67 Das alte Logenhaus Chemnitz Brauhausstraße ein Lazarett, das vom Chemnitzer Augenarzt und Freimaurer Dr.Velhagen geleitet wurde. Bis zum 31. August 1917 konnten in dem als Krankenraum hergerichteten Festsaal der Loge 481 kriegsblinde und sehgeschädigte Frontsoldaten medizinisch betreut werden. Ehefrauen und vor allem Töchter Chemnitzer Freimaurer leisteten als Krankenschwestern Beachtliches. 10 * Über ihre eigenen »Projekte« hinaus unterstützte die Loge im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts außerdem eine Vielzahl weiterer Einrichtungen wie z. B. die Blindenanstalt. Auch die Tatsache, daß allein für die Linderung der schlimmsten Not der Ruhrbevölkerung anfangs der zwanziger Jahre eine Spende von einer Million Reichsmark durch die »Harmonie« aufgebracht werden konnte 11 *, bedarf einer besonderen Erwähnung, denn hier engagierte sich die Loge öffentlich und eigentlich entgegen ihrer Selbstverpflichtung, sich aus allen ideologisch relevanten Erschei nungen herauszuhalten, in einer primär politischen Angelegenheit. Man muß dabei natürlich bedenken, daß auch Freimaurer Kinder ihrer Zeit sind 12 *: Wie bei jedem anderen bewußt leben den Bürger fand die politische Meinungsvielfalt der Jahre zwischen 1919 und 1933 ihren Wider hall auch bei den Freimaurern. So verwundert auch die Bandbreite politischer Meinungen nicht, die sich in den gedruckten logeninternen Schriften der Chemnitzer manifestieren. Obwohl nach 1918 »die Mehrheit der deutschen Freimaurer kaum liberaler und demokratischer war als ihre Gegner auf der extremen Rechten« 13 *, lassen sich jedoch in den unmittelbaren Anfangstagen der Weimarer Republik einzelne bemerkenswerte gegenteilige Aussagen finden. Während der mon archistisch eingestellte Teil der Loge dem exilierten Kaiser nachtrauerte, artikulierte der amtie rende Meister vom Stuhl Ernst Richard Schneider in seiner Ansprache »Zur ersten Tempelarbeit im neuen Jahre«, gehalten am 16. Januar 1919 (drei Tage also vor der Einberufung der National versammlung in Weimar), eine ganz andere Position. Ausgehend davon, daß keine Staatsform ewig sei und es dem Freimaurer gezieme, weder den Tod als Ende des Lebens noch das Vergehen alter Staatsformen als das Ende des Vaterlandes anzusehen, entwickelte Schneider ein Handlungs angebot für die Brüder der Chemnitzer »Harmonie« und ein klares Programm der Selbstverortung