerrcform. Die Nachricht, daß in F redensborg eine Begegnung zwischen dem Grasen von Paris und dem Zar statt- sindet, bat in der französischen Hauptstadt sckr verschieden artige Gefühle und Empsindnnge» bcrvvrgerusen. Der Royalist I. Cornölykalinsichi»i„Malin" auS Freude darüber gar nicht fassen, daß in demselben Augenblicke, „wo die Franzosen die Matrosen deS Zaren als Brüder begrüßen", der Zar selbst den „ersten Franzosen" als Freund empfängt. Wenn eine Monarchie und eine Republik einander ihre Neigung zu wenden, so müsse entweder die Monarchie republikanisch oder die Republik monarchistisch werden, und da Rußland durch die Annahme der ossieicllcn französischen Ideen zerstört wer den würde, so müsse Frankreich russisch werden und sich zu den Grundsätzen der Autorität und des Gehorsams bekehren. Mit Genugthumig stellt Cornöly fest, daß diese Umwandlung deS republikanischen Scelenzustande« bereits begonnen habe, indem nun Frankreich für die Nihilisten ebenso un wohnlich geworden sei als Ruß land. Andere Blätter, und namentlich die „Iustice" Clemenccau'S, bei der wieder die Feindschaft gegen Rußland zu Tage tritt, finden eS höchst sonderbar, baß der Zar mit dem französischen Prätendenten am Vor abende deS Touloner Besuches zusammcntrisft. DaS heiße die Wirkung des Besuches abschwächcn. „Dieser Tage", schreibt die „Iustice", „ließ uns der russische Botschafter durch den „Figaro" zum politische» Tacl mabnen. Wir wundern uns einigermaßen darüber, daß mau durch ein böseS Beispiel die Lehre widerruft, die man uuS glltigst crtbcilte." Es ist in der Thal höchst eigenlhümlich, daß in Begleitung deS Grafen von Paris, der heute in FredenSborg cingetroffen ist, sich auch der Herzog von Orleans befindet. Also nicht nur der „liov", sondern auch der „Dauphin" macht den, Zar seine Aufwartung. — Die Enttäuschtesten unter den Enttäuschten in Frankreich sind heute die wackeren Bürger von Toulon. Sic batten für den Empfang der russischen Gäste Festzurüstungen eingeleitel, die alles auf diesem Gebiete )c Dagewescne Lbertrcsfen sollte». und nun kommt die Regierung und nimmt ihnen die ganze Veranstaltung aus der Hand. Den russischen Seeleuten soll dcmnack ein s ch a b l o n e» m ä ß i g c r amtlicher Empsaiig bereitet werden, nichts weiter: der Autbeil der Touloner Bürgerschaft bleibt aus die Ausschmückung der Straßen unk ausgiebiges Hurrabgeschrci beschränkt — da» ist so echt russisch, daß sich die Ihcurc» Gäste in Toulon sehr angebcimclk fühlen werden! Der anfänglich in so großem Stil gerächte Touloner Empfang schrumpft überhaupt mcbr und incbr zusammen. Nach ofsiciösen Andeutungen ist eö nicht unmöglich, baß auch Präsident Earnot nur für einige Slunbcu nach Toulon kommen, dem Admiralschifs einen Besuch abstaltcn und gleich wieder umkckren werde. In diesem Falle wären außer politischen Erwägungen wohl auch Rück sichten aus die Gcsuntbeil Earnot's maßgebend, dem man keine großen Strapazen auferlegen dar). Dem „TcmpS" zufolge wird der M i n i st e r r a t k in Fontainebleau beute vornehmlich die Frage beralben, ob Ear » o t überhaupt nach Toulon zur Begrüßung der russischen Flotte reisen soll. Ein amtlicher Empfang deS Präsidenten in Toulon findet jedenfalls nicht statt. Für Paris sind nur vier Festlichkeiten in Aussicht genommen. Ein Prunkmabl im Elysöc, ein Ratbhausdall, eine Fcstvorstcllung in der Oper und ein Prunkmabl beim Minister des Aenßern. DaS Volksfest ist abgesagt. Die chauvinistischen Zei tungen greife» Earnot, sowie die Regierung bestig wegen der Beschränkung der Festlichkeiten an; Goblct'S „Petite Röpubliguc" nennt Earnot sogar einen Vcrrälher. Im klebrigen thcilcn die beutigcn Pariser Blätter nur »och mit, daß die russischen Ossicierc bei ihrer Anwesenheit in Paris auch die Kirche Nolre Dame besuchen werden. Der gesammtc KlcruS, au der Spitze der Bischof, wird die Be sucher dort ciiipfaiizen. Nach zweitägigen Beratbungen bat der Congrcß der demokratischen belgische» Liga seine Sitzungen ge schlossen In den süns Abthcilungen sind masseukaste Be- (chliffse gefaßt worden, um die socialen Fragen „aus katholischer Grundrage" zu losen und die socialistiscbe Bewegung zu bekämpfen. In bunter Reibe wurde für Feststellung einer MaximalarbeitSzeit und dcö MindesllobnS, HilsS- casscn für unbeschäftigte Arbeiter, Einschränkung der Frauen- und Kinderarbeit, Fabriken- und Minen Inspection, Unfallversicherung, kooperative Genossenschaften, Verleihung von EorporationSrechtcn an die Fachsyndieaie, Zünfte, streng religiöse Schulen :c. eingetrelcn. In der Mililairsrage wurde beschlossen: Herabsetzung der Mililairlaslen auf das unbedingt Rotbwendigc; die stehende Armee soll nur aus Freiwilligen bestehen und nur im Rothfalle durch AuS- loosung recrutirt werken; die Bürgcrgardc soll die Reserve bilden, doch sind Mönche, Priester, Lehrer und Aerztc von jedem Militairdicnstc befreit. Der Eongreß ist auch der Ansicht, daß der KricgSministcr kein Soldat zu sein braucht. Der Vorsitzende, Deputiere Helleputte, schloß den Eongreß mit der Mabnung, energisch den Kamps gegen den SocialiSmuS aufzuncbmcn. „DaS Programm des Papstes muß das der katbolische» Demokratie der ganzen Welt sein!" Unter kirchlichem Banner werde der iLocialiSmiiö besiegt werden. Man darauf geipannt sein, ob die Arbeiter n»d Bauer» sich dadurch bewegen lassen werden, von dein SocialiSmuS abzusprmge». Tie Aussichten sind nicht gerade günstig. Während die widersprechenden Nachrichten auS Brasilien eS unklar lassen, ob eine der beiden käinpsenven Parteien über die andere ein Uebcrgewicbt erlangt, ersieht man aus de» Telegrammen aus BuenoS-AyrcS, daß in Argentinien die Auf ständischen immer mehr an Boden gewinnen. Fast die ganze Republik ist jetzt von der rcvolutionairen Bewegung ergriffen und Rosario, die zweitgrößte Stadt deS Lande», soll den Aufständischen in die Hände gefallen sein, wäkrcnd die Bundcötruppen sich nach St. Nicola» zu rückgezogen baden. Der beste Beweis für da» Anwachsen der Macht der Aufständischen ist aber der Umstand, daß der Präsident de» General Roca zum Oberbefehlshaber aller Truppe» ernannt bat, denselben Roca, welcher sich erst vor Kurzem von dem politischen Leben zurückgezogen hat. GeneralRoca bat seil zwanzig Jahren eine hervorragende Rolle in der Geschichte Argentiniens gespielt, häufig nicht zum Besten de» Lanke». Er war schon l87t Kriegsminister unter dem Präsidenten Avellaneda, dem siegreichen Gegner deS Generals Mitrc, und obgleich Letzterer die Wahl seines Gegner» erst ancrkannle. nachdem er ans dem Schlachtfelde besiegt worden war. »lachte Milre doch später mit Avellaneda gemeinsame Sacke, um Roea alö PräsidentschastScandidaten aufzustellcn. Letzterer wurde den» auch 1880 gewählt, allein die widerstrebende» Provinzen Buenos-AyreS und CorrienteS mußten erst »iedergeworfen werven, che General Roca allgemein als Präsident anerkannt wurde. Ibin folgte sein Schwiegersohn Inarcz Eelman, besten Mißwirtschaft er keinen Einhalt zu tbun versucht hat, vielmehr stellte er sich an die Spitze der Truppen, welche die Streitkräsle der Union Eivica im Juli I89N erdrückten. Es gelang ihm dadurch zwar nicht, den Stur; seines Scbwiergcrsohnes zu verhindern, allein er ver eitelte doch die Bestrebungen der Rcformsrennde, an derenSpitze beute wie damals der von der Regierung verfolgte Dr. Alcm stcbi. Gegen diesen richtet sich denn auch der Haß der argen tinischen Politiker alten Schlages, mögen sie nun Mitristen, Inaristeii oder Rognistcii heißen. Auf dem Drahtwege wird n»S benlc auS Buen oS-AyreS noch gemeldet, daß die Anfstänkiscben im Hasen zwei Kriegsschiffe weg- gciioinmcn haben und alsdann den Rosariosluß hinauf - gcsabre» seien. Zur Versolgung der Aufständischen habe die Regierung zwei Torpedoboote und einen Kreuzer ab- gcsaukl. Zwei bedeutende Truppenabtheilnngen marschiren gegen die Aufständischen in den Provinzen Cordoba. St. Louis und Tueuinan. Die Regimenter von BucnoS- Ayrcs unk anderen Staaten haben den Befehl erhalten, sich in re» nächsten Tagen vor Rosario zu conccntrircn, um diese» wieder zu nehmen. Der Krieg mit den Matabcle scheint nunmehr unver- ineirlich gewerdcn zu sein und in allernächster Zeit schon zum AuSbrucb loninieu zu wollen. Nach einer Drahtmeltung der „Voss. Zig " a»S Eapstadt langten dort vom 21. Sep tember tatirte Nachrichten aus Fort Victoria an, welche bestätigen, daß die Matabcle sich zum Kampfe an- schickcn, weil Lobcngula die Controlc über die jüngeren Krieger verloren bade. In Victoria werken fortgesetzt Maßregeln für eine kräftige Vcrtheivigung getroffen. I nun Bnrcn boten der S ü d a s r i a - G e f e l i s ch a s t ihre Dienste unter der Bedingung an, daß sie dafür durch llcbcrlassiing vo» Farmen entschädigt werden. Inzwischen ist der Gesandte Lobengula's. Uinscbcte, in Eapstadt cingetroffen »nd bereits von Sir Henry Loch cnipsaiigcn worden. Die öffentliche Meinung glaubt, daß der Krieg unausbleiblich ist und kritisirt nur »och in abfälligster Weise die Politik der britische» Reichsregierung. Ein Eapstärter Blatt erklärt, die Wilden würden auf Kosten des Lebens der englischen nnv holländischen Eolonisten ge schützt. In der Eapstadl wird mir überleben, daß ein Krieg gegen die Matabcle kein Kinderspiel ist, daß die britische Re gierung der Südafrika-Gesellschaft vollkommen freie Hand läßl, und daß sic nur nicht RcichStruppcn und SlaatSgeld Ln Fesseln. 81 Roman von C. Bollbrecht. «llk Rechte Vorbehalten. (Fortsetzung.) „Und dazu verlangst Du meine Vermittelung?" fragte er rauh und mit einem solchen Ausdruck von Bitterkeit, daß Gerhart für einen Augenblick seinen Kummer vergaß und den Onkel mit Befremden ansah. Schon aber hatte dieser seine Selbstbeherrschung zurückerlangt. Er legte die Hand aus die Platte seine- Schreibtisches und sagte, sich zu einem Lächeln zwingend: „Verläßt Dick, den schneidigen Gardereiter, der Muth an gesichts eine» kleinen Mädchens ?" „Bei Gott, Onkel, Du hast nicht Unrecht. Solch eine Liebeserklärung ist rin heikle» Ding. Lieber im heftigsten Kugelregen. Aber, laß Dir sagen, die Cavallerieattacke hat schon stattgefunden und nun fordere ick Deine Unterstützung al« schweres Geschütz, ha, ha! Ich weiß, wie viel Hildegard auf Dein Urthril hält. Sei Du mein Fürsprecher." Er hatte seine frohe Laune zurückerlangt. Hildegards Davonlausen erschien ihm lediglich als mädchenhaftes Strauben. „Wie?!" fragte der Advocat, „so hast Du ihr Deine Liebe schon erklärt?! Und sie?" Er brachte die Fragen nur schwer über die Lippen. Der Lieutenant nickte zustimmcnd. „Sie hat mich auSgelacht, aber ich glaube, eS war ihr nicht ernst mit dem Lachen." Paul holte tief Atbem; aber sofort unterdrückte er eine nicht zu verhehlende schadenfrohe Regung im Keim, so daß sie für immer erstarb. „Dich auSgelacht! Und Du willst dennoch —" „Ha, ha. Onkel! E« war ja nur dir Uedcrraschung. Und dann — erzürnte sie ein unüberlegte« Wort von mir und sie lief davon. Und nun sprich Du mit ihr, bitte. Sei mein Areiwerber. Sage ihr, wie sehr ich sie liebe." „Und warum gerade ich?! Warum nicht Deine Eltern?!" „Sie wissen schon darum und wünschen herzlich, daß mein Hoffen sich erfüllen möge. Mama glaubt auch bemerkt zu haben, daß ich Hildegard nicht qleichgiltig sei. Aber für mich V«rb«»?l Nein, die Gunst mußt Du mir erweisen, Onlel." „Und könnte nicht Iettchcn" — „Tante Iettchcn eignet sich nicht dazu. Sie ist zu zagbast. Du mußt für mich sprechen. Du gehst inS Zeug. Dir flehen die rechten Worte zu Gebote. Auch hält sie aus Dich am meisten, und Du bist ja auch ihr Vormund." Noch immer zögerte der Rechtsanwalt mit seiner Zusage. Sein ganze« Empfinden sträubte sich gegen diesen Auftrag. Er selbst liebte Hildegard, darüber war er mit sich längst im Klaren. Noch lag er mit seiner eigenen Liebe im barten Kampfe, und nun sollte er den Freiwcrber abgebcn für einen Anderen? — Dieser Andere war seiner Schwester Sohn, er stand seinem Herzen nahe. Allein immerhin -- würde er dessen fähig sein? Und plötzlich schweiften seine Gedanke» zurück in die Vergangenheit. Die Flugkraft der Erinnerung führte ihn um manches Jahr zurück. Ja, eS lagen volle Zwanzig dazwischen, als sein Vater ibn, der gerade auS dem Gymnasium mit einem Arm voller Bücher kam, mit hinaus nach Neuhof genommen hatte. Dort legte Melanie ihm ihren kleinen Jungen in die Arme. Er wunderte sich sehr über den winzigen Wicht und war sehr stolz in der Gewißheit, daß er nun Onkel sei. Er selbst war damals schon ein Tertianer von fünfzehn Jahren und hatte heimlich längst die erste Cigarre geraucht. Fortan war der kleine Gerhart auch in seinen, wie in der Anderen Augen der Dtittelpunct der Familie. Er selbst hatte nach einigen Jahren die Universität bezogen, so oft er aber zu den Ferien nach Hause kam, sano er daS schneidige Bürschchen um ein Stück mehr in die Höhe geschossen. Während er dann seinen Bildungsweg vollendete und den Doctorhut erwarb, trat der Junge ins Cadcttenbaus ein. Wenn er dann wöchentlich einmal bei den Großeltern speiste, begann er erst schüchtern, allgemach aber mit wachsendem Sclbstbewußtscin sich in daS Gespräch der Erwachsenen eiiizu- mischrn. Der Doctor hatte sein Bureau eröffnet, die Zahl seiner Clienten wuchs, er war ein Mann, der auf eigenen Füßen stand und eine Familie begründen konnte. Gerhart war jüngster Lieutenant bei den Gardcrcitern. Es kam die Zeit, wo die Interessen von Onkel und Neffen sich begegneten, und einmal trafen sich beide als Tänzer auf einem Ball. — Die» war für Paul da- Signal, sich nunmehr den alten Herren zuzugesrllen, obgleich diese ihm die Berechtigung hierzu keineswegs zugesteben wollten. Ja, an den heranwacksenren Kindern in der Familie merkt man daS Altwerden. Und er hatte sich mit viel Gelaffenbeit darein gefunden. Hier aber — war'» nickt schauerlich lächerlich, daß er dasselbe Mädchen liebte, wie sein Neffe ? . . . Er richtete sich stramm aus »»d reichte Gerhart die Hand. „Ich will eS thun, mein Junge." „O Dank, tausendfache» Dank, Onkel. Und bald, damit ich auS der Aufregung hcrauSkommc. Sagt sic: Nein, da»» muß ick'S tragen. Aber mit Dir wird sie crnstbaft reden. Sage ihr nur recht viel z» mcincii Gunsten und dille sie, sie möge mir da» unüberlegte Wort, welches sic verletzte, verzeihen." „Und meinst Tu nicht, daß Du zum Heiralhcn eigentlich noch zu jung bist?" „Mama sagt, wir könnte» nach ein paar Jahre Warle», wenn wir nur erst verlobt sind. DaS findet sich dann. Ei» Mädchen wie Hildegard muß man sich bei Zeilen sichern." „Du hast Reckt." „Und — Onkel — ich werde Euer HauS jetzt ein paar Tage meiden, bis ich Gewißheit habe. Ich besuche Dich täglich im Bureau." „Einverstanden. Ist Dir eine Cigarre gefällig?" Gerbart bediente sich auS dem Kaste», welche» rer Doctor ibm hinbielt. Dann schüttelten sie sich die Hände zu», Abschied. Bald darauf verkündete dem Vorhof enteilende» Pferdcgctrappel, daß der junge Cavallerist das Hau» verlassen habe. Er ritt dem Gute seiner Eltern zu, fest überzeugt, daß er sein Geschick in die besten Hände gelegt habe. Mit starken Schritten dnrchmaß Doctor Reinbold das Gemach. DaS Gespräch mit dem Neffen batte ibn ausö Innerste bewegt. Gesüble, die er bereit« als überwunden ge wähnt, warm aufs Neue erwacht und beunruhigten sein klare- Denken. Niemals vordeni hatte sein Herz für rin weibliche- Wesen höher geschlagen, als e« vorübergehendes Wohlgefallen, eine Wallung de- Augenblicks mit sich bringt. Da Iettchcn in feinsinnigster Weise für ihn Sorge trug, so war eS den Ge schwistern selten in den Sinn gekommen, daß eins von ihnen sich vermählen könne. DaS stimmungsvolle Behagen ihrer Häuslichkeit zu wahren als unveräußerliches Gut, schien beite» Pflicht, ohne daß man darüber Worte wechselte oder Gelübde ableate. Und doch hatte eS Augenblicke gegeben, wo diese Funda mente sich erschüttert zeigten. Paul Rcinholv hatte sich kein Hehl daran» gemacht, daß er Hildegard liebte. ES gab Stunden, wo er sie zu erringen hoffte als höchste» Kleinod seines Leben», allein Hildegards mimosenhasieS Zurückwcichen, ihre Kälte und Schüchternheit, ihr herzlicher Verkebr mit Gcrbart er- scdütterten kein Selbstvertrauen und erstickten seine Wünsche. Achtes Capitel. Es hat die ganze Nacht »nd auch einen Thcil des Bor mittags hindurch geregnet. Ein köstlicher Frühjahrsrege», der »och i» zahllosen zitternden Tröpfchen an den Spitzen der Blätter bängt und aus de» Blülhcnkelchen schimmert. Unter dem Flieder und Goldregen bat er arg gekauft. Der Boden ist bedeckt mit weißen, lila und gelben Ueberreftcn, die »och im Ersterben die Erke schmücken. Den Rabatten und Sandwcgcn entströmt ei» balsamischer Duft, der sich auch Einlaß in die geöffneten Fenster des SolonS bahnt. Hildegard sitzt vor dem Flügel und schlägt, oft »ach langer Pause, einige Aecorkc an. Iettchcn ordnet in eine Krystall- schatc einen Strauß zartrosa angehauchter Magnolie». Sic siebt bei ihrer Beschäftigung scbr glücklich und in sich zufrieden a»S. Das bcllgrauc Kleid, daS sic trägt, »inschließt elegant ihre seine Gestalt. Ihr braunes Haar, aus dem ein Schimmer der scheitenden Sonne liegt, leuchtet in einem zarten Goldglanz. Hildegard bat in lässiger Träumerei die Finger auf die Tasten linken lassen. Sie ist beule sebr zerstreut »nv dachte »och eben darüber nach, ob sic wobl Iettchcn mitthcilcn solle, was gestern zwischen ihr und Gerhart vorgcfallen, doch vcrurtbeilt sic sich immer wieder zum Schweige»; denn sie fürchtet, Iettchcn werde diesmal nickt mit ihr zufrieden sein. Sie liebt ja ihren Ressen so innig. Jetzt ist sic ganz und mit jugend lichem Entzücke» in Ietlchen's Anblick rersunken und ruft mit Enthusiasmus: ..Iettchcn, Du trägst einen Glorienschein. Wie schön Tu auSsiebst!" Iettchcn lacht. Sie hat ihre Beschäftigung vollendet und setzt die gefüllte Schale auf ein kleine» Tischchen, neben dem sic sich niedcrläßt. „Kind, Tu pbantasirst. WaS fehlt Dir eigentlich? Tu bist beute so sonrerbar!" Hildegard ist aufgcsprungc» und wirft sich vor Iettchcn auf die Knie. Sic legt !brc Arme auf deren Schooß und sieht mit ihren lebhaften, sprechende» Augen zu ihr empor. „Weißt T», Iettchcn, ich wollte. Tu wärest iininer bei mir gewesen — dann wäre ich auch so gut geworden wie Du. Warum hast Du eigentlich nicht geheiratbet?" „Warum?" cntgegncte Iettchcn mit einem Errötben, da« ibr scbr gut stand. DaS ist wirklich schwer zu beantworten. Ich kan» nicht sage», eS bat mich keiner bade» wollen — den eS fanden sich einige scbr ebrenwcrthe Männer, welche um mi warben. Aber eS befand sich keiner darunter, den ick wirkst^
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