Politiker müßten ihre Logenmitgliedschaft offenlegen. Die Bürger hätten ein Recht darauf zu wissen, bei welchem Geheimbund oder Verein ein Politiker sei. Es sind vor allem die Rechten bis Rechtsradikalen, die sich mit Vorliebe an den Freimaurern abarbeiten, gern vermengt mit einer guten Portion Antisemitismus. Was Vertreter der Evangeli schen Kirche in Deutschland elegant als »Einfluß« formulieren, kursiert in nazistischen Kreisen unter dem altbekannten Schlagwort »Weltverschwörung«. Die Internetseiten des Thulenets versuchen glauben zu machen, daß Juden, Kommunisten und Freimaurer ihre Strippen rund um den Globus ziehen. Ob Aids oder der Tod Uwe Barscheis und die Ermordung Jitzhak Rabins - die Finger im Spiel hat stets das internationale Freimaurertum. »The New World Order«, eine neue Weltordnung, ist es, was rechte Verschwörungstheoretiker fürchten. Das zum Slogan pas sende Buch gleichen Namens schrieb 1991 der US-Amerikaner Pat Robertson, Fernsehpredi ger und Gründer der Religionsgemeinschaft »Christian Coalition«. Das Buch avancierte zum Bestseller. Doch nicht nur die religiöse Rechte der USA verbreitet die Theorie vom weltweit planvoll agierenden Freimaurertum. Ebenso oder gerade auch in Deutschland haben Strip penzieher-Geschichten Konjunktur. Wie der Titel »Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert« des neofaschistischen Autors Jan van Heising, der 1993 erschien. Über hun- derttausendmal verkaufte sich das braune Machwerk - ohne Werbung ehe es die Mannhei mer Staatsanwaltschaft auf den Index setzte. Gegen diese paranoiden Theorien allerdings verwahren sich die Kirchen, auch wenn sie von den Logenbrüdern nicht gerade begeistert sind. Was nämlich bei dem jahrhundertelangen Kampf der katholischen Kirche gegen die Maurerlogen mitschwingt, ist die Angst vor der Sekte, der Ersatzkirche, kurz: dem Konkurrenzunternehmen. Und in der Tat leisten die Freimaurer diesem Verdacht Vorschub. »Wir halten es jedoch für unsere Pflicht, in unserer Zeit der Des orientierung und des Verlustes von geistigen Werten, auf eine Geisteshaltung hinzuweisen, von deren Richtigkeit wir zutiefst überzeugt sind. Früher hatten Menschen ein Ziel, aber keinen Weg, heute werden alle möglichen Wege angeboten, aber kein Ziel«, heißt es auf der Homepage der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland. Und weiter verspricht der Text: »Wir haben Beides: den Weg und das Ziel.« Dennoch: Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) und selbst der Sektenbericht der Bundesregierung halten die Freimaurer für harmlos. Das Gerede von der Sekte sei »vollkommener Unsinn«, sagt Hans-Jürgen Ruppert von der EZW. Daß die wirre Theorie von der Freimaurerverschwörung immer noch durchs Internet geistert, zeigt zumindest eines: Die Angst vor Seilschaften und Geheimbünden sitzt tief. Tatsächlich aber scheint dies vor allem die allzu verständliche Angst zu sein, in der falschen Seilschaft zu sitzen. Und die Frei maurer mit ihrer Geheimnistuerei bieten da eine Projektionsfläche par excellence. Konspirative Denkfiguren machen das Leben leichter, sie schreiben Verantwortung eindeutig zu, lassen Vor gänge schicksalhaft erscheinen und überhaupt: Das Gute an Verschwörungstheorien ist, sie las sen sich nicht beweisen - und damit auch nicht widerlegen.