2 Vorbemerkung Juni 2009 Hans-Peter Lühr Vielfältig sind in diesem Jahr 2009 die Projekte und Feierlichkeiten, die sich den revolutionie renden Ereignissen von vor zwanzig Jahren, dem Aufbruch des Herbstes 1989 widmen. Das Ge fühl der Beteiligten will nicht recht glauben, was nüchterner Verstand bilanziert: zwanzig Jahre ist das schon her — eine Zeitspanne, fast gleichlang wie die »Zwischenkriegszeit« nach 1918 und knapp halb so lang wie die beiden deutschen Separatstaaten existierten: Wir wissen es, Historie misst sich in eigenen Kategorien. Der Dresdner Geschichtsverein und die Dresdner Hefte sind an dieser Erinnerungsarbeit auf ihre Weise beteiligt, und nicht zum ersten Mal. Vor zehn Jahren erschien die vorliegende Aus gabe unserer Zeitschrift - längst ist sie vergriffen und selbst ein Dokument. Wir folgen gern dem Wunsch des Buchhandels (und des Lesers), sie erneut vorzulegen; in unveränderter Fassung, also aus dem Horizont des Jahres 1999, der wohl nur partiell zu revidieren ist. Bereits ein Jahrzehnt liegt der Herbst ’89, die erste geglückte und friedliche Revolution auf deutschem Boden, hinter uns. In der individuellen Erinnerung ist jedoch so mancher Tag von 1989/90 noch ganz nah, besonders für jene Dresdner, die damals aktiv Geschichte mitge schrieben haben. Damals geschah vieles in verwirrendem Tempo. Heute ist es Geschichte. Wir kennen ihre Chronologie und bemühen uns um die Deutung. Die permanente Krise des staatssozialisti schen Systems war - spätestens seit Gorbatschow - in den 80er Jahren immer offenbarer und unerträglicher geworden. Zur ökonomischen Misere der DDR, der desolaten Wirtschaft, dem Verfall der Städte, den ökologischen Mißständen kam die völlige ideologische Lähmung der SED, ihre rettungslose Verlogenheit. Es wuchs im Volk eine verzweifelte Wut. Nach dem Wahlbetrug im Mai und der Solidaritätserklärung der Parteiführung mit dem Blutbad in China wuchs auch die Ausreisewelle im Sommer 1989 lawinenartig an und mit ihr die Opposition. Ab 3. Oktober kam es am Dresdner Hauptbahnhof zum offenen Ausbruch der Wut in einem Ausmaß, wie es das Land seit dem 17. Juni 1953 nicht mehr erlebt hatte.